Die Wiedereinsetzung des Königs Eardulf von Northumbrien durch Karl den Grossen und Papst Leo III.

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Autor: K. Hampe
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Titel: Die Wiedereinsetzung des Königs Eardulf von Northumbrien durch Karl den Grossen und Papst Leo III.
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 11 (1894), S. 352–359.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. B. und Leipzig
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[352] Die Wiedereinsetzung des Königs Eardulf von Northumbrien durch Karl den Grossen und Papst Leo III. Die interessante kleine Sammlung von Briefen des Papstes Leo III. an Karl den Grossen, die zuletzt von Jaffé im vierten Bande seiner Bibliotheca rerum Germanicarum herausgegeben ist, hat man schon sehr häufig für die Geschichte jener Zeit ausgebeutet. Was sich ihnen an Thatsachen entnehmen lässt, ist ziemlich vollständig daraus geschöpft. Indessen scheint es mir, dass sich für die diplomatischen Beziehungen dieser beiden weltgeschichtlichen Persönlichkeiten, insbesondere für die päpstliche Politik, noch einige Züge aus ihnen gewinnen lassen, die vielleicht nicht ganz neu, aber in keiner bisherigen Darstellung in wünschenswerther Weise hervorgehoben sind.

Nur muss man sich entschliessen, hier und da den sicheren Boden der Thatsachen einmal zu verlassen und in die Absichten des Verfassers der Briefe einzudringen, zwischen den Zeilen zu lesen und selbst Vermuthungen zu wagen, wenn sie nur einige Wahrscheinlichkeit für sich haben. Es sind eben keine vertraulichen Briefe, sondern diplomatische Actenstücke, deren einzelne Aeusserungen nicht ohne Weiteres für baare Münze zu nehmen sind, sondern nach der Absicht, aus der ein jedes Schreiben hervorgegangen ist, auf ihren wahren Werth bestimmt werden müssen. Derartige Erwägungen führen vielfach nur zu unsicheren Ergebnissen, und in einem Werke wie Simson’s Jahrbüchern des Fränkischen Reiches unter Karl dem Grossen mögen sie desshalb mit Recht weniger Berücksichtigung finden; aber würden nur diese oder jene politischen Bestrebungen und verborgenen Absichten bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich gemacht, so wäre auch das schon Gewinn.

Vielleicht das bedeutsamste der in diesen Briefen berührten Ereignisse ist die Zurückführung des vertriebenen Königs Eardulf von Northumbrien in sein Königreich durch ein gemeinsames Vorgehen des Kaisers und des Papstes. Diese Einmischung, insbesondere was [353] die Betheiligung des Papstes betrifft, hat früher je nach dem Standpunkt der Geschichtsschreiber eine sehr verschiedene Beurtheilung erfahren. Baronius verkündete in vollen Tönen die Macht des Papstthums, die darin schon in dieser frühen Zeit zum Ausdruck komme; Conring wies das scharf zurück, und Englische Kirchenhistoriker hätten am liebsten den ganzen Vorgang bestritten, da er von Angelsächsischen Chronisten nicht erwähnt sei. Neuerdings hat man sich meist mit der Feststellung der Thatsache begnügt. Aber die Frage, wie denn dies Zusammenwirken von Kaiser und Papst aufzufassen, und welcher Antheil daran jedem von beiden in Wirklichkeit zuzuschreiben sei, ist nicht unberechtigt.

Die Vertreibung Eardulf’s aus Northumbrien wird fast allgemein in das Jahr 806 gesetzt[1]. Wäre man lediglich auf die Angelsächsische Chronistik angewiesen, so würde man kaum Bedenken dagegen haben, denn in den alten, verlorenen Northumbrischen Annalen, die noch in den Zusätzen zu den jüngeren Handschriften der sogen. Angelsächsischen Chronik, in den Annalen von Lindisfarne und den Werken Simeons von Durham zum Theil erhalten sind, scheint das Ereigniss zu diesem Jahre gesetzt oder, was dasselbe bedeutet, die Regierungszeit des Königs auf 10 Jahre angegeben zu sein[2]. Aber es fragt sich, ob die durch häufigen Herrscherwechsel und andere Unruhen gerade in dieser Zeit stark beeinträchtigte Northumbrische Ueberlieferung einen unbedingt sicheren Stützpunkt gewährt. So manche Irrthümer in ihnen mahnen jedenfalls zur Vorsicht[3].

[354] Abweichend von der gewöhnlichen Annahme haben die Herausgeber der Englischen Councils die Vertreibung Eardulf’s in die zweite Hälfte des Jahres 807 oder in den Anfang 808 setzen wollen, aber sie haben das mit ganz unzulänglichen Gründen gestützt[4].

Was indessen für ihre Ansicht spricht, ist der so auffallend lange Zeitraum, der seit dem Jahre 806 verstrichen sein soll, ehe Leo III. und Karl dem Ereigniss Beachtung schenkten. Der päpstliche Legat, der in diese Northumbrischen Wirren eingreifen sollte, kann längere Zeit vor dem März schwerlich das Frankenreich durchreist haben[5]; der Papst wäre also mehr als ein Jahr in völliger Unkenntniss dieser Ereignisse geblieben, obwohl er sie direct von England erfuhr, oder er müsste sehr lange mit der Entsendung des Legaten gezögert haben. Noch später wäre die Nachricht zu Karl gedrungen oder auch er müsste auffallend gezaudert haben, ehe er sich entschloss, den vertriebenen König durch Boten zu sich rufen zu lassen; und dass er etwa im April 808 die Vertreibung Eardulf’s dem Papste als eine Neuigkeit mittheilte[6], würde kaum glaublich sein bei einem Ereigniss, das sich vor mindestens 16 Monaten zugetragen hätte[7].

Es ist also immerhin fraglich, ob eine doch nicht unbedingt verlässliche Annalenangabe diese Unwahrscheinlichkeiten aufwiegt.

[355] Der Sturz des Northumbrischen Königs war diesmal offenbar durch die Geistlichkeit des Landes herbeigeführt worden. An ihrer Spitze stand der Erzbischof von York Eanbald II. Auf welcher Seite die Hauptschuld an dem Zerwürfniss lag, lässt sich nicht entscheiden. Conflicte zwischen dieser Macht im Staate und dem Königthum ergaben sich mit Nothwendigkeit. Schon die Vorgänger Eanbald’s hatten über Bedrückungen zu klagen gehabt, und er selbst war weit anspruchsvoller aufgetreten, als jene. Wir wissen, dass er Feinde des Königs in seinen Schutz nahm und auf ihre Besitzungen seine Hand legte. So hatte er seine kriegerische und wirthschaftliche Macht weit über das gewöhnliche Mass ausgedehnt und war nun stark genug, dem Könige die Spitze zu bieten[8]. Man möchte vermuthen, dass Aelfwold, der nun den Thron bestieg, sein Geschöpf war, denn nur der Erzbischof, nicht der neue König, wird in unseren Briefen als das Haupt der Gegner Eardulf’s genannt. Die entscheidende Rolle, welche die hohe Geistlichkeit bei dieser Revolution spielte, muss man im Auge behalten, um die Einmischung des Papstes und des Kaisers richtig zu beurtheilen.

Sie erklärt zunächst das Interesse, das Leo III. sogleich an den Dingen nahm. Nachdem er von England die Kunde erhalten hatte, sandte er einen Legaten dorthin, dessen Reise durch das Frankenreich von Karl in gewohnter Weise begünstigt wurde. Dass dies schon der Legat Aldulf war, wie allgemein angenommen wird, ist keineswegs erwiesen. Es scheint, dass Karl über den Zweck seiner Sendung nicht unterrichtet worden ist, ihn also wohl kaum persönlich empfangen hat[9]. – Mittlerweile hatte er selbst von den Northumbrischen Unruhen gehört und war sogleich für den geflüchteten König [356] eingetreten, der ihm stets treu ergeben gewesen war[10]. Durch Boten liess er ihn sicher an seinen Hof nach Nymwegen geleiten[11]. Etwa im April 808 traf er dort ein und legte nun dem Kaiser seine Sache ans Herz.

Aber auch Erzbischof Eanbald wandte sich brieflich an Karl, und noch ein anderer Machthaber, der König Coenulf von Mercia, suchte sich, wie es scheint, die Northumbrischen Wirren zunutze zu machen. Alle diese Verhältnisse sind sehr dunkel; aus kurzen Andeutungen muss man errathen. Es scheint, dass sich eine Partei politischer Flüchtlinge mit dem „Herzog“ Wado, der sich einst gegen Eardulf empört hatte, an der Spitze am Hofe des Königs von Mercia aufhielt, die nun mit ihm gemeinsam der Northumbrischen Geistlichkeit den Gewinn aus dem Sturze des früheren Herrschers streitig machen wollte. Jedenfalls richteten Coenulf und Wado ebenfalls Briefe an den Kaiser, vor dem so die Parteien sich gegenseitig beschuldigten, um seine Gunst zu gewinnen[12].

Karl war entschlossen, dem König Eardulf die Herrschaft wieder zu verschaffen. Wollte er das erzwingen, so war es nach dem oben geschilderten Charakter der Revolution für ihn der gegebene Weg, sich der päpstlichen Autorität über den Erzbischof von York zu diesem Zwecke zu bedienen. So konnte alles auf friedlichem Wege erreicht werden. Das allein wird der Grund gewesen sein, weshalb er den Papst in die Angelegenheit hineinzog. Er verlangte von ihm in einem Briefe, er solle einen Legaten mit einem Schreiben an den Erzbischof Eanbald senden und ihn kraft seines apostolischen Ansehens auffordern, mit seinen Parteigenossen vor dem Papste oder dem Kaiser zu erscheinen und sich zu rechtfertigen[13].

Leo III. ging darauf sogleich ein; ob gern oder ungern, ist schwer zu sagen. Wenn man alle Aeusserungen überschaut, die er zu dieser Frage in seinen Briefen gethan hat, so lässt sich seine Stellung etwa folgendermassen bezeichnen: Auch er hatte nichts gegen [357] die Wiedereinsetzung Eardulf’s, der bisher freundliche Beziehungen zu ihm unterhalten hatte[14]. Aber er wünschte doch, den mächtigen Erzbischof von York mit mehr Vorsicht zu behandeln, damit nicht durch allzu rücksichtslose Eingriffe der Curie das päpstliche Ansehen in der Angelsächsischen Kirche herabgesetzt oder wohl gar, wie der Papst sich ausdrückte, der Ertrag der Bemühungen seines Vorgängers, des Papstes Gregor, jetzt zunichte gemacht würde[15]. Er versuchte, so scheint es, den Erzbischof durch Vereinbarung anstatt durch Befehl zum Nachgeben zu bringen. Diese Bestrebungen liefen nun neben denen Karl’s her; im Ziele mit dem Kaiser übereinstimmend, suchte Leo unter der Hand die Angelegenheit nach seinem Wunsche zu ordnen.

Den verlangten Brief an Eanbald liess er nicht, wie Karl gefordert, durch einen neuen Legaten nach England bringen, sondern bat den Kaiser, einen eigenen Boten hinzusenden, damit dieser gemeinsam mit dem schon dort weilenden Legaten dem Erzbischof von York die Vorladung übergebe. Vielleicht war es in der That die Rücksichtnahme auf die Geistlichkeit oder das Volk von Northumbrien, die den Papst dazu bewog, damit sie nicht durch allzu häufige Sendung von Legaten gereizt würden[16]. Oder wollte er etwa die unerwünschte Botschaft an den Erzbischof lieber von einem Beamten des Kaisers überbringen lassen, damit offen dargethan würde, von wem sie in Wahrheit ausging?

Für den Fall, dass Karl seiner Bitte nicht willfahren würde, liess er indess einen Legaten sich bereit machen, der sogleich aufbrechen sollte, wenn jener darauf bestände.

Wir wissen nicht, wie der Kaiser sich entschieden hat. Jedenfalls ist es sehr wohl möglich, dass im Verlaufe des Sommers noch ein Legat nach England geschickt wurde, und dass dies erst der Diakon Aldulf von Angelsächsischer Herkunft war, der von Karl freundlich [358] und ehrenvoll aufgenommen und in seiner Weiterreise gefördert wurde, nachdem er dem Kaiser die Zusage gegeben, auf der Heimkehr wieder erst bei ihm vorzusprechen. Dieser hat nun, wie es scheint, mit Eanbald feste Vereinbarungen getroffen und in Schriftstücken aufgesetzt, die dem Papste als Pfand für ihre Erfüllung dienen sollten[17]. Worin diese Abmachungen bestanden, wissen wir nicht. Die Zustimmung des Erzbischofs zur Rückkehr Eardulf’s wird man erlangt haben; doch kann man daneben auch seinen Wünschen bis zu einem gewissen Grade entgegengekommen sein; wenigstens wurde die Forderung der persönlichen Rechtfertigung vor Papst oder Kaiser nicht aufrecht erhalten. Wollte man weiter die alte Northumbrische Ueberlieferung heranziehen, in der eine zweite Regierungszeit Eardulf’s nicht erwähnt wird, so könnte man vermuthen, er habe nur in sein Reich zurückgeführt werden sollen, um zu Gunsten seines Sohnes Eanred abzudanken. Aber eine solche Vermuthung schwebt doch allzusehr in der Luft.

Mit den Sehriftstücken machte sich der Legat Aldulf gemeinsam mit einem Gesandten Eanbald’s auf die Heimkehr. Aber trotz des gegebenen Versprechens, und obwohl auch der Gesandte von seinem Herrn an Karl empfohlen war, warteten beide doch nicht den Boten des Kaisers ab, der sie zu ihm geleiten sollte, sondern eilten, so schnell sie konnten, nach Rom, wo sie gegen Ende des Jahres eintrafen.

Die Erklärung, die Karl für dies seltsame Verhalten fand, ist sehr einleuchtend, obwohl sie vom Papste nachher bestritten wurde. Darnach hätten sie unterwegs erfahren, dass König Eardulf sich auf der Reise nach Rom befinde[18], und hätten alles daran gesetzt, vor ihm dort anzukommen. In der That musste ihnen viel daran liegen, dass nicht der Papst durch Versprechungen, die ihm etwa der König in persönlicher Unterredung abgewann, die Vereinbarungen, welche sie in der Tasche führten, durchkreuzte; und ebenso erschien es wünschenswerth, dem Kaiser nicht eher Einblick in die Dinge zu gewähren, als bis sie durch die Zustimmung des Papstes zum vorläufigen Abschluss gebracht waren.

Karl gerieth durch diese Umgehung seiner Person und den Bruch des Versprechens in heftigen Zorn[19]; in einem Briefe sprach er dem Papste offen seinen Verdacht aus und klagte die Gesandten an, dass sie in betrügerischer Weise geheime Schriftstücke, die er selbst nicht habe sehen sollen, dem Papste überbracht hätten.

[359] Leo bewies durch die Wärme, mit der er für die Beschuldigten eintrat, wie sehr sie im Interesse der Curie gehandelt hatten. Er bestritt die Annahmen Karl’s entschieden und sandte ihm zum Beweis für ihre Unrichtigkeit alle Briefe, die ihm die Gesandten aus England überbracht hätten. Freilich entkräftete er die Verdachtsgründe Karl’s damit doch nur zum Theil, und für das Benehmen der Gesandten wusste er keine andere Entschuldigung vorzubringen, als dass sie in der Einfalt ihres Herzens, unbekannt mit den Anstandsgesetzen dieser Welt so gehandelt hätten. Karl möge es entschuldigen, – „sind wir doch alle Menschen und nicht unfehlbar“ – und er möge sie, weil sie dem heiligen Peter einen Dienst erwiesen hätten, nur um so freundlicher aufnehmen.

Denn er sandte sie mit einem Schreiben vom 31. Dec. 808 an Karl. Die warme Empfehlung, die insbesondere dem Gesandten Eanbald’s zu Theil wurde, und der Hinweis auf die Gefahr einer Loslösung der Angelsächsischen Kirche vom Papstthum sollten wohl darauf hinwirken, dass Karl die Abmachungen nicht etwa noch zu Ungunsten des Erzbischofs ändere und damit alles in Frage stelle.

Wie Karl diesen Entschuldigungsbrief aufnahm, ist nicht bekannt. Die Wiedereinsetzung des Königs Eardulf, der gleichzeitig mit jenen Gesandten von Rom zurückgekehrt sein wird, erfolgte nun aber wirklich und zwar durch zwei Gesandte des Kaisers und den päpstlichen Legaten Aldulf – wahrscheinlich in den ersten Monaten des Jahres 809[20], – und damit erhielt dies diplomatische Vorgehen, bei dem Karl die Anregung und letzte Entscheidung gegeben, der Papst die Ausführung recht selbständig besorgt hatte, seinen Abschluss.

K. Hampe.     

Anmerkungen

  1. Von Neueren vgl. Heinsch, Die Reiche der Angelsachsen zur Zeit Karl’s des Grossen. Breslau 1875 S. 78. Simson, Jahrbb. des Fränkischen Reiches unter Karl d. Gr. II. Leipz. 1883 S. 398.
  2. The anglosaxon Chronicle Codd. D, E, F ed. Thorpe. London 1861 zu 806: Eardwulf Norđanhymbra cining wæs of his rice adrifen; Ann. Lindisfarn. Mon. Germ. SS. XIX, 506 fälschlich zu 797: Eardulf regnavit 10; Symeonis Historia Dunelmensis eccl. ed. Arnold. London 1885, I, 52: Sed eo decimo regni sui anno de provincia fugato, Aelfwold per biennium illud tenuit (vgl. II, 376. 391). Der Regierungsantritt des Königs war zweifellos am 14. Mai 796.
  3. Was die Ann. Lindisfarn. und Symeons Hist. Dunelm. eccl. für die folgenden Jahre berichten, – die Northumbrischen Zusätze der Angelsächsischen Chronik brechen ebenso wie die ähnlichen Angaben in Symeons Historia regum plötzlich ab – ist zum mindesten ungenau. Die Ann. Lindisfarn. geben den Regierungsantritt des Nachfolgers Aelfwold erst zum Jahre 808; und auch wenn man das lediglich als ein Versehen betrachten will, das mit der zu späten Ansetzung der Regierung Eardulf’s zusammenhängt, so bleibt es doch ungenau, dass nach einer zweijährigen Herrschaft Aelfwold’s, also 808, schon Eanred, der Sohn Eardulf’s, gefolgt sei, da aus unseren Briefen und den sogen. Ann. Einh. geschlossen werden muss, dass erst 809 Eardulf zurückgeführt wurde, wovon die Northumbrische Ueberlieferung nichts weiss, dass also frühestens in diesem Jahre sein Sohn auf ihn gefolgt sein kann (Ann. Lindisfarn. 506; Sym. Hist. Dunelm. eccl. 52). Auch die Angabe der Ann. Lindisfarn., Eardulf sei Karl’s Schwiegersohn gewesen, ist ja falsch (Simson II, 353 Anm. 3).
  4. Haddan and Stubbs, Councils, III Oxford 1871 S. 561 a. Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass Heinrich von Huntington (ed. Arnold, London 1871) in dem Königsverzeichniss nicht auf selbständiger Quelle fusst, sondern nur seine eigene Arbeit auszieht (vgl. auch Theopold, Krit. Unters. über d. Quellen z. Angelsächs. Gesch. des 8. Jhs. Göttinger Diss. Lemgo 1872 S. 24). Wenn dort also die Regierungszeit Eardulf’s auf 12 Jahre angegeben wird, so erklärt sich das einfach daraus, dass im obigen Text der Regierungsanfang durch Versehen unter das Jahr 794 gekommen ist. Also ist mit dieser abgeleiteten Quelle ebenso wenig anzufangen, wie mit anderen späten Ableitungen.
  5. Denn Ende März 808 hatte Leo trotz kürzlicher Nachrichten von Karl noch nichts von dieser Durchreise gehört, sondern erfuhr es erst aus einem Briefe desselben, den er einige Zeit später erhielt (Brief 1 u. 2 bei Jaffé).
  6. Vgl. den Ausdruck „insinuare“ in Brief 2.
  7. Dabei ist auf den Ausdruck „decimo anno“ in Sym. Hist. Dun. eccl. noch kein Gewicht gelegt, nach welchem genau genommen die Vertreibung des Königs schon vor dem 14. Mai 806 erfolgt sein müsste.
  8. So wird uns der Conflict erklärlich, auch ohne dass wir den unmittelbaren Anlass kennen. Vgl. die Briefe Alchvin’s, Jaffé Bibl. 173, 174 (demnächst Mon. Germ. Ep. IV, 232, 233).
  9. Vgl. Simson II, 382 und andere; Conring, Leonis III. epp. 2. ed. Helmst. 1655 S. 67 sagt wenigstens vorsichtig: „missus videtur fuisse Adolphus ille– – –“. Daraus, dass beide „more solito“ von Karl begünstigt wurden, lässt sich die Identität allein noch nicht erschliessen. Die folgende Erwägung spricht vielmehr eher dagegen: Karl hat den Legaten Aldulf jedenfalls persönlich empfangen („susceptus“ in Brief 3, während das Gleiche von dem missus in Brief 2 nicht gesagt ist). Er hat ihm dabei das Versprechen abgenommen, auf der Rückkehr von England wieder bei ihm vorzusprechen. Wäre dies der missus in Brief 2 gewesen, so würde Karl dem Papste die Vertreibung Eardulf’s wohl kaum noch als eine Neuigkeit mitgetheilt haben und hätte sich durch ihn nicht erst über den Zweck der Sendung jenes missus belehren zu lassen brauchen.
  10. Vgl. Simson II, 381 Anm. 4.
  11. Vgl. die Quellenangaben bei Simson II, 383 Anm. 3.
  12. Vgl. den Bericht in Symeons v. Durh. Hist. regum zum Jahre 798 von dem gegen Eardulf begonnenen Aufruhr des „Wada dux“, der flüchten musste, und zu 801 von dem Feldzuge Eardulfs gegen Coenulf „propter susceptionem inimicorum eius“. Nach dem ganzen Zusammenhang in Brief 2 bezogen sich die an Karl gerichteten Schreiben jedenfalls auch auf die Northumbrische Angelegenheit.
  13. „Misistis siquidem nobis, ut nostrae apostolieae auctoritatis epistolam saepe fato Eanbaldo archiepiscopo cum idoneum missum nostrum mitteremus“ etc.
  14. Ad nos missos suos dirigebat.
  15. Heinsch a. a. O. S. 95 bringt diese Aeusserung in einen durchaus falschen Zusammenhang; ähnlich Winkelmann, Gesch. der Angelsachsen. Berlin 1883 S. 126.
  16. Quia missum nostrum nondum suscepimus; et ipsi homines dolosi sunt, ut ne, missos super missos suscipientes, in dolositate eveniant, – eine Stelle, die noch wenig beachtet ist. Die Vorsicht Leo’s in der Behandlung der Angelsächsischen Geistlichkeit würde eine hinlängliche Erklärung finden durch den von Haddan und Stubbs III, 559 in das Jahr 805 gesetzten Protest der Britannischen Geistlichkeit gegen die Sitte, das Pallium von Rom zu holen, wenn man sich nur von der Echtheit dieses Bruchstückes überzeugen könnte.
  17. Vgl. die Stelle: Quia eorum verba pro pignore retinemus.
  18. Vgl. Simson 381 Anm. 7.
  19. Vgl. den Ausdruck „furor“ in Brief 3.
  20. Vgl. Simson II, 398 Anm. 5; Haddan and Stubbs, Councils III, 561 b geben die Zeitfolge dieser Ereignisse falsch an.