Die Verträge der Päpste mit den Karolingern und das neue Kaiserthum

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Autor: Wilhelm Sickel
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Titel: Die Verträge der Päpste mit den Karolingern und das neue Kaiserthum
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 11 (1894), S. 301–351; Bd. 12 (1894/95), S. 1–43.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1894/96
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. B. und Leipzig
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[301]
Die Verträge der Päpste mit den Karolingern und das neue Kaiserthum.
Von
Wilhelm Sickel.


I. Der Papst und das Oströmische Kaiserthum.

Als Constans II. im Jahre 663 Rom betrat – der einzige Byzantinische Imperator, den Rom gesehen hat –, fand er die Stadt, die vormals Sitz von Kaiser und Senat gewesen, die durch den Kaisercultus heilige Stadt, als eine Stadt der Kirche und des Papstes vor. Ihre Christengemeinde hatte das Ansehen und die Macht geerbt, welche Rom durch seine politische und seine heidnisch-religiöse Bedeutung besessen hatte. Aufgewachsen im Gefühl ihrer Reichsangehörigkeit und auf ihre Einheit im Reiche gerichtet, waren die Christen gewohnt geblieben, auch in ihren Angelegenheiten von dem Mittelpunkt des Römischen Erdkreises aus geleitet zu werden, von der Gemeinde, welche überdies die meisten Mitglieder zählte und die Lehre der Vorfahren am sichersten bewahrte. So war die Hauptstadt des Römischen Staates die Hauptstadt der Christenheit geworden. Wäre das Christenthum ein halbes Jahrtausend später entstanden, wäre es auf die Zustände des 6. Jahrhunderts gestossen, so würde es eine Römische Kirche niemals gegeben haben.

Nachdem die Autorität der Gemeinde der Welthauptstadt auf ihren Bischof übergegangen war, vermochten diese Bischöfe von Rom, die thatkräftigsten von allen, einen Primat für sich zu begründen. Ihr Ausspruch galt in Glaubenssachen mehr als der anderer Bischöfe; im Occident fehlten Patriarchen, welche die päpstliche Uebermacht hätten abwenden können; Synoden [302] und Imperatoren ertheilten dem Bischof von Rom Vorrechte, die er zu erweitern wusste. Als die Griechisch-Römische Cultur ihrem Untergange zuneigte und im Occident früher als im Orient das Mittelalter hereinbrach, war der Papst einer der ersten mittelalterlichen Menschen; auch in den höheren Schichten der Gesellschaft trat bei dem allgemeinen Verfall der Civilisation, dem Erlöschen des Geistes des Alterthums und dem Verschwinden alles historischen Sinnes Glaube und Aberglaube in sein Naturrecht ein. Diese Stimmung der Zeit hat der Papst zur Grundlage seiner Gewalt gemacht: er gründete seine Herrschaft auf das Einzige, was damals unerschütterlich und unangreifbar war, auf den vom Staate und seinem Untergang unabhängigen Glauben.

Indem der Bischof von Rom die Sorge für die gesammte Kirche[1] wahrnahm, nannte er seine Kirche das Haupt aller Kirchen[2] und sich selbst das Haupt aller Priester[3]. Um die Obergewalt zu begründen, gab er dem Gedanken der apostolischen Succession der Bischöfe, den zuerst ein Bischof von Rom gefasst hatte, die Wendung, dass er der Nachfolger des Apostels Petrus sei und dass Christus diesem Apostel die höchste Gewalt in seiner Kirche verliehen habe. Hatte auch Petrus keinen anderen Auftrag als die übrigen Apostel erhalten, den Auftrag, Christi Lehre zu verbreiten, und hatte er, wenn er in Rom war, hier nichts Anderes gethan, als was er gleich anderen Aposteln sonst gethan hatte, so wurde jetzt die Gegenwart mit der [303] Vergangenheit in zweckgemässe Uebereinstimmung gebracht. Die Macht der Kirche über die Menschen beruhte auf dem Glauben an die Unsterblichkeit der scheinbar Todten und an die Wirkung der Sünde und der Sündenvergebung. Um den Papst zum Meister und Beherrscher der Seelen zu machen, ging von Rom die Lehre aus, Petrus habe von Christus die Befugniss empfangen, die Sünden im Himmel und auf Erden zu erlassen[4]. Wurde ein solcher Apostel von dem Abendlande wie ein Gott verehrt, so glich der Papst, sein Statthalter, einem Gott auf Erden[5].

In Italien nahm der Bischof von Rom eine besondere Stellung ein. Die meisten Bischöfe des Landes waren ihm untergeben; er bestätigte ihre Wahl und ordinirte sie; sie schwuren ihm, von dem rechten Glauben nicht abzuweichen und den Nutzen der Römischen Kirche stets zu fördern[6]. In diesen gehorsamspflichtigen Klerikern besass der Papst nicht nur kirchliche Anhänger, sondern auch Männer, welche durch den Reichthum ihrer Aemter mächtig waren und als wichtige politische Verstärkungen galten. Diejenigen unter diesen Bischöfen, deren Diöcese Langobardisch war, vertraten die Politik des Papstes im Lande seiner Feinde.

Ausser seiner eigenartigen Gewalt in der Kirche besass der Papst Befugnisse im Staate, die er zwar mit den übrigen [304] Bischöfen theilte, die jedoch keiner so wirksam zu üben und so zu entwickeln vermochte wie er, und die nur er als allgemeines Haupt der Kirche nicht bloss in seinem Bisthum, sondern in der ganzen Provinz Italien versah.

Im Römischen Reiche war die Verderbniss des Beamtenthums immer grösser geworden. Es waren Männer, zum Amte geboren, begehrlich und unersättlich, die Gesetze verachtend und die Menschenrechte verhöhnend; Beamte, welche immer freier und gewaltthätiger regierten und die Reichen und Privilegirten immer häufiger in der Rechtsprechung und in der Besteuerung begünstigten. Unter ihnen ein Haufe dienender und steuernder Unterthanen. Der Militärstaat hatte den Kriegsmann so privilegirt, dass er nur vom eigenen Stande gerichtet wurde, – er entzog ihn der ordentlichen, der criminellen und der civilen Jurisdiction, um ihn der Gerechtigkeit überhaupt zu entziehen.

Hätte die im Römischen Reiche herrschende Partei so furchtbare Waffen zu ihrer Verfügung gehabt, wie sie in unseren Tagen sind, Waffen, mit denen sie das Volk zerschmettern könnte, so würde die kaiserliche Regierung vielleicht weniger um Besserung oder Unschädlichmachung ihres Beamtenthums besorgt gewesen sein; es wirkten bei ihr auch wohl noch Traditionen der grossen Volkszeit nach und mischten sich schliesslich christliche Motive ein. Die damalige Regierung wusste zu gut, dass es hoffnungslos sei, Bureaukraten durch Bureaukraten zu controlliren: ein Instanzenzug innerhalb der Bureaukratie war schon damals für das Volk ohne Gewinn. Hätte der Kaiser sich an den Gemeinsinn gewendet, um eine Aufsicht herzustellen, so würde er nur ein Scheinwesen von der Art unseres Parlamentarismus eingeführt haben. Es gab jedoch noch eine Beamtenschaft, deren Amtstüchtigkeit die Regel, deren Gesinnung zuverlässiger war, und diese Beamten waren bereit, ihrem sinkenden Staatswesen hilfreich zu sein. Es war der Episcopat. Hatte der Imperator in den Christen einst bessere Unterthanen zu gewinnen geglaubt, so sollten ihm jetzt die Bischöfe zur Beaufsichtigung seiner Beamten dienen. Er gewährte ihnen umfassende Aufsichtsrechte über die staatlichen und städtischen Beamten ihrer Diöcese und vertraute ihnen vornehmlich die Sorge für eine unparteiische Rechtspflege an; zweifelte eine Partei an der Gerechtigkeit ihres Richters, so durfte sie den Bischof auffordern, [305] gemeinsam mit dem verdächtigen Beamten das Urtheil zu sprechen, und den rechtsweigernden Richter zeigte der Bischof dem Kaiser an[7].

Auch durch andere staatsrechtliche Befugnisse vermochte der Papst den Italienern nützlich zu sein. Die Bürger erkoren städtische Beamte, und die Einwohner eines Regierungsbezirks schlugen der Behörde einen Einheimischen zum Provinzialstatthalter vor. Dieses Vorschlagsrecht und diese Ausschliessung der Fremden hatte der Kaiser seiner Provinz Italien in Folge der Germanischen Invasionen bewilligt[8]. Er hielt auf diese Weise nicht nur das Sondergefühl des Landes wach, sondern steigerte auch die Macht des Episcopats, und am meisten die des Papstes. In Rom fehlte das Amt des Statthalters und im übrigen Italien hörte es im 7. Jahrhundert auf, als in dem Militärstaat die Officiere die Geschäfte der Verwaltung übernahmen, aber auch seitdem verdankten kaiserliche Beamte ihre Stellung dem Einfluss des Papstes[9].

Der Papst war nicht nur das geistige Haupt und der volksfreundlichste Politiker, sondern auch der reichste Herr Italiens geworden. Ihm gehörten so zahlreiche, so ausgedehnte und so stark bevölkerte Ländereien, dass er in ihnen wichtige Stützpunkte für seine Macht und seine Politik besass. Die grossen Pächter, denen er Güter verlieh[10], vermehrten seine Anhänger, die von Colonen und Sklaven bebauten Aecker lieferten ihm bewaffnete Bauern, die bereit waren, für ihn zu kämpfen[11], und [306] die Gutsvorsteher dieser Besitzungen waren einflussreiche Vertreter seiner Interessen. Auch in Italien, dem seit Jahrhunderten von Feinden verheerten Lande, war der Wohlstand gesunken, Handel und Industrie stockten und die Ackerbauzeit hatte begonnen. In dieser Zeit erlangten geringere Grundherren, indem sie ihre Leute ernährten und schützten, neue Rechte, und auch für die päpstliche Gewalt trug der Landbesitz als eine Herrschaftsordnung des Mittelalters Frucht. In der That wäre ein Papst ohne Land, eine Römische Kirche ohne Landgüter in jenem Zeitalter ohne die unentbehrlichen Mittel für eine Weltstellung gewesen. Andererseits boten die Ländereien auch den Feinden einen Angriffspunkt. Imperatoren und Langobarden haben manches Patrimonium genommen, und um ihren Reichthum zu vertheidigen, wurden Päpste zu Handlungen bewogen, die sie ohne derartige irdische Sorge unterlassen haben würden; Verluste suchten sie durch sorgsamere Verwaltung der gebliebenen Patrimonien zu ersetzen und so legten sie in der Umgebung Roms einen Kreis von Wirthschaftshöfen an, durch welche sie zugleich eine Sicherung gegen Anfeindungen des Römischen Adels gewannen.

Das älteste Gebiet einer festen und regelmässigen politischen Thätigkeit hat dem Papste die Stadt Rom gegeben. Der Senat, der allein fähig gewesen wäre, den alten Römischen Sinn zu bewahren, war verschwunden, die Gemeindeverwaltung durch ihre Feinde, Bureaukratie und Militarismus, getödtet, und von der staatlichen Sonderverwaltung der Stadt waren nur sehr wenige Aemter übrig geblieben. Der oberste Beamte des Kaisers für die Stadt, der Stadtpräfect, hatte von seinen Geschäften die meisten aufgeben[12] und sich in eine Abhängigkeit vom Papste fügen müssen. Der vormals ihm unterstellte kaiserliche Getreideverwalter war verschwunden, und an seine Stelle der Papst getreten. Das alte Vorrecht der hauptstädtischen Bürgerschaft, ernährt zu werden ohne zu arbeiten, noch von Justinian feierlich [307] verbrieft, hatte Lieferungen an die Römische Kirche zur Folge gehabt[13]. So hatte sie, noch ehe sie nur ihr eigenes Vermögen für die Armen zu verwenden hatte, auf Kosten des Staates die Anhänglichkeit der nothleidenden Volksmasse erworben[14].

Der Papst machte überhaupt von seinem Vermögen den wohlthätigsten Gebrauch für private und gemeinnützige Zwecke. Viele verdankten es ihm, dass sie, durch sein Geld vom Feinde gelöst, aus der Kriegsgefangenschaft hatten heimkehren können[15], oder dass sie der Sklavenhändler, der sie an die Heiden verkaufen wollte, freigab[16]. Um das öffentliche Bauwesen erwarb sich der Papst grosse Verdienste; er erhielt die Mauern[17] der Stadt und die Wasserleitungen[18], die ohne ihn verfallen wären. So waren die Einwohner Roms durchaus päpstlich gesinnt und im übrigen Italien nahm die Stimmung für den Papst, den besten Vermittler zwischen Gott und den Menschen, den vornehmsten und mächtigsten, den reichsten und populärsten Mann, überhand.

Die Macht des Kaisers in seiner Provinz Italien war von entgegengesetzter Art. Von seinem Militärstaat waren die geistigen Kräfte gewichen; die Kräfte, die er noch aufzubieten hatte, waren nur noch militärische. Seine Reichsarmee betrug gegen Ende des 7. Jahrhunderts kaum 200 000 Mann, und sie [308] liess sich schwer erhöhen, weil der Hof und die Beamten die Staatseinnahmen lieber für sich behielten, als dass sie Truppen besoldeten. Hätte freilich das Alterthum ein anderes Geld als Metall gehabt, hätte es den Staatscredit gekannt, so würde auch die damalige Regierung sich nicht gescheut haben, Staatsanleihen zu machen und schon das Alterthum würde mit einem Staatsbankerott geschlossen haben. Das kleine Heer des Imperators war ohne Reserven. Sollte daher in einem Theile des Reiches eine grössere Truppenmacht vereinigt werden, so wurden die Besatzungen aus anderen Provinzen herangezogen. So war es geschehen, dass die Garnisonen Italiens zum grössten Theil nach dem Orient verlegt waren und gegen Ausgang des 7. Jahrhunderts dort eine geringere Anzahl von Truppen stand, als heute Elsass-Lothringen beherbergt. Wurde der Bevölkerung auch die Verwilderung durch das Soldatenthum erspart, so blieb jetzt den Italienern, so lange die Langobardischen Feinde ihre Angriffe auf die Provinz Italien fortsetzten, kein anderer Ausweg, als sich selber zu helfen.

Auch auf militärischem Gebiete kehrte die Nation zu primitiven Einrichtungen zurück. Ihre neuen Wehrordnungen waren ein Werk der Noth, nicht der Reichspolitik, aber sie fielen so gleichmässig aus, so ähnliche Reformen traf ein Bezirk nach dem anderen, dass eine bessere Neuerung unausführbar gewesen zu sein scheint. Nach dem Reichsrecht waren die Einwohner verpflichtet, ihre Stadt zu bewachen und zu vertheidigen, eine Militärpflicht, die gegen die Langobarden in häufiger Anwendung blieb. Dieser Dienst innerhalb der Mauern wurde jetzt zum Dienste im Felde erweitert. Die meisten Aufgebote galten doch dem unmittelbaren Interesse der Städter, der Vertheidigung ihres eigenen Landes, nur diejenigen, welche am ehesten der neuen Last hätten widerstehen können, die Vornehmen, wurden nicht zum Dienste gezwungen. Der Dux bot die mittleren Schichten der Städter und die Bauern auf und sie leisteten ihm auf ihre Kosten den kurzen Dienst[19]. Für den Kaiser war diese Volksbewaffnung [309] von zweifelhaftem Werth. Sie stellte keine Wehrhaftigkeit seiner Provinz gegen die Langobarden her, war hingegen eher geeignet, eine starke Byzantinische Regierung zu verhindern als sie zu dulden oder zu unterstützen. Denn diese Städter und Bauern, die eines Tages auch die Waffen trugen, fühlten sich mehr als Landsleute denn als Soldaten; ihre Interessen waren die ihrer Heimath, ihrer Angehörigen, ihres Besitzes; sie waren von denselben Gesinnungen erfüllt wie die übrige Bevölkerung und den Einflüssen der Bischöfe leicht zugänglich. An Gehorsam nicht gewöhnt, waren sie schwerlich bereit, einem Befehl zu gehorchen, der ihren landsmannschaftlichen oder religiösen Gefühlen zuwiderlief.

Die kaiserliche Regierung gab sich zuweilen keiner Täuschung über die Unzuverlässigkeit der Italienischen Bürgerwehren hin[20], aber öfter vergass sie ihre militärischen Eigenschaften und ertheilte Befehle, wie sie zwar den überkommenen Traditionen des einst so mächtigen Militärstaates, aber nicht den neuen Verhältnissen entsprachen. Sie überschätzte auch die Bedeutung der militärischen Einheit. Wohl stand die gesammte Streitmacht Italiens unter dem Befehl des Exarchen[21], aber die Pflicht, sich von einem einzigen Willen commandiren zu lassen, machte die Contingente der städtischen Milizen noch nicht zu einem innerlich einheitlichen Heere. Auf diese Weise schwand dem Römischen Reiche die einzige Stütze, auf die es noch vertraut hatte: der Zwang durch die Waffen versagte, die Sicherheit des militärischen Uebergewichtes im eigenen Lande war verloren.

[310] So war die Macht in Italien vertheilt, als ein Menschenalter hindurch Imperatoren und Päpste mit einander kämpften.

Der Papst trat dem Kaiser zuerst auf dogmatischem Gebiet entgegen. Der Kaiser war ein Laie, der den Glauben der Kirche nicht ändern durfte; allein ein ökumenisches Concil, welches allgemein verbindliche Glaubenssatzungen geben konnte, durfte nur er berufen. Als Kaiser hatte er die Pflicht, zum rechten Glauben zu zwingen; gebot er eine abweichende Lehre, so hatte er kein Recht auf Gehorsam[22]. Die Alleinherrschaft der Bischöfe über das Dogma war, so lange das innere Christenthum bestand, ohne unmittelbare Gefahr für den Staat, aber die Religion Christi war durch das Römische Volksthum zu einem äusseren Gesetz geworden; die veränderte Religion wollte Recht sein und als Recht forderte sie einen Gehorsam, welcher von den persönlichen Ansichten des Glaubenspflichtigen über das Recht unabhängig war. Hier konnte der Ungehorsam im Glauben einen Staatsungehorsam zur Folge haben, sobald der Kaiser einen Glaubensbefehl erliess, welcher in seiner Gültigkeit beanstandet wurde. Denn der Gehorsam in den kirchlichen und in den staatlichen Dingen war ein gleichartiger, der Befehlende war ein und derselbe Mann und die Gehorsamspflichtigen im Glauben waren auch seine Unterthanen. Verwarf nun der Papst ein kaiserliches Glaubensgebot, so stellte er sich als der Vertheidiger des Rechts gegen das Unrecht dar. Indem er den wahren durch den Imperator bedrohten Glauben in Schutz nahm, brauchte er sich nicht darauf zu berufen, dass auch er allgemeine Satzungen für die Kirche zu erlassen vermochte, ohne doch ihr oberster Gesetzgeber zu sein[23].

Ein Kaiser stellte mit einer Synode 692 Rom nachtheilige Ordnungen auf. Sergius verweigerte die Annahme der neuen, von keinem ökumenischen Concil gegebenen Satzungen. Justinian II. gedachte seine Zustimmung zu erzwingen. Er schickte einen Beamten nach Rom, um den Gegner nach Constantinopel zu führen. Auf [311] die Nachricht von der Gefährdung des Papstes zogen die Milizen Mittelitaliens eigenmächtig nach Rom und nöthigten den Commissar des Kaisers, von der Ausführung seines Auftrages abzustehen. Er reiste ab, nachdem der Papst sein Leben vor den Aufständischen gesichert hatte[24]. Die Streitfrage, ob Christus zwei Willen, einen göttlichen und einen menschlichen, oder ob er nur einen Willen gehabt habe, war durch das sechste ökumenische Concil 680 zu Gunsten des doppelten Willens entschieden worden. Als ein neuer Kaiser die Lehre von dem einen Willen im Jahre 712 wiederholte, hat der Papst mit einer Römischen Synode protestirt. Die Römer begnügten sich nicht mit der Demonstration, ein Bild mit den sechs allgemeinen Concilien in der Peterskirche aufzustellen, sondern beschlossen, jedem Befehl des Kaisers den Gehorsam zu versagen, seine Goldmünzen nicht anzunehmen, sein Bild von der Kirche auszuschliessen und seinen Namen in der Messe zu übergehen. Als damals der Exarch einen neuen Dux für Rom bestellte, musste dieser nach einem Strassenkampfe die Ausübung seines Amtes aufschieben. Der folgende Kaiser erklärte sich für den Beschluss der sechsten Synode und übersandte obendrein den Römern sein Bekenntniss, und jetzt, nachdem die Empörung gegenstandslos geworden war oder ihr Ziel erreicht hatte, vermochte auch der Dux sein Amt gegen die Zusage, keine Feindseligkeiten zu begehen, anzutreten[25]. Diese Empörungen waren unblutig verlaufen und ihre Theilnehmer sind unbestraft geblieben[26].

Allgemeiner und folgenreicher wurden die Aufstände Italiens unter Gregor II.

[312] Der Kaiser schrieb eine neue Steuer in seiner Provinz Italien aus. Gregor II. verhinderte die Erhebung, indem er für seine Kirche nicht zahlte und die übrigen Grundbesitzer auf seine Aufforderung die Abgabe gleichfalls verweigerten[27]. Er hatte damit die herrschende Partei an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen. Was sollte aus dem Glanze des Hofes und aus den Beamten werden, wenn die Unterthanen sie nicht mehr ernährten? Die Italiener sollten nach wie vor für sie die Kosten tragen, auch als die Leistungen des Staates immer schlechter und schwächer geworden waren. Wohl war der Papst kein guter Unterthan, wenn er sich der in der Ausübung ihrer Gewalt befindlichen Obrigkeit widersetzte, und die Güter seiner Kirche konnten die Steuern am ehesten aufbringen, er machte jedoch von dem Gelde einen gemeinnützigeren Gebrauch als der Kaiser. Der Exarch sendete auf den Befehl, den Papst seines Amtes zu entheben, Truppen gegen ihn aus. Die Römer waffneten sich zum Widerstande und Langobarden verbündeten sich mit ihnen. Die, welche sonst durch Staat und Nation geschieden und einander oft feindlich waren, vereinigten sich hier, um den Papst und seine Kirche in der Steuerverweigerung zu beschützen: sie haben des Kaisers Absicht vereitelt.

[313] Gregor II. konnte nach diesem Erfolge den Kampf um die Anbetung der Bilder mit siegreicher Zuversicht aufnehmen. Der Bilderdienst war seit langem in der Kirche eingebürgert, ohne dass eine allgemeine Synode über ihn beschlossen hatte. Leo der Isaurier verbot die Bilderverehrung im Jahre 726. Gregor II. schrieb ihm, er sei zu einer solchen Satzung nicht befugt[28], und der Imperator forderte von seinem Widersacher Unterwerfung oder Niederlegung des Amtes: die früheren Vorgänge sind für ihn keine Warnung gewesen.

Jetzt rief der Papst die Bischöfe und die Städte Italiens zur allgemeinen Empörung auf, zur Versagung des staatlichen und des kirchlichen Gehorsams[29], und die Italiener bewiesen, wie sehr sie päpstlich, wie wenig sie kaiserlich waren. In zahlreichen Städten wurden die Beamten des Kaisers vertrieben oder erschlagen; so tödteten die Römer ihren Dux, die Ravennaten den Exarchen. Die Aufständischen setzten sich einheimische Vorsteher ein. Eine Partei hegte die Absicht, einen Kaiser ihres Glaubens zu wählen und nach Constantinopel zu führen; Andere verzweifelten an dem Reiche und fielen zu den Langobarden ab, die sich bereit erklärten, in diesem heiligen Kampfe für den Papst und für die Bilder zu sterben. Ein neuer Papst sprach mit einer zur Vertheidigung der Wahrheit berufenen Synode das Anathem über die Bilderfeinde aus und mahnte den Kaiser, von der Irrlehre zu lassen[30].

Die kaiserliche Gewalt wurde in Italien ohne Erledigung der Bilderfrage wieder aufgerichtet, aber es hätte einer anderen Niederschlagung und Bewältigung der Empörungen bedurft, wenn das Reich ohne dauernde Einbusse an seiner Autorität aus diesen Kämpfen hervorgehen sollte[31]. Die Italiener hatten von ihrem [314] Kaiser kaum noch etwas zu fürchten oder zu hoffen. Sie waren theilnahmloser gegen das Schicksal, ja gegen das Dasein eines Staates geworden, der immer theilnahmloser für ihr Gedeihen geworden war, der von ihnen Geld nahm und dennoch keine Soldaten wider die Langobarden schickte; sie hatten sich innerhalb eines Menschenalters oft empört und waren niemals von der Uebermacht des Staates bezwungen worden. An eine Trennung vom Reiche hatte Niemand gedacht, auch die Päpste nicht, die in den Streitigkeiten über den Glauben immer auf eine Verständigung zählten, aber Viele hatten sich an Handlungen gewöhnt, aus denen die Absicht, aus dem Reiche zu scheiden, mit Leichtigkeit entspringen konnte. Und derselbe Gregor III., der die Bilderfeinde von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen hatte, fasste gegen das Ende seines Pontificats den Gedanken, sich mit dem Regierungsbezirk von Rom der Herrschaft des Fränkischen Reiches zu unterstellen.

Als die Reichsregierung bei der fortschreitenden Verkleinerung der Amtsgebiete auch für Rom und das umliegende Land einen Verwaltungsbezirk gebildet hatte, war sie sich nicht bewusst, der päpstlichen Politik ein festes territoriales Gebiet zu gewähren. Die Rechtsfrage blieb allerdings eine unstreitige, der Ducat von Rom war ein kaiserlicher Sprengel wie jeder andere Ducat, der Exarch stellte den Oberbeamten und Unterbeamte an[32], und der Papst hatte keine besondere Gewalt über sie. Allein die Machtfrage beantwortete schon die erste Generation des 8. Jahrhunderts dahin, dass der Papst, bereits in der Stadt Rom übermächtig, auch im Römischen Ducate der Mächtigste sei.

Er war nicht der Befehlshaber der Bürgerwehr, aber wenn er es begehrte, so zog sie aus[33]; er entschied gemeinsam [315] mit dem Dux und der waffenberechtigten Bürgerschaft, ob sie Trasimund von Spoleto an Liutprand ausliefern sollten[34]; nicht die Waffen des Dux, sondern die Worte des Papstes bewogen den Langobardenkönig, vier von ihm eingenommene Ortschaften des Ducates zurückzugeben und mit dem Ducat einen 20jährigen Separatfrieden zu schliessen[35]. Der kaiserliche Gouverneur gelangte nicht eher zu freier, unbeeinflusster Ausübung seines Amtes, als bis der Papst seine Residenz verliess[36]. Gregor III. fing bereits an, die Einwohner des Ducats sein Volk zu nennen[37]. Jener durch den Papst geschlossene Friede, den selbst der Exarch nicht hätte eingehen dürfen, und die von dem Vicar des h. Petrus erwirkten Landschenkungen des Königs offenbarten, dass der Ducat begonnen habe, ein politisches Sonderleben zu führen, und dass der ideelle Träger des Sonderdaseins Petrus sei[38].

Vielleicht knüpfte diese Patrimonialisirung des Regierungsbezirkes an die vielen und grossen in ihm gelegenen Patrimonien der Kirche an[39]. Das Schicksal beider schien mit einander verbunden. Wurde der Ducat Langobardisch, so wurden es auch dortige Patrimonien, denn die Langobarden pflegten bei ihren Eroberungen sich auch die Landgüter der Römischen Kirche anzueignen[40]. Und diese Kirche hielt ihre Aecker für Ländereien des Petrus, ihre Hörigen waren Leute des Petrus, dem Petrus [316] zahlten die Colonen ihre Abgaben[41]. Vermochte nun der Papst in jenem Territorium auch die politischen Geschäfte zu leiten, so übte er nach den damaligen Vorstellungen auch hier eine Herrschaft des Petrus aus. Ohne seine Verkirchlichung wäre der Ducat Langobardisch geworden.

Diesen Gedanken hat Gregor III. zur Grundlage einer neuen auswärtigen Politik gemacht. Er hatte mit den Herzogen von Spoleto und Benevent 738 einen Vertrag geschlossen, nach welchem sie ihrem König bei einem Angriff auf Rom die Kriegshilfe verweigern sollten[42]. Als nun die Römer – der Papst, der Dux und das waffenfähige Volk – dem Könige die Auslieferung des zu ihnen geflüchteten Herzogs von Spoleto abschlugen, rückte das Langobardische Heer 739 in den Ducat ein, nahm vier Städte und bedrohte Rom[43]. Die alten Mittel, um sich zu behaupten, versagten dem Papst, aber er, der so oft wie ein irdischer Fürst gewaltet hatte, erdachte ein neues, für das er die Franken bedurfte.


II. Die Fränkische Intervention.

Eine Fränkische Intervention, bald gegen weltliche Feinde, bald gegen Griechische Glaubenslehren, hatten die Päpste mehrmals nachgesucht[44], aber alle früheren Verhandlungen hatten die staatsrechtliche Stellung des Papstes nicht berührt. Gregor III. hingegen wollte eine neue zeitgemässere Ordnung begründen. Er gedachte, aus seinem Staate auszutreten, der ihn gegen die Feinde nicht vertheidigte; statt des alten Reiches sollte der Gebieter der Franken die Herrschaft gegen Leistungen der Herrschaft übernehmen, der neue Herr sollte mit den Hilfsmitteln des eigenen Landes die Pflichten eines Staates [317] gegen die Römische Kirche erfüllen. Der Römische Ducat wurde demnach ein besonderer Staat, die Einverleibung in das Frankenreich blieb ausgeschlossen und ein von dem Amte des höchsten kaiserlichen Beamten im Ducate entlehnter Titel des neuen Fürsten brachte die Sonderstellung zu formellem Ausdruck[45]. Der ideelle Herrscher des zu begründenden Staatswesens war Petrus, für Petri Interessen, wie sie der Papst erklärte, sollte der Franke walten. War sonach seine Stellung nach einer Art päpstlichen Staatsrechtes zu bestimmen, so war auch das, was der Papst als bisheriges Recht für sich beanspruchte, nicht zu verkürzen, sondern zu verbürgen.

Gregor III. holte, ehe er Karl Martell sein Angebot machte, die Zustimmung der Römischen Bürgerschaft ein. Karl Martell berieth seinen Entschluss mit dem Volke. Er lehnte den kriegerischen [318] Beistand ab und erfüllte damit die Bedingung nicht, von der die Erwerbung der weltlichen Gewalt über den Ducat von Rom abhängen sollte[46]. Auch die Drohung Gregor’s, Petrus werde ihm für Verweigerung der Hilfe das Himmelreich verschliessen, hat auf ihn nicht den beabsichtigten Eindruck gemacht[47]; er wusste zwar so gut wie der Papst, dass kein anderer Fürst seiner Zeit die erbetene Intervention gewähren könne, allein Gregor hatte ihm auch geschrieben, Petrus könne sich selber helfen, prüfe jedoch mit solchen Aufforderungen den Glauben seiner Getreuen[48].

Nachdem Gregor III. und Karl Martell bereits 741 gestorben waren, hat der Glaube an Petrus den zwischen Staatspolitik und Furcht vor dem Heiligen schwankenden Liutprand bestimmt, dem Ducat die verlorenen Städte zurückzugeben und einen 20jährigen Frieden zu verheissen. So wurde die eigenmächtige Lossagung vom Reiche vertagt, aber jenes Project blieb der Keim, aus dem nach anderthalb Jahrzehnten das Geschick eine der folgenschwersten Handlungen der Karolinger hervorgehen liess.

Inzwischen blieb der Papst mit dem Ducat von Rom auf sich selbst gestellt. Zacharias ist höchst wahrscheinlich ohne die vom Rechte gebotene Bestätigung der kaiserlichen Regierung Papst geworden[49], so dass diese Thätigkeit des Reiches zum [319] letzten Mal 731 geübt sein wird. Nachdem ein neuer Fürst der Langobarden den alten Plan seines Volkes wieder aufgenommen hatte, das ganze Italien zu einem Reich der Langobarden zu machen und der Exarchat bereits erobert war, ist der letzte Befehl des Kaisers an den Papst ergangen: als Gesandter musste Stephan II. 753 zu Aistulf reisen, um den Verzicht auf die Eroberungen zu erwirken[50]. Er bat vergebens. Nur für den Ducat Rom hatte er kurz vorher einen 40jährigen Frieden erreicht, der freilich nach wenigen Monaten gebrochen ward; jetzt wurden die Einwohner Roms, der Stadt des Papstes, dem Langobardenherrscher tributär[51]. Von der Hilfe seines Staates verlassen[52], erinnerte sich Stephan II. an Gregor III.[53]. Während der Kaiser mit einer Synode über die Anbetung der Bilder nachsann, ist Stephan II. zum König der Franken gereist, der erste Papst, der nach dem Norden ging, um eine völlig neue Ordnung seiner Interessen persönlich zu vereinbaren. Eine allgemeine Zusage für seine Wünsche hatte ihm Pippin bereits nach Italien gesendet[54].

Stephan II. erschien Pippin und seinen Franken als der Vertreter des Fürsten der Apostel, des Petrus. Dieser Heilige hatte Gewalt, die Sünden zu erlassen und das Himmelreich zu öffnen, und wer sich Verdienste um ihn erwarb, erhielt von ihm den ewigen Lohn; wer aber seine Stadt und seine Kirche nicht befreite, obwohl er es vermochte, wurde des Himmels und der ewigen Seligkeit verlustig. Dieser Glaube entschied mehr als der politische Nachtheil eines Langobardischen Roms über die Karolingische Politik[55]. Für einen höchstpersönlichen Vortheil nach seinem Tode entschloss sich der König, Gut und Blut seiner Unterthanen [320] zum Opfer zu bringen und die Sorge für die Wohlfahrt seines Volkes zu vergessen. War die Fränkische Politik bisher von Staatsklugheit geleitet worden, so wurde sie jetzt in den Dienst eines persönlichen Verlangens des Herrschers gestellt, ohne dass eine irdische Gegenleistung zu erreichen, ein Zweck des Staates zu verfolgen war. Es war der grösste Verzicht auf politisches Denken und Handeln, welcher bis dahin von einem Germanen vollbracht war, und da dieser Verzicht zu Gunsten des mittelalterlichen Papstthums erfolgte, so hatte sich der König, ohne es zu wissen, in die Kreise der staatsfeindlichen theokratischen Tendenzen begeben, aus denen eine Umkehr nicht mehr möglich war.

Pippin ging bei seinen Verhandlungen mit Stephan II. im Jahre 754 von der Annahme aus, der heilige Petrus habe ein Anrecht auf Ländereien, die zum Theil durch die Langobarden occupirt waren. Der Papst nannte ihm die einzelnen Städte und Stadtgebiete, deren rechtmässiger Herr der Apostel sei. Unter den von ihm angeführten Bezirken befanden sich auch solche, welche noch niemals von einem Papste regiert worden waren; so sollte auch der Exarchat von Ravenna ein Land des Petrus werden[56]. Der König prüfte die Ansprüche wenig, weil ihm der Gedanke fern lag, in Italien sich selbst ein Reich zu gründen. Er versprach dem Petrus, seine Länder von der Gewalt der Langobarden zu befreien[57], stellte eine Urkunde über die einzelnen Territorien aus[58] und beschwur die Erfüllung seines Vertrages[59].

[321] Die Verheissungen waren noch nicht vollständig ausgeführt worden, als Karl im April 774 in Rom erschien; er erneuerte das Versprechen seines Vaters, verpflichtete sich demnach persönlich das noch fehlende Gebiet dem Petrus zu restituiren[60]. Zwei Monate später hat er sich zum König der Langobarden gemacht. Die Unterwerfung der Langobarden sah er bereits bei seiner Reise nach Rom als sicher an, aber er hatte, als er die gleiche Zusage wie sein Vater gab, noch nicht über die Behandlung des Langobardenreiches den letzten Entschluss gefasst. Nun standen das alte Versprechen und das neue Königreich einander als unvereinbar gegenüber: wenn Karl jenes hielt, so konnte er dieses nicht haben. Als König der Langobarden[61] erklärte er, das alte Langobardische Land für sich behalten zu wollen, und er hätte einen grossen Theil davon aufgeben müssen, wenn er das Versprechen in seinem vollen Umfang verwirklichte. Noch 778 mahnte ihn Hadrian, es zu erfüllen, und so hoch gingen damals noch die Hoffnungen päpstlicher Politiker, dass sie Karl an Kaiser Constantin erinnerten, der der Kirche des h. Petrus die Herrschaft in Italien geschenkt habe[62]. Später hat der Papst nur noch Patrimonien gefordert. Denn das alte Versprechen von 754 war, soweit es nicht schon ausgeführt war, erledigt worden[63].

Die Langobarden wurden leicht besiegt. Die Franken riefen [322] vor der Schlacht die Hilfe des Petrus an, und der Papst verkündete ihnen, Petrus habe ihnen den Sieg verliehen[64]. Auch die Imperatoren gewannen ihre verlorene Provinz nicht wieder. Als ihre Regierung von Pippin den Exarchat begehrte, hielt dieser an seinem Vertrage fest: ich habe, so soll er geantwortet haben, die Waffen nur aus Liebe zu Petrus und zur Vergebung meiner Sünden ergriffen, und für alle Schätze der Erde werde ich dem heiligen Petrus nicht wieder nehmen, was ich ihm dargebracht habe[65]. Die Waffen der Griechen waren zu schwach, um das verlorene Reichsgebiet zurückzuerobern. Gegen 30 Jahre zogen sich die Byzantinischen Feindseligkeiten gegen die päpstlichen und Karolingischen Länder in Italien hin, aber sie haben kein anderes Ergebniss gehabt, als dass Menschen getödtet und Landschaften verwüstet worden sind.


III. Die Landesherrschaft des Papstes.

Die Landesherrschaft der Römischen Kirche war ein Gemeinwesen ohne Gleichen. Ihm hatte der Papst durch seine kirchlich-weltliche Macht das Leben gegeben; Petrus, in dessen Namen er gehandelt hatte, hatte ihm in der politischen Wirksamkeit seine Hilfe gewährt. Gegen die Mitte des 8. Jahrhunderts verwaltete er Rom mit seinem Ducat eigenmächtig allein, hier hatte die ordentliche Thätigkeit der kaiserlichen Regierung aufgehört, und der letzte Byzantinische Beamte war verschwunden[66]. Die Sonderstellung dieses Gebietes war so gesichert, dass Aistulf im Jahre 753 das Land zwar sich unterwerfen, aber ihm eine eigene Regierung belassen wollte[67]. Schon trat der Papst auch als Beschützer des von den Langobarden genommenen Exarchats von Ravenna und anderer Byzantinischer Besitzungen auf; als guter Hirt wollte er die verlorene, ihm von Gott anvertraute Heerde dem Feinde entreissen[68].

Die Umwandlung von Rechten des Römischen Reiches in [323] Rechte der Römischen Kirche trug dem päpstlichen Lande während der Uebergangszeit einen besonderen Namen ein. Die Päpstlichen nannten damals jene Erscheinung das kirchliche Römische Reich[69]. Wohl war diese Herrschaft kein Abkömmling [324] des Römischen Staates, der, wenn er nicht die Lebenskraft verloren hätte, ein derartiges Wesen unmöglich gemacht haben würde, aber die Politiker in Rom fuhren noch fort, sich für Reichsangehörige zu halten; in ihren Augen war das Territorium der Kirche das werthvollste Gebiet, welches dem Reiche in Italien geblieben war, obschon der Kaiser von ihm keinen Nutzen zog. Wer in Rom versuchte, das an die Kirche gebundene Land in das Staatsrecht einzuordnen, brachte Reich und Kirche in Verbindung. Hier erschien der Papst als Landesherr wie ein Repräsentant des Imperators, wenn auch Jedermann wusste, dass diese Vertretung gegen den Willen des Kaisers sei. So ist jene Wendung in Rom zwei Jahrzehnte lang in Gebrauch gewesen. Erst nachdem Karl König der Langobarden geworden war, wurden der Papst und sein Land dem Kaiserreiche zu fremd und zu selbständig, als dass die alte Bezeichnung in der neuen Zeit, die für Italien begonnen hatte, anwendbar blieb. Jetzt liess man sie fallen, ohne sie durch einen modernen Titel zu ersetzen.

Der Papst, welcher zum letzten Mal von seinem Römerstaate gesprochen hat[70], Hadrian II., hat um dieselbe Zeit, im Anfang seiner Regierung, sein Land Reichsgebiet genannt[71], nach den Jahren des regierenden Imperators datirt[72], und Verbrecher zur Verwahrung nach Konstantinopel geschickt[73]. Allein nach 774 beschränkte sich der Verkehr auf Glaubenssachen, für welche [325] die Reichsangehörigkeit nicht wesentlich war. Der Papst verleugnete seine Unterthänigkeit überall, wo sie die Erfüllung von Pflichten gefordert haben würde. Die Besetzung des päpstlichen Stuhles vollzog sich ohne den Kaiser. Hadrian begann ohne kaiserliche Bewilligung eigene Münzen zu schlagen[74], Griechen, Unterthanen seines Kaisers, die in seinem Lande Sklavenhandel trieben, warf er in den Kerker und ihre Schiffe verbrannte er[75]. In einem Brief, den er um der Religion willen 785 dem Imperator sandte, nannte er ihn zwar nach altem Brauche seinen Herrn, aber er bestritt zugleich die Fortdauer der ehemaligen Kaisergewalt, indem er schrieb, Karl habe dem Petrus Städte und Länder, auf die er berechtigt gewesen sei, zu ewigem Eigenthum restituirt[76]: er hiess den Kaiser seinen Herrn, der ihn doch nicht beherrschen sollte. Seine Urkunden zählte er bereits seit 781 nach seinen Pontificatsjahren und nach Christi Herrschaft, um seine unmittelbare Unterordnung unter seinen Gott auszudrücken, als ob er einen irdischen Herrn nicht mehr habe[77]. Die Byzantinische Regierung hat die päpstliche Landesherrschaft nicht anerkannt, ihr gegenüber war die Macht des Papstes von rein thatsächlicher Art, bis durch Karl’s Imperium das Land der Kirche zu einem Bestandtheil des occidentalischen Römischen Reiches geworden war[78].

Die für das Leben massgebenden Rechtsanschauungen waren nicht die von Byzanz, sondern die der Päpste mit ihren Landesangehörigen und die der Karolinger. Nach ihrer Ueberzeugung [326] war Petrus der ideelle Herrscher des neuen Gemeinwesens[79]. Sein Recht auf die Herrschaft war ein eigenes und unverlierbares Recht, eine auf sich selbst gestellte Gewalt, die weder von den Kaisern, noch von den Karolingern abzuleiten war[80]. An Petri Statt führte wie die kirchliche so die weltliche Herrschaft sein Vicar. Da auf keiner Seite ein Interesse bestand, die Natur des Herrscherthums zu untersuchen, so wurde jene Landesgewalt mit ähnlichen Ordnungen der Zeit weder verglichen noch von ihnen unterschieden. Soweit sich die Begriffsbestimmung der Eigenart der Herrschaft auf Byzanz bezog, konnte man den Papst nicht einen kaiserlichen Verwaltungsbeamten mit selbstständigem, unentziehbarem Recht auf die Regierung nennen, noch durfte man ihn als Untersouverän, seine Herrschaft als Unterstaat bezeichnen, weil derartige Rechte für den Römischen Kaiser keine Geltung hatten. Die Karolingische Intervention hob zwar die Byzentinische Gewalt im Kirchenlande nicht auf, sie schränkte jedoch ihre Ausübung so ein, dass hier die Fortdauer des Imperiums bedeutungslos war. Der Kaiser befahl weder dem Papste noch seinen Unterthanen, er erhob keine Abgabe von ihnen, er richtete und beschützte sie nicht und hätte nicht vermocht, den Papst zur Rechenschaft zu ziehen.

In seinem Lande galt der Papst als der von Gott verordnete Herr, als eigenberechigter Regent[81], und diese Rechtsansicht haben [327] die Karolinger getheilt. Trachtete ein Römer seinem Landesherrn nach dem Leben, so war er als Majestätsverbrecher nach Römischem Rechte des Todes schuldig[82]. Der Herrscher war unverantwortlich für seine Werke. Dieser Fürst war jedoch zugleich der Papst und sein weltliches Regiment war so mit dem sacralen verbunden, dass er mit diesem zugleich jenes verlor. War es nach damaligem Kirchenrecht erlaubt, ihm für Handlungen, die mit seiner religiösen Würde unvereinbar schienen, sein Pontificat zu nehmen, so büsste er auch seine weltliche Stellung, die er nur vermöge der kirchlichen einnahm, wider seinen Willen ein. Nur hätte kein Missbrauch der staatlichen Gewalt jemals eine Absetzung des Papstes zu rechtfertigen vermocht.

Das Land der Kirche bildete ein einheitliches Territorium. So vollkommen und allgemein war es dem Papste unterthänig, dass er es sein Land[83] und die Einwohner sein Volk[84] zu nennen [328] pflegte. Die Landesangehörigen mussten ihm, wenn er es begehrte, schwören, ihre Pflichten gegen ihn zu erfüllen[85].

Die herkömmliche Römische Landesordnung bestand fort; denn der Papst sah keinen Grund, eine Regierungsform zu beseitigen, die ihm so grosse Freiheit und so viele Rechte gab. Nur darin stellte sich die Regierung des Priesterfürsten als eine besondere dar, dass ihm Geistliche auch in weltlichen Geschäften dienten. Das Volk war für die eigene Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen nicht organisirt. Das städtische Kriegsvolk war nicht ein willenloses Soldatenthum, es hatte ein Gefühl von seiner Macht und als Volksheer war es nicht volksfeindlich gesinnt, aber der Papst hat dessen ungeachtet diesen wichtigsten Theil der Einwohner seiner Hauptstadt nur selten nach seinem Willen gefragt[86] und die geringere, nicht wehrpflichtige Menge blieb einflusslos. Musste der Papst mit der wohlthätigen Gefahr einer popularen Empörung rechnen, so hatte er sich doch noch mehr vor einer aristokratischen Auflehnung zu hüten. Die Römische Nobilität, deren Kern die reichen Geschlechter in Rom und seinem Ducat ausmachten, hatte sich einen stetigen politischen Einfluss gesichert. Denn ihren Mitgliedern fielen die besseren Aemter am Hofe und im Lande, im Staate und in der Kirche zu[87]. Diese Edlen, mochten sie Beamte sein oder nicht, liessen es an Widersetzlichkeit gegen den Papst nie fehlen. Mit den Inhabern der Aemter und etwelchen amtlosen Adligen ging der Papst oft zu Rathe: sie machten die grösste Regierungsversammlung in seinem Lande aus[88].

[329] Wie weit der Landesherr sich an der Regierung betheiligte, bestimmte er selbst. Von den kirchlichen Angelegenheiten weniger als später in Anspruch genommen und als Wahlfürst von mehr als erblicher Tüchtigkeit widmete er sich so regelmässig der Leitung seines Volkes, dass die Regierung, die gute wie die schlechte, ihm persönlich zugerechnet wurde[89]. Wollte oder konnte er die Arbeit nicht selbst erledigen, so sorgte er nach freiem Ermessen für Ersatz. An seinem Hofe besass er nach Byzantinischem Vorbild Ministerien mit bestimmten Geschäftskreisen. Für die seltenen Fälle einer längeren Abwesenheit ordnete er die Fortführung der Geschäfte an[90].

Am Hofe wie im Lande gab es keine anderen Beamten als päpstliche. Dieses Beamtenthum, auch das kirchliche, hatte von der Byzantinischen Zeit die Neigung zu Rangordnungen, Titeln, Ceremonien überkommen. Der Papst war befugt, Aemter zu errichten[91] und besetzte die Aemter ohne rechtliche Beschränkung[92]. In die Geschäfte griff er nach Belieben ein, auch an Justizsachen betheiligte er sich nach Gefallen und insbesondere übte er das Recht, Verbrecher zu bestrafen oder zu begnadigen, oft persönlich aus[93].

Die Gerichte des Landes, die in seinem Namen gehalten wurden, zeigten geringe Veränderungen. In der Hauptstadt war der ehemalige Statthalter des Kaisers, der Stadtpräfect, sein höchster Richter[94]. Auf dem Lande blieb die Rechtspflege mit der Verwaltung verbunden. Auch das Heerwesen blieb so, wie es in der kaiserlichen Zeit geworden war; bestimmte Classen der Stadt- und Landbewohner waren waffenpflichtig und mussten [330] auch Befestigungen bauen; nur der Papst bot sie auf und nur ihm dienten sie[95]. Er befestigte die Hauptstadt und legte auch andere Vesten an[96], sorgte für die Erhaltung der Wasserleitung[97] und fuhr auch fort, Nothleidende zu unterstützen und Arme zu ernähren[98]. Die öffentlichen Einkünfte des Landes kamen an ihn; auch neue Auflagen, z. B. ein einträgliches Thorgeld in Rom, hat er eingeführt[99].

In den auswärtigen Angelegenheiten handelte er als völkerrechtliche Persönlichkeit und wurde er als solche behandelt. In Ausübung des Kriegsrechts machte er mit seinem Heere Eroberungen[100]; er gebrauchte das Vertragsrecht z. B. zu Bündnissen mit den Langobarden und mit Venedig[101] und bat auf Grund seines Verkehrsrechts auswärtige Staaten um kriegerische Hilfe[102]. Seine weltlichen Gesandten standen unter dem Völkerrecht[103].

So schien das Land der Kirche eine sich selbst genügende Herrschaft zu sein.

[331]
IV. Der Schutzvertrag.

Die Landesherrschaft hatte den Papst angreifbarer gemacht, als er in der Zeit einer nur geistigen Herrschaft gewesen war. Zu seinen alten Gegnern, den Langobarden, deren mit den Waffen erworbenen Besitz die territorialen Verheissungen Pippin’s schmälerten, kam die Feindschaft des Kaisers, welchen der Papst mit Karolingischer Unterstützung in seinem Gebiete an der Ausübung der Reichsgewalt verhinderte, und im eigenen Lande drohte ein Kampf mit begehrlichen Aristokraten aus irdischen Interessen zu beginnen. Den alten und den neuen Feinden gegenüber war seine weltliche Macht, darüber täuschte sich Stephan II. im J. 754 nicht, unzulänglich. Er sagte sich, dass der Kaiser, der ihm bisher nicht hatte helfen können, hinfort schwerlich ihm in seinen Bedrängnissen werde helfen wollen, hatte er doch durch die Landverheissungen den Anspruch auf seinen Beistand verwirkt.

Für die gemäss der Karolingischen Intervention ihm zustehenden Ländereien mochte der Römische Politiker aus dem Vertrage über das Territorium selbst die Pflicht des Königs ableiten, diesen Besitz dauernd zu gewährleisten, weil ein dem Petrus gegebenes Versprechen nicht erfüllt wäre, wenn seine Kirche nicht im Besitz erhalten, sondern ihrem Schicksal überlassen wurde[104]; allein für Rom und seinen Ducat, die 754 als bereits besessen nicht verheissen waren, liess sich so eine Schutzpflicht nicht folgern. Auch ersetzte die beschränkte territoriale Garantie keineswegs den Verlust der allgemeinen Staatshilfe. Das Bewusstsein, von Kaiser und Reich verlassen zu sein, erweckte den Wunsch Stephan’s II., diejenige Function des Staates, welche für ihn die wichtigste war, so wieder zu gewinnen, dass er nur Rechte, aber keine Pflichten erhielt. Es gelang ihm, mit dem Fränkischen [332] Reiche den Vertrag zu schliessen, dass der König eine allgemeine Schutzpflicht für die Römische Kirche übernahm. Die Verpflichtung, diese Kirche zu vertheidigen, war die eines auswärtigen Staates, der, ohne die völkerrechtliche Vertretung seines Schützlings gegenüber anderen Mächten sich vorzubehalten, ohne ihm die internationale Handlungsfähigkeit zu nehmen[105], dem Papste ein Bürge für alle seine Rechte wurde[106].

Der volle Inhalt des Vertrages enthüllte sich den Königen erst allmählig.

Das Fränkische Reich war verpflichtet, das Land der Römischen Kirche zu vertheidigen, eine Pflicht, die sich nicht auf bestimmte Ansprüche und bestimmte Gegner beschränkte, sondern auf allen jeweiligen Besitz sich erstreckte und sich richtete gegen jeden, der ihn angriff. Es bedurfte nur des Nachweises, dass ein Gebiet der Römischen Kirche verloren oder gefährdet sei, um den Rechtsanspruch auf Hilfeleistung zu begründen[107]. An Gelegenheiten zur Anwendung liessen es die Langobarden und Byzanz nicht fehlen. So begehrte der Papst Sicherung gegen ihre drohenden Angriffe oder Abwehr ihres Einfalls in seine Lande und verlangte Bereithaltung von Truppen, die ihm, [333] sobald es erforderlich sein sollte, rasch zu Hilfe eilen könnten[108]. Wer jenes Gebiet bekriegte, forderte zugleich den König der Franken, dessen Schutz er missachtet hatte, zum Kampfe heraus[109].

Ein Recht auf solchen Schutz gegen das Ausland hatte die Kirche, aber den Vortheil hatte, wenn sie von ihrem Rechte Gebrauch machte, auch ihr Volk, und wegen dieser mittelbaren Wirkung nannten die Römer Pippin ihren Beschützer, der sie sichere gegen den Einbruch der Feinde und gegen Unterwerfung unter fremde Gewalt[110]. In diesem Sinne konnte der Papst erklären, er habe ihm das Volk der Kirche übergeben, auf dass es unter seinem Schutze gesichert und glücklich lebe[111]. Das Volk ist ein Object, nicht ein Subject des Vertrages gewesen.

Bezog sich jene Vertheidigung auf fremde Mächte, so traf eine andere den Staat des Beschützers selbst. Wenn Unterthanen des Königs dem Lande des Papstes Schaden zufügten, Güter seiner Kirche plünderten oder an den Landesangehörigen Gewaltthaten begingen, so konnte der Papst auf Grund der Vertragspflicht den Anspruch erheben, dass der König kraft seiner Staatsgewalt einem solchen Thun wehre. Liess sich diese Forderung auch noch auf andere Weise begründen, so war es gleichwohl für die Kirche günstiger, sich auf die vertragsmässige Verpflichtung zu stützen[112].

Der Schutz der Römischen Kirche umfasste auch den Schutz ihres Vorstehers gegen sein eigenes Volk. Wenn Pippin aus diesem Grunde den Römern befahl, ihrem Papste treu zu sein[113], so besass er auch die Befugniss, Zuwiderhandelnde zur Rechenschaft zu ziehen. Mächtige des Landes, die der Papst nicht selbst bewältigen wollte oder bewältigen konnte, hatte der Beschützer zur Erfüllung ihrer Pflichten zu zwingen. Hadrian ging wohl, als er gegen die territorialen Bestrebungen des Erzbischofs Leo von Ravenna Karl’s Eingreifen verlangte, von der Annahme aus, dass diese Hilfe zu der Ausführung der Landverheissungen gehöre, weil der Erzbischof in einem der Römischen [334] Kirche zugesagten Gebiete sich selbst zum Landesherrn machen wollte[114], aber als Leo III. gegen die Aufständischen im Jahre 799 an Karl sich wandte, war es die Schutzpflicht, die er in Anspruch nahm; in seiner Eigenschaft als Beschirmer hat Karl ihn restituirt und die Missethäter unschädlich gemacht[115]. Früher hatte er gegen einen Mann, der 770 auf unrechtmässige Weise das Amt des Erzbischofs von Ravenna in Besitz genommen hatte, seine Unterstützung gewährt, um den Inhaber aus dem Amte zu entfernen[116].

Das Fränkische Reich hätte einen gleichen Vertrag mit jedem Herrscher schliessen können, indem es ihm sein Land und eine sichere Regierung garantirte. Bei einem Abkommen, welches der Römischen Kirche galt, kam zu dem weltlichen Inhalt ein kirchlicher hinzu, der nur für den Papst möglich war: auch der Schutz des Römischen Glaubens ist aus der Vertragspflicht abgeleitet worden[117], ohne dass die Karolingische Regierung der Folgerung entgegengetreten wäre. Pippin und Karl gegenüber bedurfte es dessen kaum. Diese Fürsten hielten sich für berufen, den christlichen Glauben mit geistlichen wie mit weltlichen Mitteln zu vertheidigen. Auch der Papst zog es meist vor, seine Forderung nicht als eine vertragsmässige, sondern als ein gottgefälliges, jedem katholischen Regenten geziemendes Thun darzustellen[118]. So lobte Paulus I. Pippin für das, was er für den Schutz des orthodoxen Glaubens gethan hatte, und erwartete von ihm, dass er wider die Griechen, die Feinde der Kirche und der Orthodoxie, die rechte Lehre vertreten werde[119]. [335] In der That hielt der König bald darauf, im Jahre 767, eine Synode, auf welcher die Gesandten des Oströmischen Kaisers und die des Papstes über die Lehre von der Trinität und von den Bildern disputirten[120]. Karl nannte sich in Briefen oder in Erlassen, deren Zweck und Inhalt eine besondere Hervorhebung dieser Mission begründeten, den Vertheidiger der heiligen Kirche[121]. Er berief, um die Lehre der Gottlosen zu vernichten, 794 eine Versammlung, welche unter Betheiligung Römischer Legaten den Adoptianismus und die Griechische Bilderverehrung verdammt hat. Bei Karl fielen Glaubensschutz und Glaubenszwang nicht ganz mit der Lehre Roms zusammen, auch wegen dieser Unterschiede war seine Vertheidigung des Christenthums nicht eine lediglich vertragsmässige, aber ein eigenes Christenthum hatten die Franken niemals gehabt, sie waren stets Römische Katholiken gewesen und so deckte sich thatsächlich das Wirken der Karolinger für die Religion so gut wie ganz mit einer Vertheidigung desjenigen Glaubens, über den der Papst die grösste Gewalt besass. Unter diesen Umständen war die Vertheidigung der Kirche vornehmlich eine Vertheidigung der Römischen Kirche und erschien sie als eine Pflicht, welche dem Karolingischen Fürsten auch aus einem besonderen Grunde auferlegt war.

Der Papst besass noch ein Mittel, um von den Königen eine besondere Fürsorge für seine Kirche zu begehren. Er hatte Pippin, nachdem er das Schutzversprechen gegeben hatte, gesalbt. Diese Salbung war nicht eine Salbung von der Art, wie sie beliebige Bischöfe ertheilen konnten, sie war eine Handlung des Vicars des heiligen Petrus und übte für seine Kirche eine eigenthümliche Wirkung aus. Als der schon früher gesalbte König sich von Stephan II. nochmals salben liess, wurde er auch zum Dienst für die Römische Kirche geweiht, für sie war er der auserwählte und vor Anderen befähigte Fürst. Hinfort sollte er auch ohne Rücksicht auf die Verträge das Wohl der Römischen [336] Kirche fördern, sie in ihren weltlichen Rechten vertheidigen und in ihrer geistigen Macht, ihrem Glauben beschützen. Es gab kein Interesse der Kirche, das sie nicht gegen den Gesalbten auf Grund der Benediction geltend machen konnte[122]. Die Weihe war gleichzeitig den Söhnen Pippin’s, den nachmaligen Königen, ertheilt, so dass diese bei Antritt der Regierung bereits ebenso verpflichtet waren wie ihr Vater. Stephan III. hat, als eine Verheirathung Karl’s mit einer Langobardischen Prinzessin in Aussicht stand, den Fürsten sofort erklärt, die Ehe mit einer Tochter dieses verruchtesten aller Völker sei nicht im Einklang mit dem heiligen Oele, mit dem sie durch die Hände des Vicars des Apostelfürsten geheiligt worden seien. „Hütet euch“, so schrieb er den Königen, „vor solcher Schuld“[123].

So war das Reich der Franken der Kirche zu ungemessenen Leistungen verpflichtet.


V. Das Bündniss.

Der König der Franken hatte dem Papste die beanspruchten Länder verheissen und ihm versprochen, seine Kirche zu vertheidigen, ohne dass er für diese Leistungen eine seinem Volke nützliche Gegenleistung erhielt[124]. Aber auch der Papst sollte sich dem Könige verpflichten. Sie gingen einen gegenseitigen Vertrag ein, bei dem die Leistungen des Einen für gleichwerthig den Leistungen des Anderen galten: sie wurden verbündete auswärtige Mächte.

Der Bundesvertrag legte den Vertragschliessenden principiell dieselben Pflichten auf und gab ihnen dieselben Rechte, allein dennoch war ihr Interesse kein gleiches. Der Papst vermochte den grössten und den besten Theil seiner Befugnisse statt aus dem Bunde aus dem weiten und dehnbaren Schutzvertrage abzuleiten, [337] und was er etwa nur auf Grund des Bündnisses fordern durfte, war nicht wichtig genug, um ihn zur Eingehung eines auch ihn verpflichtenden Pactums zu bewegen. Aber die königliche Regierung bestand auf dem Abschluss eines solchen Vertrages. Dem sachlichen Zweck nach wäre es nicht unmöglich gewesen, auch hier einen einseitigen Vertrag zu schliessen, einen Vertrag mit Pflichten nur für den Papst, allein was dem weltlichen Herrscher gebührte, geziemte nicht dem kirchlichen: er hat sich nur wechselseitig verpflichtet[125]. Bloss in einer Richtung trat zu Tage, dass der Staat der gewinnende Theil gewesen war: das Bündniss wurde sogleich unkündbar für die beiderseitigen Nachfolger geschlossen[126] mit der Bestimmung, dass es jeder Papst für seine Person erneuern solle, eine Verpflichtung, die er spätestens alsbald nach der Weihe zu erfüllen hatte. So suchten die Karolinger die einzige Gegenleistung der Römischen Kirche an das Reich der Franken, den Rechtsgrund, auf dem alle Pflichten des Papstes gegen das Königreich beruhten, für immer zu bewahren. In dieser Politik sind sie nicht ohne Glück gewesen. Den von Stephan II. eingegangenen Urvertrag haben die Nachfolger theils vor, theils nach der Consecration schriftlich oder durch Gesandte erneuert[127]. Persönlich haben ihn Karl [338] und Hadrian 774 vor dem Grabe des Apostelfürsten aufs neue gelobt[128].

Was die Contrahenten gemäss ihrer völkerrechtlichen Vereinbarung zu thun oder zu lassen hatten, haben sie nicht versucht, im Einzelnen zu verabreden. Ihr Vertragswille machte eine derartige Feststellung unmöglich[129]. Denn dieser Wille war darauf gerichtet, dass sie in Frieden leben, sich gegenseitig unterstüzen, mit Rath und That in allen Dingen einander helfen sollten; ein jeder hatte das dem Wohle des Anderen Dienliche zu thun und das ihm Schädliche zu meiden. Ihre Interessengemeinschaft sollte von der Art sein, dass ein jeder der Freund des Freundes und der Feind des Feindes wäre[130]; wer mit Gegnern des Bundesgenossen eine Gemeinschaft hielt, die dem Gefährten zum Nachtheil gereichte[131], wer Rathschläge gegen ihn machte [339] oder begünstigte und ihm zum Schaden unterliess, Unternehmungen oder Anschläge seiner Feinde zu seiner Kenntniss zu bringen[132], brach seine Bundespflicht. Auf Grund der Bundesgenossenschaft sollte der Eine dem Andern erforderlichen Falles kriegerischen Beistand leisten oder als sein Verbündeter allein zu den Waffen greifen[133]. Leute des Andern, die sich der Herrschaft entziehen wollten, sollte der Genosse nicht aufnehmen und Verleumder nicht bei sich dulden[134]. Weil sie als Regenten das Bündniss geschlossen hatten, standen sie für ein bundesgemässes Verhalten ihrer Völker ein; sie durften ihren Untergebenen nicht gestatten, feindselig gegen den Verbündeten zu handeln oder seinen Leuten Gewalt zu thun[135].

Waren die Bethätigungen der genossenschaftlichen Hilfe bisher von gleicher Art, so gab es doch einen Punkt, an dem sich die Aeusserungen der Bundespflicht auf beiden Seiten schieden. Der eine Vertragschliessende war ein Staatshaupt und der andere war ein Kirchenhaupt. Während jener nur weltliche Herrscherrechte zu gebrauchen hatte[136], vermochte dieser auch geistige Herrscherrechte zur Anwendung zu bringen. Die Verschiedenheit ihrer Rechts- und Machtmittel hatte die Römische Kirche schon früh betont. Bereits vor den Verträgen im Jahre 747 schrieb ein Papst den Franken, ein weltlicher Fürst trage Sorge gegen die Arglist der Feinde und für die Vertheidigung des Landes, den Geistlichen gebühre heilsamer Rath und Gebet (oder [340] Fluch)[137]. Der Bund des geistlichen Schwertes und des weltlichen begann die Verpflichtungen der Kirche und des Staates so zu specialisiren, dass der Papst geistlich und der König weltlich wirkte.

Der Papst stand seinem Verbündeten bei mit seinem Gebet. Sein Segen sollte ihn stets begleiten; er rief Gott an für den Sieg seiner Waffen, für Gesundheit, langes Leben, Wohlfahrt seines Reiches und Vergebung seiner Sünden[138]; Hadrian nahm Karl’s Namen in das Römische Kirchengebet auf[139]. Den Königen wurde durch päpstliche Salbungen 754 und 781 eine besondere Heiligung zu Theil; den Franken verbot der Papst 754 bei seiner Excommunication einen anderen König als einen aus Pippin’s Nachkommen zu nehmen. Mit seiner Autorität unterstützte er Karl’s Verhandlungen mit Tassilo III., um einen friedlichen Ausgleich herbeizuführen[140]. Er hätte seine Bundespflicht verletzt, wenn er seine geistige Macht zum Schaden des Verbündeten gebraucht hätte; der Bund erlaubte ihm nicht, die enterbten Neffen Karl’s zu Königen zu weihen[141], weil er sie damit befähigt haben würde, ihre Ansprüche gegen den Oheim wirksamer zu erheben. So hat der Bundesvertrag ihn nicht nur in seinen politischen Handlungen beschränkt, sondern ihm auch den freien Gebrauch der kirchlichen Gewalt genommen.


VI. Der Patricius der Römer.

Das Land der Römischen Kirche hatte durch das Schutzversprechen und das Bündniss nicht aufgehört, für Pippin Ausland zu sein. Denn jene völkerrechtlichen Verträge begründeten eine Verbindung zwischen den Regierungen, stellten aber keine rechtliche Vereinigung zwischen dem Könige der Franken und dem Volke des Papstes her. Wohl hatten auch die Römer von [341] den beiden Verträgen Vortheil; auch sie wurden vertheidigt, wenn der Papst gegen auswärtige Feinde vertheidigt wurde, und ein Theil des Gewinns, den die Kirche aus dem Bündniss zog, kam auch ihnen zu gute. Allein einen Anspruch auf Schutz und Beistand hatte nur die Kirche; der einzelne Römer – und es gab nur einzelne Römer – hatte kein Recht auf irgend ein Handeln des Franken. That ihm sein Landesherr Unrecht oder liess er ihm Unrecht thun, so war der König der Franken ebenso wenig zuständig, ihm Schutz gegen die öffentliche Gewalt zu gewähren und ihm zu seinem Recht zu verhelfen, als er bei einem Einwohner von Byzanz zuständig war.

Für sein eigenes Interesse hatte der Papst durch die Verträge hinlänglich gesorgt. Er wurde gegen äussere Feinde beschirmt und, falls seine eigenen Mittel zur Bewältigung seiner Landesbewohner zu schwach waren, so warf der Franke für ihn die Aufständischen nieder und beugte den Mächtigen dem Gesetz. Von seinem Beschützer und Verbündeten war er berechtigt, alles zu fordern, was er als Landesherr bedurfte. So war ihm eine Verbindung zwischen seinem Volke und dem fremden König nicht nur entbehrlich, sie wäre ihm auch nachtheilig gewesen, weil sie bloss auf Kosten seiner Landesherrschaft möglich war. Dessen ungeachtet hat Pippin 754 staatliche Gewalt im päpstlichen Gebiete erworben. Die dauernde Beseitigung des Exarchen, die Ueberweisung des Exarchats an Rom liess gleichsam einen leeren Raum zurück, an welchen die Politiker in Rom noch nicht gewöhnt waren und den sie sich nicht zutrauten, selbst auszufüllen. Die einzige weltliche Macht in seinem Lande wollte Stephan II. noch nicht sein, und da es einen kaiserlichen Beamten für dasselbe in Italien nicht mehr gab, so dachte er an einen Ersatzmann, ohne den er nicht glaubte regieren zu können und durch den er zugleich den Kaiser verhinderte die Statthalterschaft wieder zu besetzen.

Stephan II. hat 754 Pippin zum Patricius der Römer bestellt. Der König nahm die Würde von ihm an, weil er ihn als den schon vorhandenen rechtmässigen Herrn des Landes behandelte, der nach seiner Auffassung über sich und sein Volk verfügen konnte. Wir wissen nicht, ob die Römer vor der Abreise ihres Herrn das Verlangen geäussert hatten, Pippin solle über sie Gewalt erhalten, oder ob der Papst, nachdem Gregor III. [342] 739 einen solchen Beschluss der Bürgerschaft eingeholt hatte, diesmal auf eigene Hand entschied, indem er bei einer Handlung, die weniger zu seinem Nutzen als zu dem seines Volkes war, einen Widerstand nicht fürchtete; es ist auch nicht überliefert, in welcher Form die Ernennung erfolgte. Pippin ist, nachdem er Patricius geworden war, von Stephan II. gesalbt worden. Er war auch ohne die Salbung Patricius, wie er ohne sie König war, allein wie der für Petrus thätige König, so verdiente auch der Träger einer Würde über das besondere Volk des Petrus den Segen durch die Hand seines Vicars. Es war die Weihe zur Erfüllung des Berufs[142].

Die Eigenart der neuen Würde deutete der neue Titel Patricius Romanorum an. Diesen Titel hatte kein kaiserlicher Beamter geführt[143], aber dennoch schloss er sich so an den Sprachgebrauch im Römischen Reiche an, dass ihn nur Römer festgestellt haben können. Patricius war die höchste Titulatur, die in Verbindung mit Land oder Leuten einen Vorsteher dieses Gebietes bezeichnete. Die Römer, für welche er eingesetzt wurde, waren die Angehörigen der kirchlichen Respublica Romanorum. So hob der Ausdruck hervor, dass die Würde lediglich jenem Gemeinwesen und nicht der Römischen Kirche gelte, denn wenn diese Kirche hätte einbezogen werden sollen, so wäre sie im Titel nicht übergangen worden und Karl hätte auch kaum seinen Römischen Patriciat als die geringste seiner [343] Gewalten dem Königthum der Franken und der Langobarden nachgesetzt. Der Patriciat war so durchaus weltlich, dass er möglich gewesen sein würde, auch wenn der Landesherr nicht eine Kirche gewesen wäre[144].

Die Gewalt des Patricius gehörte schon ihrem Titel nach dem Staatsrecht an. Das für sie gültige Staatsrecht war weder das Fränkische noch das Römische. Der Exarch hatte das Heer befehligt, Aemter besetzt, gerichtet, das Finanzwesen geleitet, auch Einnahmen bezogen und die Papstwahl bestätigt; er hatte im Jahre 751 in Ravenna andere Befugnisse besessen als in Rom[145]. Der Karolinger sollte nicht Rechtsnachfolger des Exarchen sein; ein Eintritt in die Rechte des Exarchen war auf keiner Seite gewollt, weder auf der des Papstes noch auf der des Königs. Die Karolingischen Patricii haben kein Recht beansprucht oder geübt, weil der Exarch es gehabt hatte; der Exarch hatte die Pflicht, seine Provinz zu vertheidigen; die Vertheidigung des päpstlichen Landes war jetzt der Gegenstand eines besonderen Vertrages; für die Karolinger war das Land der Kirche ein gleichartiges Territorium; sie führten dort keine ordentliche, keine regelmässige Verwaltung und an der Besetzung des päpstlichen Stuhles hatten sie sich nicht zu betheiligen. Der Exarchat ist für die politische Geschichte eine Voraussetzung des Patriciats gewesen[146], aber die Rechtsgeschichte des Patricius Romanorum hatte 754 neu zu beginnen.

Alle Befugnisse des Karolingers in der Respublica Romanorum sollten im Patriciat einen besonderen Rechtsgrund haben[147]. [344] Schon der Titel lehnte die Einverleibung in das Fränkische Reich ab und schloss die Geltung der Fränkischen Königsgewalt aus. Auch in das Römische Reich trat Pippin trotz der Reichsangehörigkeit der Respublica Romanorum nicht ein, wie es der Fall gewesen sein würde, wenn ihn der Kaiser zum Patricius der Römer ernannte; hier wäre er sein Statthalter geworden, der Rechte und Pflichten gegen ihn erhielt[148]. Das Reichsrecht gab für das neue Recht keine Vorschrift ab; das Imperium wurde durch den Patriciat nicht anders als durch die sonstigen Abkommen des Jahres 754 betroffen; auch als Patricius hinderte Pippin eine gewisse Anwendung der Reichsgewalt, wenn der Kaiser es wieder unternommen hätte, im päpstlichen Lande zu regieren.

Grundlegend für die Gewalt des Patricius ist die Willenserklärung Stephan’s II. v. J. 754 gewesen. Sie gab[149] ihm das Recht zu Eigen. In eigenem Namen übte er seine Herrschaft aus, kraft eines unentziehbaren Rechts, für dessen Gebrauch er den Römern und dem Papst nicht verantwortlich war. Das Land der Kirche war demnach auch sein Land[150] und die Landesangehörigen [345] unter seiner Gewalt[151]. Ihre Pflicht gegen ihn war so alt wie der Patriciat. Die Einwohner Roms versicherten Pippin schon 757 ihrer Treue[152]; in einzelnen Landestheilen liess der Papst die Bevölkerung dem Patricius vereidigen, während in der Hauptstadt eine solche Verbürgung der Pflicht und der Pflichterfüllung sich verzögerte[153]. Aber auch die Vereidigung nur eines [346] Theiles zeigt die pflichtmässige Rechtslage Aller. Wer das Herrscherrecht des Patricius antastete, sich etwa in landesverrätherische Verbindungen mit den Griechen einliess, war seiner Gewalt verfallen[154]. Und doch sollten die Römer, das sagte ihnen der Titel Patricius, nicht seine Unterthanen sein.

Der Inhalt der patricialen Gewalt ist nach dem Brauche der Zeit nicht im voraus genau geregelt worden. An den Stellen, wo die Grenze zwischen ihr und der Gewalt des Papstes unsicher oder streitig war, blieb es von den augenblicklichen Umständen abhängig, wie die zweifelhafte Angelegenheit behandelt werden würde. Aber eine derartige Ungewissheit machte den Begriff des Patriciats nicht zweifelhaft: über ihn sind Geber und Empfänger nicht verschiedener Meinung gewesen, nur in der Ausführung konnten ihre Ansichten auseinandergehen. Ein jeder wusste, dass der Patriciat nicht eine allgemeine Herrschaft sei, die den Inhaber ermächtige, den Römern Gesetze zu geben und in Concurrenz mit dem Papste sie zu regieren, zu richten und für diese Thätigkeiten Aemter einzuführen und Beamte zu ernennen. Der Papst hatte sich nicht einen Theilhaber seiner Herrschaft bestellt, mit dem er die Gewalt zu gleichem Rechte besass[155]; auch nicht bestimmte Sachen hat er dem Patricius abgetreten, so dass seine eigene Landesherrschaft keine volle geblieben wäre. Vielmehr sollte das päpstliche Regiment das ordentliche und primäre, das patriciale das ausserordentliche und secundäre sein.

[347] Die patriciale Gewalt war bestimmt, eine Ergänzung der päpstlichen Landesgewalt zu sein. Sie trat zunächst in dem Fall in Wirkung, dass der Papst einen Römer nicht richten konnte oder sich nicht getraute, ein Urtheil gegen ihn zur Vollziehung zu bringen. Wenn er persönlich oder in seiner Landesherrschaft gefährdet oder verletzt war, so hatte ihm der König schon auf Grund des Schutzvertrages Beistand zu leisten, hier bedurfte er des Patricius nicht; gegen andere Widersetzlichkeit aber durfte er das Einschreiten des Patricius verlangen.

Auch ohne eine Aufforderung des Papstes war der Patricius befugt, für die Römer zu handeln. Es sollte freilich nicht in ihrer Wahl stehen, ob sie den Papst oder den Patricius in Anspruch nehmen wollten; ihr Gesuch setzte voraus, dass sie die Landesbehörden vergeblich angegangen hatten oder von ihnen aus Nachlässigkeit oder aus Parteilichkeit hilflos gelassen waren. Nur wo ihnen die päpstliche Regierung ihr Recht versagte, stand ihnen die zweite Herrschaft des Patricius zu Gebote. Das war der Standpunkt, den Hadrian principiell gegen Karl vertreten und Karl nicht principiell bestritten hat[156]. Indem so der Papst die Entscheidung für sich allein forderte, so lange er und seine Beamten bereit und fähig waren, ihrer Pflicht zu genügen, verlangte er, da über die Formen, in denen diese Sachen zu behandeln waren, keine Vorschriften bestanden, bald mehr, als der Patricius ihm einräumte. Er begehrte, keiner seiner Römer dürfe sich ohne seine schriftliche Erlaubniss an den anderen Herrscher wenden[157]. Der Patricius hätte, wenn er das zugestand, keine unmittelbare Gewalt mehr besessen; er nahm auch nach wie vor Beschwerden der Gekränkten ohne einen Brief des Papstes an und schritt sogar von Amts wegen auf Anzeige Unbetheiligter ein[158]. Ob er die Angelegenheit persönlich oder [348] durch Bevollmächtigte besorgte oder ob er eine Vermittlung bei der Landesherrschaft vorzog, entschied er nach seinem Ermessen.

Auch Päpste erlagen der Versuchung der Herrscher, ihre Macht zu eigenem Vortheil auszubeuten. Sie bereicherten sich widerrechtlich mit fremdem Gut. Sie waren nicht strafbar, aber besassen auch nicht das Recht, Unrecht zu thun. Der Patricius hatte die Berechtigung und die Verpflichtung, das Recht wider das Unrecht zu schützen, wer auch der Missethäter sein mochte[159]. So war das Volk des Papstes nicht auf Rache und Empörung angewiesen, weil der Patricius in der Noth sein Helfer war.

Karl hat einst Hadrian geschrieben, er möge nicht dulden, dass Römer Sklaven an die Heiden verhandelten; Hadrian erwiderte, mit seinem Wissen und Willen sei das nie geschehen; was er zur Abstellung hätte thun können, habe er gethan[160]. Karl, der in seinem Reiche solchen Menschenhandel verbot, wandte sich für das päpstliche Gebiet, dem er keine Gesetze hätte geben können, mit Erfolg an den Landesherrn. Aber durfte er ihm befehlen und im Falle des Ungehorsams Rechtszwang üben? Eine Bejahung der Frage ist schwerlich zu begründen. Karl forderte von demselben Papste die Vertreibung der Venetianischen Kaufleute aus Ravenna und der Pentapolis, indem er ihm gebot, entweder so zu befehlen oder seinen unmittelbar wirksamen Befehl auszuführen[161]. Erfüllte der Papst das Begehren aus Politik oder aus Pflicht? Venedig war Byzanz unterthänig, mit dem Karl damals in Feindschaft lebte. Deshalb würde, wenn die Massregel die Sicherung des päpstlichen Landes bezweckte, Karl als Vertheidiger desselben zu jener Forderung berechtigt gewesen sein, und auch als Verbündeter hätte er ein solches Verlangen stellen können, weil sein eigenes Gebiet nicht gesichert werden konnte, wenn im Nachbarlande des Verbündeten Feinde thätig waren, oder weil jene Ausweisung als Mittel zur Bekämpfung der kaiserlichen Regierung diente[162].

[349] Ist der Patricius durch seine Gewalt ein Oberherr des Landesherrn geworden oder behauptete der Papst auch als weltlicher Fürst jene gewaltfreie, gleichberechtigte Stellung, die Stephan II. bei den Verhandlungen mit Pippin 754 eingenommen hatte? War er auf der einen Seite ein ebenbürtiger Verbündeter, dessen Gesandte den Schutz des Völkerrechts besassen, und war er auf der anderen Seite einer höheren Gewalt unterworfen? Wurde diese Frage in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts gestellt, so mochte der Römer geneigter sein, sie zu verneinen und der Franke, sie zu bejahen; indess mit einem schlichten Ja oder Nein liess sich die Antwort nicht wohl geben. Der Patriciat war eine Herrschaft besonderer Art, wie die Respublica Romanorum. Der Papst war nicht einer der Römer, deren Patricius der Karolinger wurde. Der Patriciat sollte die Herrschaft des Papstes nicht mindern, sondern bessern. Seinen Functionen nach stand er im Dienste des Landes[163]. Er war nicht eine freie Gewalt, deren Gebrauch oder Nichtgebrauch in der Willkür des Patricius lag, sondern er gab Rechte, die für den Träger zugleich Pflichten waren. So war es auch den Karolingern verständlich, dass sie für ihre Arbeit keinen gleichwerthigen Lohn empfingen, während sie sonst eine Herrschaft ohne Einnahmen und unmittelbaren Nutzen für den Herrscher nicht kannten.

Pippin hat von seinem Patriciat während der anderthalb Jahrzehnte, die er ihn inne hatte, einen spärlichen Gebrauch gemacht. Aber auch er zweifelte nicht, dass er als Patricius unmittelbare Gewalt über die Römer habe: sie waren ihm zu Treue verpflichtet[164]. Pippin’s Würde haben seine beiden Söhne geerbt. Ihnen hatte der Papst 754 die Anwartschaft ertheilt, so dass sie, ohne dass eine Bestätigung oder Erneuerung der Verleihung erforderlich war oder erfolgte, nach dem Tode ihres Vaters Patricii geworden sind. Vor diesem Tage waren sie so wenig Patricii, als sie Könige waren, aber seitdem sind sie es auf Grund [350] der Handlung von 754 gewesen[165]. Karl, der letzte Träger der Würde, fand die Gewalt noch unentwickelt vor, denn eine genauere Abgrenzung bedurfte der Zeit, um sich zu bilden oder zu befestigen. Erst nach der Eroberung des Langobardenreichs hat er aus thatsächlichen Gründen als Patricius mehr gethan, als sein Vater und er selbst bisher gethan hatte. Während der mehr als 20jährigen Regierung Hadrian’s war die Ordnung, da der Papst auf möglichster Wahrung seiner Landesgewalt bestanden hatte, noch nicht zu der von Karl gewünschten Klärung gelangt. Mit dem nächsten Papste, der die Ansprüche aufgab, in denen sein Vorgänger aufgewachsen war, traf er 796 eine Vereinbarung[166], da er einseitig ein Recht, dessen Inhalt der Wille [351] des Verleihers bestimmt hatte, nicht ändern durfte. Es wird damals verabredet sein, dass die päpstlichen Urkunden und Münzen, diese wichtigen Zeichen der Herren im Lande, auch den Namen des Patricius tragen sollten[167]. Das Wesen des Patriciats blieb unverändert[168].


[1]
VII. Das Kaiserthum.

Die Lehrer der Christenheit hatten alle Probleme des Menschenlebens gelöst. Auch die Geschichte der Völker lag offen vor ihren Augen. Da die neue Religion sich innerhalb des Römischen Reiches entwickelt hatte und ohne dieses Reich eine Einheit der Kirche nicht entstanden wäre, so hatten sie gefolgert, dass jenes ursprünglich unpolitische Gemeinwesen des Glaubens und dieser ursprünglich polytheistische Weltstaat bis an das Ende der Dinge verbündet bleiben würden[169]. So ward das Dasein der Christenheit mit dem Dasein eines einzelnen Staates verbunden: es gab eine letzte Religion und ein letztes Reich, eine Kirche, welche alle Menschen in sich aufnehmen, und einen Staat, welcher sie alle beherrschen sollte. Die Vereinigung mit der Kirche hatte das Reich der Römer zu einer ewigen christlichen Ordnung gemacht, der Imperator hatte aufgehört der Träger der Majestät des Volkes zu sein: eine Gottheit hat ihn eingesetzt, um nach ihrem Weltplan zu walten.

Diese Anschauungen hatte die Kirche bewahrt[170], und durch sie waren sie die persönliche Ueberzeugung Karl’s des Grossen [2] geworden. Seine Gedanken über das Römische Reich und über die Kirche waren die seiner Gelehrten, seiner Theologen und seiner Bischöfe. Auch er hielt den Römerstaat für ein durch Gottes Willen bestehendes und für die Zwecke seiner Kirche unerlässliches Staatswesen; auch er glaubte an dieses Reich als einen Theil der göttlichen Weltordnung, das, während alle anderen Religionen und Staaten vergänglich wären, das Menschengeschlecht dereinst im Christenthum vereinigen werde[171]. Er, welcher in Literatur und Kunst eine Nachblüthe des Romanismus mit einer Renaissance verwechselte, eignete sich als ein Stück seines Romanismus auch das Imperium der Römer zu.

Als der König auf der Höhe seines Lebens stand, war das Römische Reich dem Bilderdienste günstig gesinnt. Da trat er dem Orient als Führer des Occidents entgegen, gewillt, die Kirche Gottes vor Unheil zu bewahren. Kaum hatte eine von der kaiserlichen Regierung nach Nicäa berufene Synode, an der sich ausser Abgesandten des Papstes wohl nur Morgenländer[172] betheiligten, die Verehrung der Bilder geboten, so liess er, obgleich der Papst die Beschlüsse des Concils gebilligt hatte, wider Byzanz verkünden, das Reich der Römer sei dem Christenthum feind geworden[173], ein Anderer sei jetzt berufen, die wahre Lehre zu beschützen, die heilige Kirche durch die stürmischen Fluthen der Welt zu lenken[174], und dieser Andere sei er selbst. Während der Orient die Bilder verehrte, behaupteten Occidentalen, Christus sei als Mensch von Gott adoptirt, so dass die Menschen die Brüder des Menschen Jesus seien. Gegen beide Dogmen schritt Karl mit allen Mitteln ein. Den Papst forderte er auf, eine Aenderung der Nicänischen Satzung zu bewirken[175]; von den Angelsachsen, denen er die Acten des Concils überschickte, erreichte [3] er einen Protest[176]; er veranstaltete eine Kirchenversammlung, wie im Fränkischen Reiche noch keine getagt hatte: sie trat zusammen auf Karl’s Befehl, der Papst war wegen der dogmatischen Fragen auf ihr durch Legaten vertreten[177] und Britannische Gelehrte nahmen auf des Königs Einladung Theil[178]. Diese Synode, welche die Bilder bekämpfte und die Gottheit Christi vertheidigte, ging ihren Theilnehmern nach über ein Fränkisches Reichsconcil hinaus und sollte ihrem Zweck nach auch über die Grenzen des Karolingischen Staates wirken. Als Karl der von dem Adoptianismus gefährdeten Geistlichkeit Spaniens die Entscheidungen seiner Synode übersandte, mahnte er sie nicht von der Gemeinschaft des Glaubens zu lassen, sonst werde sie den Trost seiner Hilfe in ihrem Kampfe mit den Ungläubigen verlieren[179].

Unter den damaligen Herrschern Europas vermochte nur Karl ein Hort der Kirche zu sein, die er von dem Kaiser verlassen und vom Papste nicht ausreichend gesichert glaubte[180]. Wie er sich oft als Hüter und Helfer der allgemeinen Kirche bezeichnete, so schrieb er 796[181], seines Amtes sei es, die heilige Kirche Christi überall gegen den Einbruch der Heiden und gegen Verheerung durch andere Ungläubige mit den Waffen zu [4] schirmen und im Innern das Bekenntniss des wahren Glaubens zu stärken: Gott hatte ihn hierfür mit beiden Schwertern gerüstet[182].

Karl wollte Kaiser werden. Er, der ein Menschenalter lang wie ein Herr der Weltgeschicke gewaltet hatte, stand hier vor einer Aufgabe, deren Lösung er nicht fand, zu der ihm die Initiative fehlte. Wohl beherrschte er ein Reich, welches mächtiger zu sein und zu bleiben schien als das der Griechen; er besass auch Rom, die Heimath des Imperiums; er handelte für den Glauben, wie ein Kaiser handeln sollte; zu dem Papste, dem Haupte der Kirche, stand er in engeren und vielseitigeren Beziehungen als der Imperator in Byzanz, und jetzt am Ausgang des 8. Jahrhunderts regierte dort ein Weib, das weder nach Römischem noch nach kanonischem Recht regieren sollte, das Reich und die Kirche. Allein alle diese Thatsachen gaben Karl kein Recht, sich selbst zu krönen[183], um Rechtsnachfolger des Römischen Kaisers zu werden; mit den eigenen Mitteln, mit Reichstag und Volksversammlung, konnte er über die Würde eines fremden Staates nicht verfügen, und ohne Rechtscontinuität mit dem alten Weltstaat wäre sein Kaiserthum nicht das gottgeweihte heilige Reich gewesen: sein Reich musste das alte, nicht ein neues sein.

Eine Partei trat eigenmächtig für das Kaisertum ein und hat ohne Karl’s Einwilligung die Entscheidung gebracht. Als der König am Weihnachtstage des Jahres 800, an dem Tage, mit welchem ein neues Jahrhundert begann, in der Peterskirche betete, krönte der Papst ihn zum Kaiser und die Anwesenden riefen ihn zum Imperator aus[184]. So wurde er überrascht und er duldete die Ueberraschung: er nahm das Imperium an.

Die Theilnehmer hatten nicht aus Herrschsucht gehandelt, sie wollten für die Christenheit eine bessere Ordnung herstellen, nachdem sie die kaiserliche Regierung in Byzanz aufgegeben hatten und doch ohne das Römische Reich nicht glaubten leben zu können; allein dennoch war es eine Revolution der alten Hauptstadt gegen den eigenen Staat, bei welcher Niemand ein Recht ausübte, weder der Papst noch das Volk. Leo III. war bei der Vertheilung der Rollen diejenige Function zugefallen, [5] welche, wenn ein Imperator nicht vorhanden war, dem Patriarchen von Constantinopel zukam[185]; er handelte hier kraft seiner kirchlichen Stellung. Die Hauptstädter, welche seine Handlung mit ihrem Zuruf begleiteten, waren kein Volk in staatsrechtlichem Sinne[186] und nahmen, so lebhaft auch ihr Gefühl sein mochte, eine politische Macht zu sein und so unentbehrlich sie für die Uebernahme des Kaiserthums waren, ein Wahlrecht für sich nicht in Anspruch[187]. Ohne den Papst und die Römer wäre das neue Kaiserthum unausführbar gewesen, aber zu vergeben hatten sie das Imperium nicht, und so war Karl gemäss dem Reichsrecht nach dem Acte von 800 dasselbe, was er vorher war. In Byzanz [6] glaubte man, Karl wolle sich zum einzigen Imperator machen[188], gab es doch nur ein Römisches Reich und dieses eine Reich war untheilbar wie die Christenheit, für die es bestimmt war. Karl, der an der Fortdauer des Römischen Reiches in Byzanz nicht zweifelte, aber auch ein doppeltes Römisches Reich für widersinnig hielt, meinte der Verlegenheit zu entgehen, wenn er eine gewisse Reichseinheit dadurch schaffe, dass er sich mit der Genossin des Imperiums verheirathe – zufällig war er Wittwer und Irene Wittwe –; das so geeinte Reich hätte er seinen Nachkommen hinterlassen[189]. Nachdem dieser Plan mit dem Sturze der Kaiserin bereits 802 vereitelt war, begann er Unterhandlungen mit Byzanz, um durch eine Anerkennung seiner kaiserlichen Gewalt die Rechtmässigkeit seines Imperiums zu begründen. Bis die Byzantinische Regierung im Jahre 812 seine Kaiserwürde zugestand, ohne auf die eigene zu verzichten, hatten sich die Zeitgenossen an das Unabänderliche gewöhnt, an zwei Römische Reiche neben einander, das eine im Osten und das andere im Westen, an zwei Kaiser mit denselben Namen und denselben Zwecken für die ganze Christenheit, von denen doch jetzt keiner mehr das Christenvolk in seinem Weltstaat vereinigen konnte[190]. Der innere Widerspruch wurde erträglich, weil die Einheit der christlichen Welt zerfiel, das Abendland für sich lebte und der Funke Hellenischen Geistes, der es einst erhellt hatte, erlosch.

[7] Karl war Römischer Kaiser, er war, so lautete sein Titel seit 801, Regent des Römischen Reiches, die früheren Imperatoren waren seine Vorgänger[191]. In der Pfalz zu Ingelheim liess sein Sohn die Thaten seiner Ahnen und die der grossen Kaiser malen[192], aber wer hier Constantin und Karl erblickte, konnte sich sagen, dass ihre Verschiedenheit bedeutender als ihre Aehnlichkeit sei. Constantin war ein Mann von Römischer Art, der das Christenthum vom Standpunkt des Staatsinteresses ansah und behandelte; Karl war der Mann einer neuen Zeit, des Mittelalters, in religiösen Dingen Augustinisch gestimmt und hier also mehr Christ als Staatsmann, auch in staatlichen Angelegenheiten nicht Römisch gesinnt. Und wie die Fürsten, so waren auch ihre Völker verschieden. Die Rechtscontinuität zwischen dem alten und dem neuen Reiche in Ehren – der Karolingische Reichsgedanke war nicht der alte; Niemand änderte ihn absichtlich, nicht der Papst, dessen Prävention ihn nicht alterirte, nicht Karl, welcher doch noch das alte Kaiserthum als weltliche Herrschaft vor Augen hatte, sondern die Zeit machte beide Reiche ungleich, sie stattete das neue Reich nur mit einem Theil der Besitzthümer des alten aus und das, was sie ihm in sein Leben mitgab, hat das Karolingische Imperium seiner Anlage nach von Anbeginn an zu einem neuen Imperium gemacht[193].

Das Reich der Franken war beendigt, das Römische Reich war an seine Stelle getreten. Zwar fuhr Karl fort, obwohl sein Königthum aufgehört hatte, in seinen Urkunden und auf seinen Münzen[194] sich nicht nur Imperator, sondern auch König der Franken und der Langobarden zu nennen, weil seine Unterthanen an seine königliche Gewalt gewöhnt waren und seine kaiserliche Gewalt wenig oder nicht verstanden; erst sein Sohn, der [8] niemals König der Franken gewesen war, gab eine Bezeichnung auf, die Vergangenheit und Gegenwart zugleich enthielt, und führte nur den kaiserlichen Namen. Auch Karl regierte in dem neuen Jahrhundert lediglich als Kaiser. Indem er seine königliche Gewalt durch die kaiserliche ersetzt dachte, entwickelte er die Bedeutung dieser Veränderung für seine Unterthanen gemäss seinen abendländischen Kaiserideen. Er liess sie einen „kaiserlichen“ Eid schwören[195]. Er forderte den Glauben, dass er ein von Gott eingesetzter und erleuchteter Herrscher sei, welcher nach Gottes Ordnung regiere[196]. Wie er selbst sich für verpflichtet erklärte, die heiligen Satzungen zu befolgen[197], so verlangte er von seinen Unterthanen, dass sie ihre staatsrechtlichen Pflichten als Pflichten gegen den Gott der Christen erfüllten[198]; und ihre erste Unterthanenpflicht war, gute Christen zu sein[199]. So stellte der erste Kaiser die Unterthänigkeit auf eine neue, seiner christlichen Theokratie entsprechende Grundlage: er gebot alte Pflichten mit neuer Begründung und erweiterte den Inhalt der Unterthänigkeit in Augustinischer Richtung, ohne zu bemerken, dass er damit eher den Zwecken der Kirche als denen des Staates diene. Denn die Gewalt über den Glauben hatte allein die Kirche und so mochte eine auf äussere Herrschaft angelegte Kirche stärkere Macht über die allzu gläubigen Unterthanen gewinnen, als dieses neue heilige Römische Reich.

Karl’s Absicht war nicht auf eine neue Verfassung, ein unbeschränktes [9] Imperium gerichtet, er war nicht der Meinung, dass dem Römischen Rechte, weil es das Recht seiner Vorgänger sei, Geltung in seinem Staate gebühre[200]. In der Reichsverwaltung führte er kraft kaiserlicher Machtvollkommenheit nur eine bedeutsame Aenderung ein. Bisher hatten ihm meist weltliche Diener als Königsboten gedient, die Geistlichkeit hatte er nur in einzelnen Fällen in Anspruch genommen; erst als Imperator hielt er sich für befugt, die Uebernahme des Amtes eines ordentlichen Missus von Bischöfen und Erzbischöfen zu begehren, ohne dass seine grössere Thätigkeit für die Kirche hierfür entscheidend gewesen wäre[201]. Von dieser Neuerung hat der Imperator seit 802 Gebrauch gemacht.

Eine Stelle in dem neuen Staate bildet das Räthsel in Karl’s Politik. Das Imperium war untheilbar, sein Königreich war theilbar gewesen. Er vertheilte 806 sein Reich unter seine Söhne. Das Geschick liess ihm nur einen Erben, den er nach Byzantinischem Brauche 813 zu seinem Nachfolger creirte. Eine Verfassungsänderung zu Gunsten des Untheilbarkeit fordernden Imperiums unternahm er nicht. Hemmte ihn 806 die Thatsache, dass seinem Reiche die Byzantinische Anerkennung fehlte, erlag er hier der Macht der Traditionen des Königthums oder sah er voraus, dass kein Gesetz verkürzte oder enterbte Prinzen zur Entsagung auf alte Ansprüche zu zwingen vermöge, dass nur die lebendigen Kräfte der Zeit wirksam sein würden? Er besass einen Staat, dessen Grösse ihm ermöglichte, die Idee der Weltherrschaft zu vertreten, aber wie sollte das Weltregiment geführt werden, wenn mehrere Erben zur Erbschaft des Reiches kamen? Die kaiserliche Partei stellte, um die Gewalt des Imperators im älteren Sinne zu bewahren, 817 eine Ordnung auf, welche die Rechte, die dem Kaiserthum für unentbehrlich galten, einer Individualsuccession [10] unterwarf, während sie den übrigen Prinzen geringere Herrschaften gab. Richtiger als dieser conflictreiche Ausgleich zwischen Kaiserrecht und Königsrecht wäre es gewesen, nur Einen zum Herrn im ganzen Staate zu machen. Jene Reorganisation des Karolingischen Imperiums ist nach 25 unglücklichen Jahren dem älteren Recht erlegen; die wieder schrankenlose Untheilbarkeit liess aus einem grossen Reiche mehrere Königreiche gleichberechtigter Herrscher hervorgehen, und einer dieser Herrscher, der nichts sein Eigen nannte als ein einzelnes Land, mit dem er weder eine Obergewalt zu begründen noch die christlichen Staaten Westeuropas zu leiten vermochte, hiess Kaiser und regierte das Römische Reich. Karl der Kahle, der unkaiserliche Kaiser, tröstete sich mit dem Befehl, ihn Imperator und Augustus aller Könige des Westens – der Fränkischen und der Ausserfränkischen – zu nennen[202], der Papst hiess ihn das Haupt und den Herrn des ganzen Erdkreises[203] und schrieb einem der Könige, wer von ihnen Römischer Kaiser werde, dem seien alle Königreiche unterthänig[204]. Johannes VIII. konnte den weltlichen Werth des Kaiserthums ausschliesslich in die äussere Herrschaft setzen, weil der nach innen gewandte imperatorische Gedanke des ersten Kaisers nicht lebensfähig gewesen war. In Verfassung und Verwaltung begründete es bald nach Karl’s Tode keinen Unterschied mehr, ob der Herrscher Kaiser oder König war[205]: das neue Staatsrecht war misslungen. Eine Verbindung der Staaten des Occidents hatte Karl nicht versucht, [11] ein staatlicher Mittelpunkt wäre für sie kein Bedürfniss, er wäre zwecklos gewesen. Die Ideale, welche das neue Kaiserthum geboren hatten, gehörten dem Gottesreiche an, sie waren mithin ein Werk mehr des Klerus als der Laien und haben von Hause aus das Karolingische Imperium in den Dienst der Kirche gestellt.

Auch in der Kirche waltete Karl jetzt als Kaiser. Die Kirchengewalt, die er in seinem Staate als König besessen hatte, erhielt einen neuen Rechtsgrund. Seine frühere Kirchenpolitik hatte bereits eine Richtung eingeschlagen, die er als Kaiser nur weiter zu verfolgen brauchte, um die Aufgaben eines Römischen Imperators zu erfüllen. Er hatte seine Macht benutzt, um den Cultus des Christengottes zu verbreiten[206], des Gottes, welcher der Fränkische Staatsgott geworden war, neben welchem kein Unterthan andere Götter anbeten durfte. Der christliche Glaube war bei den Franken stets eine Rechtspflicht gewesen, als Glaubensgehorsam hatten sie ihn angenommen und eine bessere Fähigkeit, sich das Christenthum anzueignen, besassen sie nicht. Karl befahl ihnen zu glauben, weil ihr Glaube sich befehlen liess. Er gab der Kirche Gesetze. Seinen Klerus wollte er sittlicher, frömmer, gelehrter machen, nicht um des Klerus willen, sondern weil er nur durch den Klerus so für sein Volk wirken konnte. Schon im Jahre 789 erinnerte er in einem Gesetz an Josias, den König von Juda, welcher die Religion pflegte, indem er den Gottesdienst in freier Natur zu Gunsten des Tempeldienstes von Jerusalem unterdrückte.

In seiner kaiserlichen Zeit war Karl auf kirchlichem Gebiete nur thätiger als vorher. Er stellte an seine Unterthanen höhere Anforderungen – sie mussten das Glaubensbekenntniss und das Vaterunser lernen – und auch dem Klerus gegenüber steigerte er seine Gebote[207]. Allein es handelte sich nicht darum, die Arbeit für die Kirche zu vermehren und die heiligen Satzungen zwangsweise durchzuführen, sondern es handelte sich darum, dass es [12] kraft der kaiserlichen Gewalt geschah. Die Christenheit hatte einen neuen Imperator erhalten, der als Haupt der allgemeinen Kirche galt. Einem Römischen Kaiser kam es zu, das göttliche Recht und die Ordnungen der Kirche anzubefehlen, zu erzwingen, die Uebelthäter zu strafen[208]. Euere Gewalt, so schrieb schon 457 ein Papst dem Imperator, ist Euch nicht nur zur Regierung der Welt, sondern am meisten zum Schutze der Kirche übertragen[209]. In dem Gedanken, Vertheidiger der Kirche zu sein und sein zu müssen, lebten auch die Karolingischen Kaiser, auch sie bekannten, durch ihr Römisches Imperium verpflichtet zu sein, die Kirche vor Feinden zu behüten und das Schwert zu ihrem Schutz zu führen[210].

In ihrer Eigenschaft als Kaiser hatten sie auch die Kirche zu leiten[211]. Hatte Karl bisher eine Landeskirche regiert, ohne nach der Ordnung der allgemeinen Kirche eine andere Stellung einzunehmen als die übrigen christlichen Könige, so hatte ihn Gott jetzt seiner Christenheit vorgesetzt mit derselben Gewalt, welche er dem Kaiser in Byzanz gegeben hatte. Der Imperator besass ein Vorrecht, das ihn vor allen Herrschern unterschied: nur er durfte ein ökumenisches Concil berufen. Auch der Kaiser des Westens war jetzt befugt, eine solche Versammlung [13] zu laden. Er hat von seiner Berechtigung keinen Gebrauch gemacht. Erkannte er, dass er auf Occidentalen angewiesen sein würde und dass es mit diesen Bischöfen nicht mehr möglich sei, eine kirchliche Gewalt neben der päpstlichen zu üben? Denn die Occidentalen stellten den Papst nicht unter, sondern neben das Concil; die Allmacht des Staates, die sich bei dem Römischen Reiche im Osten auch gegen die Kirche behauptet und dieser die weltliche Herrschaft versagt hatte, war in den Barbarenstaaten des Westens niemals vorhanden gewesen.

Im Occident fungirte als Organ der allgemeinen Kirche nur der Papst und im Osten der Kaiser. Ungeachtet ihrer politischen Abwendung vom Orient fuhren die Päpste fort, auch dort den Primat zu beanspruchen[212], obwohl es ihnen nicht gelang, ein Bestätigungsrecht für die Beschlüsse eines ökumenischen Concils zu gewinnen[213], und sie verhandelten trotz des westlichen Imperiums in Glaubenssachen mit dem Kaiser von Byzanz in der Regel so, als ob ein Kaiser des Westens, der doch ihr eigener Kaiser war, nicht vorhanden wäre[214]. Auch Byzanz hat diesen Kaiser meist ignorirt. Als der Griechische Imperator die letzte allgemeine Synode der alten Art 869 in seiner Hauptstadt hielt, war der Karolingische Kaiser weder zur Theilnahme aufgefordert noch vertreten, nur Legaten des Papstes fungirten wieder wie im Jahre 787 an Stelle des gesammten Abendlandes, dem auch der Papst die Concilsbeschlüsse mittheilen sollte[215].

[14] War das neue Kaiserthum in dieser Hinsicht wirkungslos geblieben, so führte es hingegen als die bedeutendste Neuerung auf kirchlichem Gebiete die Unterwerfung des Papstes unter den Karolingischen Imperator ein. Bis zu jener Zeit hatte Karl zu den Päpsten, abgesehen von den Verträgen, in keinen anderen kirchenrechtlichen Verhältnissen gestanden als andere Könige des Abendlandes, so dass ihm weder eine Gewalt über die Kirche im päpstlichen Lande noch die Befugniss zukam, in die kirchliche Regierung des Papstes einzugreifen. Hatte er ihn auch aufgefordert, in den ihm untergebenen Kirchen, zum Beispiel in Ravenna, die Simonie zu beseitigen[216], ein tadelloses Leben zu führen und die Kanones zu halten[217] oder eine Synode gegen den Adoptianismus zu veranstalten[218], so waren das Wünsche, deren Gewährung zwar der Gebetene diesem Bittsteller nicht wohl abschlagen konnte, die jedoch dadurch sich nicht in Rechtsansprüche verwandelten.

Der Papst wurde als Papst erst dem Kaiser Karl untergeben. Denn erst jetzt gehörte er seinem Reiche an und in diesem Römischen Reiche gab es, so war es bisher im Kaiserreiche gewesen, nur ein einziges Haupt, den Imperator. Karl hat alsbald nach seiner Krönung seine Kaisergewalt in päpstlichen Sachen ausgeübt[219]. Allein was Karl von seinen kaiserlichen Vorgängern überkommen hatte, war schwer zu bewahren. Hatte auch Alcuin von den drei Gewaltigen der Erde, von dem Imperator, dem König Karl und dem Papst, den letzten für minder gewaltig als den Fürsten der Franken erklärt (oben S. 3 Anm. 5), so verkündete er, der Vertraute des Herrschers, der Lehrer künftiger Grafen und Bischöfe am Hofe, jederzeit, dass [15] dem Papste, dem Haupte der Kirche, die Sorge und der Principat in der ganzen Kirche zustehe; er nannte ihn[WS 1] auch wohl mit denselben Worten, mit denen die Zeitgenossen den Kaiser ehrten, das Haupt des Erdkreises[220]. Karl theilte diesen Glauben, als er dem Papste 796 die Leitung der Kirche zuschrieb. Hat er als Kaiser das Kirchenregiment selber übernommen?

Die Pflicht, den orthodoxen Glauben zu vertheidigen, war nicht die Pflicht, den päpstlichen Glauben zu schützen. Wie eine königliche Synode 794 anders als der Papst entschied, so konnte es auch später geschehen[221], allein das Kaiserthum gab nicht das Recht, in Gegensatz zum Papste zu treten[222]. Der neue Kaiser glich auch hier dem alten nicht, weil er in anderem Masse den Primat anerkannte und weil seinen Bischöfen die Gesinnungen des Orientalischen Episcopats fehlten. Es war im Westen bald unverkennbar, dass der Papst in Glaubenssachen mächtiger als der Kaiser sei. Das Reich Gottes, so erklärte die Pariser Synode 829, zerfällt in zwei Lebensordnungen, deren eine der Kaiser und deren andere der Pontificat regiert[223]; Christus, das einzige Haupt jenes Reiches, hatte, als er gen Himmel fuhr, das Regiment an zwei Vertreter ausgetheilt: die Kirche übergab er den Bischöfen, den Staat dem Kaiser[224]. Lothar I. suchte, nachdem seine imperatorische Herrschaft gescheitert war, mit Hilfe der Kirche eine Obergewalt zu gewinnen, indem er den Papst bewog, einen ihm [16] ergebenen Bischof zu seinem Vicar in Gallien und Germanien zu ernennen: so hoffte er vermittelst der kirchlichen Angelegenheiten auch auf die weltlichen zu wirken[225].

Die gesetzgebende Gewalt des Imperiums hat sich nicht mehr auf den Papst erstreckt. Wie die weltlichen Reichsgesetze nicht für das Land des Papstes, so galten die Reichsgesetze kirchlichen Inhalts nicht für die Kirche des Papstes; daher nahm auch der Papst an der Berathung der Erlasse keinen Theil[226]. Der Imperator hatte schlechte Gebräuche der Römischen Kirche abzustellen und gute zu erzwingen; so forderte ihn 829 die Pariser Synode auf, seine kaiserliche Gewalt zur Beseitigung der Simonie in der Römischen Kirche anzuwenden, und an einen Römischen Priester erging auf Antrag Leo’s IV. der kaiserliche Befehl, zu seinem Amte zurückzukehren[227]. Der Papst fuhr fort, Italienische Concilien abzuhalten, ohne einer Erlaubniss des Kaisers zu bedürfen; Sergius II. beabsichtigte zwar einmal, um Genehmigung zu bitten und sein Nachfolger hat 853 eine Synode auf Befehl des Kaisers geladen, aber da der Papst in den meisten Fällen frei handelte, so sind auch jene beiden Ereignisse nicht Rechtspflicht und nicht Rechtsausübung gewesen[228]. Auch die [17] Papstwahlordnung hatte der Kaiser nicht zu geben, sondern die geltende Ordnung vor Störung zu behüten; auf die Beobachtung des Wahlrechtes durfte der Karolinger zwar bereits als König einwirken, denn auch bei diesen Geschäften konnte seine Schutzpflicht der Römischen Kirche sich bethätigen, aber für den Imperator war das eine innere Sache des Reiches geworden, die eine seiner Kirchen betraf.

Die Besetzung des päpstlichen Stuhles war schon vor den Karolingern von dem Einfluss des Staates frei. Einst hatte der Imperator die Befugniss besessen, den Gewählten vor dem massgebenden Act, der Consecration, zu genehmigen oder zu verwerfen, ohne Unterschied, ob die Wahl ordnungsmässig oder ordnungswidrig verlaufen war. Eine so freie Gewalt hatte er dem Exarchen von Ravenna, als er ihm die Regierungsthätigkeit für die Papstwahl übertrug, nicht ertheilt, das Bestätigungsrecht des Statthalters war ein amtliches geworden, aber sein thatsächlicher Einfluss war gross. Der Exarch hat sein Recht noch 731 geübt, – es war eines seiner letzten und sein letztes wichtiges Recht, das er in Rom besass. Indess, obwohl der damalige Beamte bei der nächsten Vacanz 741 noch im Amte war, haben die Römer den Erkorenen so schnell ordinirt, dass sie der Wirksamkeit der Regierung keine Frist gönnten; bei dem folgenden Papstwechsel erklärte sich die Weihe ohne den Kaiser aus der Thatsache, dass er in die Zeit der Langobardischen Occupation des Exarchats, in das Jahr 752, fiel,

In diesen Zustand traten die Franken ein. Sie liessen die Römische Wahl sich selbst entwickeln, ohne etwas von den Rechten in Anspruch zu nehmen, die vormals der kaiserliche Statthalter von Italien besessen hatte. Sie kannten vielleicht seine ehemalige Betheiligung bei der Papstwahl nicht, jedenfalls nahmen sie dieselbe nicht auf. Unter ihrem Patriciat vollzog sich die Besetzung des päpstlichen Amtes lediglich durch die Römer. Die 754 zwischen dem Papste und den Karolingern begründeten Rechtsverhältnisse wirkten auf den Papstwechsel nur insofern zurück, als der neue Papst dem Fürsten seinen Regierungsantritt [18] zur Anzeige brachte. Eine derartige amtliche Mittheilung hätte sich ausbilden können, auch wenn der Exarch die Wahl nicht zu billigen hatte, sie bestand für neue Interessen fort. Denn der Franke war jetzt für den Papst der wichtigste Herrscher. Der jeweilige Papst bestimmte den Zeitpunkt, zu dem er seine Meldung absandte; er entschied sich bald für die Zeit vor der Consecration, bald wartete er erst diese ab, ehe er mit dem Frankenfürsten den Verkehr eröffnete. Wahlacten hatte er nicht vorzulegen; wenn er es gelegentlich that, so that er es nicht, um eine Genehmigung zu erwirken, die ja auch nach der Ordination bedeutungslos gewesen sein würde, sondern etwa um die Rechtmässigkeit oder Einstimmigkeit seiner Wahl urkundlich zu erweisen.

Schon die erste neue Papstwahl 757 zeigte die Veränderung. Paulus zweifelte nicht, dass bei seinen Beziehungen zu Pippin eine Anzeige unumgänglich sei, er theilte ihm seine Wahl noch vor der Consecration mit, und die Kanzlei benutzte hierbei das Formular, das sie vormals für den Exarchen verfasst hatte, aber die Anzeige ging nicht von den Wählern aus, die in Byzantinischer Zeit das Wahlprotokoll einzureichen hatten, man gebrauchte jenes Formular auch nur für die sachlich gleichgültige Einleitung, ohne den Patricius als Rechtsnachfolger des Exarchen zu behandeln. Denn die Weihe erfolgte, ohne dass eine Antwort abgewartet wurde, und die Antwort war ein Glückwunsch. Der Hauptzweck dieser Anzeigen ist die Erneuerung der Verträge gewesen[229]. Die Römische Kirche hat ihre auf diesem Gebiete [19] erworbene Autonomie im Jahre 769 durch Feststellung einer jeden Fremden ausschliessenden Ordnung über Wähler und Wählbarkeit offenbart. Die auf der beschliessenden Synode mitwirkenden Fränkischen Bischöfe waren nicht zur Wahrung der Karolingischen Wahlinteressen abgesandt, die Karolingische Regierung liess die Satzung ohne Weiteres gelten[230].

Ein Herrscher, der in der ganzen Christenheit und auch in dem gesammten Fränkischen Reiche wirkte, mit dem die Karolinger als Patricier und als Könige in staatsrechtlichen, völkerrechtlichen und kirchenrechtlichen Verhältnissen standen, dieser Würdenträger wurde erkoren von den Einwohnern einer einzigen Stadt. Ihr Wahlrecht war sonderbarer, als wenn die Berliner den Vorsteher des Deutschen Reiches zu wählen hätten. Zwar setzten sich die Wähler zugleich einen Landesherrn ein, so dass sie auch ihren weltlichen Interessen in dem Wahlfürstenthum Rechnung tragen mochten, aber von Rechts wegen galt ihre Regierungshandlung nicht der Landesherrschaft, sondern der Kirche.

Das Karolingische Kaiserthum hat diese Rechtsstellung nicht verändert. Karl hat als Imperator eine neue Besetzung des päpstlichen Stuhles nicht mehr erlebt. Die ersten Wahlen unter seinem Sohne verliefen nicht anders als die der vorkaiserlichen Zeit; Ludwig bestätigte 817 der Römischen Kirche ihre bisherige Ordnung, ohne sie durch kaiserliche Befugnisse zu beschränken; er pactirte kein anderes Recht als das auf Anzeige der Wahl nach der Consecration[231]. Der Kaiser hatte für Einhaltung der [20] Wahlordnung zu sorgen, den regelrecht Gewählten zu schützen und Unberechtigte zu beseitigen, wie der König es durfte, weil diese Obliegenheiten unter die Leistungen fielen, welche der Schutzvertrag dem Karolinger auferlegte[232].

Erst im Zusammenhang mit der Erledigung einer Reihe anderer Römischer Fragen kamen Kaiser und Papst 824 überein, dass der Gewählte hinfort nicht früher geweiht werden dürfe, als bis er dem Kaiser einen bestimmten Eid geschworen hatte[233]. Es sollte damit nicht die freie, von der kaiserlichen Regierung unabhängige und von ihr erst 817 zugesicherte Wahl aufgehoben und dem Kaiser ein Bestätigungsrecht übertragen werden, so dass erst durch seinen Willen eine kanonische Besetzung gültig geworden wäre. Es waren andere kaiserliche Rechte, welche zur Einschiebung eines neuen Actes zwischen der Wahl und der Weihe führten: der Papst sollte einen Eid leisten, der nicht dem geistlichen Amte der Kirche, sondern weltlichen Pflichten gegen den Kaiser galt.

So durfte im 9. Jahrhundert ein Papst erkoren werden, ohne dass der Kaiser Kenntniss von der Erledigung des Amtes hatte, und er musste einen Mann als Papst hinnehmen, von dem er überzeugt war, dass er der Kirche oder dem Reiche schaden werde. Seine Commissare mochten sich zwar schon vor der [21] Wahl in Rom einstellen, aber sie durften weder die Wahlgeschäfte leiten oder die Wähler beeinflussen, noch machten sie das Wahlergebniss durch eine Willenserklärung wirksam; sie hatten darauf zu sehen, dass die Wahl eine rechtmässige war, um nicht einen falschen Papst zu vereidigen, sie hatten die Consecration eines Unvereidigten zu hindern, aber weiter reichte ihre Zuständigkeit nach dem Abkommen von 824 nicht. In dieser Hinsicht blieb die Besetzung des päpstlichen Stuhles nach 824 so frei, wie sie vorher gewesen war[234]. Was die neuen Bevollmächtigten thun durften, um sich über die Rechtmässigkeit der Wahl zu vergewissern, war auch dem Patricius und dem König erlaubt gewesen, denn auch er war berechtigt, der Gefahr vorzubeugen, mit einem Manne, der nicht Papst war, wie mit einem Papste zu verhandeln. Aber wenn die Wahl nicht zu beanstanden und der Eid geschworen war, war auch die Consecration nicht zu verweigern. Unter diesen Umständen überrascht es nicht, dass die kaiserliche Regierung zuweilen auf die Bestimmung des Nachfolgers Einfluss üben wollte, aber während sie hier über ihre Zuständigkeit hinausging, richtete sie ihre Aufmerksamkeit zu wenig auf die stete Beobachtung des Vertrages. Die Römer befolgten ihn während des 9. Jahrhunderts kaum häufiger, als sie ihn verletzten. Sie hielten ihn ein bei Gregor IV., Benedict III. und Hadrian II. 827, 855 und 867[235]. Bei einer Wahl war der Kaiser selbst in Rom anwesend und übte sein Recht persönlich aus: so hat der grösste Papst des 9. Jahrhunderts, Nikolaus I., den Römischen Stuhl bestiegen[236]. Liessen die Römer einen unvereidigten [22] Papst consecriren, so hatte die Regierung wohl das Recht, den vertragswidrig Geweihten aus dem Amte zu entfernen, weil die Ablegung des vorgeschriebenen Eides ein Bestandtheil des Verfahrens für die Creirung des Papstes geworden war; aber angewendet hat sie die Befugniss nicht[237]. Wenn sie den Eid nicht verlangte, so mochten ihre Conmmissare etwa für die Ruhe bei der Wahl sorgen und desshalb bereits vor der Wahl eintreffen, aber das waren andere Bevollmächtigte, als die, welche 824 vereinbart waren[238].

Wenn die kaiserliche Gewalt den Papst nicht einsetzte, durfte sie ihn entlassen? In kirchlichen Kreisen war man über die Absetzbarkeit des Papstes und die Rechtsgründe der Absetzbarkeit seit langer Zeit getheilter Meinung. Auf der einen Seite wurde die Unabsetzbarkeit behauptet, auf der anderen die Absetzung geübt: noch im Jahre 653 hatte der Kaiser einen Papst wegen Hochverraths mit Entfernung aus dem Amte und Exil bestraft[239]. Der Karolinger war vor dem Kaiserthum zu solchen [23] Massregeln nicht berechtigt; als Patricius hatte er Rechte gegen den Papst als Landesherrn, als König hatte er Anspruch auf sein bundesgenossenschaftliches Handeln, aber nichts gab ihm eine Staatsgewalt oder eine Kirchengewalt über den Papst.

Unter Hadrian kam das Gerücht aus, Karl gehe mit dem Plane um, ihn zu beseitigen, aber es wurde nicht behauptet, dass er eine solche Befugniss für sich beansprucht habe[240]. Als im Jahre 799 Leo III. der Unzucht, des Meineids und anderer Missethaten beschuldigt wurde, die eine Aberkennung seiner Kirchenwürde hätten rechtfertigen mögen, hegte er selbst, mochte er schuldig oder schuldlos sein, den Wunsch, dass Karl die Anschuldigungen prüfe. Der Fürst berief Geistliche und Laien zu einer Versammlung in St. Peter, vor der die Zeugen vernommen wurden. Die Untersuchung ergab keinen Beweis. Von geistlicher Seite ging der Vorschlag aus, Leo III. möge seine Schuldlosigkeit beschwören, und Karl trat dieser Meinung bei[241]. Ohne gerichtet zu sein und freiwillig[242] hat Leo III. den Reinigungseid geleistet. Was Karl gethan hätte, wenn die Uebelthaten erwiesen wären, und der Schuldige sich geweigert hätte, sein Amt niederzulegen, wissen wir nicht; aber wir wissen, dass Karl damals über kein Recht verfügte, vermöge dessen er den Papst absetzen konnte.

Im Kaiserreiche wurde es anders. Fränkische Bischöfe drohten Gregor IV. mit Absetzung, und er bestritt die Absetzbarkeit nicht principiell, denn er erwiderte, er fürchte die Absetzung nicht, so lange sie ihm nicht Mord, Diebstahl, Sacrilegium oder ein sonstiges derartiges Verbrechen nachweisen [24] könnten[243]. Aber den für die Reichsbischöfe, die Bischöfe des ehemaligen Königreichs, geltenden Bestimmungen, die aus einer Vorzeit stammten, die nicht seine eigene war, war er auch hier nicht unterworfen. Wie die Fränkischen Rechtssätze über Hofpflicht und Gesandtschaftspflicht, Heerpflicht und Steuerpflicht eines Reichsbischofs auf ihn keine Anwendung fanden, so wurde er auch nicht von dem Herrscher wie ein solcher Bischof gerichtet. Er war nicht ein Reichsbischof, sondern der Papst. Auch in dem Imperium der Karolinger blieb er, was er für die Karolingischen Könige gewesen war: der Träger einer selbständigen, eigenartigen Kirchengewalt. Das Kaiserthum hat ihm andererseits auch keine neuen Befugnisse gegeben, weder eine neue gesetzgebende, noch eine regierende oder richterliche Gewalt, auch im Dogma und in der Disciplin erwarb er kein neues Recht. Allein das für die Christenheit bestimmte Reich des Occidents erleichterte ihm, die Gewalt, die er bereits besass, befreit von widerstrebenden Orientalen, zu grösserer Entwicklung zu bringen; er wurde in die Karolingische Politik verflochten, und die Schwäche oder Selbstsucht der Regenten und die Zersplitterung des Staates haben die festere Begründung der päpstlichen Theokratie beschleunigt.

Das Kaiserthum hatte für den Papst staatsrechtliche Bedeutung. Leo III. gab ihr Ausdruck, indem er Karl nach der Krönung adorirte: er beugte vor dem Oberherrn die Kniee und berührte und küsste sein Gewand[244]. So trat er aus dem alten in das neue Reich, den Zuschauern die ideelle Continuität des Imperiums zeigend. Er ist ein Reichsangehöriger geworden[245], aber nicht ein Unterthan. Er hat nicht die Pfichten eines Unterthans, [25] weder nach Römischem noch nach Fränkischem Staatsrecht, übernommen, seine Kirchenwürde hat ihn solcher Gewalt überhoben.

Als die Zeitgenossen sich die Frage vorlegten, welche rechtliche Stellung der Kaiser zu dem Papste einnehme, hatten sie mit zwei Factoren zu rechnen, mit der neuen Reichsgewalt und mit dem ihr vorausgehenden Patriciat. Karl gab der Kanzlei Befehl, in seinem Titel den Patricius Romanorum aufzugeben[246], denn jetzt war er der Imperator der Römer. Allein die Gewalt, welche seine kaiserlichen Vorgänger besessen, aber seit mehreren Menschenaltern nicht mehr geübt hatten, und deren Ermittelung auch sehr schwierig gewesen wäre, diese Gewalt erwarb er[247] nicht: das Chaos, das sich hier im Staatsrecht aufzuthun schien, ist durch die patriciale Vergangenheit gelichtet. Als die kaiserliche Gewalt an die Stelle des Patriciats trat, entlehnte sie einen Theil ihres Inhalts aus den älteren Rechten, die nicht Rechte des Imperiums, sondern dem Imperium feindliche Ansprüche waren.

Das Land[248] der Römischen Kirche wurde ein Theil des neuen Reiches; es war das einzige Gebiet, um welches Karl’s Imperium grösser als sein Königreich war. Da nun das Subject der Römischen Landesgewalt nicht das alte Reich gewesen war, wie das bereits Bd. XI S. 326 besprochen worden ist, so ist es auch das neue Reich nicht geworden. Der Papst wurde nicht ein Statthalter des Kaisers, weil er nicht Rechte des Kaisers verwaltete; er leitete so wenig nach 800 wie vordem seine Gewalt von einer anderen weltlichen Herrschaft ab. Auch jetzt konnte gegen ihn Landes- und Hochverrath begangen werden[249]; ihm [26] hatte Gott das Land und das Volk untergeben[250]. Trotzdem war er nicht Souverän in einem Kirchenstaat, er war es dem Byzantinischen Imperator gegenüber nicht gewesen und ist es auch dem Karolingischen gegenüber durch das neue Imperium nicht geworden. Er befand sich als Landesherr in einer Abhängigkeit staatsrechtlicher Art, deren Wesen sich nicht aus dem Byzantinischen Staatsrecht bestimmen liess und ebenso wenig aus dem Fränkischen, weil eine derartige Sonderstellung bei keiner Herrschaft im Reiche sich wiederholte. Hätte Karl jene Römische Staatsallmacht, die einst auch über die ganze Provinz Italien geboten hatte, in seinem Imperium erneuert, vor den Grenzen des päpstlichen Territoriums hätte sie gleichwohl Halt machen müssen, denn hier schlossen eine solche Gewalt die vor dem Kaiserthum übernommenen Verpflichtungen aus. Damals war die Herrschaft des Patricius ihren Gegenständen nach eine beschränkte und ihrer Anwendung nach eine bedingte gewesen. Das Kaiserthum mochte die praktische Geltung des alten Rechts, das sich jetzt in Kaiserrecht verwandelt hatte, verstärken und seine Realisirung erleichtern, aber Gewalten im Lande der Römischen Kirche, die er als Patricius nicht gehabt hatte, besass Karl auch als Kaiser nicht; es bedurfte erst besonderer Rechtsgründe, damit der Papst von seinen bisherigen Befugnissen verlor und der Kaiser neue Gerechtsame[251] erwarb.

Der Kaiser war Herr von Rom und des gesammten päpstlichen Gebietes, das für ihn nicht Ausland war[252]. Aus der Vorzeit [27] ging der Gebrauch über, die Münzen[253] und die Urkunden[254] des Papstes auch mit seinem Namen zu bezeichnen, der nur in kaiserloser Zeit auf ihnen verschwand. Nach wie vor zwang er die Landesangehörigen, ihrem Landesfürsten treu und gehorsam zu sein – er gebot es ihnen 824 bei seiner Gnade[255] –, und auch die päpstlichen Beamten hielt er zur Erfüllung ihrer Dienstpflicht an[256]. Ob er auf Verlangen des Papstes oder aus freiem Entschluss einschritt, in beiden Fällen übte er die eigene Gewalt des höchsten Herrschers aus[257].

[28] Die kaiserlichen Hoheitsrechte hatten ein weites Feld für ihre Anwendung. Der Imperator bot päpstliche Truppen auf zum Kampfe wider die Heiden, zu einem Kriege, der eine gemeinsame Sache der Christenheit war und insbesondere auch dem bedrohten päpstlichen Lande zu Gute kam[258]; er befahl dem Papste 846 eine Befestigung für die von den Ungläubigen geplünderte Peterskirche zu errichten und zu diesem Schutz des Heiligthums der Christen liess er in seinem Reiche Geld sammeln[259]; seine Verträge mit Venedig betrafen grösstentheils päpstliche Städte und legten auch ihnen Verpflichtungen auf, aber sie nahmen auf der andern Seite ihre Interessen ebenso wahr, wie die des eigenen Landes, von denen sie unzertrennlich waren[260]. Diese und ähnliche Massregeln stellten das päpstliche Land durchaus nicht dem kaiserlichen gleich[261]. Die Rechte der Römischen Kirche sind niemals Regalien gewesen, und desshalb entbehrte der Imperator wohl auch der Befugniss, dort Privilegien [29] zu ertheilen, durch welche die päpstliche Herrschaft geschmälert wurde[262]. Nikolaus sprach nur aus, was schon längst in Geltung war: die Rechte der Römischen Kirche sind ewig, kein irdischer Herrscher kann sie mindern[263].

Die Angehörigen des Landes der Römischen Kirche sind mit Ausnahme des Papstes Unterthanen des neuen Kaisers geworden[264]. Diese kaiserlichen Leute konnten seitdem gegen den [30] Karolingischen Imperator Landes- und Hochverrath begehen[265]. Sie wurden jetzt dem Kaiser vereidigt; sie hatten ihm, sobald es die Obrigkeit – die päpstliche oder die kaiserliche – verlangte, zu schwören, ihre Unterthanenpflichten bestens zu erfüllen. Nach dem Vorgang von 796 beschränkten sich die Vereidigungen während des 9. Jahrhunderts auf die durch die Papstwahl bevorrechtete und politisch allein bedeutsame Hauptstadt, wogegen die im allgemeinen gleich verpflichtete, aber unwichtige Bevölkerung des übrigen Landes unvereidigt blieb. Da die Pflichten gegen den Kaiser auch ohne den Schwur bestanden, so wurde die feierliche Versicherung nicht nur bloss einem Theile des eidespflichtigen Volkes abgenommen, sondern mitunter bei der Thronbesteigung eines neuen Kaisers auch ganz unterlassen; schon im Jahre 814 hat die Staatsregierung versäumt, den Eid für Ludwig I. zu begehren[266].

[31] Das Rechtsverhältniss zwischen den Römern und Karl war durch das Imperium begrifflich verändert, aber inhaltlich ist es unverändert geblieben. Die Römer hatten nicht den Zwecken des Patricius gedient, sie haben auch nicht dem Kaiser gedient: sie waren weder seine Soldaten noch seine Steuerzahler. Ihnen gegenüber war das Imperium wie der Patriciat eine pflichtmässige, für das Volk des heiligen Petrus bestimmte Herrschaft. So haben die Römer, die Päpste und die Kaiser gedacht. Je nach der thatsächlichen Lage schwankte die Ausübung; es konnten Jahre vergehen, ohne dass der Imperator zum Handeln Anlass fand, oder er machte auch etwa von seiner kaiserlichen Gewalt aus Reverenz vor den seligen Aposteln[267] keinen vollen Gebrauch, aber der Gedanke seiner helfenden höchsten Herrschaft ist auf keiner Seite völlig verloren. Diese Herrschaft richtete sich in erster Linie auf ein Gut, welches jener Zeit heilig war: der Kaiser sollte der Hüter der Gerechtigkeit sein.

Nach den damaligen Anschauungen – sie waren auch die Ueberzeugungen der Karolinger – gab es weder Menschen, die nicht Unrecht thun konnten, noch ein Recht, das vor der Macht eines Sterblichen seine Kraft verlor. Das galt auch für den Papst[268]. Auch er war an das Recht gebunden, weder das Civilrecht noch das Strafrecht war ihm preisgegeben. Der Kaiser durfte ihn verurtheilen und zwingen, unrechtmässig erworbenes Gut an den Berechtigten zurlickzugeben[269], und er durfte ihn zur Verantwortung ziehen, wenn er Menschen ohne Recht tödten liess[270].

[32] Der Kaiser durfte jeden Römer richten. So sprach Karl während seines letzten Aufenthaltes im päpstlichen Gebiete Recht[271]. Seine Kenntniss des Unrechts konnte eine zufällige oder eine durch die Klage des Verletzten vermittelte sein. Der eine wie der andere Weg setzte voraus, dass der höchste Richter in der Nähe weilte; blieb er, wie es nach Karl’s Abreise geschah, Jahrzehnte hindurch fern, so drang von dem, was im päpstlichen Lande geschah, nur wenig bis zu ihm. Unter Leo III. hatte sich ein solcher Vorrath von Zorn über Ungerechtigkeiten angesammelt, dass 815 ein Aufstand ausbrach; viele, von päpstlichen Beamten beraubt, wollten sich mit Gewalt der Güter wieder bemächtigen, die ihnen mit Gewalt genommen waren. Noch deutlicher trat gegen zehn Jahre später der kaiserlichen Regierung entgegen, dass die Päpste in der Beaufsichtigung ihrer [33] Beamten oft lässig und gegen ihre Missbräuche bei Verwandten, Günstlingen oder Mächtigen oft nachsichtig gewesen waren, auch waren zahlreiche Uebelthaten niemals zu ihrer Kenntniss gelangt[272].

Die beste Deutsche Dynastie, die Karolingische, hätte nicht gemeint, Staatsgewalt zu haben, wenn sie den höchsten Beruf des Altdeutschen Herrscherthums, die Pflege des Rechts, nicht übte. Um der Rechtsunsicherheit im Kirchenlande hinfort vorzubeugen, haben auf Initiative der kaiserlichen Regierung Kaiserthum und Papstthum 824 einen Vertrag geschlossen, welcher im Interesse beider Contrahenten die Privatrechte der Kirchenleute gewährleisten sollte. Die Vertragschliessenden gingen bei ihrer Vereinbarung von der Voraussetzung aus, dass die beiden Herrscher selbst gewillt seien, Recht zu geben und dass sie nur besser als bisher von geschehenem Unrecht benachrichtigt werden müssten, um den Rechtsschutz zu bieten. Bei dieser Annahme war es möglich, dass die päpstliche Gewalt fast ungeschmälert aus den Verhandlungen hervorgegangen ist.

Die Contrahenten richteten in Rom für das päpstliche Territorium eine neue Behörde ein, deren eines Mitglied der Landesherr und deren anderes der Oberherrscher ernannte. Diese Bevollmächtigten hatten zunächst den Auftrag, Klagen über die Landesbeamten dem Papste zur Anzeige zu bringen, und der Landesherr sollte den beiden Beamten gebieten, die Sache in seinem Namen zu richten; die einzige Beschränkung, die er sich hierbei auferlegte, war die, dass er nur durch die Commissare, die sich gegenseitig controllirten, handeln durfte. Wenn der Papst jenen Dienstbefehl nicht ertheilte, so zeigte es der vom Kaiser ernannte Beamte seinem Herrn an, welcher, ohne eine Einwirkung auf den Papst zu versuchen, zur Herstellung des Rechts besondere Vertreter abzuordnen hatte. Ueberdies erstatteten ihm beide Bevollmächtigte jährlich Bericht über die Einhaltung der Ordnung von 824 und über die Amtsführung der päpstlichen Gerichte[273].

[34] Diese Organisation neuer Mittel für ein altes Recht bot allen Betheiligten Gewinn. Die Unterthanen besassen in ihr eine Bürgschaft für ihre Rechte; der Papst vermochte mit ihr leichter seine Beamten zu beaufsichtigen und seine Dienstgewalt über sie auszuüben. Der Kaiser versprach sich von der Aenderung seiner Verwaltung eine gewissenhaftere Landesjustiz. Ein eigenes Gericht in Rom hatte er freilich nicht durchgesetzt. Wenn der Papst auf die Anzeige der Missi nicht einschritt, so trat ein schwerfälliger und langsamer Geschäftsgang ein, der sich der Wirksamkeit der Reform in den Weg stellte. Die kaiserliche Politik hatte, als sie jene Vereinbarung traf, kaum hinlänglich mit dem Widerstande gerechnet, den ihre geborene Gegnerschaft, das Landesbeamtenthum, der Anwendung der Constitution bereiten würde, und mit den Conflicten, welche die Beaufsichtigung der Beamten eines anderen Herrn herbeiführen musste. Die Unstetigkeit der Karolingischen Regierung trug ferner dazu bei, die scheinbar vielversprechende Einrichtung von 824 weniger im ursprünglichen Sinne zu benutzen und zu entwickeln, als ihr je nach den wechselnden politischen Lagen Roms eine verschiedene Anwendung zu geben[274]. Bereits Lothar I., welcher in Vollmacht [35] seines Vaters jenes Abkommen geschlossen hatte, liess es verfallen. Denn, als er für den regierungsuntüchtig gewordenen Sergius II. dessen Bruder zum Stellvertreter ernannte, bestellte er einen Vertreter, welcher Kirchen und Volk berauben konnte[275], weil die 824 angeordneten Bevollmächtigten fehlten. Ludwig II. setzte wahrscheinlich in einem Conflict mit Nicolaus zur Wahrung und Ausübung seiner Rechte in Rom zwei Geistliche ein, welche sich auf die antipäpstliche Partei, mit deren Rath sie bestellt wurden, stützten und ein Sammelpunkt für die Gegner des Papstes waren[276]. Die Folge solcher dem Papste unerwünschter Machthaber war die, dass die päpstliche Politik die Aufhebung des Amtes überhaupt erstrebte. Sie erreichte wohl von Karl dem Kahlen eine Zusage, das Amt unbesetzt zu lassen, was im Zusammenhang mit dem Niedergang der Karolingischen Kaisermacht auf eine zeitweise Beseitigung des Amtes hinauslief[277]. Der kaiserliche Versuch, einen Stellvertreter in Rom zu halten, das einzige wirksame Mittel für die praktische Geltung der Kaiserrechte, war gescheitert. Gegen Ausgang des 9. Jahrhunderts befanden sich die Römer wieder in derselben Lage, in der sie sich vor 824 befunden hatten: sie reisten zum Kaiser, um seine Hilfe zu erlangen[278].

[36] Die Herrschaft des Kaisers im Lande der Römischen Kirche hat nicht vermocht, die Zeit des Patriciats zu überwinden. Wäre die Gewalt der Karolinger unmittelbar auf die der Byzantiner gefolgt, so würden die Nachfolger den Versuch haben unternehmen können, ihren Vorgängern ähnlich zu werden. Jetzt waren sie durch ihre eigene Vergangenheit gebunden. Zwar hatten die Patricier eine genaue Feststellung ihrer Rechte und Pflichten nicht für erforderlich gehalten, aber auch die Kaiser haben das weder nachgeholt noch zu ihren Gunsten benutzt. Als Ludwig I. wenige Jahre nach dem Tode seines grossen Vaters die Privilegien der Römischen Kirche erneuerte, wurden Vereinbarungen bestätigt oder getroffen, die ebenso gut mit dem Patricius hätten geschlossen werden können. In ihnen spiegelt sich bezüglich der Stellung des Kaisers zum päpstlichen Lande der Niederschlag der Conflictszeit zwischen Hadrian und Karl und der Zeit des besseren Friedens zwischen Karl und Leo III. wieder. Der Kaiser entsagte beliebigem Eingreifen in die päpstliche Regierung; er versprach, keinen, der aus der Landesherrschaft zu ihm entweiche, selbst wenn er nur aus Angst zu ihm flüchte, der ordentlichen Regierung zu entziehen, sondern ihn auszuliefern und sich höchstens für einen Entschuldbaren mit seiner Fürsprache zu verwenden. Er behielt sich jedoch vor, dem Römer gegen Gewalt und Unterdrückung seinen Rechtsschutz zu gewähren, ohne dass er über die Mittel eine Bestimmung vereinbarte; er konnte demnach sowohl mittelbar durch Einwirkung auf den Papst, wie unmittelbar durch eigene Herstellung des Rechtes handeln. Der Papst war in dem westlichen Kaiserthum der eigenberechtigte Herrscher geblieben, der er für den Patricius gewesen war[279].

Sollten auch der Schutzvertrag und das Bündniss das 8. Jahrhundert überdauern, sollten auch sie stärker als das Kaiserthum sein? Die Verträge stammten aus einer Zeit, als Niemand an ein Karolingisches Kaiserthum dachte, sie waren in der Voraussetzung geschlossen, dass ein Anderer als der Karolinger Kaiser sei und dieser Andere seine Herrscherpflicht nicht erfülle, und wenn sie auch damals für alle Zeit eingegangen wurden, so [37] schienen sie jetzt mit dem Fortfall ihrer Voraussetzungen erloschen oder kündbar zu sein. Nächst Gott und seinen Heiligen, so liess Karl seinen Unterthanen sagen, ist der Kaiser der Protector und Vertheidiger der Kirchen[280]. Diese Kaiserpflicht bezog sich auch auf die Römische Kirche, auch sie hätte auf Grund der allgemeinen Staatspflicht den Imperator in Anspruch nehmen können[281]. Gleichwohl haben weder die Päpste noch die Karolinger an der Fortdauer der Verträge gezweifelt; das Kaiserreich hatte ihnen nur ihre internationale Natur, aber nicht ihre Geltung genommen. Auch jetzt blieben die früheren Verträge die Grundlage der späteren, neue Bestimmungen bedurften eines neuen Vertrages, bei dem es rechtlich entscheidend war, dass die Form des Vertrages beobachtet wurde, auch wenn der eine Contrahent den anderen zur Abgabe seiner zustimmenden Erklärung thatsächlich genöthigt hatte[282]. Eine einseitige Aenderung des geschriebenen wie des ungeschriebenen Rechts blieb unstatthaft.

Zunächst kam bei dem Schutzvertrage in Frage, wie sich hier Kaiserthum und Dynastie zu einander verhalten würden. Die Vertragspflicht hätte sich auf die Erben des Staates vererbt, während das Kaiserthum vielleicht nur einem von ihnen zu Theil wurde, auf andere Fürsten überging oder zeitweise unbesetzt war. Wie Karl der Grosse sich diese Rechtsfrage beantwortet hat, ist uns unbekannt. Als er im Jahre 806 sein Reich für den Fall seines Todes unter seine drei Söhne vertheilte, gab er ihnen den Schutz der Römischen Kirche auf; jeder einzelne hatte ihn gleichmässig zu leisten, allein oder zusammen mit den Brüdern. Aber derselbe Satz wurde 831 wiederholt, als Lothar I. bereits Kaiser war. 867 gingen zwei Könige, Ludwig und Karl, den Vertrag ein, die Römische Kirche gemeinsam zu vertheidigen, während ihr Neffe Ludwig die Kaiserkrone trug; dem Papst schrieb [38] König Lothar 860, wenn die Heiden das Gebiet des heiligen Petrus angreifen sollten, so sei er bereit, für Gott und den Papst in Gefahr und Tod zu gehen[283]. Auch die Päpste hielten an dieser Verpflichtung des Karolingischen Hauses fest. So begehrte Johann VIII. 878 während der Vacanz des Imperiums von den Karolingischen Königen, dass sie gleich ihren Vorfahren in Erfüllung des Pactums die Römische Kirche vor ihren Feinden beschirmten[284]. So ging in der Karolingischen Dynastie auf Grund eines Rechtssatzes des Hausrechts oder des Königsrechts eine ursprünglich durch Vertrag begründete Pflicht über, deren Inhalt der vertragsmässige geblieben war.

Die Verträge sind nur mit den Kaisern, nicht auch mit den Karolingischen Königen erneuert. Karl selbst hat als Kaiser in dieser Hinsicht nichts mehr zu thun gefunden, da sein Contrahent, Leo III., ihn überlebte. Als sein Sohn 816 mit Stephan IV. die Verträge erneuerte, stellte er ihm auch eine Urkunde aus, in welcher er der Römischen Kirche nicht nur seinen kaiserlichen Schutz für alle ihre Besitzungen verhiess, sondern auch den Besitzstand selbst in seinen einzelnen Bestandtheilen aufzählte. Ob diese Form der Garantie des Territoriums damals zuerst zur Anwendung kam, oder ob sie auf eine Vorurkunde Karl’s zurückging, ist unerheblich, denn die Schutzpflicht selbst wurde dadurch nicht geändert, sondern nur ihre Benutzung erleichtert. Bereits 817 wiederholte der Kaiser das Pactum mit einem neuen Papste[285], und mancher Nachfolger hat Bestätigungen gegeben.

[39] Die Römischen Politiker, welche am meisten vom Kaiserthum sprachen und ihre Ansichten mehr und mehr zur öffentlichen Meinung Westeuropas machten, sahen den Hauptzweck des Imperiums in der Förderung der Römischen Kirche und diese Förderung in der Wahrung ihrer Gerechtsame und ihres Vorstandes[286]. Nachdem der imperatorische Gedanke des ersten Kaisers – und mit ihm die Erwerbung des Weltregiments ohne Theilnahme des Papstes – verschwunden war, lebte der Theil des alten Rechtes fort, welcher den Kaiser verpflichtete, für die Römische Kirche zu sorgen und sie zu vertheidigen. Der Vertrag aus der vorkaiserlichen Zeit gab dem westlichen Imperium einen Inhalt, den es ohne ihn nicht erhalten haben würde, und nachdem er dieses Werk vollbracht hatte, konnte er aufhören; er hinterliess dem Kaiser als solchem die Pflicht das besondere Territorium der Römischen Kirche und deren übrige Rechte besonders zu vertheidigen. Durch seine Würde war er der Vogt der Römischen Kirche; um sie gegen alle Feinde zu vertheidigen, hatte ihn der Papst gekrönt und Gott ihn bestellt[287]; die Mutter aller Kirchen hatte er zu schirmen[288]. Wenn das Gebiet Roms, [40] des Hauptes des Imperiums, in der Hand der Feinde war, so frugen die Völker: wo ist der Kaiser[289]? Er war von Rechts wegen der Vertheidiger der Römischen Kirche, er hat es bei seiner Krönung öffentlich bekannt[290].

Auch der Bundesvertrag war durch das Kaiserthum nicht aufgehoben oder inhaltlich verändert, obgleich der eine Contrahent jetzt dem Reiche des anderen zugehörte. Leo III. versicherte den Kaiser Karl seiner unwandelbaren bundestreuen Gesinnung, aber als er ihn überlebte, liess er die Thronbesteigung seines Sohnes unbeachtet vorübergehen; erst sein Nachfolger holte die Erneuerung des Bündnisses 816 persönlich nach. Mit dem nächsten Papste vereinbarte Ludwig I. 817 nochmals, dass jeder Papst, so wie es unter den Vorfahren gewesen sei, verpflichtet bleiben solle, den Bund nach seiner Weihe mit dem Kaiser zu erneuern[291].

Ehe das Abkommen eine Anwendung erfuhr, wurde es 824 durch ein neues ersetzt. Der Zeitpunkt der päpstlichen Handlung wurde vor die Consecration verlegt, um zu verhüten, dass ein Papst ohne diese Leistung den Stuhl Petri besteige. Ferner sollte nicht mehr der Papst die Initiative ergreifen, sondern der Kaiser Commissare nach Rom abordnen, um die päpstliche Erklärung abzunehmen; man einigte sich endlich über eine Formel, nach welcher der Gewählte zu schwören hatte. Der wesentliche [41] Inhalt dieses Eides wird, dafür sprechen Vergangenheit und Zukunft der päpstlichen Handlung, die Bundespflicht gewesen sein. Die Leistung war jetzt eine einseitige geworden, weil die entsprechende Pflicht des Kaisers, die bei diesem Vertrage stets vor der päpstlichen zurücktrat, in den Begriff der Vertheidigung aufgegangen war. Der Papst hatte demnach eidlich zu versprechen, dem Kaiser zum Frommen und nicht zum Schaden zu sein. Die Tragweite der Verpflichtung war so umfassend, dass sie auch die Achtung der Verträge und der kaiserlichen Hoheitsrechte in sich schloss[292].

[42] Dieser Vertrag von 824 war für die kaiserliche Politik leichter zu erreichen als zu bewahren. Musste die Besetzung des päpstlichen Stuhles bis zur Ankunft der kaiserlichen Gesandtschaft in Rom verschoben werden, so drohte oft zum Nachtheil der Kirche und der Römer ein langes Interpontificium einzutreten, das den Vertragsbruch, die Weihe vor dem Gelöbniss, in Aussicht stellte. Lothar I. sah die Gefahr voraus und suchte ihr zu begegnen, indem er sogleich 824 die Römer, den Klerus wie die Laien, die Einhaltung der neuen Ordnung beschwören liess. Es war vergeblich. Bald wurden Unvereidigte geweiht und schwuren auch nach der Weihe nicht mehr. Allein mit dieser Form ging der Inhalt nicht unter. Die Verpflichtung des Papstes hatte lange genug gewährt, um aus ihr eine mit der päpstlichen Würde verbundene, unmittelbar durch sie begründete Verbindlichkeit zu machen. Was deren Erfüllung durch den Ausfall des Gelöbnisses verlor, gewann sie durch die Macht der öffentlichen Meinung wieder. Auch jetzt erklärte der Papst, wie seine Vorgänger im 8. Jahrhundert, die Freunde des Kaisers müssten von Rechts wegen auch seine Freunde, des Kaisers Feinde seine Feinde sein[293], und wer sich gegen ihn erhebe, der widerstrebe auch dem Papst[294]: für fortgesetzte Anfeindung des Kaisers drohte er mit dem Kirchenbann[295].

So hat das neue Kaiserthum seinen Weg begonnen. Wohl fiel ein Schimmer von Weltherrschaft in Augustinischer Beleuchtung auf dieses heilige Römische Reich, aber wer den festen Boden suchte und die dauernde, stete Ordnung betrachtete, erkannte ein Recht, für welches nicht dieses Reich den Grund gelegt hatte. Denn dieses Kaiserthum richtete seinen Blick nicht auf den Grossstaat und nicht auf die Christenheit, für deren Einheit nur die Kirche die Organe besass, sondern es hielt im Augenmerk nur eine Kirche, die Kirche von Rom. Ihre irdischen Besitzungen waren ein besonderes kaiserliches Land und zwischen [43] Kaiserthum und Papstthum galt eine gegenseitige Aushilfe, bei deren Ausübung der Papst den geistlichen und der Imperator den weltlichen Zwang gebrauchte.

In solchen Verhältnissen hatten die beiden grossen Mächte des Abendlandes seit einem halben Jahrhundert gelebt, so hatten sie gehandelt und handeln müssen, als das Karolingische Kaiserthum seinen Anfang nahm. Das alte Recht hat die durch das Imperium eingetretene Veränderung überdauert und diesem seinen wesentlichen Inhalt gegeben. Aus dem Patriciat ging die kaiserliche Landesgewalt, aus dem Schutzvertrage die kaiserliche Schutzpflicht, aus dem Bundesvertrage die päpstliche Unterstützungspflicht hervor. Was zwei auswärtige gleichberechtigte Gewalthaber im Jahr 754 in freiem Entschluss vereinbart hatten[296], was seiner Entstehung und seinem Zweck nach in keinem Zusammenhang mit einem Karolingischen Imperium stand, das ist der Beruf des neuen Kaiserthums geworden.



Anmerkungen

  1. Wie nach Gregor I., Reg. V, 37, dem Petrus cura und principatus in der ganzen Kirche zusteht, so schreibt auch Hadrian von seiner Sorge für die ganze Christenheit, Codex Carolinus S. 629. 630, 20. 634. 644, 9 nach Gundlach’s Ausgabe 1892. Vgl. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I³, 439 ff. II³, 99 ff. Sohm, Kirchenrecht I, 378 ff.
  2. Diese seit dem Concil von Chalcedon 451 immer häufigere, auch Codex Justin. I, 1, 8, 1 vom Papst gebrauchte Fassung haben in unserer Zeit die Schreiben Hadrian’s 785 Migne 96, 1217. 1220. 1240. Codex Carolinus S. 501, 12. 504, 16. 545, 28. 549, 6. 557, 21. 569, 11. 575, 15. 629, 25. 641, 35. Paulus, Hist. Langob. IV, 36. Vita Bonifatii III. c. 1, Vita Leonis III. c. 21.
  3. Codex Justin. I, 1, 7, 2. Liutprand c. 33, Leges IV, 124. Vita Sergii c. 6. Der Bischof von Grado an den Papst um 770, Mon. Germ., Epist. III, 712, 25. Caput nostrum nennt den Papst auch Avitus ep. 39 S. 68 Peiper.
  4. Diese Formel gebrauchte z. B. Gregor I., Reg. V, 37. Liber diurnus 75. 76. 83. Avitus, Homil. XVI, 1. Codex Carolinus S. 511, 15. 552, 16. 563, 1. 572, 9. 573, 22. 575. 587. 594, 15. 597, 1. 599, 30. 600, 26. 602, 8. 603, 13. 604, 15. 606. 610, 21. 611, 26. 613, 35. 616, 30. 618, 25. 620, 31. 623, 36. 624, 4. 626, 19. 628, 33. 629, 22. 630, 30. 633. 634, 35. 638, 2. Gemäss dem Formular des Liber diurnus hat auch Bonifatius 722 diese Gewalt des Papstes anerkannt, Mon. Germ., Epist. III, 265; er war Missus Petri, Capitularia I, 25, 1. Ein älteres angebliches Schreiben Leo’s I. Pflugk-Harttung, Acta pontif. roman. II, 29 S. 11. Vita Leonis III. c. 7, Valentini c. 8, Leonis IV. c. 73. 93. 95. Harnack a. a. O. I, 384. III, 42. 135. 216.
  5. Leo I., sermo 3–5, Migne 54, 144 ff. So schrieben Päpste an die Kaiser 680 und 785 Migne 87, 1217. 1225. 96, 1217 f. Eine ähnliche Stelle daselbst 89, 516 gehört dem unechten Schreiben bei Jaffé 2180 an, siehe Duchesne, Liber pontificalis I, 413. II, 565, Guérard, Mélanges d’archéologie et d’histoire X, 44–60, Kattenbusch, Vergleichende Confessionskunde I, 379 Anm., Harnack a. a. O. II³, 455.
  6. Liber diurnus 73. 75. 76. Vgl. Codex Carolinus S. 577, 36.
  7. Malfatti, Imperatori e papi I, 1876, S. 138 ff. Armbrust, Die territoriale Politik der Päpste von 500–800, 1885, S. 19 ff. Diehl, Études sur l’administration byzantine dans l’exarchat de Ravenne 1888 S. 319 ff. Hartmann, Untersuchungen zur Geschichte der Byzantinischen Verwaltung in Italien 1889 S. 49 f., 151. Cohn, Die Stellung der Byzantinischen Statthalter in Ober- und Mittelitalien 1889 S. 50 ff.
  8. Pragmatica Sanctio pro petitione Vigilii c. 12.
  9. Vgl. Cohn a. a. O. S. 51 ff. Zu 625–638 (Borgia) Breve istoria del dominio temporale della sede apostolica 1788, appendice S. 9 = Deusdedit, Coll. can. III, 149 S. 322 (Jaffé 2035), s. Arch. della soc. rom. di storia patria XVI, 540 f. und Crivellucci, Studi storici III, 1 S. 129–131.
  10. Beispiele aus den Registern Gregor’s II. u. Zacharias’ gibt Borgia a. a. O., appendice S. 9 f. 12 = Deusdedit III, 149 S. 322. 323. 324. 326.
  11. Vgl. Grisar, Zeitschrift für katholische Theologie I, 321 ff., 526 ff. Vita Zachariae c. 19. 25. 26, Hadriani o. 54. 55. 63. 77. Ein Gutsvorsteher führte seine Bauern an, Vita Gregorii II. c. 7, vgl. Gregor I., Reg. II, 38. Unter Leo IV. sind militiae auf den päpstlichen Gütercomplexen, Duchesne, Liber pontificalis I, 518 Anm. 52. II, 137 Anm. 47.
  12. Es ist beachtenswerth, dass bereits nach Gregor, Reg. XII, 24 (Migne 77, 1235) Unterbeamte des Stadtpräfecten nicht von ihm, sondern in Ravenna ernannt wurden: der Papst verwendet sich, quatenus cura formarum committi Augusto vicecomiti debuisset.
  13. Pragmatica Sanctio c. 22. Gregor I., Reg. V, 36 (mit Hartmann’s Anm. 3 S. 319). V, 38. 39. IX, 5. 106. 115. Diehl a. a. O. S. 129 f. Hartmann, Untersuchungen S. 100 ff. Jaffé, Regesta II, 697 zu Nr. 1631. Mass und Gewicht wurden auf Grund der Pragmatica Sanctio c. 19 vom Papst verwaltet.
  14. Ueber die päpstliche Armenpflege berichten die Biographien meist wenig Einzelnes, siehe z. B. Vita Severini c. 3, Theodori c. 1, Eugenii c. 1, Leonis II. c. 1, Benedicti II. c. 1, Sisinnii c. 1, Gregorii II. c. 20, Gregorii III. c. 1, Zachariae c. 27. Vgl. Liber diurnus 66. 67. Fabre, De patrimoniis romanae ecclesiae 1892 S. 50 f. Stutz, Verwaltung und Nutzung des kirchlichen Vermögens 1892 S. 26 ff.
  15. Vgl. Vita Symmachi c. 11, Severini c. 3, Johannis IV. c. 1, Johannis VI. c. 2, Zachariae c. 9. Diese Befreiung traf oft Gefangene aus dem ganzen Lande.
  16. Vita Zachariae c. 22.
  17. Vita Sisinnii c. 2, Gregorii II. c. 2, Gregorii III. c. 15. Die gleiche Thätigkeit bei Centumcellae (Vita Gregorii III. c. 16) erklärt sich aus der Zugehörigkeit der Stadt zum Römischen Ducat.
  18. Vita Honorii c. 5. Vgl. Pragmatica Sanctio c. 25; unter Gregor I. bestand noch der Curator formarum, oben S. 306 Anm. 1.
  19. Ueber das neue Heerwesen Bethmann-Hollweg, Ursprung der Lombardischen Städtefreiheit 1846 S. 182 ff. Diehl a. a. O. S. 308–312. Hartmann a. a. O. S. 52–73. 151–165. Vgl. Finlay, History of Greece (ed. 1877) I, 203 ff. II, 27 ff.; 204 f. Die Vertheidigungspflicht erwähnt noch Gregor I., Reg. VIII, 19. IX, 162. 205; die Truppen hatten schon damals oft rückständigen Sold zu fordern, so dass sie auch ihrerseits ihre Pflichten schlecht erfüllten, daselbst II, 45. IX, 240. Vita Severini c. 1. Die auch felddienstpflichtigen Bürger- und Bauernheere kommen im Liber pontificalis häufig vor, am häufigsten gemäss dieser Quelle in Rom, so z. B. Vita Benedicti II. c. 3, Cononis c. 1. 2, Sergii c. 2. 3. 7–9, Johannis VI. c. 1, Gregorii II. c. 7. 23, Zachariae c. 2, Stephani II. c. 19. In Rom lag gegen Ende des 6. Jahrhunderts noch keine Garnison, 599 stand dort eine geringe Truppenzahl, Pelagius II. 584, Migne 72, 704. Gregor I., Reg. II, 46. V, 36. VIII, 22. IX, 240. Bald darauf gab es dort eine grössere Garnison, Liber diurnus 60. 61. 63.
  20. Schon um 650 Vita Martini c. 4. 5.
  21. Dem Exarchen spricht noch die Passio Martini zu „praecipue brachium universae militiae Italicae“, Migne 87, 114. Er ernannte die höheren Befehlshaber, auch noch die Tribunen Gregor I., Reg. IX, 205. Vita Cononis c. 5. Vita Constantini c. 10.
  22. Z. B. Justinian, Nov. VI pr. Des Kaisers Schreiben an Papst Agatho, Migne 87, 1151. Johannes von Damascus, De imaginibus Oratio I. II, Migne, Patrologia graeca 94, 1281. 1304. Schwarzlose, Der Bilderstreit (1890) S. 249 f.
  23. Papst Agatho verkündete 680: sic omnes apostolicae sedis sanctiones accipiendae sunt, tanquam ipsius voce divina Petri firmatae, Gratian I, 19, 2.
  24. Vita Sergii c. 6–9.
  25. Vitae Constantini c. 8. 10. 11. Vgl. Vita Gregorii II. c. 5. Liber diurnus 73. 84. 85. Wer eine kaiserliche Goldmünze nicht in Zahlung nehmen wollte, beging ein todeswürdiges Majestätsverbrechen, Seeck bei Sallet, Zeitschrift für Numismatik XVII, 51 f.
  26. Die von der Vita Constantini c. 2 und von Agnellus, Liber pontificalis ecelesiae Ravennatis c. 137–141 gemeldeten Bestrafungen von Ravennaten lassen sich nicht auf die Unterstützung des Papstes beziehen. Die Empörungen wurden jetzt immer häufiger. Unter Johann VI. wurde der Exarch in Rom von Milizen aus ganz Italien bedroht, Vita Johannis VI. c. 1. Unter Constantin ermordeten die Ravennaten den Exarchen, Vita Constantini c. 4, und erkoren sich ein eigenes Stadthaupt, Agnellus c. 140. Unter Gregor II. wollte sich Tiberius zum Kaiser aufwerfen, Vita Gregorii II. c. 23.
  27. Die Vita Gregorii II. c. 16 stellt die Steuerverweigerung als eine Handlung für sich dar, während Theophanes S. 404. 408. 409 (de Boor) sie mit dem allgemeinen Abfall im Bilderstreit verbindet, so dass sie hier nur als eines der päpstlichen Kampfmittel erscheint. Ich halte die Biographie für den genaueren Bericht und vermuthe, dass die Auflehnung sich gegen eine Steuerreform des Kaisers richtete, s. Finlay a. a. O. II, 31. 37. 38. 40. Zachariae von Lingenthal, Geschichte des Griechisch-Römischen Rechts (3. Aufl.) S. 234 f. und Zeitschr. für Rechtsgesch. XXIIa 272. Eine Verletzung der kaiserlichen Steuerprivilegien für die Römische Kirche (Vita Johannis V. c. 2, Cononis c. 3) ist nicht angedeutet. Vgl. Marca, Sacerd. et imper. III, 11, 1. Muratori, Annali d’Italia 727. Hefele III, 389. Gibbon ch. 49 Anm. 38. Engelen, Die ersten Versuche zur Gründung des Kirchenstaates 1882 S. 7–9. Armbrust a. a. O. S. 36 ff. Diehl, Études S. 377. Hartmann a. a. O. S. 91. 171. Pinton, Archivio Veneto 38, 371. Der Kaiser liess dem Papst auch nach dem Leben stellen, Vita Gregorii II. c. 14. 15. 16, und zog später päpstliche Güter in Sicilien und Süditalien ein, Theophanes S. 410. – Wenn der Mönch Georgius IV, 248, 18 S. 636 (Muralto) vgl. Cedrenus S. 799 (Bekker) erzählt, Gregor II. habe sich mit ganz Italien der Botmässigkeit der Franken unterwerfen wollen, so wird er den Bericht des Theophanes verwirrt haben.
  28. Theophanes S. 404.
  29. Theophanes S. 408. 413.
  30. Vita Gregorii II. c. 17–20. 22. Vita Gregori III. c. 2–4. Paulus, Hist. Langob. VI, 49. Mon. Germ., Epistolae III, 703; zu S. 704 s. S. 723. Ueber die politischen Wirkungen des Bilderstreits für das Papstthum Thelen, Verhandlungen Pippin’s und Stephan’s II. 1881 S. 11 ff. Niehues, Historisches Jahrbuch II, 79 ff.
  31. Ausser den von Theophanes S. 410 gemeldeten Massregeln über die Einziehung von Patrimonien der Römischen Kirche und über eine neue Kopfsteuer in Sicilien und Calabrien erfahren wir, dass Leo der Isaurier wohl 732 mehrere Bistümer dem Patriarchate Roms entzog, Hefele, Conciliengeschichte ²III, 407. 451. IV, 240. Hergenröther, Photius I, 237.
  32. Vita Constantini c. 10. Vita Cononis c. 5. Vgl. Gregorovius, Rom II⁴, 254. Hartmann a. a. O. S. 25 f. 134 f. nimmt an, unter Gregor III. um 735 sei der Ducat dem Kaiser unmittelbar unterstellt worden, während sich für die Fortdauer der Unterordnung unter den Exarchen aussprechen z. B. Diehl, Revue historique XLV, 143. Cohn a. a. O. S. 46 f. 67. 71 ff. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte II, 84. Anders Armbrust a. a. O. S. 93 f.
  33. Vita Gregorii II. c. 23; Vita Zachariae c. 5 bezeichnet die Handlung des Papstes als adhortatio, nicht als Befehl.
  34. Vita Zachariae c. 2.
  35. Vita Zachariae c. 5–9. 11. 17. Ueber das Unberechtigte dieses Handelns siehe z. B. Gregor I., Reg. II, 45. V, 36.
  36. Vita Zachariae c. 12: relicta Romana urbe-duci ad gubernandum. Eine andere Erklärung gibt Calisse, Rivista storica italiana II, 309: dunque, stando in Roma, il papa teneva il governo che ora delega al duca. Vergl. Cohn a. a. O. S. 68 f.
  37. 740 Codex Carolinus S. 477. 478. Die politische Betheiligung der Bürgerschaft, Vita Zachariae c. 2–4, war ein Ausdruck dieser Beziehung.
  38. Gregor III. erwarb nach seiner Vita c. 15 eine Veste für den Ducat: in conpage sanctae reipublicae atque corpore Christo dilecti exercitus Romani annecti praecepit. Das Castell Sutri gab der König den Aposteln Petrus und Paulus, Vita Gregorii II. c. 21. Die Vita Zachariae c. 17 lässt den zwanzigjährigen Frieden ob reverentiam principis apostolorum erneuern, Gregor III. befestigt eine Stadt im Ducat, oben (S. 307 Anm. 5).
  39. Vgl. Fabre, De patrimoniis romanae ecclesiae 1892 S. 71 ff.
  40. Z. B. Vita Johannis VII. c. 3, Zachariae c. 9. Codex Carolinus S. 541, 93. 542, 11. 550, 1. 564, 23. 587, 23.
  41. Vgl. z. B. Gregor I., Reg. IX, 205. Vita Johannis VII. c. 3. Vita Zachariae c. 9. Jaffé, Regesta 2184. Codex Carolinus S. 495. 499. 599, 14.
  42. Codex Carolinus S. 478, 8–18. Anders Jenny, Geschichte des Herzogthums Spoleto 1890 S. 52.
  43. Vita Zachariae c. 2–4. Der Papst befahl damals den Bischöfen im Langobardischen Tuscien bei ihrem Eide (oben S. 303), für die Rückgabe der vier Ortschaften zu wirken, Schreiben Gregor’s III. vom 15. October 740, Migne 89, 585 und Mon. Germ., Epist. III, 478 Anm. 2.
  44. Pelagius II. 580, Mon. Germ., Epist. III, 449, vgl. 151. Martinus I. 649 an den Bischof Amandus, Migne 87, 138.
  45. Aus den päpstlichen Quellen lernen wir nur das Hilfsgesuch kennen, Vita Gregorii III. c. 14 und Codex Carolinus 1. 2. Das Angebot des Papstes überliefern die Fränkischen Berichte. Fredegar cont. c. 22: ut a partibus imperatoris recederet et Romano consulto principe Carlo sanciret. Die Chronik von Moissac und der Metzer Annalist zu 741 vervollständigen diese Nachricht aus einer gemeinsamen Quelle durch die Mittheilung von dem Beschluss der Römer und sagen statt consulatus, statt dieses den Franken unverständlichen Ausdrucks, dominatio oder defensio, Mon. Germ., Script. I, 292. 326. – Consul war im 8. Jahrhundert in Italien der regelmässige Titel des dux, sein Amt hiess zuweilen consulatus, siehe Armbrust a. a. O. S. 95 f. Cohn a. a. O. S. 117–119. Der 789 im Amte befindliche dux von Rom hatte vom Kaiser den Titel patricius erhalten, Vita Zacharise c. 2. 4. 12. Duchesne, Liber pontificalis I, 436 Anm. 3. Allein frühere und spätere duces von Rom führten den Consultitel, vgl. Vita Gregorii III. c. 3. Vita Hadriani c. 2. 63. Liber diurnus 60. 61. Wie Breysig, Karl Martell 1869 S. 97, bezieht wieder Freeman, The english historical Review IV, 694 ff. den Consulat auf den kaiserlichen Consulat und erblickt darin eine Unabhängigkeitserklärung vom Imperium. Vgl. Gregorovius, Rom II, 248. – Ueber den Zweck der dem Franken geschickten Schlüssel von der Gruft Petri spricht sich der Uebersender selbst authentisch aus: sie sollten seine Bitte verstärken, wie es heute etwa Orden thun, Codex Carolinus S. 478, 31. 479, 1. Solche päpstliche Geschenke waren längst üblich und allen Christen bekannt, Ewald zu Gregor I., Reg. I, 25 S. 39 Anm. 5. Fabre, Étude sur le Liber censuum 1892 S. 31. Fustel de Coulanges, Histoire des institutions VI, 298 f. Irrig deutet Weyl, Die Beziehungen des Papstthums zum Fränkischen Staats- und Kirchenrecht 1892 S. 20. 237 die Schlüssel als Symbol des Schutzrechts, vgl. z. B. Gregor I., Reg. VIII, 33 S. 36 mit Annal. Juvav. 739 SS. III, 123 oder Chron. univ. 734 SS. XIII, 19. Vgl. S. 351 f.
  46. Karl Martell ist mit den Langobarden wegen der päpstlichen Wünsche in Verhandlungen eingetreten; der Papst tadelt ihn, dass er der abweichenden Darstellung seiner Feinde vertraue, Codex Carolinus S. 477, 35. 478, 7. Er droht ihm mit dem Himmelspförtner daselbst S. 478, 30. Dass Petrus, wenn er wolle, selbst helfen könne, daselbst S. 478, 4 f., hat auch Stephan II. 755 geschrieben, daselbst S. 491, 17–20. Einen Vertrag hat Karl Martell mit dem Papste nicht geschlossen. Wenn Karl 806, Capitularia I, 129, 15, wiederholt daselbst II, 31, 11, den Karolingischen Schutz der Römischen Kirche bis auf seinen Grossvater zurückführt, so dachte er wohl an seine friedliche Verwendung, vgl. Cod. Carol. S. 540, Vita Hludowici c. 55 und Lamprecht, Die Römische Frage von Pippin bis Ludwig 1889 S. 41.
  47. Codex Carolinus S. 478, 30.
  48. Ebd. S. 478, 4, vgl. 491, 17.
  49. Eine positive Nachricht fehlt. Gegen eine Regierungshandlung des Reiches sind z. B. Malfatti a. a. O. I, 313. Duchesne a. a. O. II, 50 Anm. 3. Bayet, Revue historique XXIV, 68. Diehl a. a. O. 379. 415. Dagegen hält Cohn a. a. O. S. 90 eine zufällige Anwesenheit des Exarchen in Rom für möglich, so dass das viertägige Interpontificium für die Ausübung seiner bisherigen Function dem Exarchen Zeit gelassen hätte. Nach einer dritten Annahme hat der Dux von Rom als Vertreter des Kaisers die Wahl von 741 gebilligt, Th. Sickel, Prolegomena zum Liber diurnus II, Wiener Sitzungsberichte CXVII, 54 und Hartmann a. a. O. S. 25 f. 134.
  50. Vita Stephani II. c. 17. 21, vgl. c. 8.
  51. Vita Stephani II. c. 5. 6.
  52. Vita Stephani II. c. 9. 15.
  53. Ebd. c. 15.
  54. Ebd. c. 15. 16. 18.
  55. Für Pippin Vita Stephani II. c. 45. Codex Carolinus S. 490, 22. 492, 30. 493. 498, 3. 503, 30. 506, 39. 515, 14. 516, 20. 519, 24. 522, 8. 523, 10. 534, 25. 536, 33. 542, 9. 543, 29. 548, 28. 549, 8. 649, 25. 652, 2. Für Karl Codex Carolinus S. 575. 581, 33. 583. 587. 599. 600, 22. 602, 10. 603, 6. Auch den Franken verhiess der Papst 753 Erlass ihrer Sünden, ebd. S. 488, und Petrus drohte ihnen 756, das. S. 503, 35, das Himmelreich zu verschliessen, aber viele Franken legten darauf keinen Werth, Einhard, Vita Caroli c. 6. Das Bündniss (Cap. V) bezog sich nicht auf die Intervention.
  56. Vgl. Codex Carolinus S. 568. Das versprochene Land galt als Proprium des Petrus, das. S. 492, 15. 506, 39. 563, 17. Vita Stephani II. c. 32. 33.
  57. Vita Stephani II. c. 26. 42. 43–47. Vita Hadriani c. 6. 22. 41. Codex Carolinus S. 489, 12. 490, 1. 491, 26. 492. 493. 495, 42. 505, 40. 506. 512. 515, 14. 516. 517, 23. 520. 523, 23. 525, 26. 529, 1. 536, 33. 543, 27. 548, 28. 549, 7. 557, 32. 568, 34. 579, 4. 649, 23. 652, 2. Ann. Lauriss. 756, Mon. Germ., Script. I, 140. Privilegium Ludwig’s I. 817.
  58. Vita Hadriani c. 42. Codex Carolinus S. 635, 20. Was die Vita Hadriani von dem Umfang des päpstlichen Territoriums meldet, halte ich für glaubhaft. Die Nordgrenze des Landes wird – hierauf macht mich Herr Dr. Sackur aufmerksam – ehemals eine Grenze der kaiserlichen Provinz Italien gewesen sein, auf die der Papst zurückging. Corsica fügte er wohl deshalb hinzu, weil es Langobardisch war, s. Codex Carolinus S. 587. Für Spoleto und Benevent kamen frühere Verträge in Betracht.
  59. Sein Eid über die territorialen Promissionen ist ebenso wie der Karl’s besonders beurkundet worden. Codex Carolinus S. 505, 40. Vita Stephani II. c. 26, Hadriani c. 43. 879 Mansi, Concilia XVII, 347.
  60. Vita Hadriani c. 42. 43. Vgl. daselbst c. 23. 26. 27. 30. 41. Ann. Lauriss. 773 S. 150. Das Gedicht Hadrian’s V. 42, Dümmler, Poetae I, 91. Codex Carolinus S. 559. 560. 564, 21. 566, 35. 567, 33. 568, 21. 572, 8. 574, 10. 575. 577. 579. 581, 25. 583, 38. 587, 27. 597, 36. 598, 2. 600, 28. 602, 7. 603. 607, 3. 613. 616, 29. 635. 656, 25.
  61. So nannte er sich seit Juni 774, Mühlbacher, Regesten Nr. 161.
  62. Codex Carolinus S. 587. Diese Stelle beweist nicht eine Kenntniss unseres Constitutum Constantini; ich halte das Constitutum für älter, vermag aber seine politische Verwerthung im 8. Jahrhundert nicht zu constatiren.
  63. Dass die Ausführung des Versprechens von 754, welches Karl 774 nur erneuerte, weil sein Vater es gegeben hatte, in Folge des veränderten Verhältnisses in Italien Karl unmöglich geworden war, hat bereits ausgeführt Duchesne, Mélanges d’archéologie et d’histoire IV, 271 f. und in seinem Liber pontificalis I, CCXLI; Literatur bei Kehr, Historische Zeitschrift LXX, 385 ff.; hierzu Schaube ebd. LXXII, 193 ff. Die Aufhebung des Vertrages deuten verschieden Ficker, Forschungen II, 348 und Simson, Karl der Grosse I, 377.
  64. Fredegar cont. c. 37. Codex Carolinus S. 489, 30. 491, 34. 498, 2. 503, 20. 575, 26. 606, 13. Vita Hadriani c. 38. Ann. Lauriss. 773.
  65. Vita Stephani II. c. 44. 45.
  66. Vgl. Weiland, Zeitschrift für Kirchenrecht XVII, 373. 374. XXII, 186.
  67. Vita Stephani II. c. 6. Fredegar cont. c. 36.
  68. Vita Stephani II. c. 15. Vgl. Paul 759, Bullar. Rom., Taur. ed. I, 247.
  69. Da die realisirte Herrschaft der Kirche kleiner war als die projectirte, so kann man das Gebiet ihrer Respublica verschieden bestimmen. Vom Standpunkt des Besitzes aus bestand das Territorium 753 aus dem Ducat von Rom, aber das diesem Römischen Staate von Rechts wegen gehörige und für ihn, den rechtmässigen Eigenthümer, zu befreiende Land war nach dem Papst und nach Pippin ein weit grösseres Gebiet. Die nach und nach in Besitz genommenen Länder machten hinfort gleichartige Theile jener Respublica aus: was die Kirche 754 besass, war massgebend für das, was sie später erhielt, siehe Vita Stephani II. c. 51. Codex Carolinus S. 510, 16. Es macht keinen Unterschied, ob Respublica Romanorum oder schlechthin Respublica gesagt wird, denn die Romani sind m. E. nicht die Stadtrömer, wie Hartmann annimmt, s. Göttingische gelehrte Anzeigen 1890 S. 610, vgl. Döllinger, Münchner historisches Jahrbuch für 1865 S. 316 f., 326 f., 375 f. Es ist nicht der Theil der Respublica, in dem die Romani, die Stadtrömer sind, sondern es ist das Römische Reich, welches für einen Theil durch eine ausdrückliche oder sonst erkennbare Beziehung auf die Römische Kirche soweit der Kirche zugehört. Im Liber pontificalis beginnt diese Terminologie Vita Stephani II. c. 26, wo wichtige Handschriften causam b. Petri reipublice Romanorum lesen, c. 30. 33. Codex Carolinus S. 489, 18. 493, 22. 497, 12. 506, 21. 520, 3. Respublica in demselben Sinne in Vita Stephani II. c. 26. 31. 49. 51 und Codex Carolinus S. 489, 34. 560, 5. 563, 17. Respublica hat aber, wo eine Anknüpfung an die Kirche vermieden wird, seine gewöhnliche Bedeutung, Vita Stephani II. c. 8. 21, früher Vita Zachariae c. 15, Gregorii III. c. 15. Dass auch bei Fredegar IV, 120 S. 184 das Wort das Römische Reich bedeute, glauben Fustel de Coulanges VI, 291 und Waitz III, 237, doch dürfte dort nach der Absicht der Contrahenten Respublica in einem engeren, auf den Anspruch der Kirche bezüglichen Sinne stehen. Andere Wendungen sind „nostra Romanorum provincia“ im Codex Carolinus S. 562, 8. 715, 28 (unterschieden vom Exarchat von Ravenna) und in der Vita Hadriani c. 9. 22, „pars nostra Romanorum“ im Codex Carolinus S. 521, 29 (vgl. Vita Hadriani c. 18. 21. 25. 27. 28), endlich „nostras Romanorum iustitias“ im Codex Carolinus S. 521, 20. Nach Weiland a. a. O. XVII, 373. XXII, 188 bestand die Respublica der Kirche ursprünglich aus dem Ducat von Rom, erweiterte sich aber durch die sog. Schenkungen. Für eine Bezeichnung nur des Ducats halten den Ausdruck noch Gregorovius, Rom II⁴, 280. 296. 437 und Genelin, Das Schenkungsversprechen und die Schenkung Pippin’s 1880 S. 8. 13–26. Nach Papencordt, Rom im Mittelalter 1857 S. 136, Waitz III, 88 f. und Scheffer-Boichorst, Mittheilungen des Oesterreichischen Instituts V, 200 sahen sich die Päpste nach Beendigung des Exarchats als die Vertreter des Kaisers in der Provinz Italien an und nannten daher ihre Herrschaft Römisches Reich. Martens, Die Römische Frage unter Pippin und Karl 1881 S. 20. 71–80. 106 ff. versteht unseren Ausdruck von einem neuen Gemeinwesen, während ihn Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands II, 24 mit der donatio Constantin’s, durch welche die Kirche von Rom Besitzerin des Römischen Abendlandes wurde, in Verbindung bringt.
  70. Hadrian’s Urkunde von 772 für Farfa; der Biograph dieses Papstes rühmt c. 1 seinen Widerstand gegen die Feinde der Kirche und der Respublica. Ein Schreiben Hadrian’s 775 mit Romanorum respublica wiederholt hier lediglich einen Brief von 756, Codex Carolinus S. 583, 3. 497, 12, beweist also nur für 756.
  71. Liber diurnus 85 S. 110. Die Zeitbestimmung nach Th. v. Sickel, Praefatio S. XXVII und Prolegomena II (Wiener Sitzungsberichte CXVII), 25.
  72. Regesto di Farfa II S. 85. Auch Privaturkunden in Ravenna gedenken des Kaisers in alter Weise, 767 Muratori, Antiquitates III, 889. 891. Marini, I papiri diplomatici 1805 S. 306.
  73. Vita Hadriani c. 13, vgl. c. 15.
  74. Gregorovius, Sitzungsberichte der philos.-philol. Klasse der Akademie zu München. Jahrgang 1885 S. 29. Engel et Serrure, Traité de numismatique du moyen-âge I, 284.
  75. Codex Carolinus S. 585.
  76. Migne 96, 1230. Mansi XII, 1075. Auf die Anrede des Kaisers als Herrn hat bereits Marca, De concordia sacerdotii et imperii III, 11, 7 aufmerksam gemacht.
  77. Jaffé, Regesta pontificum² S. 289. Auch Privaturkunden rechneten nach den Jahren des Pontificats, Beispiele 788, 789 Regesto di Farfa II S. 122. 123.
  78. Theophanes I, 472 (ed. de Boor) datirt die Beendigung der Reichsgewalt von der Wiedereinsetzung Leo’s III. 799, thatsächlich nicht ganz unzutreffend, aber staatsrechtlich unrichtig. Die Angabe von Manasses 4500 S. 199 und Notker, Mon. Sangall. I, 26, Leo habe damals zuerst bei dem Kaiser Hilfe gesucht, beweist nur die Erinnerung, dass Rom noch zum Byzantinischen Reiche gehörte.
  79. Z. B. Codex Carolinus S. 489, 18. 501 f. 509, 31. 568, 18. 588, 38. 617, 21. 654. Vita Stephani II. c. 41. 45. 46, Hadriani c. 32. 33, Leonis IV. c. 80. Capitularia II, 101, 3; 125, 9. Oben S. 316. Vgl. Orsi, Origine del dominio dei rom. pontefici c. 8 a. E.
  80. Nach Lamprecht a. a. O. S. 124 deutet Hadrian, indem er 790 oder 791 von seinem Patriciat spricht (Codex Carolinus S. 635, 19), auf seine Eigenschaft als ehemaliger kaiserlicher Verwaltungsbeamter. Ich halte die Wendung für eine gelegentliche antithetische Formulirung der päpstlichen Landesherrschaft im Gegensatz zur Landesherrschaft des Patricius Romanorum. Derselbe Papst hatte schon früher (s. ebend. S. 587) behauptet, Constantin habe ihm Gewalt in Hesperien so, wie er sie selber besass, übertragen. Eine abgeleitete, geliehene Gewalt ist auch das. S. 635, 20 nicht gemeint und an eine solche Verleihung hat auch Johannes VIII. nicht gedacht, als er im März 878 dem Grafen Berengar schrieb: urbis Romae potestatem a piis imperatoribus b. Petro principi apostolorum eiusque vicariis traditam, Migne 126, 756.
  81. Codex Carolinus S. 509, 33. 510, 6. Vita Paschalis c. 3, Leonis IV. c. 1, vgl. c. 81. Auf seinen Münzen, die an sich schon ein Zeichen der eigenen Gewalt waren, hiess Hadrian dominus, Promis, Monete dei romani pontefici 1858 S. 82 f. Die Strafclauseln in päpstlichen Urkunden (Jaffé 2535, 3164, unecht 2513, Ewald, Neues Archiv IX, 345 ff.) beginnen schon jetzt Aeusserung des Herrscherrechts zu sein. Die Sitte entstammt Römischem, auch von den Kaisern geübtem Brauch, s. Marini a. a. O. S. 14. 120. 150. 195. 220. Brissonius, De formulis ed. 1755 S. 304. Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht 1891 S. 523 ff. Zachariä von Lingenthal, Byzantinische Zeitschrift II, 182–184. Mühlbacher, Wiener Sitzungsberichte 92, 427 ff. Bei Cassiodor ist die Formel häufig, ed. 1894 S. 556 v. libra. Der päpstliche Sonderfriede steht dem kaiserlichen gleich, Capit. I, 323, 1.
  82. Der römischrechtliche Schutz des Souveräns gebührte dem Papste nach einem unter Vorsitz des Kaisers Karl gesprochenen Urtheil. Die Handlungen waren vor Karl’s Kaiserthum begangen; das Kaiserthum kommt für diese Berechtigung des Papstes überhaupt nicht in Betracht. Die Berichte geben Annal. Lauriss. 801, Einhard. 801, Mon. Germ., SS. I, 188. 189. Vita Leonis III. c. 26. Der Papst hat Majestätsverbrecher selbst mit dem Tode bestraft in den Jahren 815 (Annal. Einh. 815. Vita Hludowici c. 25) und 823 (Ann. Einhardi 823. Thegan c. 80. Vita Hludowici c. 37. 38).
  83. Codex Carolinus S. 494, 38. 495, 43 = 499, 35. 523. 541, 39. 562, 8. 580, 25. 581, 16. 584, 2. 593, 6. 608, 25. 622. 623, 5.
  84. Codex Carolinus S. 477, 1. 478, 4. 493, 22. 496, 40. 497, 12. 501, 16. 502, 27. 503, 3. 506. 508, 19. 516. 526, 4. 534. 535. 546, 21. 548, 31. 557, 22. 558, 32. 559, 9. 563, 6. 567, 6. 574. 584, 36. 585, 2. 587, 39. 653, 5. Vita Zachariae c. 28, Stephani II. c. 7, Hadriani c. 1. Flüchtlinge lieferte das Königreich Italien aus, Capitularia I, 201, 16.
  85. Treupflicht oder Gehorsamspflicht Codex Carolinus S. 509, 31. 510, 1. 515, 19. 539, 19. 579, 34. 580, 3. 617, 21. Vita Leonis IV. c. 80. Annal. Fuldenses 896 ed. Kurze S. 128. Die aus dem Römischen Staaterecht (vgl. Vita Gregorii II. c. 23) überkommene Vereidigung war keine regelmässige oder allgemeine, vgl. Vita Stephani III. c. 4, Hadriani c. 32 f., Stephani V. c. 5. Codex Carolinus S. 617, 21. Capitularia I, 324.
  86. Die Ueberlieferung erwähnt kaum noch Fälle, wie sie schon Vita Zachariae c. 2 f. erzählte. Vgl. Codex Carolinus S. 498, 21. Vita Stephani III. c. 14, Hadriani c. 12 f., Sergii II. c. 46.
  87. Vgl. Löning, Historische Zeitschrift LXV, 233 f., dessen Erklärung mir richtiger scheint als die von Zeumer zu § 15 des Constitutum Constantini in seiner Ausgabe 1888 S. 44.
  88. Vgl. Codex Carolinus S. 508, 10. Vita Leonis IV. c. 70. Regino 872. Ueber die damalige Bedeutung von senatus s. Diehl a. a. O. S. 126 f. C. Neumann, Die Weltstellung des Byzant. Reiches vor den Kreuzzügen 1894 S. 76 f.
  89. Z. B. Codex Carolinus S. 510, 4–6. Vita Hadriani c. 1.
  90. Stephan II. befahl bei seiner Abreise 753 seine Leute dem Petrus, Vita Stephani II. c. 19. Eine Vertretung ordnete auch Leo IV. an, Coll. Brit. ep. 23, Neues Archiv V, 387.
  91. Z. B. 772 Regesto di Farfa II. S. 84.
  92. Vgl. Codex Carolinus S. 568, 24. 569, 1. 577. 579. 580, 2. 587, 34, Leo III. an Karl, April 808, Jaffé IV, 312. Constitutio Romana 824 c. 1, Capitularia I, 323. Die Beamten schwuren ihrem Dienstherrn Treue, Vita Benedicti III. c. 6. 9.
  93. Vita Pauli c. 3, Hadriani c. 4. 10–17.
  94. Vita Hadriani c. 13.
  95. Vita Stephani II. c. 50, Hadriani c. 24, vgl. c. 36. 40, Stephani III. c. 3. 11. 14. 28. Codex Carolinus S. 589, 9. 613, 9. Rustici im Document 769 bei Duchesne, Liber pontificalis I, 480.
  96. Vita Hadriani c. 52. 92, Gregorii IV. c. 39, Leonis IV. c. 38–40. 82. 101 f., Nicolai c. 67.
  97. Vita Hadriani c. 59. 62. 65. 81, Leonis III. c. 3, Gregorii IV. c. 19, Nicolai c. 16. 66.
  98. Vita Stephani II. c. 3. 4, Pauli c. 3, Hadriani c. 1. 95. 97, Leonis III. c. 1, Eugenii II. c. 1, Gregorii IV. c. 1, Nicolai c. 51, Stephani V. c. 7. 9. Auch das Gut der Römischen Kirche war nach Stephan II. esuries pauperum, Codex Carolinus S. 506, 40, vgl. Hadrian an Karl 794, Jaffé VI, 248.
  99. Brief Leo’s III. an Karl im April 808, Jaffé IV, 312, vgl. (Brunengo), La civiltà cattolica V, 11 S. 153 f. Liber diurnus 104, vgl. Th. v. Sickel, Prolegomena II, Wiener Sitzungsberichte CXVII, 51.
  100. Codex Carolinus S. 589. 591. Vgl. Vita Sergii II. c. 46.
  101. Paul I. coniunxit foedus cum Veneticis, Agnellus c. 159 S. 380, und mit Desiderius, Codex Carolinus S. 551. An einem Vertrage Pippin’s mit den Langobarden nahm der Papst als Mitcontrahent Theil, das. S. 715, 23. Vita Stephani II. c. 37, Hadriani c. 5. Vgl. ferner Vita Stephani II. c. 50, Stephani III. c. 28, Hadriani c. 19 f. Codex Carolinus S. 521, 22. 549, 38.
  102. Johannes VIII. 17. April 877, Stephan V. 885 an Basilius, Migne 126, 727. 129, 789. Johannes VIII. dankte 880 den Griechischen Kaisern für Vertheidigung seines Landes, das. 126, 909. Ein Byzantinischer Befehlshaber bat 867 den Papst um militärischen Beistand, Theophanes contin. V, 5 S. 293 (ed. Bekker).
  103. Vgl. Codex Carolinus S. 572. 575, 5. Vita Benedicti III. c. 10.
  104. Vgl. Fredegar IV, 120 S. 184. Codex Carolinus S. 541, 41. 568. 577. Wie eine derartige Sicherung Erfüllung des Landversprechens sein mochte, so entsprangen auch diejenigen Handlungen, welche die Landverheissungen ausführten, nicht dem Vertheidigungsvertrage, sondern dem territorialen Versprechen. Gleichwohl werden sie von den Päpsten oft Vertheidigung genannt, weil die Gerechtsame des Petrus für den rechtmässigen Eigenthümer vertheidigt, von fremder, unrechtmässiger Gewalt befreit werden sollten, so z. B. Codex Carolinus S. 491, 27. 516. 525, 25. 563, 30. Vita Hadriani c. 26.
  105. Gegenüber dem König der Franken hatte er durch die Verträge 754 seine Freiheit zu handeln beschränkt, vgl. Codex Carolinus S. 506, 23. 507, 2. 524, 6. 591, 19.
  106. Der 754 geschlossene Vertheidigungsvertrag war ein ewiger Vertrag, denn er war zwischen dem Reiche und der Römischen Kirche geschlossen, Codex Carolinus S. 497, 11. 525, 25. 534, 23. 715, 30, vgl. 503, 18. 544, 32. Die Annal. Einh. 754 SS. I, 139 bringen das Schutzversprechen und die Salbung in eine nicht näher bestimmbare Verbindung, vgl. Waitz III, 87 Anm. 2. Pippin tritt als Beschirmer der Römischen Kirche entgegen, z. B. Codex Carolinus S. 508, 15. 509, 22. 510. 511, 18. 522, 5. 528. 536, 34. 539, 6. 541, 34. 546, 38. 548, 3. 555, 16. 577, 19. Baronius, Annales 761 Nr. 13. Nach später Sage begründete der Papst das Schutzrecht durch Uebergabe eines Schwertes, eine Sage, die Fränkischen Ursprung verräth, Passio Bonifatii, Jaffé III, 478. Der ewige Vertrag verpflichtete Karl von Hause aus, vgl. Codex Carolinus S. 497, 11. 715, 26, so dass der Papst ohne weiteres 773 von ihm Hilfe fordern durfte, vgl. Annal. Einhard. 773. Chron. Moiss. = Annal. Mett. 773, SS. XII, 28. Doch erneuerte Karl 774 den Vertrag, die Gerechtsame des Petrus zu beschützen, Dümmler, Poetae I, 91 v. 32, vgl. Codex Carolinus S. 619, 29.
  107. Allgemeine Aussprüche Codex Carolinus S. 522, 6. 523, 6. 534, 19, vgl. 522, 18.
  108. Ebd. S. 502, 34. 512, 40. 514, 34. 536. 597, 32. 582. 620, 11.
  109. Vgl. ebd. S. 521, 37. 582, 31.
  110. Ebd. S. 509 f.
  111. Ebd. S. 496, 9 = 582, 35. 497 = 500. 505. 516. 525, 25. 534.
  112. Ebd. S. 623, 6 liegt etwa diese Begründung vor.
  113. Ebd. S. 509, 31.
  114. Ebd. S. 568 f. 579 f. Oben S. 331 Anm. 1.
  115. Alcuin, Carm. 45, 63 (Dümmler I, 258) lässt ihn diese Thätigkeit als patronus, der Poeta Saxo II, 620, Jaffé IV, 593 als defensor vornehmen, während Einhard, Vita Caroli c. 28 sich unbestimmter ausdrückt. Vita Leonis III. c. 23. Vgl. Simson, Karl II, 173. 242 f.
  116. Vita Stephani III. c. 26. Codex Carolinus S. 621.
  117. Vgl. Codex Carolinus S. 649, 26. 651, 37. 652, 4.
  118. Diese ältere Staatsphilosophie (siehe z. B. 550 Mon. Germ., Epist. II, 68) tritt jetzt im Codex Carolinus meist wie eine Formel oder ein Titel auf, siehe Codex Carolinus S. 506, 37. 509, 15. 510, 14. 523, 4. 530. 531. 537, 23. 539, 13. 541, 21. 544, 13. 550, 27. 551, 15. 552, 11. 553. 554, 37. 555, 2. 556, 1. 558, 9. 579, 16. Der defensor fidei sollte nach der Meinung des Papstes auch untüchtige Römische Priester mit einem Fränkischen Bisthum versorgen, das. 530, 1. 535.
  119. Ebd. S. 536. 537, 2. 538, 17. 539, 15. 545, 10. 549.
  120. Annal. Lauriss. maj. 767 SS. I, 144. Vgl. noch Codex Carolinus S. 545, 1.
  121. Capitularia I, 44. 53. Briefe an Elipand 794 und an Offa 784–796, Instruction für Angilbert 796, Jaffé IV, 351. 353, Bouquet V, 623. In ähnlicher Bedeutung schrieb ein Abt ihm, propagatori ac defensori christianae religionis, 787–797 Jaffé IV, 358.
  122. Diese neue kirchenpolitische Verwerthung der Salbung zeigt sich gleich in den ersten Briefen der Päpste nach der Weihe, Codex Carolinus S. 489, 42. 493, 11. 496, 15. 510, 15. 513, 27. 520, 21. 523, 14. 528, 40. 530, 37. 539, 21. 540, 11. 543, 6. 652, 1. Auch diese Wendung ist formelhaft geworden.
  123. Codex Carolinus S. 561, 37.
  124. Constantin II. schrieb gelegentlich an Pippin, sein Handeln sei dienlich pro stabilitate regni, ebd. S. 652, 1. Vgl. nachher Capitel VII gegen Ende.
  125. Sybel, Kleine historische Schriften III, 76. 84. 86. 87 nimmt nur Ein gegenseitiges Schutz- und Freundschaftsbündniss an, durch welches Pippin die Restitution aller der Kirche entzogenen Rechte und Güter verhiess. Nach Martens a. a. O. S. 26 f. 78. 129. 196. 233 f. 376 f. war es nicht ein völkerrechtlicher Vertrag, sondern ein auf guten Willen gestelltes ethisches Band der Liebe, der Treue, der freundschaftlichen Gesinnung. Ich weiss diese Auffassung nicht mit der auch von Martens S. 136 f. 231 beachteten Thatsache zu vereinigen, dass die Verbündeten für ihre Nachfolger contrahirten: sollte der Vertrag den Herrschern gelten, so gehörte er auch dem Rechte an. Die scheinbar ethischen Worte dürfen nicht täuschen: sie sind die damals in den internationalen Verträgen üblichen Ausdrücke.
  126. Codex Carolinus S. 548, 39. 559, 24. 562.
  127. Des Urvertrags gedenkt der Codex Carolinus S. 496, 42. 508, 17. 511, 30. 523, 9. 525, 27. 528, 36. 541, 23. 545, 20. 548, 39. 555, 34. 649, 24. Ihn haben erneuert Paulus I. im J. 757, das. S. 508, 17. 523. 526, 4. 548, 41. 555, 35. Constantinus II. im J. 767, ebd. S. 649. 652. Stephanus III. im J. 768, ebd. S. 559, 39. Leo III. im J. 796, ep. 10 Jaffé IV, 355. 356. Von den mannigfachen Ausdrücken sind hervorzuheben „fides“ oder „fidelitas“ Codex Carolinus S. 508, 17. 523, 7. 541, 22. 545, 18. 562, 22. 565, 20. 590, 6. 635, 10. 652, 23. Leo III. a. a. O. Es ist die Vertragstreue, die Bundestreue, wie sie der Papst dem Könige und der König dem Papste schuldet. Denselben Sinn hat der beiderseitige Gehorsam; er bedeutet nicht Gehorsam eines Unterworfenen gegen einen Herrn, sondern, soweit dem Wort überhaupt rechtliche Bedeutung zukommt, Erfüllung der Bundespflicht, vgl. Codex Carolinus S. 549, 17. 554, 10. 555, 36. 562, 23. Ich halte es daher nicht für wichtig, ob Grauert, Historisches Jahrbuch IV, 550 f. V, 119 mit Recht die obedientia im Briefe Leo’s III. a. a. O. auf die Uebernahme des Kirchenamtes bezogen hat. Waitz IV, 704 und Weiland a. a. O. XXII, 190 haben sich für diese Interpretation ausgesprochen, während Dopffel, Kaiserthum und Papstwechsel unter den Karolingern 1889 S. 23 sie nur für wahrscheinlich hält.
  128. Dass Vita Hadriani c. 39 wenigstens in erster Linie auf die Bundesgenossenschaft geht, thun m. E. die späteren Erinnerungen an jene Handlung dar, siehe Codex Carolinus S. 570, 10. 571. 574, 14. 577, 5. 580, 19. 581, 40. 590, 3. Auf das Bündniss deuten den von der Vita Hadriani c. 39 berichteten Vorgang z. B. Gregorovius, Rom III, 344. Waitz III, 180. Martens a. a. O. S. 137. 139. 207. Ranke, Weltgeschichte V, 2, 121. Heimbucher, Die Papstwahlen 1889 S. 60. Zum Theil anderer Ansicht Abel, Forschungen zur Deutschen Geschichte I, 458. Simson, Karl I, 160. Hauck a. a. O. II, 83. – Erneuerung völkerrechtlicher Verträge unter neuen Herrschern war üblich, s. z. B. Baronius, Annal. 824 Nr. 25.
  129. Anderer Ansicht Hald, Donatio Caroli Magni 1836 S. 84 ff., der den Inhalt der Bundespflicht auf bestimmte einzelne Obliegenheiten zurückführt.
  130. Codex Carolinus S. 508, 17. 534. 535, 30. 549, 29. 562, 4. 583, 5. 589. 595, 4. 606.
  131. Die bereits S. 336 erwähnte Ehe hat Stephan III. auch von der Bundesgenossenschaft aus angegriffen, Codex Carolinus S. 562. 563. Karl hat, als er trotzdem sich 770 so vermählte, schwerlich gemeint, seine Bundestreue zu verletzen.
  132. Codex Carolinus S. 582. 588. 591 f. 593, 21. 612 f. 620, 3. Von seinen Verhandlungen mit Byzanz unterrichtete der König den Papst, das. S. 544, 25. 545, 3. 546, 11.
  133. Während diese Bundespflicht des Königs auch hier mit seiner Schutzpflicht zusammenfallen konnte, sofern es sich nämlich um Vertheidigung der Römischen Kirche handelte, erfüllte der Papst lediglich eine Bundespflicht, wenn er mit seinen Truppen das königliche Heer verstärkte oder auf eigene Hand für den König Eroberungen machte, soweit er das nicht aus freiem Willen that. Codex Carolinus S. 589. 619, 29. Kehr, Sybel’s Zeitschrift 70, 439. Wenn eine Handlung überhaupt in das Bereich der Bundespflicht fällt, ist sie auch Pflichterfüllung gewesen.
  134. Codex Carolinus S. 534. 572, 2. 573. 633, 31. 635.
  135. Ebd. S. 508, 19. 526, 4. 559, 41. 583 f. 622 f. 652, 23. Auch hier deckten sich in der Regel Schutzpflicht und Bundespflicht des Königs, so dass der Papst sich zuweilen auf beide berief.
  136. Auch da, wo der Bund dem Schutz des orthodoxen Glaubens diente, ebd. S. 548, 42.
  137. Codex Carolinus S. 480, 7.
  138. Ebd. S. 570, 15. 508, 20. 579, 20. 584, 35. 587, 39. 588. 589, 38. 604, 26. 608, 9. 622, 11. 629, 21, vgl. 555, 26. 796 Jaffé IV, 356. Hadrian an Karl 774 v. 28 f., Dümmler, Poetae I, 91. Das Gebet des Papstes beugte, wie Liber diurnus 60 S. 54 sagt, die göttliche Allmacht.
  139. Ordo Romanus I, 24. 28, Migne 78, 949 f.
  140. Annal. Lauriss., Einhard. 781 SS. I, 160. 162. 163. Vgl. Codex Carolinus S. 545, 41.
  141. Vita Hadriani c. 9. 23.
  142. Die Salbung des Patricius geschah gleichzeitig mit der des Königs; die Salbung bezog sich auf beide Gewalten, wie die Clausula de Pippino, Script. rer. Merov. I, 465 und aus gemeinsamer Quelle Chron. Moiss. und Annal. Mett., SS. I, 293. 332 und nochmals zum Jahr 773, das. I, 295. XIII, 28 berichten. Die Päpste, auch Vita Stephani II. c. 27, erwähnen nur die Salbung des Königs, weil sie in diesen Schreiben nur von dem König Leistungen verlangten. Für die Salbung des Patricius Breysig, Karl Martell S. 100. Heinemann, Der Patriciat der Deutschen Könige 1888 S. 10. Pfahler, Theologische Quartalschrift LXI, 107. Hauck a. a. O. II, 21. Gegen sie Oelsner, Pippin S. 160. Martens a. a. O. S. 81 f. Unentschieden Fustel de Coulanges, Histoire des institutions VI, 304 f. Nach Hauck a. a. O. II, 20 legte sich Pippin den Titel selber bei, nachdem er die Defensio der Kirche übernommen hatte; vgl. Waitz III, 86.
  143. Hartmann, Untersuchungen S. 137. Cohn a. a. O. S. 109. 120 f. Private, die zuweilen früher oder später den Exarchen als Patricius Romanorum bezeichnen, wie Fredegar IV, 69 und Paulus Diaconus IV, 38, haben selbst diesen Titel gebildet.
  144. Die defensio ecelesiae halten für einen Bestandtheil des Patriciats z. B. Marca a. a. O. I, 12, 4. Baronius, Annales 740 Nr. 8. Pagi, Critica in annales Baronii 789 Nr. 7. Le Cointe, Annales 754 Nr. 57.
  145. Vgl. Diehl a. a. O. S. 175 ff.
  146. Die Schreiben der Päpste an die Patricii entlehnen z. B. Codex Carolinus S. 493, 41 die subscriptio und S. 509, 5 die superscriptio der Vorschrift des Liber diurnus I, 3, auch der Eingang der Anzeige einer Papstwahl S. 508 ist nach Liber diurnus 59 verfasst. Diese und sonstige Anschlüsse des Codex Carolinus an den Liber diurnus bezüglich des Exarchen spiegeln Erinnerungen und Vergleiche der Römer wieder, ergeben aber keine Rechtscontinuität des Amtes des Exarchen und der Würde des Patricius. Auch die gleichen Empfangsfeierlichkeiten, welche Vita Hadriani c. 35 bemerkt, bedeuten kein gleiches Recht, vgl. auch Vita Sergii c. 3, Vitaliani c. 2, Sergii II. c. 9.
  147. Vgl. Codex Carolinus S. 622, 5. 635, 17.
  148. Dass er ein kaiserlicher Patricius geworden sei, weil ihn der Papst im Auftrag oder doch im Namen des Kaisers ernannt habe, nehmen neuerdings wieder an Bayet, Revue historique XX, 96 f. Gasquet, L’empire byzantin 1888 S. 237. Diehl a. a. O. S. 222. 225. Freeman, English Historical Review IV, 702 ff. Hartmann, Göttingische gelehrte Anzeigen 1890 S. 614. Fustel de Coulanges a. a. O. VI, 305 f. Gegen diese Annahme z. B. Brunengo a. a. O. V, 9 S. 538 ff., Malfatti, Imperatori e papi I, 349 f. Waitz III, 85. Langen, Historische Zeitschrift 50, 424.
  149. Nach Muratori, Annali d’Italia 789 bestand der Patriciat in dem Recht, welches die Karolinger bei ihren Restitutionen sich vorbehielten. In diesem Falle wäre Rom und sein Ducat ausserhalb des Patriciats geblieben, während doch die Römer 757 ihrem Patricius schrieben. Uebrigens erfolgten die Restitutionen in dem Masse ohne Schmälerung, dass auch die in dem restituirten Territorium, insbesondere im Exarchat, gelegenen ehemaligen kaiserlichen Güter freies Alleineigenthum der Römischen Kirche wurden, vgl. Codex Carolinus S. 614, 15. Leo’s III. Briefe an Karl vom J. 808, 801–814, Jaffé IV, 312. 331. Nach Sybel, Kleine hist. Schriften III, 107 übertrug der Karolinger dem Papste den Patriciat in Ravenna und der Pentapolis; so deutet er die Stelle oben S. 326 Anm. 2.
  150. Schriftsteller, welche das nur für Rom aussagen, bezeugen es mittelbar für das ganze Land. Vgl. z. B. Paulus Diaconus, Script. rer. Langob. 1878 S. 19 Anm. 5 und Gesta episc. Mett. SS. II, 265. Pauli et Petri Carm. XXII, 17, Dümmler, Poetae I, 58. Annal. Lauresh. 801 SS. I, 38. Als ein Herr des Landes durfte der Patricius das päpstliche Territorium jederzeit betreten, dort konnte er auch seinen Pflichten am besten genügen. Karl hat die Hauptstadt in den JJ. 774, 781, 787 u. 800 besucht. Bei seinem ersten Besuche kam er, ohne den Papst auch nur zu benachrichtigen, aber vor St. Peter bat er ihn um Erlaubniss, Rom zu betreten, um in verschiedenen Kirchen seine Andacht zu verrichten, Vita Hadriani c. 35. 39. Hieraus folgern z. B. Orsi a. a. O. c. 9 a. E., Brunengo, I primi papi-rè (1864) S. 220 und La civiltà cattolica VI, 2 S. 35, auch Grashof, Archiv für katholisches Kirchenrecht 42, 215, der Patricius habe in Rom kein Recht oder geringeres Recht als der Papst gehabt. Die Frage ging wohl den Kirchenbesuch und den Herrn der Kirchen an. Auch ohnedem halte ich den Schluss nicht für richtig, weil Karl kraft eigenen Rechts sich auf dem Gebiete der Kirche aufhielt und eine Ausnahme für Rom sich nicht begründen lässt.
  151. Karl, der Patricius, heisst auf einem Römischen Bildwerk dominus, Gregorovius, Rom II, 459. Alcuin ep. 114 nennt 799 die Römer sein ovile proprium, Jaffé VI, 465. Codex Carolinus S. 591.
  152. Codex Carolinus S. 509, 36. Karl nennt die Einwohner der päpstlichen Stadt Comacchio seine fideles 781, Codex dipl. Langob. 62 S. 117.
  153. Schon unter Pippin die Spoletiner das. S. 515, 19. Die Capuaner 788 das. S. 617, 21. Bei den ehemals zum Exarchat gehörigen Städten Imola und Bologna blieb es 775 bei dem Versuch des Papstes, aber die Absicht ist für unseren Gesichtspunkt ebenso wichtig wie die Ausführung, das. S. 579, 35. Eine Verallgemeinerung dieser Vorgänge mag nicht berechtigt sein, wie Weiland a. a. O. XXII, 192 gegen Waitz III, 182 und Hauck II, 28 f. 90 bemerkt, aber für den Rechtsstandpunkt scheint mir das nicht entscheidend; ebenso wenig, ob der Papst oder der Patricius den Eid abnehmen liess. Letzteres sollte 796 in Rom geschehen, Annal. Einhard. 796 SS. I, 183 und danach Poeta Saxo III, 279 ff., Jaffé IV, 503. Die Erklärung des Papstes ist m. E. irrig auf eine Vereidigung für den Papst bezogen worden, so z. B. Brunengo, La civiltà cattolica V, 10 S. 436, vgl. Fustel de Coulanges a. a. O. VI, 309. Die Vereidigungen sind nicht die des Fränkischen Staatsrechts; der Vereidigte betheuert lediglich, eben dasjenige zu leisten, worauf der Patricius als solcher ein Recht hatte. Die Bundespflicht, auf welche Niehues, Kaiserthum und Papstthum im Mittelalter I², 498. 528. 530 den Eid bezieht, betraf den Papst, sein Volk hingegen nur mittelbar. Sollte aber das Bündniss auch den Römern Pflichten auferlegt haben, so bliebe die gleichzeitige Vereidigung auch für den Papst zu erklären.
  154. Codex Carolinus S. 529, 34. 530. 535. 627. 653. Ein anderer Rechtsgrund liegt das. S. 595 f. vor.
  155. Marca a. a. O. I, 12, 5. III, 11, 6. 11 f. nimmt eine derartige Gemeinschaftlichkeit an, die bis auf Karl den Kahlen bestanden habe. Auch Bethmann-Hollweg, Civilprocess V, 243 spricht sich mit theilweise denselben Gründen dafür aus. Siehe dagegen z. B. Brunengo a. a. O. VI, 1 S. 178 ff. Dass der Papst gelegentlich (z. B. Codex Carolinus S. 627) seine Beamten auch Getreue Karl’s nennt, ist nicht staatsrechtlich gemeint. Solche Wendungen, älter als der Patriciat, das. S. 477, 8. 479, 6, besagen nur, dass der Getreue im Interesse des Genannten thätig ist. In demselben Sinne bezeichnet der Papst Beamte und Unterthanen des Königs als seine Getreuen, z. B. das. 564. 574, 24. 586, 22. 592, 27. 624, 20, vgl. 606, 35. 627, 10. 808 Jaffé IV, 313. Capitularia I, 225, 4. Die Päpste würden einem Theilherrscher nicht nur von ihrem Lande, ihrem Volke geschrieben, die Römer nicht den Papst in einem Schreiben an einen gleichberechtigten Mitregenten als ihren einzigen Regenten dargestellt haben, oben S. 326 Anm. 3.
  156. Hadrian stellte den Grundsatz auf, dass sich Niemand seiner Herrschaft willkürlich entziehen dürfe, Cod. Carol. S. 573. In einem Falle ging er weiter: Auszuliefernde sollten von den sie geleitenden Beamten Karl’s selber gerichtet werden, das. S. 606 f. 635, 3.
  157. Ebd. S. 635, 29.
  158. Ebd. S. 624, 22. Eine Theilnahme an der Besetzung des Erzbisthums Ravenna hat Karl wohl auf ungenaue Kenntniss oder irrige Auslegung eines früheren Vorgangs gegründet; der Papst wies ebd. S. 621 f. seinen Anspruch als unberechtigt zurück. Weshalb urkundete Leo III. im J. 798 über ein Angelsächsisches Kloster per licenciam Karl’s? Die Urkunde bei Birch, Cartularium Saxonicum I, 284 S. 393.
  159. Vgl. Codex Carolinus S. 620, 27.
  160. Codex Carolinus S. 585, vgl. Vita Zachariae c. 22 und die späteren Gesetze, Capitularia I, 51, 19. 190, 7.
  161. Codex Carolinus S. 622, 25. Der „Befehl“ kann Briefstil sein, so „befiehlt“ auch der Papst dem Karolingischen Grafen von Lucca ohne jedes Recht, das. S. 585, 16. Brunengo a. a. O. VI, 2 S. 26 ff.
  162. Vgl. Fanta, Oesterr. Mittheil., Ergänzungsband I, 72. Lentz, Das Verhältniss Venedigs zu Byzanz 1891 S. 23 f. 45.
  163. Vom Patriciat ohne Zweifel unabhängige Handlungen liegen vor Codex Carolinus S. 572, 22. 30, wo Karl einschritt, weil ein päpstlicher Bote seinen Notar zur Anfertigung falscher Urkunden anstiften wollte und ein päpstlicher Gesandter ihn beleidigte.
  164. Oben S. 345. Das zu Grunde liegende Recht dürfte hier wie bei den späteren Vereidigungen für Karl der Patriciat sein. Die Beurlaubung Römischer Geistlicher auf Pippin’s Bitte hängt mit keinem Rechte Pippin’s zusammen, Codex Carolinus S. 549, 14–25.
  165. Für den Fall der Erledigung hat sie der Papst zu Nachfolgern bestellt und gesalbt, die Belege oben S. 342. Der Papst nennt sie seit 755 reges et patricios Romanorum und bei ihrem Regierungsantritt sind sie sogleich nostri Romanorum patricii, Codex Carolinus S. 488, 35. 559, 2.
  166. Leo III. sandte an Karl Schlüssel des Grabes Petri und die Fahne der Stadt Rom, Annal. Lauriss. 796, Einhard. 796 SS. I, 182. 183. Poeta Saxo III, 275 f., Jaffé IV, 583. Die Bestimmung der symbolischen Bedeutung der zweiten Gabe ist schwierig, weil ältere Fälle der Art unbekannt sind und von späteren keiner vergleichbar ist; eine Sendung des Patriarchen von Jerusalem, dessen staatsrechtliches Verhältniss zu Karl wie zu Jerusalem doch ein wesentlich anderes als das Leo’s III. war, bestand aus geweihten Schlüsseln, einem Kreuz und Schlüsseln als Unterwerfungssymbol. Der Patriarch verfolgte auch andere Zwecke, vgl. Annal. Lauriss., Einhard. 800 SS. I, 188. 189. Chron. Moiss. 801, cod. Anian. SS. I, 305. Annal. Altah. maj. 800 S. 4 Oefele. Annal. Nordhumbr. 800 SS. XIII, 156. Bei der Handlung des Papstes unterscheide ich die Grabesschlüssel, die ich nicht auf die Kirche und ihren Schutz beziehe, und das Banner der Hauptstadt, welche hier das Territorium des Papstes vertrat. Die Stadtfahne betraf wohl die weltliche Herrschaft des Patricius. Da diese einer Erneuerung unter einem neuen Papste nicht bedurfte, so halte ich weder eine örtliche noch eine sachliche Ausdehnung der patricialen Gewalt für gewollt. Später liess derselbe Papst ein Bildniss herstellen, auf welchem Petrus dem Patricius Karl eine Fahne mit sechs rothen Rosen in blauem Felde überreicht, Müntz, Revue archéologique 47, 8. Gregorovius, Rom II, 458 f., vgl. Labanca, Carlomagno nell’ arte cristiana 1891 S. 111. 127. 139 f. 142–158. Hier ist Karl’s Fahne wohl nur ein Seitenstück zum Bilde Constantin’s und ohne rechtliche Bedeutung. Eine Uebertragung der Herrschaft erblicken in dem Hergang von 796 z. B. Le Cointe a. a. O. 796 Nr. 25 f. Muratori a. a. O. 789. Simson, Karl II, 113. 234. 368 f. Auf Schutzherrlichkeit deuten ihn z. B. Papencordt, Rom 1857 S. 102. Gregorovius II, 451 f.; auf Schutzpflicht Brunengo a. a. O. V, 9 S. 314. V, 10 S. 437. Nach Baronius a. a. O. 796 Nr. 16 ehrte der Papst den Vertheidiger seiner Kirche mit der Fahne, vgl. Pagi a. a. O. 740 Nr. 10. Den Schlüsseln des Apostelgrabes schreibe ich [mit Baronius a. a. O., Du Cange II, 361 v. claves Petri, Orsi, Istoria eccles. l. 54 § 168 (ed. 1773 IV, 474, anders als Orsi (oben S. 326) c. 2 S. 37 ff. ed. 1854), Döllinger, Kirchen-G. I², 409, Hergenröther, Kirchen-G. ¹I, 502. III, 191, Fustel de Coulanges a. a. O. VI, 308, Grisar in Wetzer und Welte’s Kirchenlexicon VII², 1771] dieselbe Bedeutung zu wie den vorher S. 317 erwähnten Schlüsseln, welche Codex Carolinus S. 478, 31 und Fredegar, cont. c. 22 „claves confessionis, sepulchri“ nennen, aber Vita Gregorii III. c. 14 durch den Ausdruck „claves ex confessione“ verdeutlicht, vgl. Langen, Geschichte der Römischen Kirche II, 624. 626. Denn die auch noch später (s. Gregor VII., Reg. VII, 6) im alten Sinne gebrauchten Schlüssel können nicht wohl ein Zeichen neuer Unterwerfung oder bestehender Botmässigkeit sein. Wie sollte auch Karl das Heiligthum und die Kirche untergeben werden? Aller Schwierigkeit entgeht Pinton, Le donazioni ai papi 1890 S. 136, in dem er die Schlüssel für die Schlüssel der ehemals restituirten Städte ausgibt, die in der Gruft bewahrt wurden. – Von der Inschrift bei Rossi, Inscriptiones urbis Romae II, 1 S. 146, vgl. Mélanges d’archéol. et d’hist. VIII, 500, sehe ich trotz Gregorovius a. a. O. II, 386 ab.
  167. Karl bezeichnet in seinem Schreiben an Leo III. 796 als Zweck der Verhandlungen patriciatus nostri firmitatem, Jaffé IV, 356. Der Papst hatte ihn schon vordem ersucht, die Römer sich vereidigen zu lassen. Münzen mit dem Namen des Patricius begann Leo III. zu prägen, Promis a. a. O. S. 103. Engel et Serrure a. a. O. I, 213. 284. Seine älteste Urkunde, die nach Karl’s Patriciat seit 774 datirt, ist von 798, Jaffé, Regesta pontificum² S. 307. Die Ereignisse unter Leo III. haben in alter wie in neuer Zeit die Annahme veranlasst, der Patriciat sei bis 796 eine Titulatur und erst seitdem eine Herrschaft gewesen, z. B. Le Cointe a. a. O. 796 Nr. 26. Hegel, Städteverfassung von Italien I, 209 f. 216. 217. Weiland a. a. O. XXII, 190 f. Mit dieser Annahme vermag ich weder die früheren Ausübungen der patricialen Gewalt noch die Erklärung Hadrian’s Codex Carolinus S. 635, 17 in Einklang zu bringen.
  168. Erchempert, Historia Langob. c. 4, Script. rer. Langob. 1878 S. 236 erzählt ein derartiges Abkommen Karl’s mit dem Herzog von Benevent 788. Auch hier ist die herzogliche Gewalt durch die ausdrückliche Bestimmung über Urkunden und Münzen nicht verändert worden.
  169. Vgl. Holtzmann, Das Neue Testament und der Römische Staat 1892 S. 38 f.
  170. Diese nachdiocletianische Anschauung auch im Liber diurnus 60 f. S. 54. 56. Vgl. Mém. de l’Acad. des Inscr. et Belles-Lettres XXXII, 1 S. 80 f.
  171. Von dieser seiner Geschichtsphilosophie, von der sich damals nur Wenige zu befreien vermochten (Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen I6, 102. 218 f.), legen die Libri Carolini II, 19, Migne 98, 1082, ein Zeugniss ab, indem sie sich zu dem von Daniel gesehenen vierten Thier bekennen; diese historische Betrachtung hatte Hieronymus zur allgemeinen Geltung gebracht, siehe Trieber, Hermes XXVII, 321–342.
  172. Nach Hefele, Conciliengeschichte III, 459.
  173. 790, Libri Carolini II, 19, Migne 98, 1082 f.
  174. Ebd. praefat. Sp. 1002.
  175. Erwähnt 825, Mansi XIV, 422.
  176. Annal. Nordhumbr. 792. SS. XIII, 155.
  177. Capitularia 1, 73, 1. Jonas von Orléans, De cultu imaginum I, Maxima bibl. patrum XIV, 168. Simson, Karl II, 64. Vgl. Libri Carolini I, 6 S. 1020 f.
  178. Karl’s Schreiben 794, Migne 98, 901.
  179. Ebd. Sp. 904 f. Hingegen belobt er den König Offa von Mercia wegen der Reinheit seines Glaubens 796, Jaffé VI, 287. Auch das Schreiben des Papstes von 793, Mansi XIII, 865 ff., sandte Karl 794 nach Spanien; den Papst hat er veranlasst, eine Synode gegen die Spanische Lehre zu halten; die Acten bei Mansi XIII, 1031 und Alcuin, Epist. 139, Jaffé VI, 536 reden von einem Befehl Karl’s, der, da Karl kein Befehlsrecht besass, kein Rechtsgebot war. Bezüglich seines Verhaltens im Adoptianischen Streit nennt Alcuin den König pontifex in praedicatione, jene Irrlehre sei auch von Hadrian apostolica auctoritate funditus exterminata, Adv. Elipand. I, 16, Migne 101, 252.
  180. So schrieb ihm Alcuin 799, Epist. 114, Jaffé VI, 464.
  181. An Leo III. ebd. IV, 356. Dasselbe erklärte ihm Alcuin 799, Epist. 111, ebd. VI, 453. Nach Paulinus, Contra Elipand., Migne 99, 165 sollte er Christi Feinde niederwerfen. Derselbe Patriarch unterwarf die Beschlüsse seiner Synode zu Friaul den Aenderungen Karl’s 796, Mansi XIII, 830. Vgl. Hadrian 774 an Karl und Theodulf XXXII, 7 f., Dümmler, Poetae I, 90. 523. Einhard, Vita Karoli c. 27. Vita Hludowici c. 1 SS. II, 607. Oben S. 2. 335.
  182. Worte Alcuin’s, Epist. 111.
  183. S. Weyl (S. 317) S. 24. 32.
  184. Der Hergang war so genau verabredet, dass die zu rufenden Worte aus den bisher gebräuchlichen Titeln des Imperators zusammengestellt waren, siehe Mühlbacher, Regesten der Karolinger I S. 776.
  185. Vita Leonis III. c. 23. Vgl. Leo III. 813 an Karl, Jaffé IV, 328. Constantinus Porphyrogenitus, De caerimon. I, 43. 94. II, 27. Hergenröther, Photius I, 91. 101. 592. Brunner, Die Constantinische Schenkungsurkunde 1888 S. 26. Duchesne, Liber pontific. II, 38. So wenig als der Patriarch durch die Krönung das Kaiserthum verlieh, war die Handlung des Papstes ein Uebertragungsact. Die Function Leo’s III. schloss ein oder verdeckte seine weltliche Betheiligung als vornehmster „Wähler“. Der Zuruf des sogen. Volkes hatte andere Worte und Zwecke als die Acclamation im Oströmischen Reich, vgl. Constantinus Porphyrogenitus a. a. O. I, 38. 43.
  186. Vita Leonis III. c. 23 sagt: ab omnibus constitutus est imperator, lässt also den Papst nicht allein handeln. Auch die Annalisten des Königreichs zum J. 801 erklären die Römer für einen wesentlichen Factor, Ann. Lauriss. maj., Einhard, Colon., Wirzib., Quedlinb., SS. I, 188. 189. 97. II, 240. III, 40; ebenso Vita Willehadi c. 5 SS. II, 381. Dass die Annal. Lauriss. min. ausser den Römern das Frankenvolk nennen, mag nach Waitz ein erweiternder Zusatz des Autors sein, Berliner Sitzungsberichte 1882 S. 415. 406. Vgl. Gest. abb. Bert. c. 39, Ann. Nordh. 800, Rog. Hoved. 801 SS. XIII, 613. 156. XXVII, 138. Anders ein Jesuit, Zeitschrift für kath. Theologie XVII, 568–573. Zur Sache s. Ranke, Welt-G. V, 2, 183 ff.
  187. In der Provinz Italien tauchte 730 die Absicht auf, einen Kaiser für Constantinopel zu wählen (Vita Gregorii II. c. 17, vgl. c. 23), und ein Prätendent wollte 619 nach Rom, dem Sitz des Reiches, ziehen, um dort die Krone zu nehmen, Prosper Contin., Mommsen, Chronica minora I, 339. Diese Projecte mögen zeigen, wessen die Provinz Italien einst fähig war, auch für unseren Vorgang in St. Peter kommen sie wohl in Betracht. Vgl. Cinnamus, Hist. V, 7. Imperialem Romam intrasti, schrieb Cathuulfus an Karl 775, Jaffé IV, 337. Einzelne Unterthanen Karl’s versuchten das Ereigniss politisch zu rechtfertigen, was nicht schwer war, aber sie bemühten sich umsonst, es auch juristisch zu legitimiren, siehe Annal. Lauresh. 801, Chron. Moiss. 801 SS. I, 38. 305; später Ludwig II. 871 an Basilius, Chron. Salernit. c. 107 SS. III, 524. Vgl. Bryce, The Holy Roman Empire ed. 1889 S.53 f. Fustel de Coulanges, Histoire VI, 314 f.
  188. Einhard, Vita Caroli c. 16. Dass Karl alleiniger Imperator werden sollte, nehmen an Döllinger, Münchner Jahrb. 1865 S. 352 f. 356. Pichler, Geschichte der kirchlichen Trennung zwischen Orient und Occident I, 150 f. Dümmler, Karl, Allgemeine Deutsche Biographie XV, 140. Gasquet (oben S. 344) S. IX. 280 f. 284. Gegen diese Auffassung z. B. Waitz III, 199. Mühlbacher a. a. O. I, XLIV. Dahn, Deutsche Geschichte II, 359. Karl’s Verhalten widerlegt zwar nicht die Ansicht, dass im Anfang seines Imperiums jene erste Auffassung vorhanden war, aber Karl’s Meinung war eine andere, und das war entscheidend.
  189. Theophanes I, 475. 478 de Boor. Cedrenus II S. 28. Harnack, Die Beziehungen des Fränkisch-Italischen zu dem Byzantinischen Reiche 1880 S. 42 f.
  190. Den Gedanken eines solchen zweifachen Reiches der Römer brachte Karl in seinem Schreiben an Michael 813 zum Ausdruck, Jaffé IV, 415, vgl. Karl an Nicephorus das. IV, 395. Die Occidentalen bezeichneten das östliche Reich seitdem oft als das Reich der Griechen, so z. B. die Päpste 825, 862, 874, Migne 98, 1339. 119, 783. Neues Archiv für Geschichtskunde V, 307. Nicolaus ertheilte 865 dem Kaiser in Byzanz sogar den Rath, sich nicht mehr Kaiser der Römer zu nennen, Migne 119, 932. Aber Ludwig II. erklärte mit Recht, einen anderen Imperator als den Imperator der Römer gebe es nicht, 871 Chron. Salernit, c. 107 SS. III, 523. Ueber Byzantinische Ansichten Hergenröther, Photius II, 171 f.
  191. Ausdrücklich hervorgehoben von Alcuin 801 oder 802, Epist. 180, Jaffé VI, 640. Später von Hincmar, siehe nachher S. 9 Anm. 1 und 871 von Kaiser Ludwig II., vorige Anm. Karl II. 864, Capit. II, 326 Z. 14.
  192. Ermoldus Nigellus IV, 269 ff.
  193. Nach Phillips, Vermischte Schriften II, 438, erhielt Karl die Rechte, welche theoretisch dem Byzantinischen Kaiser über den Occident zustanden. Vgl. unten S. 25 Anm. 2.
  194. Longpérier, Oeuvres V, 377–382. Vgl. Capit. I, 130, 20 = II, 23, 13.
  195. Dieses Actenstück, Capitularia I, 92 f., beweist auch die Beendigung des Königreichs. Dafür auch z. B. Ermoldus Nigellus II, 68 (Dümmler, Poetae II, 26), vgl. das Urtheil Sergius II. 844, Karl habe das Reich der Franken und der Römer zu Einem Körper verbunden, Migne 106, 915.
  196. So Alcuin an Karl 802, Epist. 191, Jaffé VI, 671 f.
  197. Thegan c. 6 SS. II, 591. Chron. Moiss. 813 SS. I, 311.
  198. Diese von Karl übernommene Staatslehre z. B. auch bei Vegetius, Epitoma rei militaris II, 5. Den Kaiser, so schreibt ein Papst 496, velut vicarium deus praesidere iussit in terris, Bullar. Roman., Taur. ed. I, 128.
  199. Die Wendung Karolingischer Documente, dass fideles Gottes oder der Kirche auch fideles des Herrschers sind, steht mit dem Imperium in keinem Zusammenhang. Sie beginnt in Urkunden des Königs Pippin und ist erst seit Ludwig I. gebräuchlicher geworden. Wie diese stilistische Vereinigung der Gläubigen und der Unterthanen der vorkaiserlichen Zeit entstammt, so ist sie auch später nicht Ausdruck der Kaisergewalt geworden. Sie findet sich 755, 770, 791, 799, 800, Mühlbacher Nr. 76. 122. 306. 340. 348, vgl. Th. Sickel, Acta Carolinorum I, 173.
  200. Ein solcher Gedanke ist nach unserer Ueberlieferung in dem Kreise entsprungen, der selbst nach Römischem Recht lebte und ohne den es schwerlich zu einer Reception des Römischen Rechts gekommen wäre, in der Kirche. Erster bekannter Zeuge dieser Auffassung ist Hincmar, De divortio Lotharii, interr. 12, Migne 125, 699 f.
  201. Siehe die treffliche Arbeit von Krause, Missi dominici, Oesterreichische Mittheilungen XI, 218 f. 259 ff. Die Thatsache erwähnen Annal. Lauresham. 802 SS. I, 39, vgl. Capitularia I, 91 f. mit anderer Motivirung. Vgl. im Allgemeinen Schrörs, Hincmar 1884 S. 381 ff.
  202. Annal. Fuldenses 876 S. 86 Kurze: Augustum omnium regum cis mare. Dieses Meer ist das Jonische Meer, die Grenze zwischen dem Orientalischen und dem Occidentalischen Imperium, siehe z. B. Constantinus Porphyrogenitus, De thematibus II, 9 S. 57 ed. Bonn. Richtig Waitz V², 91 Anm. 3, unrichtig Waitz III², 201 Anm. 2.
  203. 877 an Karl d. K., 878 an den Grafen von Spoleto, Migne 126, 731. 753. Vgl. Favre, Eudes 1893 S. 111–116.
  204. An Ludwig III. 20. Mai 879, Migne 126, 853. Diese „Weltherrscher“, denen doch als Kaisern kein Staat unterworfen war, haben Vorläufer im Sprachgebrauch der Zeit Karl’s d. Gr. Schon Karl wurde der Herr Europas, das Haupt Europas oder der Erde genannt, z. B. 799 caput orbis Angilbert, Carm. VI, 92, Dümmler, Poetae I, 368. Andere Belege bei Waitz III, 201.
  205. Wie völlig das innere Kaiserthum erloschen war, zeigt der Eid, den sich Karl d. K. 876 von den Westfranken als Kaiser schwören liess (Capit. II, 348 vgl. S. 99) und Hincmars verständnisslose Kritik, Opera 11, 835.
  206. So rieth ihm Augustin z. B. De civitate dei V, 24. An gleichen Rathgebern hat es ihm nie gefehlt, so z. B. im J. 773 Mon. Germ., Epist. II, 409 u. in den JJ. 809–812, Capitularia I, 247.
  207. Vgl. Müllenhoff und Scherer, Denkmäler Deutscher Poesie und Prosa II³, 325 ff. Simson, Karl II, 494 ff. Paulinus von Aquileja hält dieses Verfahren, wie er dem Kaiser Karl schreibt, für gerechtfertigt: expedit tibi, Migne 99, 508. So auch z. B. Leo IV. 853 an Lothar, Migne 115, 670.
  208. So z. B. Codex Theodos. XVI, 1, 2, ein Erlass vom J. 380, den Cod. Justin. I, 1, 1 und Basilik. I, 1, 1 aufgenommen haben. Aus späterer Zeit z. B. Theodorus Studita, Epist. II, 129, Migne, Patrol. graeca 99, 1417. Epanagoge II, 4 f. (um 880), Zachariae a Lingenthal, Coll. libr. iuris graeco-rom. 1852 S. 66. Zachariae v. Lingenthal, Gesch. des Griech.-Röm. Rechts ³S. XII f. Kattenbusch (oben S. 303) I, 374 ff. Nicht zugänglich war mir Gasquet, De l’autorité impériale en matière religieuse à Byzance 1879.
  209. Leo I. 1. December 457 an Leo I., Migne 54, 1130.
  210. Z. B. Karl (s. Thegan c. 6), Ludwig I. 832 (s. Tardif, Monuments historiques S. 87, Mühlbacher Nr. 876) und Lothar I. (s. Vita Walae II, 17 SS. II, 563 f.). Von solchen Erklärungen sind die Denkmäler des 9. Jahrhunderts voll, siehe z. B. Aeusserungen von Päpsten, Jaffé IV, 311; 330. Migne 115, 670. 119, 912; 914. 122, 1320 (Jaffé 2516. 2528. 2638. 2773 f. 2951); Beschlüsse der Synoden zu Mainz 813, Paris 829, Mainz 847, Mansi XIV, 64. 534. Capit. II, 175. Auch Capit. I, 303, 2. II, 99. 351, 1. Ardo, Vita Benedicti c. 29 SS. XV, 211. Sedulius, De rectoribus christianis c. 19, Migne 103, 329. Jonas von Orléans oben S. 3 Anm. 2.
  211. So z. B. die in der vorigen Anmerkung citirten Aussprüche Karl’s, Ludwig’s I., der Pariser Synode.
  212. So wollte der Papst den Patriarchen Photius richten, Hadrian II. 10. Juni 869 an Ignatius und Basilius, Migne 122, 1282. 1286. Er erhob 860 gegen Michael den Anspruch, die Berufung eines Concils zu bewilligen, das. 119, 773. Pichler a. a. O. I, 137 ff. Langen (oben S. 351) III, 135 f.
  213. Der Papst besass es auch 869 noch nicht, siehe Funk, Theologische Quartalschrift LXIV, 578 f. und Historisches Jahrbuch XIV, 512 f. XV, 505 ff. Hinschius, Kirchenrecht III, 344 ff. Sohm I, 443 ff. Das Gegentheil sagt auch nicht Theodorus Studita, Epist. I, 33. II, 129 a. a. O. Sp. 1020. 1420.
  214. Aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts Codex Carolinus S. 546, 25. Hadrian 26. October 785, Migne 96, 1221. 787 Labbe, Concilia VIII, 677 f. Jaffé VI, 246 f. Aus der Kaiserzeit siehe z. B. Jaffé, Reg. pont. II S. 743. Vita Hadriani II. c. 23–33. 42–44. Vgl. Hauck, Kirchen-G. II, 447, Hergenröther, Photius I, 247 ff. Die Pariser Synode von 825 erwartete nur eine päpstliche Vermittlung mit Byzanz (Mansi XIV, 463) und die kaiserliche Regierung erhob bei dem Papst nicht grundsätzlichen Einspruch, s. Bouquet VI, 341 f.
  215. Mansi XVI, 18. 19. 202. Im Jahre 824 kam eine Byzantinische Gesandtschaft auch wegen der Bilderfrage zu Ludwig, Baronius 824 Nr. 29; Annal. Einhard. 824 SS. I, 212. Capitularia II, 483 Z. 2 f.
  216. Codex Carolinus S. 634, vgl. S. 585, 24. Instruction Karl’s für Angilbert 796, Jaffé IV, 353. Vgl. Alcuin, Carm. XLV, 43. 55 (Dümmler, Poetae I, 258).
  217. Die citirte Instruction und Karl’s Brief an Leo III. 796, Jaffé IV, 353. 356.
  218. Oben S. 3 Anm. 4. Die vom Papste 769 von den Frankenkönigen erbetene Abordnung Fränkischer Bischöfe zu einer Römischen Synode (unten S. 19 Anm. 1) war eine lediglich politische Handlung.
  219. Capit. I, 204. Einhard, V. Caroli c. 28 und Ann. Einhard. 801 SS. I, 189 deuten auf solche Ordnungen Karl’s hin. Das Einzelne ist unbekannt. Zu Capit. 1, 323, 5. Bethmann (S. 34) V, 76. Arch. stor. ital. III, 20 S. 435 f. Jaffé 2638.
  220. So z. B. Alcuin, Epist. 33. 93, Jaffé VI, 245 f. 391; Carm. XV, 4. XXVIII, 17, Dümmler, Poetae I, 238. 247. Den Ausdruck caput orbis, den Alcuin, Carm. XXV, 3 S. 245 von Leo III. gebraucht, hat auch Pseudo-Isidor, Felix II. c. 13 S. 489 Hinschius. Sachlich berechtigt war das erst bei Nikolaus I., vgl. Annal. Bertin. 864 S. 68. Regino 868 S. 94. Johannes VIII. März 878 an Lambert, Migne 126, 748. Ein Gedicht an Hadrian, Dümmler I, 92 V. 20 schreibt dem Papste Lehrgewalt zu. Vgl. Capit. II, 515 Z. 16.
  221. So 825 nochmals in der Bilderfrage, Hauck, Kirchen-G. II, 447 ff.
  222. So blieb sein Streit mit dem Papste über das filioque ungeschlichtet, vgl. Jaffé IV, 385 f. Annal. Einhard. 809. Mansi XIV, 18.
  223. Paris I, 3, Mansi XIV, 537 = Capitularia II, 29, 3; vgl. II, 114, 2 = 399, 8. 345, 8. Stephan V. 885 an Basilius, Migne 129, 786 f. Lothar I. nennt die Römische Kirche capud christianitatis, Capitularia II, 65, 2; vgl. sein Schreiben an Leo IV. 851, Bouquet VII, 565. Capit. II, 519, 5 (Hincmar, Ord. pal. c. 5)
  224. Epist. syn. Caris. ad Hludowic. c. 15, Capit. II, 440, vom J. 858. Ein Papst schrieb 833 den Fränkischen Bischöfen, sein Regiment über die Seelen stehe höher als das irdische Regiment des Kaisers, sein Befehl dürfe also dem kaiserlichen nicht nachgehen, Migne 104, 299.
  225. Sergius II. Juni 844 an den Episcopat unter Vorbehalt aller Rechte Lothar’s, Migne 106, 915. Vgl. Leo IV. 851 an Lothar I., Neues Archiv V, 381 f.
  226. Vgl. S. 14 Anm. 4, S. 20 Anm. 2 und Otto I. 962, Mon. Germ., Constitutiones I, 21. Stellen wie Capit. II, 125, 9 oder c. 13 der Römischen Synode (871–878), Wiener SB. 91, 787 stehen nicht entgegen. Vgl. Baronius, Ann. 847 Nr. 11, Baluze 1676 in der Praefatio § 21 ff. seiner Capitularienausgabe. Hiervon ist zu unterscheiden, wenn Leo IV. 853 Lothar gegenüber die Erklärung abgab, er wolle (im Reiche Lothar’s) die Gesetze der Kaiser und die Kanones der Päpste halten, Migne 115, 671 (Gratian I, 10, 9), Jaffé 2643, vgl. Leo IV. an Lothar I. und an Coloroth, Migne 115, 657. 671 (Jaffé 2603. 2609). Es begann damals eine Zeit, in der die Päpste sich über beiderlei Recht hinwegsetzten und auch von ihnen behauptet wurde, selbst der Kaiser müsse den päpstlichen Decreten gehorchen, aber der Papst stehe über dem weltlichen Recht, vgl. z. B. Bened. Levit. I, 402 = Angilramnus II, 16 = Pseudo-Isidor S. 137. 222 f. 683. Nicolaus I. 863–865, Pflugk-Harttung, Acta II, 57 S. 28. Migne 119, 882. 926. Johannes VIII., Neues Archiv V, 307 (Jaffé 2723. 2765. 2789. 2990). Karl selbst hat die päpstliche Gesetzgebungsgewalt durch Verbreitung von Decretalen gefördert, Annal. Lauresham. 802 SS. I, 39. Vgl. Hinschius, Kirchenrecht III, 705 ff. 714 ff.
  227. Paris I, 11, Mansi XIV, 544. 853. Mansi XIV, 1017. Annal. Bertin. 868 S. 92. Vgl. das kaiserliche Schreiben an Venerius 827, Ughelli (Anm. 4) V, 1104.
  228. Sergius II. 844–847 an Andreas, Ughelli-Coleti, Italia sacra V, 39. 853, Mansi XIV, 999, vgl. Vita Leonis IV. c. 90. Auch die Synode von Mantua 827 lud der Papst ad suggestionem der Kaiser, Ughelli a. a. O. V, 40. Vgl. Hinschius III, 509. 715. Auch Capitularia II, 125, 4.
  229. Vgl. oben S. 318. Die Anzeige von 757 (Codex Carolinus S. 508) entlehnt den Eingang und soweit auch diese Praxis dem Formular Liber diurnus 59. Auch das nach Th. Sickel, Prolegom. II, 6 ff. (vgl. Hartmann, Oesterr. Mittheil. XIII, 252–254) unter Hadrian I. geschriebene Formular Liber diurnus 82 ändert die Vorlage wohlüberlegt dahin ab, dass die auf Bestätigung bezügliche Stelle ausgelassen und damit der Adressat nicht in die Lage versetzt wurde, zu bestätigen. Leo III. übersandte nach der Consecration Karl das Wahlprotokoll, Karl verstand das so, wie es verstanden werden sollte: er sprach 796 dem Papste seine Freude aus über die Einmüthigkeit seiner Wahl, Jaffé IV, 354. Th. Sickel, Das Privilegium Otto I. (1883) S. 159 und Lamprecht (oben S. 318) S. 13 halten die decretalis cartula Leo’s III. für ein Gesuch um Genehmigung der Wahl, vgl. dagegen Codex Carolinus S. 634, 21 und Dopffel (oben S. 338) S. 22 ff. Die Erneuerung der Verträge in Verbindung mit der Anzeige Codex Carolinus S. 508. 649. 651. Das Wahlprotokoll wurde auch später von den Wählern mitunter eingeschickt, Vita Benedicti III. c. 6 f., Hadriani II. c. 8.
  230. Ueber die Synode 769 Vita Stephani III. c. 16 f. 20, vgl. c. 3. 11. Actenstücke von 769 bei Mansi XII, 713 ff. Duchesne, Liber pontificalis I, 480.
  231. Die Erfüllung dieses Anspruchs nennt 816 die Vita Hludowici c. 26 SS. II, 620 satisfacere, etwas abweichend von der Vorlage Annal. Einhard. 816 SS. I, 203; ähnlich steht satisfacere z. B. Liber diurnus 70 S. 66 und Codex Carolinus S. 508, 12. 652, 31. Im Jahre 817 entschuldigte sich der Papst, wie es kirchliche Sitte war, dass er die Würde übernommen habe, vgl. Annal. Einhardi 817 SS. I, 203 und Vita Hludowici c. 27 SS. II, 621 mit Liber diurnus 84 f. S. 94. 104. Es entspräche das dem Hergang z. B. in der Vita Valentini c. 6, Benedicti III. c. 5 und dem von 796, wenn die von Rettberg, Kirchengeschichte II, 595 vorgeschlagene, neuerdings (siehe oben S. 338) gebilligte Auslegung die richtige ist. Das Privileg von 817 (bei Th. Sickel a. a. O. S. 176 f.) ordnet über die Papstwahl nichts Neues an. In obigem Sinne verstehen die Handlung des Papstes von 816 z. B. Lamprecht a. a. O. S. 11, vgl. Duchesne a. a. O. II, 50 und die von 817 Mühlbacher, Deutsche Geschichte unter den Karolingern 1890 S. 329 und Regesten Nr. 621c. Anders erklären z. B. Simson, Karl II, 245 und Ludwig I, 66. 80. Hauck a. a. O. II, 439. 441. Heimbucher (oben S. 338) S. 92 ff. 108 ff. Nach Simson, Ludwig I, 231, Dahn a. a. O. II, 363 u. A. hätte Karl als Kaiser ein Pactum über die Papstwahl geschlossen, eine Ansicht, die schon Ficker, Forschungen II, 352. 367 zurückgewiesen hat. Auch i. J. 824 ist die noch 862 von der Kirche bestätigte Wahlordnung von 769 nicht verändert.
  232. S. 17. Römer gingen 768, um einen Eindringling zu entfernen, nicht Pippin, sondern Desiderius an, Vita Stephani III. c. 5 ff., wohl desshalb, weil sie raschere Hilfe begehrten, als der ferne Franke sie gewähren konnte. Eine zwiespältige Wahl hatte der Kaiser nicht zu entscheiden. Vgl. Vita Benedicti III. c. 17 f. Annal. Bertin. 868 S. 95; a. M. Dopffel a. a. O. S. 127.
  233. Capitularia I, 324. Die Ordnung hat der Kaiser nicht kraft seiner Gewalt gegeben, sondern mit dem Papste und dem Römischen Volke vereinbart, vgl. oben S. 14 Anm. 4. Annal. Einhard. 824 SS. I, 212. 213. Pauli cont. Rom. 825, Script. rer. Langob. S. 203. Ueber den Eid unten S. 41.
  234. Die Bemerkung von Florus, De elect. episc. c. 6, Migne 119, 14, dass der Papst absque interrogatione principis zu wählen sei, ist wohl vor 824 geschrieben, würde aber auch nach 824 zulässig sein.
  235. Für 827 vgl. Annal. Lauriss., Einhard. 827 SS. I, 216. Chron. Benedicti de S. Andrea 827 SS. III, 711, ungenauer Vita Hludowici c. 38. 41 SS. II, 628. 630 f. – 855 Vita Benedicti III. c. 6 ff. 17 f. – 867 Vita Hadriani II. c. 6–8. Annal. Bertin. 867 S. 90. Hier wurde die Weihe so lange verschoben, bis der Kaiser nach Empfang der ihm von Wählern überbrachten Wahlurkunde die Consecration erlaubte. Der Hergang bei den Wahlen von 872 und 884 ist mir unbekannt; der von 882 (Annal. Fuld. 882 S. 99. 109) ist mir zweifelhaft. Die bei einigen Wahlen sichtbare Neigung der Regierung, dem Kaiser einen Einfluss auf die Wahl zu verschaffen, führte noch zu keinem neuen Recht, vgl. darüber auch Invectiva in Romam, Dümmler, Gesta Berengarii 1871 S. 145 und die nächste Anmerkung.
  236. Vita Nicolai c. 5. 8. Annal. Bertin. 858 S. 50.
  237. So brachen die Römer den Vertrag 827, 844, 847, 885, siehe Vita Valentini c. 6 f. Annal. Bertin. 844. Vita Leonis IV. c. 8. Annal. Fuld. 885 8. 103. Vita Stephani V. c. 4 f. Die kaiserliche Regierung forderte desshalb 844 eine neue Vereidigung der Römer (Vita Sergii II. c. 15, Annal. Bertin. 844) und Leo IV. musste wohl das Pactum erneuern, Gratian I, 68, 31 = Migne 115, 674. Karl III. hegte 885 die Absicht, Stephan V. abzusetzen, gab sie aber auch mit Rücksicht darauf, dass ein kaiserlicher Gesandter damals zufällig sich in Rom aufhielt, wieder auf, Annal. Fuld. 885 S. 103 f. Die Function der kaiserlichen Regierung wird von den verschiedenen und auch von denselben Schriftstellern verschieden beschrieben, aber rechtlich sind die stilistischen Differenzen ohne Bedeutung. Jussio, 844 a. a. O. gebraucht, sagen in anderem Sinn Vita Pelagii II. c. 1 und Liber diurnus 58.
  238. Vor der Wahl kamen sie nach der Schrift De imperatoria potestate SS. III, 722; Karl d. K. hat danach auf die kaiserliche Berechtigung zu Wahlcommissariaten verzichtet, eine Nachricht, die z. B. Bayet, Revue hist. XXIV, 88 annimmt und Dopffel a. a. O. S. 149 f. verwirft. – Eine aus der Römischen Synode von 898 c. 10, Mansi XVIII, 225 stammende (s. Funk, Historisches Jahrbuch IX, 284–299) Satzung sieht einen Zweck der neuen kaiserlichen Botschaften in der Friedensbewahrung, die zwar 824 c. 3 beachtet, aber für sich behandelt war, weil sie einem anderen Interesse diente.
  239. Eine übersichtliche Darstellung gibt Hinschius a. a. O. I, 296 ff. Fränkische Stimmen, wonach der Papst von Niemandem gerichtet werde, sind Alcuin an Arno 799, Epist. 120, Jaffé VI, 489. Ansegisus I, 133 = Benedictus Levita I, 302. Vita Walae II, 16 SS. II, 562. Capitula Angilramni c. 51. Vgl. die Angaben bei Dümmler, Ostfränkisches Reich I², 76 Anm. 6. Hauck a. a. O. II, 490. Päpstliche Erklärungen desselben Inhalts von 865, 869, 885, Migne 119, 940. Mansi 16, 126. Migne 129, 788.
  240. Codex Carolinus S. 629. Nach einer anderen Erzählung wollte Karlmann den Papst gefangen nehmen, Vita Hadriani c. 5.
  241. Vita Leonis III. c. 20. Annal. Lauriss., Einhard. 800 SS. I, 188. 189. Annal. Lauresham. 801 = Chron. Moiss. SS. I, 38. 304 f. Auch Angilbert, Carm. VI, 388 ff., Dümmler, Poetae I, 376. Vgl. Döllinger a. a. O. S. 330 ff., wieder abgedruckt in Döllinger, Akademische Vorträge III, 98 ff.
  242. Jaffé IV, 378 = Pflugk-Harttung, Acta II, 54 S. 26: a nemine iudicatus neque coactus. Auch diese Worte des Eides sprechen gegen die Annahme, dass Karl eine richterliche Gewalt geübt habe. Die politische Betrachtung von Waitz III, 185 scheint mir zutreffender als die juristische Auffassung Dahn’s a. a. O. II, 354. Vgl. Weyl (oben S. 317) S. 168 f.
  243. Gregor IV. 833 an die Fränkischen Bischöfe, Migne 104, 304. Vgl. Vita Walae a. a. O. Ein Concil in Constantinopel 867 setzte den Papst ab und wollte den Karolingischen Kaiser bewegen, das Urtheil zu vollziehen. Hefele a. a. O. IV, 356 f. Hergenröther, Photius I, 653 f.
  244. Annal. Lauriss., Einhard. 801 SS. I, 188. 189. Ueber die Adoration Gothofredus zu Cod. Theodos. VI, 8 und Karlowa, Neue Heidelberger Jahrbücher I, 165 ff. Die Adoration hatte nicht die staatsrechtliche Bedeutung, sich als Unterthan zu bekennen. Untechnisch gebraucht den Ausdruck adoriren Vita Johannis c. 3, vgl. Vita Constantini c. 6.
  245. Als Mitglied des Imperiums war er bei der Divisio imperii 806 und der Ordinatio imperii 817 betheiligt, Annal. Einhardi 806 SS. I, 193 f. Agobard, Fleb. ep. c. 4, Op. II, 45 und Compar. regim. c. 4, Migne 104, 296.
  246. Nur wenige Schreiber von Privaturkunden übersahen die Veränderung, dass der Specialtitel durch den Titel für das Gesammtrecht absorbirt war, so 802, 807? Wartmann, Urkundenb. St. Gallen I S. 161. 187. 806 Mon. Scheftlar., Mon. Boica VIII, 370. 371. Ein Fälscher titulirte für 775 richtig, aber für 817 war er im Irrthum, Mon. Germ., Epist. III, 96, 33. 98, 15. Jedoch auch Hadrian II. schreibt 872 an Karl d. K.: te optamus – – – patricium et imperatorem, Bouquet VII, 457. Nimmt Dümmler, Ostfränk. Reich III², 74 Anm. 1 für die Könige Vererbung des Patriciats an?
  247. Diese Erklärung wagt bezüglich der Römer Pauli cont. Rom. 823, Script. rer. Langob. S. 203.
  248. Karls Testament bei Einhard, Vita Caroli c. 33 geht auf das Erzbisthum der Römischen Kirchenprovinz.
  249. Leo III. bestrafte 815 und Paschalis 823 Majestätsverbrecher nach Römischem Rechte mit dem Tode, oben S. 327 Anm. 1.
  250. Oben S. 326. Vita Sergii II. c. 7. 11, Leonis IV. c. 78–81, Nicolai c. 21 ff. 50. Leo III. 812 an Karl, Jaffé IV, 324. Leo IV. 853, Migne 115, 669. Capitularia I, 128, 4. 225, 3. 324, 7. 9. Vgl. Zeumer, Form. S. 618 Z. 11 mit S. 617 Z. 29. Auch in Byzanz bestand diese Auffassung, siehe Constantinus Porphyrogenitus a. a. O. II, 10. Vgl. Hergenröther, Kirchen-G. ¹III, 191.
  251. Karl ordnete 801 die Römischen Verhältnisse; es war die Reichsgewalt, die er übte, aber wie er sie – abgesehen von seinem Richteramt – übte, wissen wir nicht, siehe oben S. 14 Anm. 4. Auch hier wie in seinem übrigen Reiche hatte er noch andere imperatorische Gedanken als seine Nachfahren, aber auch er hat ohne Zweifel nicht versucht, seine Hoheitsrechte erschöpfend zu bestimmen. Zu Capit. I, 108, 22 vgl. I, 201, 16, oben S. 327 Anm.
  252. Ermoldus Nigellus II, 445. Vita Leonis IV. c. 111. Ludwig’s II. Schreiben an Basilius 871 und Ludwig’s II. Grabschrift, Chron. Salernit. c. 107 SS. III, 523 f. Corp. inscr. lat. V S. 623. Rom war „sui imperii caput“, Johannes VIII. 10. Februar 877 an die Kaiserin; „civitas sacerdotalis et regia“, derselbe 878 an Lambert von Spoleto, Migne 126, 714. 749. vgl. Vita Valentini c. 1; auch bei Leo I., Sermo 82, 1, Migne 54, 423 ist Rom civitas sacerdotalis et regia. In dieser Kaiserstadt hatten die Karolinger keinen eigenen Palast, sie bewohnten ein Gebäude bei St. Peter, Vita Hadriani c. 39. Annal. Bertin. 869 S. 100. De imperatoria potestate SS. III, 720. 721. Ludwig II. nannte 872 dieses Haus palatium imperatorium, Regesto di Farfa III, 307 S. 12; es hiess auch Karl’s Palast 1017 das. III, 504 S. 214 und Ordo Romanus XII, 18, Migne 78, 1083. Vgl. Mon. Germ., Dipl. II, 281, 10. Gregorovius, Rom ⁴II, 345. III, 9. 435 f. und über angebliche Einkünfte des Kaisers ebd. III, 438. Den Grundbesitz in und bei Rom hatten die Karolinger aus privatrechtlichen Gründen, vgl. Mühlbacher Nr. 1182k. 1205k. 1234. 1237. Dass Karl als Kaiser Theoderich’s Statue ohne Bewilligung des Papstes sich aneignete (Agnellus c. 94 S. 338), war Unrecht. Auch der Patricius hiess rex Romanorum, Form. Morb. 5 S. 331. Martene, Thes. I, 13.
  253. Oben S. 351. Promis a. a. O. S. 45 ff. Gregorovius in der S. 325 angeführten Abhandlung 1885 S. 29–31 und Rom III, 111. 140 f. 241. Engel et Serrure a. a. O. I, 284–286. Die Münzen waren päpstliche Münzen („moneta Romana“, Synode von Ravenna 877 c. 15, Mansi XVII, 339), wie die Schreiben des Papstes päpstliche Schreiben waren, aber der Kaisername kündete den Herrscher an, siehe oben S. 351. Colombier, Revue des questions historiques XXII, 253 f. deutet ihn im Widerspruch mit dem Herkommen auf die Vertheidigungspflicht.
  254. Jaffé, Regesta I S. 376. Bresslau, Urkundenlehre I, 837. Johann VIII. setzte zuweilen seine Pontificatsjahre den Kaiserjahren voran.
  255. Capitularia I, 323, 1. 324, 9. Ueber die unveränderte Fortdauer der Pflicht der Römer (siehe oben S. 328) vgl. das. I, 324. II, 101, 2. Vita Leonis IV. c. 80. Annal. Fuld. 896 S. 128.
  256. Capitularia I, 324, 8 ermahnte er die richterlichen Beamten der Hauptstadt. Ueber die päpstlichen Tabellionen s. Bresslau a. a. O. I, 171.
  257. Der Papst bat den Kaiser um Hilfe in weltlichen Sachen wider Untergebene – denn Schutz vor den eigenen Leuten des Kaisers (siehe z. B. Vita Hludowici c. 55 SS. II, 641 und Johannes VIII. 14. November 876 an Karl d. K., Migne 126, 695) ist ein anderer – z. B. 862 gegen den Erzbischof von Ravenna und 868 gegen Eleutherius, Vita Nicolai c. 21 ff. Annal. Bertin. 868 S. 92. Ein Gesuch von 815 (Agnellus c. 169 S. 387) betraf vielleicht (wie oben S. 16 Anm. 3) kirchlichen Gehorsam. Bevollmächtigte Karl’s 801–814, über deren Verhalten sich Leo III. beschwert (Jaffé IV, 312. 331 f.), mögen gleichfalls auf Wunsch des Papstes zu seiner Unterstützung geschickt sein; zu den ordentlichen Missi zähle ich sie nicht, wie auch nicht Cenni, Monum. dominat. pontific. II, 62 und Tonini, Rimini II, 232; a. M. Muratori, Ann. 808. Vgl. Leo IV. 853 an Lothar, Migne 115, 657.
  258. 866 Capitularia II, 95, 3. Im Jahre 846, das. II, 67, 12 vgl. c. 9, forderte er den Papst auf, eine Flotte aus der Pentapolis zu senden, wie er den Dogen von Venedig aufforderte, gegen den ihm nach dem Vertrage das. II, 132, 7 ein solches Recht nicht zustand. Hadrian II. schrieb 868 Ludwig d. D., der Kaiser streite für die Sicherheit der Kirche mit den Feinden des Namens Christi, Migne 122, 1264 vgl. Jaffé 2917. Auch Päpste trafen gegen diese Ungläubigen kriegerische Vorkehrungen, so Leo III. 808, Jaffé IV, 310, oder griffen zu den Waffen, wie Leo IV. und Johann VIII., Vita Leonis IV. c. 49–54. Neues Archiv V, 376. 313; der Papst zahlte 878 den Saracenen Tribut, Migne 126, 747. 771. Der Marsch durch das päpstliche Gebiet stand den kaiserlichen Truppen frei, Capitularia II, 96, 12; vgl. Ficker a. a. O. III, 448.
  259. Capitularia II, 66, 7 f. Vita Leonis IV. c. 68–71. Tomassetti, Archivio della Società Romana di storia patria V, 137 f. Duchesne a. a. O. I, 518. II, 138. Dümmler, Poetae II, 664.
  260. Capitularia II, 130. 138. 143. Nach Fanta (oben S. 348) S. 72 ff. geht diese Ausübung der auswärtigen Vertretung durch den Kaiser auf Karl, etwa in das Jahr 812, zurück.
  261. Vgl. z. B. den Eid, nicht zu schaden, der von einem Vertreter des Kaisers gefordert und geleistet wurde, Vita Sergii II. c. 11, und die Verweigerung des Einmarsches kaiserlicher Truppen in Rom, das. c. 12. Vgl. Gesta Berengarii IV, 144. Ludwig’s Privileg 817. Ficker II, 303 f. 351. 465.
  262. Ich sehe davon ab, dass vormals der König von den von ihm restituirten Ländern nichts vergeben konnte, obwohl der Erzbischof von Ravenna eine solche Behauptung aufstellte (Codex Carolinus S. 568, 14. 577, 30), und dass er dem Papste für seinen Verzicht auf Tuscien und Spoleto die Einkünfte aus diesen Ländern angeboten hat (Privileg Ludwig’s 817 S. 175, vgl. Mon. Germ., Constitutiones I, 24). Wenn aber der König seit 775 Farfa privilegirte, so erklärte er wohl damit das Kloster für sich als Langobardisch (820 Reg. di Farfa II S. 205) in Anspruch zu nehmen, vgl. Cod. Carol. S. 580 f. Weiland (S. 322) XVII, 377–379. Kehr (oben S. 321) 70, 402 f. Brunengo, Civiltà cattolica VI, 3 S. 553 ff., dessen Abhandlung über den Patriciat kürzlich unter dem Titel: Il patriziato romano di Carlomagno 1893 nach dem Historischen Jahrbuch XV, 212 unverändert abgedruckt ist. Päpstlichen Klöstern und Ortschaften gab der König Privilegien zu ihrem Vortheil ohne Nachtheil für den Papst, siehe Codex Carolinus S. 556, 20. 623; 781 Königsurkunde für Comacchio, gültig für das Königreich Italien, Cod. dipl. Langob. Sp. 117 f., vgl. Sp. 17. Capitularia I, 323, 1 über besonderen Kaiserschutz. Eine kaiserliche Aenderung zu Ungunsten des Papstes ist mir nicht unbekannt; die Karolingischen Kaiser haben zwar, so viel ich sehe, nicht dem Papste Untergebene von der Landesgewalt befreit, allein sie haben die Geltung einzelner Privilegien in das päpstliche Gebiet erstreckt, so Immunitätsverleihungen für Grado 803 (Kandler, Cod. dipl., Ann. 803); Farfa 820. 875 (Reg. di Farfa II S. 205. III S. 20); Parma 887 (Affò, Parma I, 308), während Karl’s III. Urkunde für Tours 887 Cod. dipl. Langob. 338 Sp. 566 sich nur auf die von Karl 774 geschenkten Oberitalienischen Besitzungen bezieht, und wohl auch das Zollprivileg Ludwig’s II. 861 Cod. dipl. Langob. 211 Sp. 348. Für eine begründete Erklärung dieser Eingriffe (s. Ludwig 817 S. 176) bedarf es weiterer Untersuchung. Vgl. für spätere Zeit Ficker I, 251 f. II, 315. Unecht ist Karl’s Zollerlass in Comacchio 781, Tiraboschi, Mem. Moden. I, 2 S. 5.
  263. 863 Mansi XV, 309. Vgl. Capitularia II, 125, 7. Eine hundertjährige Verjährung entlehnte Johann VIII. 874 dem Römischen Recht; Migne 126, 654 (Gratian II, 16, 3, 17), vgl. Capitularia II, 142.
  264. Vgl. Ludwig II. an Basilius 871 (oben S. 7) S. 523. Ein späterer Privatmann hat die Römer imperiales homines genannt, De imperatoria potestate SS. III, 720. Wenn Leo III. an Karl 801–814 von dem servitium schreibt, in dem er und alle zu Karl ständen, so bemerkt er doch ein anderes Mal, dass das gleichartige servitium auch von seinen Vorgängern geleistet sei. Diese Angabe genügt zur Widerlegung der Ansicht, dass er von seiner Unterthänigkeit gesprochen habe, ep. 2. 10, Jaffé IV, 314. 334.
  265. Vgl. Vita Leonis IV. c. 110 f., Hadriani II. c. 13. Annal. Fuld. 896 S. 128. Sie gehörten zu den fideles, Form. imper. 32. 41. 55; Cod. Lang. Sp. 348. 566.
  266. 816: Thegan c. 16 SS. II, 594. – 824: Capitularia I, 324, eine Eidesformel, die, weil sie eine Bestimmung über die Papstwahl aufnahm, die Römer also auch in anderer Eigenschaft betraf, zwischen Kaiser und Papst vereinbart ist, Pauli cont. oben S. 20 Anm. 2. – 844: Vita Sergii II. c. 15. 896: Annal. Fuld. 896 S. 128. „Treue“ schuldeten die Römer dem Kaiser natürlich auch ohne Eid, siehe z. B. Vita Leonis IV. c. 8. Ein Recht auf den Eid hatte nur der Kaiser, Vita Sergii II. c. 15. Flodoard, De Christi triumphis XI, 12, Migne 135, 814, vgl. 852? Leo IV. ep. 1, Neues Archiv V, 376; ein für einen Karolingischen König erzwungener Eid sollte diesem wohl die Erwerbung der Kaiserkrone verbürgen, Annal. Fuld. 878 S. 91. Der von Leuten von Rieti geleistete, 829 Reg. di Farfa II, 285 S. 223 erwähnte Eid bezieht sich nicht auf päpstliches Gebiet. Nach De imperatoria potestate SS. III, 720 hätten die Römer Karl 800 nach der Kaiserkrönung fidelitas geschworen, was auf dieses Zeugniss hin nicht zu glauben ist. Pertz, Leges II, 2, 159 und Hirsch, Forschungen zur Deutschen Geschichte XX, 142 nehmen an, Karl habe sich von den Römern den 802 seinen anderen Unterthanen abgenommenen Kaisereid schwören lassen, aber dieser Eid verpflichtete zu Handlungen, welche die Römer Karl nicht schuldig waren. – Die Behauptung endlich, der Papst habe jemals einen gleichen Eid wie seine Leute geschworen, finde ich in den Quellen nicht unterstützt, ich finde in ihnen nur das Gegentheil überliefert, siehe z. B. die obige Angabe zu 844. Auch lauteten die Formeln 824 und 896, dass der Schwörende dem Papste die schuldige Treue vorbehalte; das galt auch ohne ausdrückliche Erklärung. Vgl. Lapôtre, Études religieuses LXII, 128. 130. – 880: Erchanbert, Breviar. SS. II, 329 geht auf das Königreich Italien.
  267. So ist De imperatoria potestate SS. III, 721 Ludwig’s II. Verhalten erklärt. Ebenso motivirte Fredegar cont. c. 36 die Intervention.
  268. Ausdrücklich anerkannt von Leo IV. gegenüber Ludwig II. um 858, Migne 115, 674, vielleicht in Zusammenhang mit der Ordnung von 824; vgl. deren c. 4. Vgl. Lothar’s Diplom 840 Regesto di Farfa II, 298 S. 234.
  269. Vgl. Capitularia I, 323, 6. Kaiserliche Bevollmächtigte verurtheilten den Papst 829, der Reichsabtei Farfa Land herauszugeben; der Papst legte Berufung an den Kaiser selbst ein, um ein gerechteres Urtheil zu erhalten, die Zuständigkeit gab er demnach zu, Regesto di Farfa II, 285 S. 221 ff. Bei der Anrufung des kaiserlichen Schutzes seitens Johannes’ von Ravenna 862 (Vita Nicolai c. 23 f. und De imperatoria potestate SS. III, 721) reichen die überlieferten Thatsachen schwerlich für eine Beurtheilung aus, Dümmler II, 54 f. Für uns ist Lothar (s. o. Anm. 2, Regesto S. 233) ohne Bedeutung.
  270. Der Papst rechtfertigte sich 815 und 823, die Belege oben S. 327 Anm. 1. Vgl. aus der älteren Zeit Vita Hadriani c. 5 und ferner über päpstliches Unrecht Vita Pauli c. 2, Stephani III. c. 18 und die spätere Erklärung im Privilegium Otto’s I. 962 § 15.
  271. Eine solche Andeutung machen Capitularia I, 204 und Annal. Einhard. 801 SS. I, 189 mit den privatis rebus und bezüglich des Aufenthalts in Ravenna Annal. Lauresham. 801 = Chron. Moiss. 801 SS. I, 38. 305. Auf der Rückreise richtete Karl in einer Klage des Bischofs von Bologna wider die Abtei Nonantola über ein Gut Lizzano bei Pistoja (Tiraboschi, Nonantola II, 18 S. 34 f., zur Ortebestimmung für das Streitobject Muratori, Antiq. IV, 413). Da sich in diesem Falle sowohl Verklagte wie Streitgegenstand ausserhalb des Kirchenlandes befanden, so hat Karl hier auf päpstlichem Boden Geschäfte des eigenen Landes wahrgenommen, wie das auch sonst geschah; so bestätigte er noch in Rom einen vom Papst auf seine Veranlassung zwischen Arezzo und Siena secundum canonicam authoritatem gefällten Ausspruch und ein Urtheil des Bischofs von Lucca, Brunetti, Cod. dipl. Toscano II S. 325 f. Oesterreichische Mittheilungen II, 449. Memorie di Lucca V, 2, 298 S. 175 f.; spätere Fälle der Art das. V, 3, 1768 S. 639 f. (901). Ann. Bertin. 871 S. 118. Vgl. 850 Muratori a. a. O. VI, 389 ff. Die umfassendste Rechtshilfe für die Kirchenleute fand 824 statt, Capit. I, 323, 2. 6. Annal. Einhard. 824 SS. I, 213. Vita Hludowici c. 38 SS. II, 628. Die Berechtigung dazu bestand auch nach Ludwig’s Privileg 817 S. 176. Urkunden über die kaiserliche Justiz für Römer sind kaum überliefert. Die 821 in Nursia tagenden Missi handelten nicht auf päpstlichem Boden und richteten nicht in Sachen dieses Landes, Regesto di Farfa II, 251 S. 207. Auch das unter Theilnahme päpstlicher Vertreter 812 in Pistoja gehaltene Gericht (Cod. dipl. Langob. 88 S. 164) geht nicht auf Rechtspflege für das kirchliche Gebiet zurück. Wie ich S. 28 und 34 bemerke, kann ich ordentliche Missi für das Kirchenland nicht mit Sicherheit nachweisen. Aus ihrem Mangel würden sich die Enthüllungen von 815 und 824 erklären.
  272. Vgl. Annal. Einhard. 815. 824 SS. I, 202. 213. Vita Hludowici c. 25. 38 SS. II, 620. 628. Capitularia I, 323, 6.
  273. Capitularia I, 323, 4. Ungenau berichtet Vita Hludowici c. 38 SS. II, 628. Ständige Beamte nehmen an z. B. Giesebrecht, Kaiserzeit I5, 872. Baxmann, Politik der Päpste I, 333. Jung, Forschungen zur Deutschen Geschichte XIV, 437. Bethmann-Hollweg, Civilprocess V, 246. Anders Simson, Ludwig I, 226. Nach einer späten, irrig zurückdatirenden Nachricht nehmen Giesebrecht a. a. O. I, 871, Ficker a. a. O. II, 127 u. A. an, dass Karl als Kaiser einen ständigen Bevollmächtigten in Rom eingesetzt habe. Vgl. Krause (oben S. 9) S. 238–242.
  274. Welche Anwendungsfälle der Constitution sind überliefert? Die S. 31 Anm. 3 erwähnte Gerichtsurkunde von 829 für Farfa, an die z. B. Simson a. a. O. I, 227 und Duchesne a. a. O. II, 103 Anm. 30 denken, erfüllt die Voraussetzungen des Erlasses von 824 nicht. Giesebrecht I, 872 und Hirsch a. a. O. XX, 143 halten jene Bevollmächtigten für ordentliche Missi, welche doch durch die Vereinbarung von 824 ausgeschlossen waren; die Einleitung der Urkunde, welche jene Auffassung unterstützen könnte, erklärt sich nach der Bemerkung von Ficker a. a. O. I, 20 durch den Verfasser der Urkunde. Die Missi von 829 waren ausser für Spoleto wohl nur insoweit auch für die Romagna bestellt, als die zu Spoleto gehörige kaiserliche Abtei Farfa die Handlung in Rom verursachte. Die Romagna verstehe ich hier wie Capitularia I, 201, 16. 330, 4. II. 67, 9 von päpstlichem Gebiet, vgl. Rolando, Archivio stor. ital. IV, 5 S. 244. 274–277. Vgl. Ludwig II. 853, Mem. di Lucca V, 2, 698 S. 419. Auch bei der Gerichtsurkunde von 838, Fantuzzi, Monum. Ravennati II, 2 S. 5, treffen die Voraussetzungen der Constitution wohl nicht zu. Wenn Johann VIII. 880 während einer Reichsvacanz von dem zukünftigen Kaiser, dem damaligen König Karl III., die Sendung von Bevollmächtigten erbittet, die mit päpstlichen Commissaren gemeinschaftlich de omnibus justitiam faciant (Migne 126, 907), so handelt es sich wie bei seinem ähnlichen Schreiben an den Kaiser im Juli 881, das. 126, 935, um Wahrung päpstlicher Gerechtsame.
  275. Vita Sergii II. c. 40–42. Duchesne z. d. St. S. 103 hält ihn für einen vom Papste auf Grund der Constitution von 824 bestellten Missus.
  276. De imperatoria potestate SS. III, 721, wohl glaublich. Vgl. Vita Nicolai c. 63. Lapôtre a. a. O. LXI, 467.
  277. Ebd. S. 722. Die in ihrer Fassung mehrdeutige, in ihrer Glaubwürdigkeit zweifelhafte Mittheilung eines späteren Schriftstellers ergibt noch keine vertragsmässige Aufhebung des Amtes überhaupt, vgl. dagegen das Privilegium Otto’s I. 962 § 15 und auch Mon. Germ., Dipl. II, 820. Die Darstellung, welche jene Schrift S. 720 f. von den kaiserlichen Gerichten und den an den Kaiser kommenden Vermögensstrafen gibt, wage ich nicht zu verwerthen, siehe z. B. Hirsch a. a. O. XX, 142 f. und in der Historischen Zeitschrift 57, 259 f. gegen Jung a. a. O. und Gasquet (oben S. 344) S. 440 ff. Vgl. Waitz V², 89. Dümmler a. a. O. II, 399.
  278. Lambert hat ihnen 898 für ihren Weg an seinen Hof Frieden gewirkt, Capitularia II, 124, 2. Vgl. Lapôtre a. a. O. LXI, 465.
  279. Die Orientalen bezeichneten die Zugehörigkeit Roms zum Westreich als foedus, Vita Hadriani II. c. 56. Regnum Romanorum sagt H. r. Fr. SS. II, 324.
  280. Capitularia I, 93, 5.
  281. Vgl. Vita Walae II, 17 SS. II, 563.
  282. Erneuerungen sind ausdrücklich überliefert für 816 Annal. Einhardi 816 SS. I, 203, vgl. Vita Stephani IV. c. 2. – 817 Privilegium Ludwig’s I. Annal. Einhard. 817 SS. I, 203 f. Vita Hludowici c. 27 SS. II, 621. Zeitlich unbestimmt ebd. c. 55 S. 641 und Vita Walae II, 17 SS. II, 563. – 875 De imperatoria potestate SS. III, 722, vgl. Jaffé 3051. – 891 Capitularia II, 125, 6 f. – 898 ebd. c. 3. 6, vgl. die Synode oben S. 22 Anm. 2 und Lapôtre LXI, 465. – 915 Gesta Berengarii IV, 148 f. Vgl. über das Jahr 824 Th. Sickel, Das Privilegium Otto I. S. 160 ff. Vgl. auch oben S. 22 Anm. 1.
  283. Capitularia I, 129, 15. II, 23, 11, vgl. 69, 2. 168. Lothar II. 860 an den Papst, Migne 121, 375.
  284. So im August 878 auf der Synode von Troyes Mansi XVII, append. S. 188. Schreiben von 878 bis 880 Migne 126, 786. 825. 883. 911 f. 914 f. (Jaffé 3205. 3231. 3289. 3324. 3327). Vgl. Migne 126, 785 (Jaffé 3158).
  285. Gregor von Catina, Hist. Farf. c. 29 SS. XI, 576. Nur allgemein erwähnt das Pactum für die Unversehrbarkeit des Besitzes Ermoldus Nigellus II, 395 ff. (Dümmler, Poetae II, 35). 817 bei Th. Sickel a. a. O. S. 174 f. Auf Grund des Schutzversprechens fordert der Papst 818, dass Ludwig die in seinem Reiche gelegenen Güter der Römischen Kirche wie seine eigenen vertheidige und seinen Legaten Leo vor Unrecht behüte, Migne 102, 1089. Als Zweck der territorialen Bürgschaft wird in den Privilegien von 962 § 12 und 1020 § 14 (Constitutiones I, 25. 68) auch das Wohl des Volkes genannt, vgl. oben S. 336 Anm. 3.
  286. Es tauchen hierfür neue Mittel auf. Während einer Reichsvacanz forderte der Papst von dem nachmaligen Kaiser einen besonderen Bevollmächtigten für seinen Schutz in Rom, 879. 880 Migne 126, 884. 903 f. 907 (Jaffé 3289. 3318. 3321). Ein solcher Missus ist nach Vita Stephani V. c. 4. 6 später vorhanden, ein Missus anderer Art als der von 824: der neue sollte den Papst, nicht das Volk beschützen, a. M. Duchesne zu Vita Stephani V. c. 4. Vorher, 878, hatte der Papst für seine weltlichen Zwecke Boso zu seinem Adoptivsohn gemacht, Migne 126, 786 (Jaffé 3205). Den Kaiser Karl III. bat Johann VIII. 881 f., das. 126, 957. 948 f. um Hilfe. Die Römer beschwerten sich über vernachlässigte Hilfe und der schlechte Schutz liess den Gedanken des Abfalls entstehen, Annal. Bertin. 853 S. 43. Vita Leonis IV. c. 110. Die Hut Roms übte 896 Farold, Ann. Fuld. 896 S. 128.
  287. Das erklären Päpste z. B. 864–886 Migne 119, 912. 915. 126, 696 f. 711 f. 713. 715 f. 717. 728. 730. 908. Neues Archiv V, 401 (Jaffé 2773 f. 3062. 3077–3079. 3081. 3093. 3099. 3321. 3413). Vgl. oben S. 12 über die zuweilen zugleich erwähnte Kirche überhaupt. Auch von dem Griechischen Kaiser verlangte Johannes XI. Vertheidigung der Römischen Kirche, weil sein Reich von Gott sei, Pitra, Anal. noviss. spicil. Solesm., II. cont. I, 474.
  288. Vgl. über kaiserliche Auffassungen z. B. Annal. Bertin. 837. Capitularia II, 101, 1. 125, 3. Ludwig II. 871 oben S. 29 Anm. 3. Hilfszüge 881 Migne 126, 957 f. 936 (Jaffé 3355 f. 3362). Besondere Handlungen zur Befriedung des Kirchenlandes 876, 898, Capitularia II, 101, 3. 125, 9, vgl. 876 Migne 126, 695 f. (Jaffé 3061).
  289. So schrieb Johann VIII. 877 an Richildis, Migne 126, 713 f.
  290. Welcher Kaiser zuerst bei der Krönungsfeier sich als Beschützer der Römischen Kirche bekannt hat, ist unermittelt. Agnellus c. 94 S. 338 behauptet fälschlich einen Eid Karl’s bei der Krönung, ohne eine Angabe über den Inhalt zu machen; die von Baronius 800 Nr. 7 jenem Jahre zugeschriebene Formel gehört in die Ottonenzeit, Diemand, Das Ceremoniell der Kaiserkrönungen von Otto I. bis Friedrich II. 1894 S. 108 f. Das älteste der uns erhaltenen Formulare, bei Waitz, Formeln der Deutschen Krönung 1873 S. 62, vgl. S. 60 f. 68, kennt keinen Eid. Von der späteren z. B. Capitularia II, 351, 1 vertretenen Vorstellung aus, dass der Kaiser der besondere Schutzherr der Römischen Kirche sei, hat ein Fälscher die Urkunde bei Jaffé Nr. 2504 verfasst und Notker als Mönch von St. Gallen I, 26, Jaffé IV, 658, Karl’s Krönung dargestellt. Vorgängige Versprechungen verlangte z. B. Johann VIII. 880 von Karl III., Migne 126, 883, vgl. Sp. 919 f. (Jaffé 3288. 3333) und Wido gab sie 889, Capitularia II, 104, 1. 106. Vgl. Johann VIII. 877 f. an Karlmann, Migne 126, 744. 771.
  291. Die Schreiben Leo’s III. an Karl bei Jaffé IV, 311 f. 334. Vgl. Hampe in dieser Zeitschr. XI, 357 ff. Ueber 816 u. 817 oben S. 37 Anm. 3.
  292. Die Eidesformel besitzen wir nicht. Abgesehen von der Vorzeit kommen in Betracht zwei päpstliche Erklärungen von 833 und 872, wonach der Papst dem Kaiser Treue (fides, fidelitas) schuldet, Migne 104, 301. 122, 1319. Das sind Ausdrücke für die ehemalige Bundespflicht, siehe oben S. 337 f. Gregor IV., unser bester Zeuge, gesteht 833 seinen auf fides gehenden Eid zu, den er von dem Eide eines Fränkischen Bischofs unterscheidet; er entnimmt aus seinem Schwur die Verpflichtung, für das Wohl des Kaisers und seines Reiches, die er beide identificirt, thätig zu werden. Besonders begründete Obliegenheiten des Papstes, die sich aus einem Eidesinhalt, wie ihn das ehemalige, seit 824 verschwundene Bündniss abgab, nicht ableiten liessen, habe ich nicht bemerkt. Der Eid selbst war, wie uns das Wort sponte (Capitularia I, 324 Z. 18) verräth, auf Grund eines Vertrages zu leisten. Cenni a. a. O. II, 184 und Hartmann, Göttingische Anzeigen 1890 S. 623 f. beziehen den Eid auf ein neues Indiculum pontificis (Liber diurnus 75 f.), für das ich die geschichtlichen Voraussetzungen und Wirkungen vermisse. Waitz III, 198 denkt an den üblichen Eid der Treue, wozu sponte schlecht stimmt, siehe dagegen auch oben S. 30. Simson, Ludwig I, 214 f. 231 stellt Treue und Beobachtung der kaiserlichen Hoheitsrechte neben einander wie zwei ebenbürtige Bestandtheile, was sie bei meiner Auffassung der fides nicht sind. Mühlbacher, Regesten Nr. 761b fasst nur die Hoheitsrechte in’s Auge und Dopffel a. a. O. S. 103 f. lässt in Verbindung mit dem Privileg Otto’s § 15 Eugen II. eine gute und gesetzmässige Landesregierung versprechen; mit diesen beiden letzteren Deutungen weiss ich den Hergang von 833 nicht zu vereinbaren. Weitere Auslegungen registrirt Dopffel S. 101. Vgl. Heimbucher S. 129. 137. Lapôtre LXII, 130. Welchen Leo das Ottonianum meint, ob Leo III. (so z. B. Ficker a. a. O. II, 355 f. Th. Sickel a. a. O. S. 158 ff. Mühlbacher a. a. O. Nr. 988), Leo IV. (für ihn Cenni a. a. O. Dopffel S. 91. 96 ff., zweifelnd Niehues [oben S. 345] II, 502) oder ob es Leo VIII. ist, zu dem, ungeachtet der Warnung von Pertz, Leges II, 2, 163 (vgl. das Privileg 1020 § 17) Simson, Neues Archiv XV, 576–579 zurückgekehrt ist, scheint mir eine Frage von untergeordneter Bedeutung, weil sie über den Inhalt des Eides keine Aufklärung verspricht. Vgl. Ottenthal, Regesten Nr. 309c. 311 § 15.
  293. 27. März 877 an Ingelberga, Migne 126, 721. Ob dieser Papst Johann VIII. dem Kaiser geschworen hatte, ist ungewiss, oben S. 21 Anm. 2.
  294. 864 ebd. 119, 915, vgl. 912 (Jaffé 2773 f.).
  295. 17. Februar 876, Migne 126, 667; Capitularia II, 352, 9, vgl. die ebd. II, 351, 2 erwähnten gleichzeitigen Schreiben bei Migne 126, 664 f. 666 f. 672 f. Einen früheren Fall der Art bietet Jaffé 2917–2921. 874 (Neues Archiv V, 310 f. vgl. Jaffé 2926) begründet der Papst sein Einschreiten anders.
  296. Gleichzeitig mit meinem Aufsatz, im Juli 1894, befanden sich im Druck Schnürer, Die Entstehung des Kirchenstaates 1894, und Dove, Corsica, Sitzungsberichte der philos.-philol. und der hist. Classe der Akademie zu München. 1894 S. 183–238. Zufällig blieb der Satz dieses letzten Kapitels bis nach dem Erscheinen jener Schriften stehen und so ist mir die Gelegenheit geboten, an dieser Stelle das chronologische Verhältniss unserer Arbeiten zu erwähnen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: in