Die Finanzdecrete Philipp’s II. und die Fugger

Textdaten
<<< >>>
Autor: Konrad Häbler
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Finanzdecrete Philipp’s II. und die Fugger
Untertitel:
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 11 (1894), S. 276–300.
Herausgeber: Ludwig Quidde
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Freiburg i. B. und Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[276]
Die Finanzdecrete Philipp’s II. und die Fugger.
Von
Konrad Häbler.


Als ich im Jahre 1888 in meiner „Wirthschaftlichen Blüthe Spaniens“ auf das Finanzdecret Philipp’s II. vom Jahre 1575 zu sprechen kam, musste ich mich mit einer allgemeinen Charakteristik der Massregel begnügen und bekennen, dass aus Mangel an Quellenmaterial noch manche Punkte dunkel und unaufgeklärt blieben. Seitdem bin ich durch mehrfache glückliche Funde, vor allem in dem Fürstlich und Gräflich Fugger’schen Familienarchive, dessen Schätze mir in der liberalsten Weise zur Benutzung überlassen worden sind – wofür ich nicht unterlassen möchte, auch hier den verbindlichsten Dank auszusprechen – in die Lage versetzt, nicht nur über das Decret von 1575 erschöpfende Nachrichten zu geben, sondern dasselbe auch im Zusammenhange mit den verwandten Massnahmen von 1557, 1596 und 1608 genauer zu untersuchen.

Durch die äusserste Gewissenhaftigkeit hatte Karl V. durch alle finanziellen Bedrängnisse hindurch seinen und des Staates Credit unerschüttert erhalten. Wie er auf der einen Seite auf das Project der sisa, der allgemeinen Lebensmittelabgabe, nach den Verhandlungen von 1538 nie wieder zurückgekommen ist, obwohl er bis an sein Ende nur durch diese eine rationelle Heilung der verrotteten Spanischen Finanzverhältnisse für möglich hielt, lediglich desshalb, weil er damals den Ständen sein königliches Wort gegeben hatte, diese Steuer fallen zu lassen, so blieb er auch seinen einheimischen und auswärtigen Gläubigern gegenüber unerschütterlich seinen Verbindlichkeiten getreu, wie dringend auch immer die augenblickliche Geldnoth werden mochte. Der [277] Gedanke, die verpfändeten Staatseinkünfte dadurch wieder verfügbar zu machen, dass man den Gläubigern ihre Anweisungen entzöge und sie anderweit entschädigte, tauchte auch schon in den letzten Regierungsjahren Karl’s V. auf, jedoch scheinen, wenn wir einen Brief Anton Fugger’s vom Jahre 1558 so verstehen dürfen, die Räthe des Kaisers den Vorschlag vorwiegend mit Rücksicht auf die schwere Schädigung, die Handel und Wandel dadurch erleiden mussten, zurückgewiesen zu haben.

Aber der Gedanke kehrte wieder. Es ist ja bekannt, dass Philipp II. bei der Uebernahme der Regierung der Spanischen Erblande die ausserordentlichsten Anstrengungen machte, um die Mittel zur Fortsetzung des Französischen Krieges aufzutreiben. Die unglaublichsten Vorschläge zur Eröffnung neuer Hilfsquellen sind in den Consultas der verschiedenen Staatsräthe aus jener Zeit niedergelegt, und hier begegnen wir auch der Suspension der Anweisungen von neuem. Es war vielleicht für Philipp II. besonders überzeugend, dass seine geistlichen Berather gerade diese Massregel vor anderen empfahlen; uns ist sie von dieser Seite doppelt verständlich, da die Wucherlehre des Klerus vielleicht nicht ohne Grund die Geschäfte der zu Staatsgläubigern gewordenen grossen Bankiers unbedingt verurtheilen musste.

So rieth ihm sein alter Erzieher, der Cardinal Siliceo, schon in einem Briefe vom 22. September 1556, die Erträge der damals neu erschlossenen reichen Silbergruben von Guadalcanal zu einem Staatsschatze im Alcazar von Toledo zu sammeln und den Kaufleuten ihre Anweisungen zu entziehen; mit einem Fonds von 40–60 Millionen Ducaten werde er im Stande sein, der ganzen Welt Gesetze zu dictiren. Und der Bischof von Lugo bewies ihm mit den eigenen Worten der heiligen Schrift, dass er vollkommen berechtigt sei, den Kaufleuten das Ihre zu nehmen. So erging denn an den Staatsrath die Weisung, die vornehmsten der Staatsgläubiger oder deren Vertreter zu einer Conferenz darüber zusammenzuberufen, unter welchen Bedingungen sie die ihnen überwiesenen Staatseinkünfte an die Regierung zurückgeben wollten. Geboten wurde ihnen die unverkürzte Entschädigung für ihr Guthaben in Rentenbriefen mit 5 Procent Verzinsung; allein zu einer gütlichen Einigung war weder auf dieser noch auf einer anderen Grundlage zu gelangen, da die Geldmänner als Basis für jede Unterhandlung die Anerkennung [278] der ihnen zugestellten Anweisungen begehrten, und Rentenbriefe nur in geringem Umfange und unter wesentlich günstigeren Bedingungen anzunehmen bereit waren. Philipp aber konnte ein überdies zweifelhaftes Resultat der langwierigen Verhandlungen nicht abwarten, und so erliess der Rath auf seine Anordnung ein Decret – daher der Name decreto als terminus technicus für die ganze Massregel – durch welches alle Anweisungen vom letzten December 1556 ab suspendirt und den Inhabern derselben Entschädigung ihres Capitals in 5procentigen Rentenbriefen in Aussicht gestellt wurde, in deren Genuss sie mit dem 1. Januar 1557 treten sollten.

Die grossen Kaufherren, Genuesen, Deutsche, Niederländer, vielleicht auch ein oder der andere Spanier, nahmen dieses ihnen officiell bekannt gegebene Decreto desshalb noch keineswegs als eine endgültige Thatsache hin. Der Suspension ihrer Anweisungen konnten sie sich allerdings nicht widersetzen, dagegen protestirten sie einstimmig gegen die ihnen gebotene Art der Entschädigung, und die Verhandlungen mit einzelnen derselben haben sich lange Jahre hingezogen, ehe sie zum Abschluss gelangten. Philipp II. war zunächst ganz zufrieden damit, dass ihm alle die verpfändeten Staatseinkünfte wieder zu Gebote standen, und dass er von dem Tage des Decreto an bis auf Weiteres den davon Betroffenen keine Zinsen zu zahlen hatte. Natürlich wurden die Regalien binnen kürzester Frist von neuem veräussert; höchstens dass man den Pächtern minder günstige Bedingungen stellte und es versuchte, Spanier an die Stelle der fremden Geldmänner zu gewinnen.

So hatte man den Fugger in Folge des Decretes unter vielem anderen auch die Pacht der Kroneinkünfte aus den drei Ritterorden entzogen; wir finden dieselben aber schon unmittelbar darauf in den Händen eines Spanischen Finanzmannes, des Juan de Curiel de la Torre, von dem wir bei Gelegenheit des Decreto von 1575 erfahren, dass er nicht um ein Haar besser war, als die ärgsten Blutsauger unter den fremden Bankiers. Nach und nach kamen aber auch Vereinbarungen mit einzelnen Gläubigern zu Stande. Natürlich waren es zunächst die Kleinsten, die mürbe wurden, weil sie ihre Gelder nicht so lange entbehren konnten. Die Welser waren von dem Decrete insoweit betroffen worden, als ihnen Philipp einen Vorschuss von 130 000 Ducaten [279] noch zurückerstatten sollte, der ihnen mit 14 Procent jährlich hatte verzinst werden sollen. Bereits im April 1558 hatten sie sich aber mit dem Könige verglichen, und zwar in einer Weise, die um so grösseres Aufsehen erregte, als man nachrechnete, dass ihnen ihr Vergleich nicht einmal so viel einbrachte, als wenn sie sich den Bedingungen des Decretes unterworfen hätten. Um dieselbe Zeit scheint das grosse Niederländische Handelshaus der Schetzen sich dem Decreto unterworfen zu haben, was man sich damit erklärte, dass sie von der endgültigen Abrechnung des Decretes einen weiteren Sturz der damals schon mit 25 Procent und mehr Verlust gehandelten Rentenbriefe erwarteten, und erhofften, bis dahin ihren Besitz an solchen zu erträglicheren Preisen veräussert zu haben.

Die Hauptmasse der Gläubiger, vor allem die Genuesen, kam erst am 14. November 1560 zu einem Vergleiche mit dem Könige, der überdies für Letzteren durchaus vortheilhaft genannt werden muss, denn in der Hauptsache unterwarfen auch sie sich den Bedingungen des Decretes, und mussten sich überdies zu einer neuen Anleihe von 1 Million Ducaten bereit finden lassen. Allerdings wurden ihnen in Nebendingen alle möglichen goldenen Brücken gebaut, und sie sorgten dafür, dass sie mit der Regierung in enger Fühlung blieben, derselben unentbehrlich wurden, und damit Gelegenheit bekamen, sich für den einmaligen Verlust bei hundert und aberhundert kleinen Gelegenheiten reichlich zu entschädigen.

Zu den Wenigen, die auch jetzt noch sich dem Decrete nicht unterwarfen, gehörten die Fugger. Wenn auch die Blüthezeit ihres Spanischen Handels erst in die Periode vom Jahre 1562 bis zum Tode Philipp’s II. fällt, so waren sie doch auch schon damals mit ausserordentlich bedeutenden Summen in Spanien engagirt, und es ist ein Beweis für die grosse Solidität ihres Reichthums, dass sie es noch zwei Jahre länger als selbst die geldmächtigen Genuesen aushielten, bis sich ihnen eine glückliche Conjunctur bot, um ihre Forderungen geltend zu machen. Der Vertrag vom Jahre 1562 hat die Fugger reichlich für alles entschädigt, obwohl seine Bedingungen scheinbar gar nicht so günstig waren. Aber er brachte ihnen den doppelten Vortheil, dass er die Möglichkeit, die Höhe ihrer Gewinne zu controliren, ausschloss, und dass er ihr Interesse eng mit dem der Regierung [280] verknüpfte, so dass diese fürchten musste, sich selbst zu schädigen, wenn sie die Fugger angriff. Diesem Vertrage verdanken sie es vor allem, dass sie sowohl 1575 als 1596 bei dem Erlass des zweiten und dritten Decretes von vornherein verschont blieben, und nur der Verfall in ihrem eigenen Hause trug die Schuld daran, dass es ihnen im Jahre 1608 nicht abermals gelang, sich den Folgen des Decretes zu entziehen.

Von einer Massregel, wie das Decreto, war mehr als ein augenblickliches Aufathmen nicht zu erhoffen; im Grunde diente es sogar nur dazu, dem Staate schwerere, wenn auch im Momente minder fühlbare Lasten aufzubürden. Da Philipp II. mit seinen Geldgeschäften in den Händen derselben Leute blieb, die er eben geschädigt hatte, so liess sich ohne Weiteres voraussehen, dass sich die Finanzlage nicht wesentlich ändern werde. Im Gegentheil, die Fugger’schen Correspondenzen berichten ununterbrochen darüber, in welch’ schamloser Weise der Staat bei jeder Gelegenheit von den Genuesischen und Spanischen Finanzmännern eben desshalb betrogen wurde, weil diese beständig das Damoklesschwert einer neuen Suspension ihrer Forderungen über ihren Häuptern schweben fühlten.

In Handel und Wandel Spaniens muss das Decret vom Jahre 1557 gleichwohl verhältnissmässig nur wenig Unheil angerichtet haben, vielleicht desshalb, weil ja schliesslich die Krone alle ihre Gläubiger voll entschädigte, und nur den Modus der Zahlung, allerdings erheblich zu deren Ungunsten veränderte; dann wohl auch, weil es fast ausschliesslich ausländische Handelshäuser traf. Es wäre wenigstens sonst nur schwer begreiflich, dass der Anstoss zu einer Wiederholung dieser Massregel nicht von der Regierung, sondern von den Vertretern des Landes ausging.

In welchem Zusammenhange dies geschah, in welche traurige Verfassung die Staatsfinanzen bis zu dem Jahre 1573 gelangt waren, habe ich in meiner früheren Schrift näher geschildert; die Geschichte des zweiten Decreto lehrt aber, dass das traurige Bild, welches Philipp II. vor den Cortes entrollte, noch nicht einmal der schrecklichen Wirklichkeit entsprach. Um das Geld für die kostspieligen Kriegsrüstungen aufzubringen, war mit einer an Gewissenlosigkeit grenzenden Leichtfertigkeit gehandelt worden. Mehr als einmal hatten es einsichtige Männer versucht, dem [281] Könige über das nichtswürdige Treiben der grossen Geldmänner die Augen zu öffnen; aber da sich die Mitglieder des Finanzrathes selbst an den Geldgeschäften mit der Regierung ganz offen betheiligten und dabei kein Mittel zur Verfolgung ihres persönlichen Vortheils scheuten, so mussten sie eben auch durch die Finger sehen, wenn die grösseren und mächtigeren Finanzbarone in ihren Geschäften mit dem Staate ganze Vermögen bei jedem einzelnen Schlage verdienten.

Ein Zinsfuss von zwölf Procent für die Zeit, bis ein Vorschuss aus direct dafür angewiesenen Staatseinkünften zurückgezahlt wurde, galt der Regierung für ein so anständiges Geschäft, dass selbst von dem neuen Decrete nur solche Handlungen betroffen werden sollten, die diesen überschritten. Dabei aber wurden fast regelmässig ein bis zwei Monate den Geldmännern als Zahlungsfrist bewilligt, und dabei noch durch Berechnung der Curse, durch Licenzen zur Ausführung von Baargeld, die aber oft lediglich zur Verbesserung des Geschäftes weiter verhandelt wurden, eine Differenz von Nominalbetrag und wirklicher Zahlung von 10–15 Procent und mehr zu Gunsten der Gläubiger herbeigeführt.

Und dabei musste die Regierung auch noch, um Geld zu erlangen, den Schuldbetrag bis zur Beitreibung in Rentenbriefen (juros al quitar, d. h. die mit der Rückzahlung des Capitals getilgt wurden) sicher stellen. Das sind die berüchtigten juros de resguardo, durch die es bewirkt wurde, dass der Capitalist beispielsweise nicht nur durch Ueberweisung einer Steuer bis zur Höhe seiner Forderung bezahlt, sondern überdies durch Anweisung eines gleich hohen Capitals in Rentenbriefen, die natürlich wiederum auf eine andere Steuer angewiesen waren, sicher gestellt wurde. Allerdings enthielten sich die anständigeren Finanzhäuser dieser nicht mit Unrecht verpönten Handlungsweise; die Fugger wiesen wiederholt mit Stolz darauf hin, dass sie bei keinerlei Geschäften mit der Regierung resguardos oder andere unbillige Vortheile genommen; die beträchtliche Summe solcher juros aber, die sich bei Abrechnung des Decrets herausstellte, beweist, dass das Geschäft keineswegs von allen Seiten als verpönt angesehen wurde.

Den unmittelbaren Anstoss zu dem Erlass des Decrets gab schliesslich der Umstand, dass die Regierung auch zu so drückenden [282] Bedingungen kein Geld mehr finden konnte. Die königlichen Factoren hatten auf der Octobermesse des Jahres 1573 in Medina del Campo Zahlungen im Betrage von mehr als zwei Millionen Ducaten zu machen. Die grössere Hälfte dieser Summe hatten sie unmittelbar vor der Messe dadurch flüssig gemacht, dass sie die Cruzada und die Seidensteuer von Granada an den königlichen Schatzmeister Juan Fernandez de Espinosa und einige Genuesen aufs neue verpachteten. Allein am 2. October schreibt der Fugger’sche Agent von Medina, dass der Regierung noch immer eine Million Ducaten fehle zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten. Auch die nächsten Wochen brachten darin keine gründliche Aenderung, und so erfolgte am 16. October eine königliche Bekanntmachung, welche die Messe suspendirte und die Geldmakler (cambios) nach Madrid berief. Offenbar verfolgte die Regierung den doppelten Zweck, ihr Unvermögen zur Befriedigung ihrer Gläubiger zu verdecken – angeblich betrug der Fehlbetrag noch immer 600 000 Ducaten – und die Finanzmänner mürbe zu machen, denn dadurch, dass der Zahltag der Messe auf eine unbestimmte Zeit verschoben wurde, blieben natürlich auch jene ausser Stande, sich von ihren Schuldnern bezahlt zu machen.

Mit dieser Massregel ist eigentlich das Decreto eingeleitet, denn wenn auch bis zu seinem wirklichen Erlasse noch beinahe zwei Jahre vergangen sind, so war doch der Kampf zwischen der Regierung und ihren Gläubigern damit eröffnet, und die erstere hatte auch schon zu erkennen gegeben, in welcher Richtung sich die Massnahmen bewegen würden, durch welche sie sich ihren Verpflichtungen entziehen wollte.

Die Suspension der Messen traf selbstverständlich Schuldige und Unschuldige in gleicher Weise. Das ganze Spanische Geschäft pflegte an den Zahltagen der wenigen grossen Messen abgewickelt zu werden, und der gewöhnliche Zahlungsmodus war der in Anweisungen auf diese. Dadurch, dass jetzt die Messe suspendirt wurde – und zwar zog sich die Regelung über vier Jahre hin – wurden nun alle die engagirten Gelder auf so lange Zeit völlig brach gelegt, denn die in den Verträgen bedungenen Zinsen verstanden sich nur auf die Zeit bis zur Messe, so dass der Zinsengenuss vom eigentlichen Zahltage bis zur wirklichen Abrechnung einfach aufhörte. So erging es z. B. auch einem Capitale von ca. 180 000 Ducaten, welche der Fugger’sche Factor [283] Hörmann aus Gefälligkeit für Herrn Christoph Fugger untergebracht hatte, der seit 1572 an dem Spanischen Handel nicht mehr betheiligt war. Dieses Kapital sollte in der Octobermesse 1573 zurückgezahlt werden, kam aber durch deren Suspension erst 1577 wieder in die Hände der Fugger’schen Agenten, ohne doch in der Zwischenzeit mehr Zinsen zu tragen als die bis zur Messe bedungenen 8 Procent.

Wie schwer schon diese Massregel Handel und Wandel schädigen musste, ist einleuchtend. Aber die Regierung belastete, je dringender die Noth wurde, desto mehr das Conto ihrer Sünden. Je mehr sich der Regierung die Ueberzeugung aufdrängte, dass der Credit nicht zu erhalten, desto mehr nahmen die Beamten eine Handlungsweise an, die sich von der eines unredlichen Bankerottirers kaum mehr unterschied. So begehrte Melchor de Herrera, auch einer von den Geldmännern, die es zu einem Sitze im Finanzrathe gebracht hatten, einen Vorschuss von 100 000 Ducaten von den Fugger, mit Anweisungen auf den Ertrag der erhöhten Alcabala, die er als völlig gesichert darstellte, obwohl sie von den Cortes noch lange nicht bewilligt wurde.

Schlimmer noch handelten die Räthe mit Nicolo Grimaldi, dem Fürsten von Salerno. Von diesem erbaten sie ein Scheinaccept über 200 000 Ducaten mit dem Bedingniss, dass dasselbe nicht realisirt, sondern nur zur Beruhigung drängender Gläubiger als Sicherstellung deponirt werden sollte. Thatsächlich aber ward der Wechsel ohne Grimaldi’s Wissen mit beträchtlichem Verluste weiter begeben und musste schliesslich von Grimaldi bezahlt werden, wenn er nicht seinen eigenen Credit ruiniren wollte.

Nach solchen Handlungen war es beinahe ehrlich gethan, als die Regierung durch ein Decret vom 1. September 1575 ihren Gläubigern alle und jede Zahlungen sperrte und die Regelung der Schulden weiterer Entschliessung vorbehielt. Eine Zeit lang erhielt sich das Gerücht, der Erlass sei auf Einwirkung des Papstes zurückzuführen, doch schreiben die Fugger’schen Agenten am 17. September, dass nach eingezogenen Erkundigungen dasselbe sich nicht bestätige. Um welche beträchtlichen Summen es sich dabei handelte, eröffnet uns ein anderes Schreiben der Fugger’schen vom 21. Nicolo Grimaldi allein sollte mit 5 Millionen Ducaten, Juan Fernandez de Espinosa mit 2, Steffano Lomellino, Agostino Spinola und Juan de Curiel de la Torre je [284] mit 1 ½ Millionen und viele andere mit kleineren Beträgen betheiligt sein. Bei einer späteren Gelegenheit wird die Gesammtzahl der Betroffenen auf 50 und die Summe ihrer Forderungen auf 18 Millionen Ducaten angeschlagen.

Die nächsten Wochen brachten zahlreiche Erläuterungen zu dem Decrete. Ein erster Erlass erklärte, dass dasselbe Anwendung finden solle auf alle Geschäfte seit dem 14. November 1560, dem Tage, an welchem das vorige Decret von 1557 durch einen Vergleich endgültig abgeschlossen worden war, und auf alle diejenigen Personen, denen es in officieller Weise kund gethan werde. Mit dem Momente der Verkündigung hörte für den Betreffenden der Zinsengenuss auf. Die Regierung behielt sich vor, alle seit 1560 gemachten Geldgeschäfte unter Theilnahme der Decretirten oder eventuell auch ohne diese einer Revision zu unterziehen, und nach den jeweiligen Cursen auf ein billiges Mass zu reduciren. Was sich auf diese Weise als Schuld des Staates herausstellte, solle bezahlt werden.

Einbezogen in das Decret wurden nun ausser Anleihen und Steuerconsignationen auch Verkäufe von Ortschaften, von Titeln etc. So wurde Bernardo Lopez del Campo auf Grund des Decrets angeklagt, weil er beim Verkauf des Fleckens Melgar die Abschätzung des Ertrages nur auf 1600 Ducaten angegeben hatte, während der Ort allein an encabezamiento neuerdings 7000 Ducaten zahlte. Der unglückliche Käufer musste den Ort vom Tage des Kaufs zurückerstatten und die bereits gezahlten Summen sollten mit der Decretsrechnung beglichen werden. Ein Anderer ward zur Rechenschaft gezogen, weil er bei Gelegenheit eines Flandrischen Darlehens einen Marschallstitel als Verehrung begehrt und erhalten.

Obwohl alle Anweisungen auf Staatssteuern suspendirt wurden, so blieben doch die Pachtverträge mit den Gläubigern, die zugleich Pächter waren, unangetastet. So behielt Juan Fernandez de Espinosa die Verwaltung der Cruzada, Agostino Spinola die der Seidensteuer von Granada; Philipp zog nur die Gelder, die ihnen zur Begleichung ihrer Forderungen angewiesen waren, für sich ein und verbot bei hohen Strafen, irgend welche Zahlungen an die Decretirten abzuführen. Quando el abad lama el cuchillo, mal para el monacillo, bemerkt der Fugger’sche Agent, indem er seinem Chef diese Dinge berichtet.

[285] Die Genuesen, als die zumeist von dem Decret Betroffenen, erwählten sofort einen Ausschuss aus ihrer Mitte, um im Namen Aller mit dem Könige zu handeln. Allein Philipp II. lehnte jedes persönliche Eingreifen unbedingt ab, erklärte, mit keinem der Decretirten sich einlassen zu wollen und verwies sie an den Präsidenten des Finanzrathes. Aus diesem waren übrigens Juan Fernandez de Espinosa und Melchor de Herrera sofort ausgewiesen worden, da sie selbst von der Massregel betroffen wurden.

Viel Entgegenkommen fanden aber die Genuesischen Abgesandten nicht. Sie machten den Vorschlag, der König solle ihre Forderungen in der Weise befriedigen, dass er ein Drittel seiner Schuld durch den Ertrag der erhöhten Alcabala in den Jahren 1576–78 tilgte, und ihnen bis dahin dasselbe mit 12 Procent verzinste. Für die beiden anderen Drittel wollten sie Rentenbriefe annehmen, wenn man ihnen solche zu 5 Procent ausstellen, aber zum Curse von 80 gegen ihre Schuld aufrechnen würde.

Obwohl diese Bedingungen eine sehr beträchtlich mildere Behandlung der Staatsgläubiger in sich geschlossen hätte, so würde die Regierung dabei doch in den beiden nächsten Jahren 6 Millionen Ducaten flüssig erhalten haben. Eine Zeit lang ist auch auf dieser Basis zwischen dem Finanzrathe und den Decretirten verhandelt worden; allein da diese natürlich möglichst viel zu ihrem Vortheile herausschlagen wollten, so brach die Regierung am 19. December die Verhandlungen ab, indem sie in einem neuen Erlass die Namen aller derer bekannt gab, die von dem Decret betroffen sein sollten, ihnen die Renten sperrte, so weit ihnen solche zur Sicherung ihrer Vorschüsse angewiesen waren, und eine Commission, bestehend aus den Licentiaten Bravo, Francisco Gutierrez de Cuellar und Avalos ernannte, welche mit jedem einzelnen Gläubiger Abrechnung halten sollte. Von der Art, wie diese dann befriedigt werden sollten, enthielt hingegen das Decret kein Wort.

Auch hierdurch liessen sich die Genuesen noch nicht einschüchtern. Der von ihnen erwählte Ausschuss trat sofort wieder in Thätigkeit. Zunächst erschien er im Finanzrathe und begehrte eine Abschrift von dem neuen Erlass, mit der ausgesprochenen Absicht, demselben auf dem Wege des Processes [286] entgegenzutreten. Zu der Abrechnung vor der Commission erschien lange Zeit nicht ein Einziger, erst nach einigen Wochen fand sich Baldassare Cattaneo dort ein, der es um so leichter konnte, als er zu denen gehörte, die bei ihren Geschäften niemals Reellität und Noblesse verleugnet hatten. Nebenbei suchten die Genuesen aber natürlich auch wieder direct mit Philipp II. zu verhandeln, was ihnen aber dies Mal ebenso wenig gelang, als im September.

Grosse Entrüstung hatte sich ihrer bemächtigt, als aus dem Decrete ersichtlich wurde, dass die Fugger nicht von demselben betroffen sein sollten. Sie waren nicht die einzigen Verschonten; auch Lorenzo Spinola fehlte auf der Liste der Decretirten, aber dessen ganz besondere Verdienste um die Regierung bei und seit dem Falle von Goleta (1573), verbunden mit landsmannschaftlichen Rücksichten, sicherte ihn gegen den Hass und Neid seiner Collegen, während sich derselbe gegen die glücklicheren Deutschen Rivalen mit allen Mitteln offener und heimlicher Feindseligkeit geltend machte.

Die Fugger waren schon im September unter der Hand verständigt worden, dass sie nicht von dem Decret betroffen werden sollten. Dass sie dies nur der Gewissenhaftigkeit ihrer Geschäftsgebahrung, oder wie sie gelegentlich behaupten, dem Umstande dankten, dass ihre Gewinne die als Grenze bestimmten 12 Procent nicht überschritten hätten, können wir ihnen nicht ohne Weiteres glauben. Aeussert doch auch ihr Agent gelegentlich Bedenken darüber, es könne bei der Abrechnung zu Tage kommen, wie manchmal Zahlungen einige Monate früher datirt worden seien, als sie wirklich geleistet wurden. Und dass ihre Gewinne sich nicht entfernt in so bescheidenen Grenzen bewegt haben, das ergeben die Rechnungen im Fugger’schen Archive auf jedem Blatte. Die der Maestrazges-Pachtungen habe ich noch nicht eingehender untersuchen können; dagegen ergab die Pacht der Quecksilbergruben von Almaden in den Jahren 1573–77 einen durchschnittlichen Jahresgewinn von 114 Procent!

Was sie sicherer schützte als ihre angebliche Gewissenhaftigkeit, war die Freundschaft einer überaus einflussreichen Persönlichkeit, die sie sich auf dem Wege der Gemeinsamkeit der Interessen gesichert hatten. In den Briefen des damaligen Vorstehers des Fugger’schen Comptoirs in Madrid, Thomas Müller, [287] ist sehr häufig von dem „Freunde“ die Rede, dessen gute Dienste öfters in Anspruch genommen werden. Andere Correspondenzen ergeben, dass dieser „Freund“ der in Müller’s Briefen ebenso häufig mit seinem Namen angeführte contador Garnica war.

Der Freundschaft mit den Fuggers mag wohl dessen Vermählung den Weg geebnet haben, denn seine Frau war die Schwägerin eines früheren Fugger’schen Bureauvorstehers, der sich in Madrid verheirathet und später zur Ruhe gesetzt hatte. Garnica selbst war nicht ohne Vermögen, und dem Wunsche, dasselbe nutzbar zu machen, kamen die Fugger dadurch entgegen, dass sie ihm insgeheim einen Antheil an ihren Geschäften mit der Spanischen Regierung einräumten. Und das dankte ihnen Garnica, indem er ihre Interessen in dem gesammten Bereiche seiner amtlichen Thätigkeit in seinen Schutz nahm. In Spanien scheint damals Niemand eine Ahnung von dieser Verbindung gehabt zu haben; Garnica hatte viel Feinde und Neider, die ihn unfehlbar mit dem Verrathe dieses Geheimnisses bei König Philipp um seinen Credit gebracht haben würden; allein es findet sich keine Spur einer solchen Anklage. Es sind lediglich die Augsburger Acten, die das auch in den Briefen der Fugger’schen Agenten streng bewahrte Geheimniss verrathen. Garnica war es gewesen, der die Fugger schon im September beruhigte, und seine Unterstützung blieb ihnen während der ganzen Zeit der Decretoverhandlungen.

Aber die Fugger vertraten auch selbst ihre Sache bei Philipp mit Geschick und Takt. Die nothwendige Folge des Decretes war natürlich eine allgemeine Creditlosigkeit. Diejenigen, die von der Massregel betroffen waren, konnten nicht, und die meisten anderen Kaufleute wollten nicht eher zahlen, als bis über die Art der Regelung des Decrets Klarheit herrschte. Vor allem aber wollte Niemand mehr Wechsel geben oder nehmen, und da Philipp II. die Anweisungen für Italien und die Niederlande nur auf dem Wege des Wechsels machen konnte, so wurden seine eigenen Angelegenheiten durch die Folgen des Decrets ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. In dieser Verlegenheit nahm er seine Zuflucht zu den Fugger’schen Agenten, und diese, ohne sich das Missliche der Geschäfte zu verhehlen, erkannten doch ganz richtig, dass ihr Heil jetzt im Wesentlichen davon abhing, Philipp II. in guter Stimmung zu erhalten. Schon Anfang [288] October mussten sie es übernehmen, 100 000 Ducaten für den König nach den Niederlanden zu verwechseln. Die Bedingungen, die ihnen Philipp II. bewilligte, waren günstig genug, dennoch war das Geschäft nicht leicht auszuführen, da das Spanische Geldgeschäft völlig brach lag.

Indirect erlitten freilich selbst die vom Decret befreiten Fugger durch dasselbe beträchtlichen Schaden. Sie hatten mehrfach Forderungen an die Decretirten oder deren Gläubiger und Schuldner, die sich bis auf weiteres als völlig uneinbringlich erwiesen. Dazu machten, zum Theil auch in Folge des Decretes, zwei der grössten Bankhäuser von Sevilla in eben diesen Tagen Bankerott, wobei die Fugger ebenfalls von Verlusten bedroht waren. Ob das Haus zur selben Zeit in Deutschland auch mit Geldverlegenheiten zu kämpfen hatte, vermag ich nicht genau zu ermitteln; es scheint, als ob Spaltungen unter den am Spanischen Handel Betheiligten ausgebrochen seien, in deren Folge beträchtliche Summen ausgezahlt werden mussten.

Aus allen diesen Ursachen sandten die Fugger ihrem Spanischen Geschäftsführer durch eigenen Courier am 26. Nov. den Befehl, sich nur dann auf weitere Geldgeschäfte einzulassen, wenn er im Stande sei, mit den Wechseln gleichzeitig die Mittel zu deren Deckung zu übermachen. Dieser Befehl, unter den augenblicklichen Verhältnissen gegeben, war nicht Vorsicht, sondern war Kurzsichtigkeit, und Thomas Müller, der damalige Leiter des Madrider Geschäftes, hatte allen Grund dazu, sich, wie er dies später gethan, die Nichtbefolgung dieses Befehles als ein Verdienst um die Fugger’sche Handlung anzurechnen. Denn es waren durchaus nicht nur die neidischen Geschäftsgenossen, die Genuesischen und Spanischen Geldmänner, welche den Fugger ihre Ausnahmestellung missgönnten, sondern selbst unter den Beamten, die mit der Abrechnung des Decretes betraut waren, suchten einige mit allen Mitteln die Fugger hineinzuziehen. So waren sie anfänglich auch auf die Liste derer gesetzt worden, die am 19. December als „decretirt“ erklärt werden sollten. Thatsächlich wurden sie allerdings wieder gestrichen und das Geschehene damit erklärt, dass man die Liste des ersten Decrets von 1557 als Grundlage benutzt habe. Dennoch musste auch der Fugger’sche Factor mit seinen Büchern vor der Commission erscheinen, wurde aber bald wieder entlassen.

[289] Gern hätte Müller dieser ungewissen Lage ein Ende gemacht und eine königliche Cedula begehrt, die ausdrücklich die Ausnahmestellung des Hauses gewährleistet hätte. Nicht nur die Fugger drängten ihn dazu; auch Lorenzo Spinola, der in derselben glücklichen Lage war, vom Decret nicht betroffen zu werden, lag ihm darum an, in der Hoffnung, nach diesem Präcedenzfalle auch für sich eine gleiche Sicherstellung zu erreichen. Müller erkannte aber auch vollkommen die entgegenstehenden Schwierigkeiten, und sein beständiger Rath ging dahin, den König nicht durch unzeitige Ansprüche „unschlundig“ zu machen.

Schon Mitte Januar kam der Zahlmeister Garnica in königlichem Auftrage nochmals zu Müller und begehrte die Erlegung von 200 000 Ducaten in Flandern, gegen Erlegung der Summe in Madrid und der Erlaubniss zur baaren Ausführung. Da diese natürlich unmöglich war in der Zeit, bis die Auszahlung in Flandern erfolgen sollte, so suchte Müller ihn hinzuhalten und machte unterdessen in Augsburg Vorschläge, wie man das Geschäft ausführen könnte. Allein noch ehe er die Ermächtigung zum Abschluss aus Augsburg erlangen konnte, musste er, um grösserem Unheile zu begegnen, dem Drängen Garnica’s nachgeben und die Zahlung übernehmen.

Trotz dieser dem König gewordenen Hilfe blieb die Decretogefahr auch für die Fugger bestehen; behaupteten doch die Abrechner, dass dem König ein volles Drittel dessen, was er durch das Decret verdienen könnte, entgehen würde, wenn er die Fugger und Spinola schonte, eine Behauptung, die nur zu sehr geeignet war, den misstrauischen und in Geldsachen besonders genauen König Philipp gegen die Fugger einzunehmen. Müller verhehlte sich keineswegs die wachsende Gefahr und that alles Mögliche, um ihr zu begegnen. Unter dem Vorwande, wegen der Fugger’schen Forderungen für geliefertes Quecksilber zu unterhandeln, wandte er sich wiederholt durch Garnica an den König selbst, um diesem die grossen Verdienste des Fugger’schen Hauses ins Gedächtniss zu rufen und einen Schutzbrief zu erhalten; aber er erlangte immer nur beruhigende Worte und Vertröstungen auf die Zukunft.

Dennoch fühlte er instinctiv, dass die Lage von Monat zu Monat kritischer wurde, so dass er im August freiwillig mit seinen Büchern bei Garnica erschien, diesem den Vertrag von [290] 1562 und alle seitdem zwischen der Regierung und dem Fugger’schen Hause beschlossenen Abmachungen (asientos) vorlegte und sich die Erklärung erbat, ob dabei irgend etwas zu finden sei, was seine Einbeziehung in das Decret rechtfertigen würde. Natürlich fiel auch dies Mal die Antwort beruhigend aus, überdies gewährte ihm in eben diesen Tagen Philipp eine Audienz, in welcher er seine Auseinandersetzungen sehr wohlwollend entgegennahm, ihn für die Forderungen der Fugger auf die Abwickelung der schwebenden Unterhandlungen vertröstete und ihn der königlichen Huld versicherte.

Trotzdem erschien am Morgen des 4. August ein königlicher Notar auf der Fugger’schen Schreibstube und verlas vor den Beamten und geladenen Zeugen das Decreto. Natürlich hatte Müller nichts Eiligeres zu thun, als sich zu Garnica zu verfügen und darüber Beschwerde zu führen. Dieser war oder stellte sich wenigstens auf das höchste entrüstet, erklärte den Vorgang für eine Eigenmächtigkeit des den Fugger notorisch feindlich gesinnten Lic. Avalos und forderte Müller auf, sofort sich in einem Schreiben an den König selbst zu wenden, welches er durch eigene Staffette nach dem Escorial senden werde. Die Antwort darauf kam denn auch schon am nächsten Tage mit eigenem Boten zurück und versprach den Fugger völlige Genugthuung. Ueber die Form derselben begannen am folgenden Tage die Verhandlungen. Da die Angelegenheit selbstverständlich bedeutendes Aufsehen gemacht hatte, verlangte Müller einen öffentlichen Widerruf.

Er konnte das um so eher, als er erst wenige Tage zuvor der Regierung einen bedeutenden Dienst geleistet hatte. Eben damals war die Nachricht von der Meuterei der Spanischen Truppen in Antwerpen nach Madrid gelangt und Garnica hatte, in der Hoffnung, dass dieselbe mit Geld noch werde in Schranken gehalten werden können, erneut die Zahlung von 200 000 Ducaten für Flandern begehrt. Müller hatte sich mit Händen und Füssen gesträubt, aber doch nur Bedenkzeit bis zum Abend erlangt, wo er im Finanzrath alle erdenklichen Drohungen über sich ergehen lassen musste. Dennoch wagte er nicht, zu bewilligen, da er wusste, dass seine Auftraggeber vielleicht nicht einmal in der Lage sein würden, die Summe auf seine Anweisung zu erlegen. Schliesslich halfen aber alle seine Ausflüchte nicht, und [291] nach einem weiteren Tage stürmischer Verhandlungen musste er die Zahlung übernehmen. Jedenfalls war es die gereizte Stimmung, die in diesen Tagen gegen die Fugger zum Ausdruck kam, welche die Commission oder einige Mitglieder derselben ermuthigt hatte, sich mit Verkündung des Decrets an die Fugger zu wagen; mit der Bewilligung aber war Müller gesichert, denn Garnica wusste, so gut wie Müller selbst, dass eine Hineinziehung der Fugger ins Decret jede Zahlung illusorisch machen musste.

Ob Garnica im Grunde dem Müller für seine Hartnäckigkeit den kleinen Schreck gegönnt hatte, lässt sich nicht nachweisen; Müller selbst scheint es zu vermuthen; jedenfalls konnte er einen öffentlichen Widerruf nicht erlangen, sondern musste sich damit begnügen, dass Avalos die Angelegenheit auf seine Schultern nahm, sich bei ihm entschuldigte und ihm durch denselben Notar ein Protokoll zustellen liess, worin dieser alles Geschehene als nichtig und so gut wie nicht geschehen erklärte. Das war beinahe so gut, als eine Cedula, wie Müller sie immer begehrt hatte, und nach diesem Vorgange erneut, und dies Mal wohl mit Erfolg begehrte; in der Folge sind die Fugger nie wieder in der Lage gewesen, sich wegen des Decretes Sorge zu machen.

Uebrigens war die ganze Angelegenheit mittlerweile der endgültigen Regelung um Vieles näher gekommen. Die gerichtliche Anfechtung des Decrets war aufgegeben worden, noch ehe man damit begonnen. Niccolo Grimaldi hatte nach ausserordentlichen Bemühungen endlich im Januar eine Audienz bei Philipp II. erlangt und ihm in beweglichen Worten die eigene Lage und die seiner Collegen vorgestellt. Es hatte seinen Eindruck auf den König nicht verfehlt, dass er, unter ausdrücklicher Ablehnung jeder gerichtlichen Einmischung, ihn bat, ihm nur das Hemd auf dem Leib und seinen ehrlichen Namen zu lassen, damit er dem König bis an sein Lebensende dienen könne; wenn seine Gläubiger befriedigt würden, wolle er gern auf das Seinige verzichten. Wie ernst dies gemeint war, hatte er dadurch bewiesen, dass er seinen glänzenden Hofstaat entliess und sich auf bescheidenerem Fusse einrichtete, ein Beispiel, welches von vielen seiner Leidensgefährten nachgeahmt wurde. Auch die königlichen Räthe konnten sich der Erkenntniss nicht verschliessen, dass die unklaren Verhältnisse vielerlei Uebelstände mit sich brachten, und so überwog auf beiden Seiten die Geneigtheit zu Unterhandlungen.

[292] Die Schwierigkeit derselben lag nur darin, sich über das Maass der gegenseitigen Concessionen zu einigen. Der König verlangte, die Gläubiger sollten die als Sicherheiten ihnen angewiesenen Rentenbriefe, gleichviel zu welchem Curse dieselben ihnen zugesprochen waren, zu 20 000, für das Tausend Rente (= 5 %) und den Rest ihrer Forderungen in Rentenbriefen zu 25./1. (= 4 %) übernehmen, und ihm überdies eine neue Anleihe im Betrage von 4 Millionen Ducaten zur Versorgung von Italien und den Niederlanden gewähren; in diesem Falle sollten sie für ihre Guthaben unverkürzt entschädigt werden. Dieses Angebot rief unter den Decretirten sogleich eine Spaltung hervor. Herrera und Espinosa waren die ersten, welche schon im Mai zur Annahme dieses Vorschlages drängten, obgleich sie selbst zugeben mussten, dass die Rentenbriefe kaum besser als mit 16 000 für das Tausend an den Mann zu bringen sein würden. Sie hofften aber durch die Beseitigung des Decretes in ihre amtlichen Stellungen zurückzukehren, was sie begreiflicherweise thunlichst zu beschleunigen wünschten.

Auch unter den Genuesen waren einige nicht übel bereit, diese Bedingungen anzunehmen, es waren das diejenigen, die wie Grimaldi, Centurione, Gentil und Curiel de la Torre unmittelbar nach dem ersten Decret ihre Geschäfte begonnen und ihr Schäfchen ins Trockene gebracht haben mochten. Aber noch war das gegenseitige Misstrauen zu gross, um eine Uebereinstimmung herbeizuführen, vielmehr suchte jeder Einzelne auf Um- und Schleichwegen die eigene Haut zu retten.

Die Regierung brauchte natürlich fortgesetzt Capitalisten, um ihren Verbindlichkeiten auf den ausländischen Plätzen nachzukommen, und dabei bot sich immer wieder Gelegenheit, ihr Anerbietungen zukommen zu lassen, unter der stillschweigenden Bedingung, von dem Decrete befreit zu werden. Zwar hatte Philipp erklärt, mit keinem der Decretirten Geschäfte machen zu wollen, aber die geringe Bereitwilligkeit der Fugger und der Mangel anderer sicheren Geldfirmen liess es mehrere Male nahe genug zu einem Separatvergleiche kommen. Zu Stande kam allerdings keiner, und so mehrte sich unter den Decretirten denn doch die Ueberzeugung, dass man zu einem gemeinschaftlichen Abschlusse kommen müsse, wenn man endlich die Handelsgeschäfte in einen geordneten Gang zurückbringen wollte, denn [293] Philipp hielt nach wie vor die Mess-Sensale in Madrid zurück, so dass seit 1575 keine Messe ihren geregelten Abschluss gefunden hatte.

Jetzt hielt auch die Republik Genua den Zeitpunkt für gekommen, um sich der Interessen ihrer Mitbürger anzunehmen. Anfang Juli traf ein besonderer Gesandter der Republik in Madrid ein, und nachdem er sich mit dem wieder aufgelebten Ausschuss der Decretirten ins Einvernehmen gesetzt hatte, begehrte er so oft und so dringend, beim Könige vorgelassen zu werden, dass dieser ihn endlich im Parke von Segovia empfangen musste. Trotzdem erlangte er zunächst nichts weiter als eine bündige, durch königlichen Erlass öffentlich bekannt gegebene Erklärung über die Art der Rückzahlung der suspendirten Capitalien, die im wesentlichen auf das zuvor Angebotene hinauslief. Immerhin war damit eine bestimmtere Basis für weitere Unterhandlungen geboten, und solche wurden denn auch auf der einen Seite von dem Genuesischen Gesandten und den vom Decret Betroffenen, auf der anderen Seite von den Präsidenten der königlichen Räthe der Finanzen und des Innern (estado) – die Commission des Decrets trat für den Augenblick in den Hintergrund – mit grossem Eifer betrieben.

Unter dem Eindrucke der „Spanischen Furie“ in Antwerpen (November 1576) versuchten die Gläubiger wohl noch einmal, dem Könige die Verpflichtung abzuringen, ihnen ihre Capitalien in 6 Jahren zurückzuzahlen und sich mit einer Anleihe von 2 ½ Millionen zu begnügen; aber nachdem sie selbst schon bessere Gebote gemacht hatten, durften sie auf die Annahme solcher Bedingungen nicht mehr hoffen. Diese dienten lediglich dazu, die Verhandlungen erneut in die Länge zu ziehen. So vergingen noch immer Monate, ehe endlich am 27. März 1577 ein Vergleich zu Stande kam, der zwar noch immer einzelnen Veränderungen unterlegen ist, aber in der Hauptsache doch endlich zu allgemeiner Anerkennung gelangte. Damit wurde ausdrücklich das Decret vom 1. September 1575 aufgehoben, und Philipp verpflichtete sich, seine Gläubiger voll zu entschädigen.

Soweit hatten deren Bemühungen Erfolg gehabt; in einem wesentlichen Punkte aber war der Sieg entschieden auf Philipp’s Seite: die gesammte Schuld wurde aus einer unmittelbar zurückzuzahlenden in eine Rentenschuld, und zwar mit ziemlich niedriger [294] Verzinsung verwandelt. Um die Höhe der königlichen Schuld endgültig zu ermitteln, wurde den königlichen Rechnungsräthen eine Commission aus der Mitte der Decretirten beigesellt, in welche Hernan Lopez del Campo, Ambrosio de Negro, Steffano Grillo und Agostino Spinola berufen wurden. Nach deren vorläufigen Ermittlungen sollte sich die Schuld auf 5694 Millionen Maravedis (375 mrs = 1 Ducaten) belaufen, zu deren Sicherung 149 472 678 mrs an Renten verschrieben waren. Da nach einem weiteren Artikel des Vergleichs alle Renten, gleichviel in welchem Preise sie ursprünglich verliehen worden waren, mit ihrem 20fachen als Capital angeschlagen werden sollten, so verringerte sich damit die königliche Schuld um ca. 2990 Millionen Maravedis. Von dem verbleibenden Reste von ca. 2700 Millionen gingen weiter ab ca. 900 Millionen, die auf folgende Weise zu Stande kamen.

Den Decretirten war zu Sicherung und Tilgung ihrer Forderungen alles überlassen worden, was sie in Folge ihrer Handelsgeschäfte in der casa de contratacion zu Sevilla an Ein- und Ausfuhrzöllen zu entrichten gehabt haben würden. Nach der Schätzung der Commission belief sich dies, capitalisirt, ungefähr auf 1640 Millionen Maravedis. Da aber zu der Zeit die auf das Stapelhaus angewiesenen Rentenbriefe nur 55 Procent ihres Nennwerthes galten, so wurden auch den Decretirten diese den Anweisungen auf das Indienhaus gleichartigen Schulden nur mit 55 Procent zur Last geschrieben, was ca. 900 Millionen ergibt. Somit verblieb ein Schuldrest von ca. 1800 Millionen als schwebende Schuld, und deren Begleichung sollte zu zwei Dritteln in Rentenbriefen auf die Erträge des Salzmonopols zum Preise von 30 000 für das Tausend Rente, zu einem Drittel in vasallos de iglesias gedeckt werden.

Um diesen letzteren Zahlungsmodus zu verstehen, muss man sich erinnern, dass der Papst dem Könige als Unterstützung in seinen finanziellen Nöthen gestattet hatte, einen bestimmten Theil der Besitzungen des Spanischen Klerus zu verkaufen. Es geschah dies in der Weise, dass der Ertrag der kirchlichen Besitzungen, einschliesslich der von den Hintersassen der Geistlichen abzuführenden Abgaben als Rente angeschlagen und gegen ein entsprechendes Capital verkauft wurde, wobei man als Anhalt zur Berechnung die Kopfzahl der steuerzahlenden Einwohner nahm. Wir wissen aus anderen Rechnungen, dass ein vasallo [295] mit 16 000 mrs in Capital angeschlagen zu werden pflegte, die Decretirten konnten sich also nicht beklagen, wenn auch ihnen derselbe Preis gestellt wurde. Alle nebenher verliehenen kleinen Vortheile, welche die Staatsgläubiger bei verschiedenen Anlässen sich hatten bewilligen lassen, wurden zurückgezogen, doch sollte ihnen, soweit dieselben einen reellen Werth repräsentirten, derselbe nach billiger Schätzung vergütet werden. Dagegen blieb es dabei, dass ihnen für die Zeit seit dem 1. September 1575 bis zu Ende des Jahres 1576 keinerlei Zinsen für ihre Capitalien gezahlt wurden, und endlich mussten sie solidarisch sich verpflichten, der Regierung in bestimmten Fristen und zu voraus festgesetzten Preisen 5 Millionen Ducaten an auswärtigen Plätzen zu erlegen.

Das war der Inhalt des Vergleichs, der am 27. März 1577 zwischen der Regierung und den Delegirten der vom Decret Betroffenen zu Stande kam, auffallenderweise vermochten die Letzteren aber nicht, dessen Annahme bei ihren Auftraggebern durchzusetzen, und darüber zogen sich die Verhandlungen immer wieder in die Länge. Den einen erschien diese, den anderen jene Bedingung unannehmbar, so dass kaum ein Artikel die allgemeine Billigung erlangte. Allgemein begehrte man eine kürzere Bemessung der Frist, während welcher keine Zinsen gezahlt wurden, und eine andere Situirung der Renten, da solche auf das Salzmonopol nur an wenigen Plätzen im Königreiche zahlbar und in Folge davon schwer verkäuflich sein würden. Daneben war es vor allem die solidarische Haftung für die 5 Millionenzahlung, für die keine Einigung zu erlangen war, selbst dann nicht, als der Mitgenuss aller übrigen Paragraphen an diese Bedingung geknüpft wurde.

Eine Zeit lang liess sich Philipp die erneuten Vorstellungen der Commissarien gefallen; er kam auch in manchen minder wichtigen Einzelheiten ihren Bitten nach. Als aber um Mitte Juli trotz alledem die Verhandlungen noch zu keinem Abschluss gekommen waren, erklärte er, wenn nicht binnen zwei Tagen der Vertrag perfect werde, so solle die Abmachung vom 28. März 1576 unverändert als verbindlich erachtet und demgemäss mit jedem Einzelnen verfahren werden. Trotz aller Bemühungen der Commissarien verstrich auch diese Frist, da eine ganze Anzahl Kaufherren zu einem Entgegenkommen nicht zu bewegen waren. [296] Aber Philipp machte auch seine Drohung nicht wahr, theils weil er nachgerade die Hilfe der Genuesen kaum mehr entbehren konnte, theils auch, weil er die Willigen nicht um der Hartnäckigen willen mit strafen wollte. So wurden die Unterhandlungen mit den ersteren wenigstens fortgesetzt und führten am 5. December 1577 zu folgendem, nunmehr definitiven Abschluss:

An die Stelle der Aufhebung des Decrets von 1575 trat die Bestimmung, dass dasselbe nur für diejenigen als aufgehoben gelten solle, welche dem Vertrage beitreten. Den anderen wird noch eine Gnadenfrist von 20 Tagen für ihren Beitritt offen gehalten; nach deren Ablauf sind sie lediglich auf die Gnade Philipp’s angewiesen. Der Modus der Schuldzahlung bleibt im wesentlichen so, wie am 27. März 1577 bestimmt war; doch gewährte Philipp weitergehende Stempel- und Steuerfreiheit für die Anweisungen auf das Salzmonopol, um dieselben leichter übertragbar zu machen. Statt der solidarischen Haftung aller Betroffenen trat eine Haftung in Gruppen, denen der Antheil an den zu zahlenden 5 Millionen Ducaten oder 1875 Millionen Maravedis nach Uebereinkommen auferlegt war. Für mehr als die Hälfte des ganzen Betrages musste sich Niccolo Grimaldi mit seinem Schwiegersohne Steffano Lomellino verbürgen; ein weiteres Drittel sicherte die Gruppe des Agostino Spinola, der vor allem auch Juan de Curiel und Luca Centurione neben minder grossen Häusern angehörten; der Rest (275 Mill. Mar.) wurde von den Gesellschaften des Steffano Grillo, Bernardino Centurione, Dom. Lercaro, Balt. Cattaneo und Vinc. Gentile gedeckt. Die ganze Summe sollte spätestens bis zum März 1583 abbezahlt sein; die Zahlungen erfolgten in monatlichen Raten von 1–200 000 Ducaten an denjenigen auswärtigen Plätzen, welche die Regierung rechtzeitig den Handelsherren bekannt zu machen hatte. Ausser wesentlichen Erleichterungen für die Ausfuhr des in Spanien zwei Monate voraus zu erlegenden Baargeldes gewährte ihnen Philipp eine Wechselgebühr von 25 Maravedis für die Krone (à 400 mrs), wie man sieht, Bedingungen, bei denen die Lieferanten schon bestehen konnten.

Für alle diejenigen, welche diesem Abkommen vom 5. December beitraten, war eben dadurch das Decret mit allen seinen Folgen beseitigt, dagegen sollte es für die, die sich den Bedingungen nicht fügten, nach wie vor in Kraft bleiben. Deren [297] waren zunächst noch eine ganze Anzahl, darunter Männer wie Luca Giustiniani, Lorenzo Lomellino, Baptista Spinola, Niccolo Doria und andere mehr. Anfänglich hatten sogar Niccolo Grimaldi und Juan Fernandez de Espinosa den Vertrag nicht annehmen wollen, aber, wie diese schliesslich zu der Ueberzeugung gelangten, dass sie mit dem Vertrage immer noch besser daran waren, als mit dem Decreto – in irgend einer der denkbaren Formen – so überlegten sich auch die anderen die Sache mit der Zeit noch besser. Jedenfalls war die Angelegenheit des Decreto damit in der Oeffentlichkeit erledigt, der Geschäftsgang lenkte ein in die alten Geleise und – das Unwesen begann leider allzubald von neuem.

Die Klagen über die finanziellen Bedrängnisse hören während der ganzen Regierungszeit Philipp’s II. nicht auf, und konnten auch kaum aufhören bei dem Unstern, der über allen Unternehmungen des Königs schwebte. Die „unüberwindliche Armada“ kostete dem Lande ganz enorme Summen, aber statt Frieden und Ruhe zu bringen, zog sie vielmehr erst die Feinde herbei, die, um Rache für den missglückten Angriff zu nehmen, nun selbst zum Angriff übergingen. Was seit Menschengedenken nicht vorgekommen war, geschah nun: der Feind betrat Spanischen Boden, liess das Land direct und unmittelbar die Lasten und Schaden des Krieges fühlen, die es seit mehr als einem Menschenalter nur indirect empfunden hatte. Dringender als jemals machte sich die Pflicht der Vertheidigung der wichtigsten Lebensinteressen des Landes geltend, als es den Engländern im Jahre 1596 gelang, sich durch einen Handstreich der Stadt und des Hafens von Cadix zu bemächtigen, aber, wie immer waren die Staatskassen leer, die Einkünfte im voraus verpfändet, der Credit erschöpft.

In dieser Nothlage nahm Philipp noch einmal seine Zuflucht zu dem zweifelhaften Hilfsmittel einer Suspension der Zahlungen, eines neuen, dritten Decreto. In diesem Falle war es fast nur ein Mittel, die Genuesischen Geldmänner, die dem Staate keine weiteren Vorschüsse bewilligen wollten, zur Gewährung einer grösseren Anleihe zu zwingen. Man war nunmehr schon auf beiden Seiten so weit mit der Massregel vertraut, dass deren Abwicklung bedeutend glatter und schneller vor sich ging, als im Jahre 1575. Im übrigen wiederholten sich fast alle die Erscheinungen, wie sie damals zu Tage getreten waren. Zuerst [298] übereifrige Verhandlungen auf beiden Seiten, in denen nur dadurch von Anfang an mehr Klarheit herrschte, dass die Regierung sofort gegen eine Anleihe von 10 Millionen die Beseitigung des Decrets in Aussicht stellte. Wiederum traf ein Specialgesandter der Republik Genua bei Hofe ein, um die Sache seiner Landsleute zu unterstützen, und seine Bemühungen wären vermuthlich sehr schnell von Erfolg gekrönt gewesen, wenn unter denen, die er schützen sollte, grössere Einigkeit geherrscht hätte. Aber auch dies Mal waren unter den vom Decret Betroffenen einige, die sich ganz gern bereit finden liessen, ihren eigenen Vortheil auf Kosten ihrer Genossen wahrzunehmen.

Die Regierung fand nicht wieder denselben Rückhalt an den Fugger. Sie hatte allerdings an diese wohl zu hohe Forderungen gestellt, denn mit 1 ½ Millionen hätte das Haus wohl selbst dann dem Könige nicht dienen können, wenn nicht durch Uneinigkeit unter den Inhabern der Firma und unter ihren Vertretern in Madrid die Finanzkraft des Hauses wesentlich beeinträchtigt worden wäre, so dass, gerade in jener Zeit, die Geschäfte zu einem vollkommenen Stillstand zu kommen drohten. Dass die Fugger trotzdem, und obwohl sie laut einem Budgetüberschlag im Besitze von Steueranweisungen in Höhe von 140 ½ Millionen Maravedis waren, auch dies Mal dem Decrete nicht unterworfen wurden, ist ein Beweis für das ausgezeichnete Ansehen, welches sie sich der Regierung gegenüber zu wahren gewusst hatten. Was die Fugger nicht leisten konnten, musste nun eben irgend ein anderes Haus übernehmen, und diese Situation suchte sich Baptista Serra zu Nutze zu machen, obwohl er in das Decret verwickelt war, indem er sich erbot, eine Zahlung von 600 000 Ducaten in den Niederlanden zu erlegen, wenn er dadurch vom Decret losgesprochen würde. Seine Separatverhandlungen blieben aber dem Ausschuss seiner Landsleute nicht verborgen. Es ist ein Zeichen dafür, wie viel versöhnlicher auf beiden Seiten dieses Mal die Stimmung war, dass die Zahlung der 600 000 Ducaten von allen Decretirten gemeinsam übernommen wurde, während der König sich bereit finden liess, ihnen eine entsprechende Summe ihrer suspendirten Anweisungen dafür freizugeben.

Wenn man anfänglich daran gedacht hatte, zur Deckung der suspendirten Schuld eine grössere Anzahl von königlichen [299] Städten zu verkaufen oder die Schuld auf das ganze Land abzuwälzen und zu repartiren, so lenkten die Verhandlungen doch bald in bekanntere Bahnen ein. Die Regierung kam darauf zurück, die schwebende Schuld in Renten zu situiren und konnte nicht einmal wagen, dieselben zu so hohen Preisen gegen die Forderungen ihrer Gläubiger aufzurechnen wie 1575. Während damals 1000 mrs Rente mit 30 000 mrs Capital verrechnet wurden, bot man jetzt schon in den früheren Stadien der Verhandlungen die gleiche Rente für 20 000 mrs an, wohl dem Umstande Rechnung tragend, dass der Markt durch die stetig wachsende Menge der Renten die Aufnahmefähigkeit dafür mehr und mehr verlor.

Ein wesentliches Hinderniss für die Abwicklung der Geschäfte war Philipp’s Krankheit. Er hielt sich während der ganzen Zeit im Escorial auf – während die Verhandlungen in Madrid stattfanden – und seine Krankheitsanfälle brachten es wiederholt mit sich, dass dringende Entscheidungen tage-, ja wochenlang unerledigt blieben. Trotz alledem war es ihm noch beschieden, auch dieses Decret wieder aus der Welt zu schaffen. Schon Mitte Mai 1597 hiess es einmal, der Abschluss stehe unmittelbar bevor, es fehle ihm nur noch die königliche Bestätigung; aber das Gerücht war den Thatsachen vorausgeeilt. Dagegen stand es im August schon thatsächlich fest, dass die Genuesen sich mit Rentenbriefen, wie oben erwähnt, wollten abfinden lassen. Es werden wohl vorwiegend die Bestimmungen über Höhe und Zahlungsmodus der neuen Vorschüsse gewesen sein, die es mit sich brachten, dass der endgültige Vertrag noch so lange auf sich warten liess, dass Philipp II. ihn erst am 14. Februar 1598 ratificiren konnte. Wiederholt war während der Unterhandlungen die Hoffnung zum Ausdruck gekommen, man werde mit dem jugendlichen Thronfolger leichter und zu einer annehmbareren Verständigung gelangen, als mit dem misstrauischen und hartnäckigen Philipp II.; dennoch zwang er selbst noch seinen Gläubigern diesen neuen Vertrag auf, ehe er von seinem schweren Regentenamte auf ewig Abschied nahm.

Immerhin war es für die Anfänge Philipp’s III. eine Erleichterung, dass die Anweisungen vorübergehend beseitigt, die Geldmächte zu neuen Vorschüssen verpflichtet waren. Dass aber bei dem gänzlichen Mangel einer weiter blickenden Finanzpolitik [300] die stetig wachsende Belastung des Landes mit Rentenschulden die Steuerkraft mehr und mehr erschüttern musste, ist einleuchtend. Sowohl Philipp III. (1607) als Philipp IV. (1654) haben erneut von der Suspension der Anweisungen Gebrauch gemacht, aber da der erstere überhaupt nie, der letztere doch nur vorübergehend und ohne Consequenz dem Uebel die Axt an die Wurzel zu legen wagte, so blieben diese Mittel, was sie von Anfang an gewesen, ein Nothbehelf, um sich aus augenblicklichen Verlegenheiten herauszureissen, der aber den doppelten Nachtheil an sich hatte, den Credit des Staates bedenklich zu erschüttern und Handel und Wandel im ganzen Lande schwer zu schädigen.