Die Turteltaube
Die Turteltaube.
Wenn ein Menschenhasser, spricht die Sage,
Ein Erobrer auf der Welt erscheinet,
Trauret jedes Element; die Wolke
Regnet Blut; es schwärzet sich der Himmel;
Brechen aus dem Abgrund'; in den Lüften
Heulen Stürme, Geister in den Stürmen:
„Weh den Menschen, Weh! Zu Noth und Jammer,
Tausenden zum Weh ist er gebohren!“ –
Aufging, lag die Welt in heilger Stille.
Heller glänzeten die Sterne; segnend
Trat ein neuer Stern hervor, und sagte
Frommen Weisen in das Herz: „erfüllet
Denn der Trost der Völker ist gebohren!“
Und die Engel sangen in den Lüften:
„Ehre, Ehre sei Gott in der Höhe!
Fried’ auf Erden! allen Menschen Freude!“
„Freuet euch! dem Volk ist er gebohren!“
Stillverborgnes Kind! Es sangen keine
Phöbusschwän’ um deine dunkle Krippe;
Aber was die treue Turteltaube
Sprach und girrete in ihren Tönen)
Das erzählte mir die heilge Sage:
„Lieblicher Knabe,
Hier in den Windeln,
Hier in der Kluft?
Zwar der Geliebte
Nahet sich gern
Theilet mit ihm
Kummer und Schmach.
Und je verborgner,
Und je verkannter,
Trägt er die Last.
Aber, o Knabe,
Wisse, du trägst,
Du, ein Lamm Gottes,
„Alter Aeonen
Gräßliche Last
Frevel und Irrthum,
Greuel und Wahn.
Schöner als jener
Leuchtende Stern!
Dornen und Undank,
Geißel und Schmach,
Warten auf dich.
Siehe, du lächelst?
Willst du mir sagen:
Liebe verschmähet
Liebe besieget
Schmerzen und Tod.
Auf dann und ende,
Was du beginnst!
Giftiges Nest.
Ueber der Drachen
Neidende Zähne
Wandle beherzt.
Ueber den Sternen
Sehen wir uns,
Deine Geliebten,
Alle mit dir!“
Und die Engel sangen in den Lüften:
„Friede, Freude!“ – Und das Chor der Sterne,
Aller Zeit und Ewigkeiten Inhalt
Sind ein langer Nachhall ihres Liedes.
- ↑ Nach der Tradition ist Christus in einer Felsenhöhle vor Bethlehem gebohren.