Die Republik Mexico (Das Ausland, 1828)

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Titel: Die Republik Mexico (Das Ausland, 1828)
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aus: Das Ausland, Nr. 98, S. 389-390
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Republik Mexico[1].


Als wir kürzlich in diesen Blättern eine Notiz über den inneren Zustand von Mexico mittheilten[2], schienen die Ereignisse noch weit entfernt, die gerade um jene Zeit, nämlich in den letzten acht Tagen des verflossenen und in den ersten des gegenwärtigen Jahres – die Existenz der Republik bedrohten. Wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika die Parteien der Democraten und Föderalisten,[3] so standen in Mexico sich die Yorkinos und Escoceres gegenüber, von denen die ersteren, entschiedene Republikaner, den Präsidenten Guadelupe Vitoria, die letzteren – zum Theil dem Interesse des Mutterlandes, oder wenigstens der Erhaltung der alten hierarchischen und aristocratischen Elemente nicht abgeneigt – den Vicepräsidenten des Congresses, Bravo, zu ihrer Partei zählten. Vergebens erschöpften die Escoceres, der natürlichen Ordnung der Dinge nach im Nachtheil – da sie still stehen wollten, während alles um sie her rasch und rüstig vorwärts drängte – alle Mittel, die ihnen der Aberglaube und die Unwissenheit des Volkes darboten, um ihre Gegner bei demselben als Feinde der Ruhe und der Religion verdächtig zu machen, selbst der verabscheute Name der Freimaurer, den sie denselben beilegten, verlor seine magische Kraft; und schon stand der Congreß im Begriff, die Vertreibung aller Spanier von dem Gebiete der Republik zu beschließen, – eine Maßregel, welche den Streit zwischen den Freunden des Alten und des Neuen mit einem Schlage entscheiden mußte. Unter diesen Umständen blieb den Escoceres nicht anderes übrig, als ihr Spiel verloren zu geben, oder einen letzten Streich der Verzweiflung zu wagen. Sie wählten das letztere und griffen, ohne Rücksicht auf die Unwahrscheinlichkeit des Erfolgs, zu den Waffen.

Ein Obristlieutenant Montano erhob zuerst zu Otumba, einer Provincialstadt in der Nähe von Mexico, die Standarte der Empörung, indem er eine Proclamation erließ, in welcher an das Gouvernement folgende Forderungen gestellt waren:

„1 Artikel. Die Bundesregierung soll dem Congreß der Union ein Gesetz vorlegen zur Unterdrückung aller geheimen Gesellschaften, welchen Namen und Ursprung sie auch haben mögen.“

„2 Art. Die Regierung muß nothwendig ihre Ministerien anders besetzen, und diese Stellen an Männer von anerkannter Redlichkeit, von Tugend und Verdienst vergeben.“

„3 Art. Sie muß ohne Zeitverlust dem Gesandten der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika seine Pässe zustellen.“

„4 Art. Sie muß unsere Constitution und die jetzt bestehenden Gesetze in Kraft erhalten und beobachten.“

  Otumba, 23 Dec. 1827.

Nur wenige Leichtgläubige und Bethörte, meist Altspanier, sammelten sich. Bei der Annäherung der Truppen, welche die Regierung, auf die erste Nachricht von dem Ausbruche der Empörung, unter dem Commando des Generals Guerrero, gegen sie aussandte, sahen sich die Mißvergnügten genöthigt, Otumba, wo die Masse des Volkes gleichgültig und theilnahmslos geblieben war, zu räumen. Indessen hatten, wenige Tage nach dem Abmarsch Guerreros, mehrere Offiziere, die als heftige Escoceres bekannt waren, Mexico verlassen, um sich mit Montano zu vereinigen. Groß wurde die Bestürzung, als, am 31sten December, diesen auch der Vicepräsident, Nicolo Bravo, folgte, indem man unmöglich annehmen konnte, daß ein Mann, der sich in dem Unabhängigkeitskriege so große Verdienste um die Republik erworben hatte, sich in eine hoffnungslose Unternehmung einlassen würde. Ohne Zweifel war Bravo durch voreilige Berichte von seinen Anhängern getäuscht worden; erst, nachdem er fünf oder sechs Tage ohne alle Begleiter umher geirrt, gelang es ihm, Montano zu erreichen, dessen Corps inzwischen durch Desertion auf ungefähr 150 Mann geschmolzen war. Sie zogen sich hierauf nach Tulancingo, einem kleinen Ort, etwa 25 Stunden N. O. von Mexico, auf der Straße nach Tampico, zurück, wo sie sich zu verschanzen anfingen. Guerrero, der ihnen auf dem Fuße gefolgt war, umringte sie, und nach schwachem Widerstand waren sie gezwungen, die Waffen zu strecken. Bravo selbst, vier Obersten, von denen einer – Correa – gefährlich verwundet, sieben Obristlieutenants und vierzehn Capitäns wurden gefangen; und der Congreß befahl der großen Jury, sie als Verräther des Vaterlandes in Anklagezustand zu stellen.

[390] Die Empörung, die den mexicanischen Bundesstaat mit allen Schrecknissen eines Bürgerkrieges bedrohte, mußte durch diesen Ausgang nur dazu dienen, die Institutionen, die sie stürzen sollte, dauerhafter zu befestigen, indem sie eine Menge fremdartiger, störend einwirkender Elemente aus dem Körper der Republik entfernte; der Sturz der Escoceres hat den Sieg der Demokratie für Mexico – und man kann vielleicht sagen, für Amerika – entschieden.

Alle einzelnen Bundesstaaten, selbst viele der kleinsten Ayuntamientos, sprachen bei dieser Gelegenheit ihre Anhänglichkeit an die Verfassung und ihre Ergebenheit gegen die Bundesregierung aus; nur in dem Staate Veracruz entstand gleichzeitig mit dem von der Hauptstadt aus geleiteten Aufstande eine Bewegung, die denselben Zweck gehabt zu haben scheint. Der Gouverneur dieses Staates, Don Miguel Barraguay, in Uebereinstimmung mit dem Congreß desselben, erließ ein Verbot gegen jede Art von geheimen freimaurerischen Verbindungen, welcher Form und welchen Namens sie auch seyn mögen, und erklärte sich bald darauf, an der Spitze der Miliz von Xalapa, wo der Congreß des Staates seinen Sitz hat, mit etwa 200 Mann zu Gunsten Montanos, der – wie er behauptete – bereits 2000 Mann unter den Waffen habe. Neun und zwanzig der größten Ortschaften des Staates ergriffen jedoch die Sache der Föderativregierung und stellten einen alten erprobten Patrioten, Oberst Francisco Gomez, an ihre Spitze, der sogleich gegen General Barraguay ernsthafte Vorbereitungen traf; von allen Seiten marschirten Truppen gegen Xalapa, und es ist daher sehr wahrscheinlich, daß auch in Veracruz, in dem Augenblicke, wo wir dieß schreiben, bereits alles beigelegt ist. Eine Benutzung dieser Unruhen von Seiten Spaniens war um so weniger zu befürchten, als der tapfere Commodore Porter mit seinem Geschwader im Hafen von Veracruz lag, und der spanische Commodore Laborde noch an den Küsten von Columbia kreuzte.

Einen ehrenvollen Beweis von dem Geiste, von welchem die mexikanische Marine – größtentheils aus Nordamerikanern zusammengesetzt – beseelt ist, gab erst kürzlich ein Gefecht, das, obgleich von unglücklichem Ausgang, zu den glänzendsten Waffenthaten in dem ganzen Laufe des Kampfes zwischen den spanischen Colonien und ihrem Mutterlande gehört. Die Kriegsbrigg Guerrero, Capitain D. H. Porter, ein Neffe des Commodore, hatte am 9ten Februar zwei spanische Guineabriggs genommen und mit ihren Leuten bemannt; am zehnten stieß sie auf der Höhe von Havanna auf zwei spanische Kriegsbriggs, die Martha und die Maria Amalia, jene von 18 Kanonen und 180 Mann; diese von 10 Kanonen und 130 Mann; nach einem hitzigen Gefecht, in welchem auch der Guerrero, der 22 Kanonen und 136 Mann hatte, in seinem Takelwerk stark beschädigt worden war, suchten beide spanische Schiffe das Weite und entkamen nach Mariel. Man hatte indeß den Donner des Geschützes in dem Hafen von Havanna gehört, und die Fregatte Lealtad, von 54 Kanonen und 500 Mann, war sogleich in See gegangen. Sie soll ein ausgezeichneter Segler seyn, und da die Brigg in sehr beschädigtem Zustande war, so wurde sie bald von der Fregatte erreicht. Es erfolgte hierauf ein verzweifelter Kampf, der zwei und eine halbe Stunde dauerte, und mehr als die Hälfte von dieser Zeit Bord an Bord. Zweimal wurde die Flagge des Guerrero weggeschossen und wieder aufgepflanzt; endlich, nachdem er seine ganze Munition erschöpft hatte, mußte er das Feuer einstellen; und da es bei dem Zustande des Takelwerkes unmöglich war zu entkommen, beschloß Kapitän Porter die Flagge zu streichen. Die Fregatte, in der Meinung, daß die Flagge wieder weggeschossen sey, setzte ihr Feuer fort; und Kapitain Porter wurde, nachdem die Brigg sich bereits ergeben hatte, durch eine Kartätschenkugel getödtet. Der Guerrero hatte, als die Spanier sich seiner bemächtigten, 49 Mann an Todten verloren; beinahe die ganze übrige Mannschaft war verwundet; der Verlust der Spanier betrug an 200 Mann, und die Fregatte war, als sie mit ihrer Prise in Havanna einlief, beinahe eben so arg zugerichtet, als diese. Der Leichnam des tapfern Kapitäns wurde mit allen militärischen Ehren zur Erde bestattet.

  1. Nach Auszügen in den englischen Journalen aus den neuesten nordamerikanischen und mexicanischen Blättern: El Sol und El Correo de la Confederacion Mexícana (bis zum 13ten Jan.), Commercial Advertiser (von New-York, 27ten Febr.) Baltimore American and Philadelphia National Gazette.
  2. S. Ausland, Nr. 36 vom 5ten Febr. S. 144.
  3. S. Ausland, Nr. 46, S. 186. folg.