Die Räuberhöhle am Schafteiche bei Glauchau

Textdaten
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Autor: Widar Ziehnert
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Titel: Die Räuberhöhle am Schafteiche bei Glauchau
Untertitel:
aus: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. Band 2, S. 225–232
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1838
Verlag: Rudolph & Dieterici
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Erscheinungsort: Annaberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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[225]
25.
Die Räuberhöhle am Schafteiche

bei
Glauchau.

[226] Am Schafteiche, welcher 3/8 Stunde im Umfange, nördlich von Glauchau fast den ganzen ebenen Raum zwischen dem Scheerberge, der Mulde und der Lungwitz erfüllt, entdeckte man 1793 einen unterirdischen Gang, der mannshoch und durch festes Gestein, wohin? weiß man nicht, stollenartig fortgeht, und die Räuberhöhle genannt wird. Nachstehende Sage dürfte in Anfang des vorigen Jahrhunderts fallen, da sie noch lebende Glauchauer von ihren Großvätern, als welche es erlebt hätten, erzählen gehört haben. Freilich müßte da die Räuberhöhle schon früher bekannt gewesen seyn.




[227]

     Bei Glauchau ist ein großer Teich,
     und nahe an des Teiches Rand
     ist eine Höhl’, an Schätzen reich,
     die Räuberhöhle nur genannt,

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weil dort vor vielen vielen Jahren

verrufne Räuberbanden waren.
     Bei jener Höhle noch dabei
     steht eine große Schäferei.

     Dort dient einmal ein armer Hirt,

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     der hat ein einzig Söhnlein nur,

     das spielt, sobald es Abend wird,
     am Teiche auf der grünen Flur.
Wie hat’s der Arme schlecht hienieden!
muß eines Fremden Schafe hüten,

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     und weiß sein eigen Kind allein

     und ohne alle Obhut seyn!

     Der Knabe Veit war erst elf Jahr,
     doch schon ein recht verwegnes Blut.
     Er kam wohl öfter in Gefahr

20
     durch seinen unbesonn’nen Muth.

Oft stand er lange vor der Höhle,
und dachte so in seiner Seele:
     „Ja, fänd’ ich nur den Weg zurück;
     ich lief’ hinein mal auf gut Glück.“

[228]
25
     Einst stand er auch im Abendschein

     am Eingang jener Höhle noch,
     und sah, wie neben ihm hinein
     lautkackernd eine Henne kroch.
Schwarz war sie und gesprengt mit Golde,

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und dockt’, als ob sie legen wollte.

     „Ei, denkt er, die legt da hinein!
     Ihr Nest muß in der Höhle seyn.“

     Die Gierde, dieses auszuspähn
     läßt ihm von nun an keine Ruh.

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     Er will durchaus die Eier sehn,

     nur weiß er keinen Weg dazu.
Gar leicht ja konnt er in den wirren
und finstern Schluchten sich verirren,
     wo ihm – das sah er nur zu klar –

40
     der Hungertod zu sterben war.


     Alltäglich mit dem Abendstrahl
     zieht’s mächtig ihn zur Höhle hin.
     Er sieht die Henne jedes Mal,
     und endlich kommt ihm was zu Sinn.

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Daß er zurück sich wieder findet,

nimmt er ein Knäuel Garn, und bindet
     es außen fest an einen Stein,
     und fängt die Henne glücklich ein.

     Er bindet an die Pfote ihr

50
     des Garnes End’ mit leichter Müh,

     und ohne daß das Wunderthier
     dabei sich sträubte oder schrie.

[229]

Drauf läßt er sie nach Willen gehen,
und ohne sich mehr umzusehen,

55
     geht er ihr nach. Der Faden weist

     sich ab, so wie die Henne läuft.

     Er hält ihn sorglich in der Hand,
     damit, wenn ja von ohngefähr
     die Henn’ im Finstern ihm verschwand,

60
     er doch des Rückwegs sicher wär’,

und folgt ihr mit getroster Seele,
und kommt tief in die finstre Höhle,
     und fürchtet nur, daß sich das Nest,
     im Finstern nicht erkennen läßt.

65
     Da wird es plötzlich vor ihm licht

     und hell, wie blauer Schwefelschein;
     er sieht – ihm blendet’s das Gesicht,
     ihm schreckt’s wie Eis durch Mark u. Bein –
er sieht ein schwarzes Ungeheuer,

70
die Augen dunkelgrünes Feuer,

     die Krallen glänzendblau wie Stahl,
     im Rachen Zähne ohne Zahl.

     Es glotzte ihn entsetzlich an
     so starr als wie ein Marmelblock.

75
     Daneben stand ein kleiner Mann

     im aschengrauen Mantelrock,
der trug ein Säcklein in den Händen,
mit Geld gefüllt an beiden Enden,
     und rief mit dumpfem hohlen Ton:

80
     „Tritt näher nur herzu mein Sohn!“


[230]

     Der Knabe stehet still und zagt,
     doch endlich tritt er noch hinzu.
     Da giebt der Mann ihm was, und sagt:
     „Dies ist für dich, und schweigest du,

85
so kannst du immer wiederkehren;

wo nicht, wirst du dein Glück zerstören!
     Jetzt, Kleiner, magst du wieder gehn,
     und schweig von dem, was, du gesehn.“

     Da dankt der Knabe ihm recht schön,

90
     und tappt am Faden sich zurück,

     und bleibet vor der Höhle stehn,
     und fasset kaum sein großes Glück,
und treibt des Männchens reiche Spende
wohl mehr denn zehnmal durch die Hände:

95
     s’ sind sieben Thaler, neu und blank,

     mit Silberglanz und Silberklang.

     Wie gerne hätte er sein Glück
     dem armen Vater kundgethan,
     doch drohend stand vor seinem Blick

100
     der kleine aschengraue Mann.

Er seufzt: „Was hilft mir in den Taschen,
das Geld? Ich muß es doch vernaschen;
     denn kauf’ ich mir ein neues Kleid,
     so will mein Vater drob Bescheid!“

105
     So oft er nur ein Lüstchen hat

     nach Mandelkern und Zuckerkand,
     geht er zum Kramer in die Stadt
     mit einem Thaler in der Hand,

[231]

bis daß ihm endlich von den sieben

110
auch nicht ein einz’ger mehr geblieben.

     Da holt’ er sich dieselbe Zahl
     vom grauen Männchen noch ein Mal.

     Er kauft und nascht nun täglich mehr;
     da fällt’s dem Kaufmann endlich auf,

115
     er fragt: „Wo sind die Thaler her?“

     und Veit erwiedert nichts darauf,
und wird so ängstlich und verlegen.
Das muß sogleich Verdacht erregen,
     so daß, da Veit ihm nichts gesteht,

120
     der Kramer mit zum Vater geht.


     Des Knaben Vater weiß von nichts,
     und wird vor Schrecken todtenbleich,
     und ruft: „Ach Herr, seht, mir gebricht’s
     an Pfennigen für solches Zeug,

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geschweige, daß ich Thaler hätte!

Der böse Range hat, ich wette,
     das Geld gefunden, oder, oh!
     wohl gar gestohlen irgend wo.“

     „Gesteh’ es nur, und leugn’ es nicht!

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     Wo hast du all die Thaler har?“

     Der Knabe schluchzet laut und spricht:
     „Ja, wenn mir’s nicht verboten wär,
da wollt’ ich’s euch wohl gerne sagen,
doch so mögt ihr mich blutig schlagen,

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     ich kann kein Wörtchen euch gestehn,

sonst würde mir’s gar übel gehn.“

[232]

     Da packt der Vater ihn voll Wuth,
     und brüllt: „Du sollst mir’s schon gestehn,
     und müßtest du, verworfne Brut,

140
     darüber auch zu Grunde gehn!“

Er haut ihm mit geflochtnen Riemen,
den Leib voll blutgeschwollner Striemen,
     und blutig Hände und Gesicht;
     der Knabe brüllt vor Schmerz, und spricht –

145
     Er spricht, wie er’s vor Schluchzen kann:

     „Ach lieber Gott, ich will’s gestehn!“
     Und er erzählt’s vom grauen Mann,
     und was er weiter noch gesehn,
und schließt: „Gewiß ich muß es büßen,

150
daß ich dir’s habe sagen müssen!

     Das graue Männchen rächet sich
     an mir gewiß recht fürchterlich!“

     Das hört der Vater tiefbetrübt,
     und seine Härte reut ihn sehr,

155
     denn ach, für seinen Knaben giebt

     es nun wohl keine Rettung mehr.
Er weint die Nacht hindurch. Am Morgen
ruft er den Knaben voller Sorgen;
     doch der ist todt, und hört ihn nicht –

160
     im Nacken steht sein Angesicht.