Die Napoleoniden und die Frauenwelt
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Der Roman der Liebe füllt nur wenige Seiten aus in der Geschichte des ersten Napoleon. Er suchte weder das Herz noch den Geist der Frauen. Seine beiden Ehen schloß er hauptsächlich aus Speculation. Mit der Hand einer älteren Frau erhielt der erst siebenundzwanzig Jahre zählende Bonaparte das Obercommando über die italienische Armee durch den damals in Frankreich allmächtigen General Barras. Die spätere Heirath des einundvierzigjährigen Kaisers mit der jugendlichen Erzherzogin Maria Louise von Oesterreich krönte das eitle Streben des Emporkömmlings nach hoher fürstlicher Familienverbindung. Dem weiblichen Geschlecht im Allgemeinen bewies Napoleon große Rücksichtslosigkeit, deren unzarte Aeußerungen oftmals hart an Rohheit streiften, und den berühmten Frauen seines Zeitalters gegenüber nahm er eine fast kriegerische Stellung ein, er liebte es, sie zu verkleinern und zu demüthigen.
Darum fehlen in seinem Leben jene halb excentrischen, halb sentimentalen Freundschaftsbündnisse mit bedeutenden Frauen, wie sie fast alle anderen berühmten Männer, selbst Friedrich der Große, hatten. Eine Ausnahme ist Napoleon’s aus Phantasiefäden und Weihrauchnebeln gewebtes Verhältniß zur Herzogin Dorothea von Kurland. Diese hatte eine Art von toller Freundschaft für ihn, deren Ausbrüche er sich sehr behaglich gefallen ließ. Die Herzogin lebte mit ihrer sonst geliebten Schwester Elisa von der Recke in beständigem Streit über ihr Idol, denn Letztere war eine begeisterte deutsche Patriotin.
Wie abwehrend sich Napoleon gegen Frau von Staël benahm, die anfangs seine enthusiastische Bewundererin war, ist bekannt, vielleicht weniger seine verspätete Anerkennung auf St. Helena. Er vergleicht sie, wie Las Cases erzählt, mit einer Armida und Clorinde zugleich, Schloß Coppet, der Verbannten reizender Zufluchtsort an den Ufern des Genfer Sees, nennt er einen Waffensaal, in dem man seine Feinde zu Rittern schlug, und er bedauert, sich in Frau von Staël aus einer „gefährlichen Widersacherin“ nicht lieber rechtzeitig eine „nützliche Verbündete“ geschaffen zu haben.
Napoleon’s Betragen gegen die berühmt schöne Julie Recamier war ebenfalls höchst unritterlich. Das Bild vom Hercules am Spinnrocken mochte ihm wohl dabei vorschweben und etwas zu seiner Entschuldigung beitragen.
Denn der rauhe Despot kannte und schätzte vollkommen die Zaubermacht schöner Frauen. Er traute sich selber sogar nur sehr geringe Widerstandskraft zu, wie folgende Thatsache beweist. Als im Jahre 1807 die edle Königin Louise von Preußen ihrem Lande und ihrem Hause das heldenmüthige Opfer brachte, persönlich sich als Bittende dem Sieger zu nahen, setzte Napoleon vorher, von Talleyrand unterstützt, die Preußen vernichtenden Friedensbedingungen fest. Erst nachdem er sich also gesichert hatte, wagte er es, dem berühmten Liebreiz und der holden Unterredungskunst der schönen unglücklichen Frau Trotz zu bieten. Diese Schlauheit und Energie belohnte sich für ihn, denn die Gegenwart der Königin zog einen verwirrenden Zauberkreis um den hartherzigen Corsen, er wurde liebenswürdiger und pflückte sogar eine frischerblühte Rose von einem Fensterbrett im Vorübergehen, um sie der Königin huldigend darzubieten. Die arme Louise hoffte wenigstens noch das feste Magdeburg für Preußen erhalten zu können und fragte:
„Bekomme ich diese Rose mit Magdeburg?“
Beinahe hätte sich die Festung ergeben, da raunte Talleyrand seinem Gebieter in die Ohren:
„Sire, soll die Nachwelt sagen, daß Sie einer schönen Frau Ihre größten Siege zum Opfer gebracht haben?“
Napoleon faßte sich gewaltsam und erwiderte der bittenden Königin:
„Vergessen Eure Majestät nicht, daß ich der Geber, Sie aber die Empfängerin sind!“
Napoleon war spröder, eigenartiger Natur, in seiner Jugend handelte er nach spartanischen Grundsätzen. Seine Sittenreinheit als Jüngling wird durch seine Ehe mit einer Frau, welche älter war als er, noch wahrscheinlicher, denn es ist eine psychologisch merkwürdige Thatsache, daß unverdorbene junge Männer sich vorzugsweise in schöne reifere Sirenen verlieben. Die Proben seiner Charakterfestigkeit legte der junge Bonaparte bereits im Beginn seiner Laufbahn während des italienischen Feldzuges ab. Die schönen Italienerinnen vergötterten den jugendlichen Helden, obgleich er der Feind ihrer Landes war, er reizte ihre Lust an Intriguen, gar Manche wollte ihn gern erobern. Allein Bonaparte sah den Abgrund unter den Blumen, denn Ehrgeiz ist ein zuverlässiger Herzenshüter, und er widerstand jeder Versuchung. Als der jugendliche Commandeur älterer Generale, als beneideter Emporkömmling dem scharfen Zahn des Neides preisgegeben, wußte er, daß die geringfügigste Veranlassung ihm den politischen Todesstoß versetzen konnte. Auch als erster Consul und anfangs als Kaiser befolgte er diese Principien der Enthaltsamkeit, dann aber, auf der Höhe seines Ruhmes und seiner Macht angelangt, schien er solche Strenge gegen sich selbst nicht mehr nothwendig zu finden. Während der wenigen Friedensjahre seiner Regierung tauchte er sich mit Bewußtsein und Behagen tief in die schäumenden Wogen der leichtlebigen französischen Hauptstadt und überließ sich mehreren flüchtigen Neigungen, Leidenschaften, die seiner nicht immer würdig waren.
Außer der Kaiserin Josephine und ihrer Tochter Königin Eugenie Hortense, der anmuthigen geistvollen Mutter Napoleon’s des Dritten, hat eigentlich keine Frau wirklich seelischen weiblichen Einfluß auf Napoleon ausgeübt. Er war ein guter Sohn; doch stand eine unsichtbare Scheidewand zwischen ihm und seiner Mutter Lätitia, es trennte sie die Urader ihres Wesens, die gleichartige Herrschsucht. Auch mit der schönen Pauline Borghese, seiner Lieblingsschwester, von der behauptet wird, daß sie als Modell zu einer Venus des Canova gesessen habe, verknüpfte ihn kein inniges festes Seelenband, und von seiner zweiten Gemahlin Marie Louise entfernte ihn zu sehr der Abstand der Jahre, obgleich ihn ihre kindliche Natürlichkeit und weibliche Frische entzückten und er sich oft und gern über den hohen Reiz der deutschen Frauen aussprach.
Napoleon lernte die Gefährtin seines Ruhmes und die Freundin seines Lebens, die verwittwete Vicomtesse Josephine von Beauharnais, geborene Tascher de la Pagerie, im Salon der Madame Château-Renaud kennen. Trotz der rettenden That vom 13. Vendemiaire spielte der junge Bonaparte in den glänzenden Gesellschaftskreisen des Generals Barras eine höchst unbedeutende Rolle. Die schöne strahlende Vicomtesse, … „eine Fee aus Spitzen und Gaze gewebt,“ … redete einige Male aus Mitleid den Verlassenen, Uebersehenen in der ihr eigenthümlichen holdselig-gütigen Weise an; zum Dank dafür verliebte sich der junge Held sterblich in sie. Die Vicomtesse wurde durch seinen Heirathsantrag höchlichst überrascht und wollte den kecken Freier ablehnen, da sie ihn für „unerträglich herrschsüchtig“ hielt, auch „röche er zu sehr nach Tuch und Stiefeln“. Allein Barras wünschte das Genie des jungen Bonaparte sich dienstbar zu erhalten und redete der jungen unbeschützten Wittwe sehr zu, ihn zu erhören. Seine Worte: „Die Heirat mit Frau von Beauharnais wird dem obscuren kleinen General einen Namen in der Welt schaffen,“ berühren uns jetzt fast komisch, denn heutzutage interessirt sich Jedermann ja eben nur wegen Napoleon’s Ruhm für Madame Beauharnais. Josephinens Freundinnen, Madame Tallien, die Modekönigin damaliger Zeit, und Madame Château-Renaud, sowie die spätere Herzogin von Abrantes, die geschwätzige Mademoiselle de Permon, folgten treulich ihrem weiblichen Instinct, Ehen zusammenzubringen, und boten alle ihre Ueberredungskünste auf zu Gunsten des kleinen Generals. Doch zögerte sie lange mit ihrem Jawort, weil sie sich ahnungsvoll vor ihm „fürchtete“. Sie schrieb an eine dieser Freundinnen:
„Ich bin erschreckt über die Macht, welche Bonaparte über seine Umgebung auszuüben vermag. Sein forschender Blick hat etwas Räthselvolles, er imponirt damit sogar den Directoren; denken Sie, wie er eine Frau einschüchtern muß! Und was mir an ihm gefallen sollte, die Heftigkeit seiner Leidenschaft für mich, erregt mir gerade Bedenken; ich bin über die ersten Jugendjahre fort; werde ich mir diese wilde Zärtlichkeit erhalten können, die bei ihm dem Ausbruch eines Vulcans gleicht?“
Napoleon besiegte indeß durch Beharrlichkeit und Bitten ihre [233] Vorurtheile; am 9. März 1796 wurde die Civilehe vollzogen. Man verdachte Josephine in gewissen Kreisen sehr diese Heirath und nannte sie spottweise die „ci-devant vicomtesse“, eine stolze Marquise verschmähte sogar auf einem Ball den Stuhl neben ihr, weil sie „ihr Unglück verhandelt habe“, und konnte ihr nicht verzeihen, daß sie ihren ersten guillotinirten Ehemann aus reinstem Adelsblute nicht wie eine römische Kaiserin lebenslänglich betrauert hatte. Für Napoleon aber wurde seine Verbindung mit der anmuthigen Frau ein mächtiger Hebel seines Glückes; ihre Geschicklichkeit und Menschenkenntniß ebneten dem kühnen Emporkömmling seine Wege; er wäre schwerlich erster Consul geworden ohne ihre Hülfe; sie wurde seiner Größe unentbehrlich, da in Frankreich stets die Intrigue das Verdienst unterstützen muß; dabei war sie das Muster einer treuen Gattin, einer zärtlichen, sich aufopfernden Freundin.
Es giebt fast keine schöne weibliche Eigenschaft, die Josephine nicht besessen hätte; ihre Liebenswürdigkeit ist berühmt geworden; sie sagte Niemandem etwas Unangenehmes, sie erpreßte Keinem Thränen. Sie milderte die Härten ihres Mannes, sie erwirkte Amnestie für die Verbannten und Verurtheilten und gewann ihm aus Feinden Freunde. Für Literatur und Kunst besaß sie Liebe und Verständniß und einen lebhaften Sinn für alles Schöne. Namentlich war sie eine große Blumenfreundin; sie verpflanzte die erste Camelia aus ihrer Antillenheimath nach Europa und bürgerte zugleich auch jenen eigenthümlich poetischen Zaubervogel, den schwarzen Schwan, bei uns ein.
Die Briefe, welche der General Bonaparte an die Neuvermählte aus Italien schrieb, athmen die größte Leidenschaft:
„Weib! Traum, Qual, Glück meiner Seele, Deine Briefe waren kalt, sie haben nicht den Pulsschlag der Seele. Alles liebst Du mehr als mich, Du versäumst meinetwegen nicht die erste Aufführung eines neuen Stückes im Theater, sagst kein Diner bei Barras ab, um an mich zu schreiben. Mir, dem Ehemanne, zollst Du nur so ein Bischen Achtung, ein Tröpflein der holden Liebenswürdigkeit, von der Dein Herz überströmt … ich beneide Fortuné (der Lieblingskater), ja Fortuné um Deine Liebkosungen …“ Einmal sandte er ihr vom Kriegsschauplatz die hübschen anerkennenden Worte: „Während ich Schlachten gewinne, gewinnst Du mir daheim die Herzen!“
Diese Liebe hatte aber die Schattenseite der heftigsten Eifersucht. Bonaparte bestellte seiner Frau Sittenwächter in der Person seiner Adjutanten und Secretaire, selbst ihren Kutscher und ihre Bedienten ernannte er zu ihren Aufpassern. Das Uebermaß der Liebe führte ihn mehrmals nahe zu demselben Schritt, den er zwölf Jahre später unter dem Einfluß des entgegengesetzten Gefühls wirklich that, er drohte mehrere Male mit Ehescheidung. „Ich will die Bande von Lockenköpfen und blonden Gecken, die Dir schmeichelt, vernichten, ja ich will einen Eclat, einen öffentlichen Bruch, eine gerichtliche Scheidung!“ schreibt der eifersüchtige Napoleon. Einmal ließ er sämmtliche Sachen seiner Frau in die Portiersloge setzen und ihr selbst den Eintritt in sein Cabinet durch die Domestiken verwehren, und er gab nur sehr zögernd den Bitten und Flehen seiner Stiefkinder Eugène und Hortense von Beauharnais nach, die weinende, geängstigte Josephine wieder in seine Arme zu nehmen. Als Friedenspfand schenkte er ihr nach einer solchen Scene den ersten türkischen Shawl, der überhaupt nach Europa kam. Er gefiel Josephinen so, daß sie sich im Laufe ihres Daseins nicht weniger als hundertfünfzig Stück derselben anschaffte.
Aber auch mit seinem Geize quälte Napoleon die arme Josephine. Sie verstand es meisterhaft, sich gut zu kleiden und mit gebührendem Prunk und Glanz ihre Rolle als Kaiserin zu spielen, aber sie brauchte natürlicher Weise dazu sehr viel Geld. Der stolze reiche Kaiser schalt und tobte ärger über ihre hohen Putzmacherinnenrechnungen, als ein armer Bourgeois, der fürchten muß, durch seine verschwenderische Frau ruinirt zu werden. Dennoch gab er ihr bei Hoffesten den ausdrücklichen Befehl, „durch ihre Schönheit und die Pracht ihrer Toilette zu blenden! Gefiel ihm ihr Kleid nicht, so goß der Barbar sein Tintenfaß darüber aus. Ihre Lieferanten sperrte er in’s Gefängniß, anstatt sie zu bezahlen, bei Gelegenheit seiner Weigerung, eine Rechnung von einem Monat für dreihundert Hüte zu berichtigen, zerschlug er in der Aufwallung eine kostbare Vase und ein prachtvolles Kaffeeservice, die zusammen etwa den Werth der fraglichen Summe repräsentirten. Besonders warf Napoleon Josephinen ihre Verschwendung bei der Restauration Malmaisons vor, dieses Schlosses, das einst in seinen Mauern sein schönstes häusliches Glück schützte, dann Zeuge des rührendsten Napoleonscultus der geschiedenen Frau war und jetzt von französischen Kanonen zerstört worden ist. Die Wände Malmaisons waren mit Gobelintapeten, von Josephinens eigener Hand gestickt, bekleidet, im Treibhause zog sie in tausendfältigen Exemplaren die Bonapartea speciosa, eine südamerikanische Prachtpflanze, vom Botaniker Palisot dem Kaiser zu Ehren so genannt. Das Arbeitscabinet Napoleon’s durfte nie ein Fremder betreten, sie selbst reinigte die getragenen Kleidungsstücke, die dort auf Stühlen ausgebreitet waren, vom Staube, ihre Reliquien nannte sie dieselben. Auf dem Schreibtisch lag ein historisches Werk, an der Stelle gezeichnet, wo er aufgehört hatte zu lesen. Wunderbarer Weise brachte Napoleon nach der Schlacht von Waterloo vier Tage, vielleicht die bittersten seines Lebens, in Malmaison zu. Von dort begab er sich nach Rochefort, um sich den Engländern auszuliefern. Was mag er empfunden haben in diesen Räumen, denen noch die der Fußspur der einst geliebten Frau aufgedrückt war, in denen noch ihr Seufzer wehte? Diese Frau, die sein guter Engel gewesen, der seine Grausamkeit die Todeswunde gegeben und die dennoch sein Unglück nicht überleben konnte!
Das erste Scheltwort zwischen Ehegatten ist fast immer das erste Körnlein einer ganzen Lawine von Schmerz und Zank. Bald schalt Napoleon nicht nur über Josephinens Verschwendung, sondern über alle anderen unangenehmen Vorkommnisse, sogar über die Ungunst des Wetters. Er ließ sie seine Launen fühlen; das Gewaltsame in seiner Liebe löste sich in den crassesten Despotismus und Egoismus auf. In empörender Weise zwang er sie auf Kosten ihrer Freiheit und Gesundheit zum Dienste der Etiquette; selbst als er sich bereits ernstlich mit Scheidungsgedanken trug, spannte er alle ihre Kräfte für huldvolle Einwirkung und glänzende Repräsentation in seinem Interesse an. So riß er einst die fieberkranke Kaiserin am Arm aus dem Bette, zwang sie Toilette zu machen und in vollem Glanz auf einem Balle zu erscheinen. In Folge dieser Barbarei bekam Josephine eine bösartige Hautkrankheit.
Die Scheidung Napoleon’s von seiner Frau bleibt ein schwarzer Fleck in seinem Leben, von welcher Seite sie auch beleuchtet werde; sie war eine schlechte und eine unnütze Handlung. Als im Cabinetsrath die Lösung der Ehe beschlossen war, verkündete der Kaiser selbst der unglücklichen Josephine das Schreckenswort. Er speiste noch einmal mit ihr zusammen, nach beendeter Mahlzeit erfolgte die peinlichste Scene. Sie erzählt dieselbe folgendermaßen:
„Nach dem Kaffee schickte Bonaparte die Diener fort, ich blieb mit ihm allein. Gott, welchen Blick hatte er! er zitterte am ganzen Körper, mich schüttelte der Schauder bis in’s Herz. Er nahm meine Hand, legte sie auf seine Brust und nun sprach er die Worte: ‚Meine Josephine! Du weißt, wie sehr ich Dich geliebt habe. Dir allein, Dir verdanke ich das Glück meines Lebens, aber meine Bestimmung ist größer als mein Wille. Zu Gunsten Frankreichs entsage ich meiner liebsten Neigung! …‘ ‚Nicht weiter!‘ hatte ich die Kraft zu rufen, ich wußte dies, ich erwartete dies, dennoch war der Schlag tödtlich! … plötzlich hatte ich das Gefühl, ich müßte wahnsinnig vor Schmerz werden, die Dinge drehten sich um mich, ich stürzte ohnmächtig zu Boden.“
Die übrigen Präliminarien zur Scheidung ließ der Kaiser durch Mittelspersonen vollbringen, er war zu feige, persönlich weiter mit seinem Opferlamm zu verhandeln. Nach der Scheidung jedoch suchte er ein friedliches Freundschaftsverhältniß mit Josephinen sich zu erhalten. Er schrieb Briefe voll zarter Rücksicht an sie, besuchte sie zuweilen und schickte ihr sogar seinen Sohn, den König von Rom. Nach seinem Sturze, als neben dem Unglück sich ihm auch der schwärzeste Undank nahte, äußerte sich bei ihm wirkliche rührende Sehnsucht nach der treuen Freundin, es rächte sich die begangene Grausamkeit durch die Einsamkeit seines Herzens. „Ich suchte den Tod in mehreren Schlachten, er würde mir heute eine Wohlthat sein, aber einmal, einmal möchte ich noch Josephine wiedersehen!“ so lauten die Schlußworte des letzten Briefes, den sie von ihm empfing.
Nachdem Napoleon von der Großfürstin Anna von Rußland, Kaiser Alexander’s jüngster Schwester, einen Korb erhalten, heirathete er am 2. April 1810 Maria Louise von Oesterreich. Würde ihm auch die Hand dieser Erzherzogin versagt worden sein, so hätte er, [234] … nach dem Memorial von St. Helena, … eine junge Dame aus dem Faubourg St. Germain geheirathet, „une de ces belles tiges de l’aristocratie française.“ Die anderen „schönen Schößlinge“ des Adels wollte er dann adoptiren und sie mit europäischen regierenden Fürsten vermählen! Eine solche Aussicht für seine Töchter würde allerdings den schmollenden Adel Frankreichs ihm gänzlich gewonnen haben!
Trotzdem Napoleon anfangs sehr in seine zweite junge Frau verliebt schien, hat er auf St. Helena diese Heirath ausdrücklich eine „unglückliche“ genannt. Vielleicht hatte er die Vorahnung von Maria Louisens Treulosigkeit, den bekanntlich vermählte sie sich später mit einem Grafen Neipperg. Seinem Sohn, den er nur als rosiges goldgelocktes Kind gekannt hatte, bewahrte Napoleon bis zum letzten Athemzuge abgöttische Liebe.
An seinem Todtenbette saßen zwei fremde Frauen, durch Hochherzigkeit und Treue an ihn gefesselt, die Gräfin Montholon und die Generalin Bertrand. Keine verwandte Hand linderte den tragischen Schmerz seines letzten Augenblicks.
[362]Auch in der Geschichte des zweiten Kaiserreichs nehmen die Frauen eine bedeutende Stellung ein, obgleich ein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen und den Damen des ersten Kaiserreichs sich nicht verkennen läßt. Während der Onkel trotz seiner bekannten Galanterie dem weiblichen Geschlecht keinen directen Einfluß auf seine Politik und seine Handlungsweise gestattete, spielten die Frauen in der Umgebung des Neffen eine mehr thätige Rolle, indem sie nicht nur in sein eigenes Leben, sondern auch in die Geschicke des Landes und zwar nicht zum Vortheile desselben tief eingriffen.
Schon seine Mutter, die schöne und geistvolle Hortense von Beauharnais, wirkte entschieden auf die Entwickelung und geistige Richtung ihres jüngeren Sohnes ein. Von ihr erbte der Prinz jene weibliche Kunst, seine innersten Gedanken zu verbergen, die intriguante Feinheit, welche die reizende Frau mit einer hinreißenden Liebenswürdigkeit zu verbinden wußte, die Kunst, sich ergebene Freunde und Anhänger zu erwerben, den phantastischen Ehrgeiz, den fatalistischen Glauben an seinen Stern, vor Allem aber die Liebe und Begeisterung für den großen Kaiser.
Da Hortense getrennt von ihrem Gatten lebte, so leitete sie fast ausschließlich die Erziehung ihres Sohnes. Sie gab ihm nicht nur die besten Lehrer, sondern ertheilte ihm selbst Unterricht im Zeichnen, Tanzen und anderen schönen Künsten. Jeden Sonnabend mußte er Alles, was er in der vorhergehenden Woche gelernt, vor ihr wiederholen. Die Abende waren dem Lesen von Reisebeschreibungen und geschichtlichen Werken gewidmet, wobei sie als die lebendige Chronik ihrer Zeit und besonders des ersten Kaiserreichs es nicht an interessanten Bemerkungen, lebendigen Illustrationen und Lehren fehlen ließ.
Täglich hörte der empfängliche Knabe aus dem Munde seiner Mutter die Erzählungen von den Thaten und Siegen seines Oheims. Er war Zeuge ihres Schmerzes über den Sturz des großen Kaisers, ihrer Klagen über dessen Feinde, über die schmachvolle Behandlung, die ihr selbst zu Theil geworden. Manches scharfe und bittere Wort über die Treulosigkeit der Mächtigen, über die Feigheit der Großen, über den Verrath und Abfall der alten Günstlinge, über die Gemeinheit der Menschen prägte sich der Seele des Kindes ein und legte den ersten Keim zu seiner späteren Denk- und Handlungsweise.
Auf dem Schlosse zu Arenenberg, wo sich um die verbannte Hortense die Napoleon’schen Freunde versammelten, wurden in Gegenwart des jungen Prinzen die politischen Ereignisse und vor Allen die Lage Frankreichs besprochen, Hoffnungen genährt, Pläne geschmiedet, Intriguen eingefädelt und die weitreichendsten Verbindungen angeknüpft. Mit der größten Spannung verfolgte man die Vorgänge in Paris, die Thorheiten und Fehler der Bourbonen, den herausfordernden Uebermuth der legitimistischen Führer, den steigenden Einfluß der Jesuitenpartei, den Unwillen der beleidigten Bourgeoisie, die Angriffe der liberalen Presse und den dadurch entflammten Haß des französischen Volkes gegen eine Regierung, die nichts gelernt und nichts vergessen hatte.
Doch die Jahre vergingen. Louis Napoleon ging nach den bekannten Ereignissen in Italien nach England, von wo aus er sich um die Hand der damals siebzehnjährigen Königin Maria da Gloria von Portugal bewarb. Die Verbindung kam nicht zu Stande und Louis Napoleon zog es vor, wie der Fuchs in der Fabel, auf die sauren Trauben des portugiesischen Thrones in einem damals an die Franzosen adressirten offenen Briefe zu verzichten.
Weit ernster war wohl seine Neigung für die ebenfalls erst siebzehnjährige Mathilde, die Tochter seines Onkels König Jerôme von Westphalen, die er wirklich geliebt zu haben scheint. Die junge Prinzessin war in jener Zeit eine reizende Erscheinung, klein, aber zierlich gewachsen, eine Elfengestalt mit rosigem Gesicht, von üppigen, blonden Flechten umgeben. Ihre Züge trugen den classischen Stempel des Napoleon’schen Typus, aber gewissermaßen in’s Deutsche übersetzt und durch weibliche Anmuth verklärt. Außerdem besaß sie die wundervollsten großen, feurigen Augen voll Geist und Seele, einen reizenden Mund und die blühendsten Farben, das Erbtheil ihrer deutschen Mutter.
Hortense, welche ihre Nichte wie eine Tochter liebte, war mit dieser Wahl vollkommen einverstanden, um so mehr, da sie ihren Sohn dadurch vor einer politischen Unbesonnenheit zu schützen hoffte. Auch ihr Freund, der ehrwürdige Bischof Heinrich von Wessenberg, redete in demselben Sinne einer solchen Verbindung das Wort, die in einem förmlichen Familienrathe gebilligt und beschlossen wurde. Die bevorstehende Verlobung des in jeder Beziehung passenden Paars wurde jedoch durch das bekannte Straßburger Attentat gestört. In Folge dieses bekannten Ereignisses, das mit der Gefangennehmung des Prinzen endete, sah sich derselbe gezwungen, auf die Hand seiner schönen Cousine zu verzichten und als Verbannter nach Amerika zu gehen. Mathilde heirathete später den durch seine großen Reichthümer bekannten russischen Fürsten Demidoff, von dem sie sich jedoch bald wieder scheiden ließ.
Auf hohem Meere, am Bord der „Andromeda“, auf der er seine unfreiwillige Reise machte, erinnerte sich Louis mit Wehmuth jener schönen Stunden, da er mit seiner reizenden Cousine an den Ufern des Bodensees Arm in Arm in süßem, traulichem Gespräche wanderte. In einer gewissen sentimentalen Stimmung schrieb er in sein altes Tagebuch: „Als ich vor einigen Monaten Mathilde nach Hause brachte, betraten wir gemeinschaftlich den Park und sahen dort einen soeben vom Sturm zerbrochenen Baum, bei dessen Anblick ich zu mir selber sagte, daß unsere Heirathspläne in gleicher Weise durch das Geschick vernichtet werden würden. Was damals mein Geist nur dunkel ahnte, ist seitdem zur Wahrheit geworden. Habe ich denn während dieses Jahres die ganze Fülle des Glückes erschöpft, das mir in dieser Welt beschieden? –“
Wenn auch diese idyllische Liebe zu seiner Cousine nur eine vorübergehende Episode in dem Lebensromane Louis Napoleon’s bildete, so blieben doch Beide auch ferner durch eine innige Freundschaft verbunden. Gleich nach seiner Wahl zum Präsidenten der Republik berief er Mathilde in das Elysée und übertrug ihr die Honneurs seines Hauses, dem sie bis zu seiner Verheirathung [363] vorstand. Fast gleichzeitig knüpfte der Prinz ein interessantes Verhältniß mit der abenteuerlichen Sängerin Eleonore Gordon an, die eine höchst wichtige Rolle bei seinem Straßburger Unternehmen spielte.
Sie war die Tocher eines in Spanien gefallenen Officiers und selbst eine begeisterte Verehrerin des ersten Napoleon, zugleich für den Onkel schwärmend und den Neffen liebend. Die ebenso schöne als geistreiche Primadonna, welche sich damals in Baden-Baden aufhielt, besaß eine ausgebreitete Bekanntschaft unter den jungen Officieren der Straßburger Garnison, die zu ihren Füßen lagen. Mit ihrer Hülfe gelang es dem Prinzen, einige Anhänger zu werben und eine Verschwörung einzuleiten, deren Fäden durch ihre Hände gingen. Sie war seine Vertraute und stand als politische Egeria dem modernen Cäsar zur Seite, der von jeher seine Freundinnen und Gehülfinnen aus den Reihen der Demimonde zu nehmen pflegte. Nicht ohne Ehrgeiz träumte die Theaterprinzessin wohl von einer wirklichen Krone, während sie mit ihrem Geliebten gegen Louis Philipp conspirirte.
In jener Nacht, da die Theilnehmer des Attentats das Programm des verhängnißvollen Morgens feststellten, war auch Eleonore zugegen, die einzige Frau unter den vielen Männern, die sie durch Muth und Geistesgegenwart bei Weitem übertraf und beschämte. Während der Prinz mit seinen Genossen in der „Finkmatten-Caserne“ eine schmähliche Niederlage erlitt, rettete die Sängerin die ihr anvertrauten Papiere, indem sie der nachforschendem Polizei einen entschlossenen Widerstand entgegensetzte. Statt den pochenden Beamten ihre Wohnung zu öffnen, verbarricadirte sie die Thür mit einem Schrank, wodurch sie die Verfolger so lange aufhielt, bis es ihr gelungen war, alle compromitirenden Schriftstücke zu vernichten. Als endlich die Polizei eindrang, fand sie nur noch die verbrannte Asche im Kamin und die kühne Sängerin, die allen Drohungen trotzte. Einzig und allein ihrem Muthe verdankten die Angeklagten ihre Freisprechung vor den Geschworenen, da die gravirenden Beweise fehlten.
Nach dem Scheitern seiner Pläne überließ sich Louis Napoleon in London, wo er von 1838–40 lebte, rücksichtslos dem Strudel der Vergnügungen, durch die er wahrscheinlich den Verdruß über seine unglücklichen Unternehmungen zu betäuben suchte. Unter den Damen, welche der Prinz in England mit seiner Neigung beehrte, zeichnete sich vor allen die reizende Lady Seymour durch ihren Rang und ihre bezaubernde Schönheit aus. Ihr zu Ehren trug er auf dem Turnier, das Lord Eglinton in Ayrshire gab, die Farben der hohen Frau. Bei dieser festlichen Gelegenheit erschien Louis Napoleon mit seinem Gefolge in dem Costüme Wilhelm des Dritten von Oranien, den er als sein Vorbild verehrte, indem er durch diese Wahl darauf anspielte, daß, wie dieser die Stuarts, er die verhaßten Orleans vom Throne stürzen wollte.
Die Verehrung für die stolze Lady Seymour hinderte ihn nicht, ein weniger platonisches Verhältniß mit einer andern englischen Dame, Miß Howard, anzuknüpfen. Dieselbe war eine Schönheit im Style von Rubens, groß und stark, hochblond und rosig, mit üppigen, fast kolossalen Reizen von der Natur ausgestattet. Außerdem erwarb sie sich noch ganz besondere Verdienste um ihren damals sehr verschuldeten Geliebten, den sie mehr als ein Mal mit ihrem nicht unbedeutenden Vermögen unterstützte und vor der Bekanntschaft mit dem Schuldgefängnisse bewahrte. Zum Dank dafür erhob sie Louis Napoleon, sobald er Kaiser geworden war, zur Gräfin von Beauregard; außerdem schenkte er ihr noch eine der schönsten Besitzungen in der Nähe von Paris. Trotzdem war Miß Howard nicht damit zufrieden, da sie mindestens darauf gerechnet hatte, nach so großen Opfern den Thron mit ihrem Anbeter zu theilen. Sie beneidete ihre glücklichere Nebenbuhlerin und forderte dieselbe durch öffentliche Beleidigungen heraus. Mit echt englischer Unverschämtheit lorgnettirte sie eines Abends von ihrer Loge aus die ihr gegenübersitzende Kaiserin Eugenie in so auffallender Weise, daß diese voll Entrüstung aufstand und das Theater verließ. Die Folge war eine überaus heftige eheliche Scene, welche damit endete, daß die Kaiserin sich auf längere Zeit von ihrem Gatten trennte und eine Reise nach dem schottischen Hochgebirge antrat und zwar, wie der „Moniteur“ meldete – aus Gesundheitsrücksichten.
Nach dem Staatsstreich beschäftigte sich der Erwählte des Volkes ernstlich mit dem Gedanken, durch eine ebenbürtige Verbindung die Fortdauer seiner Dynastie zu sichern. Seine Gesandten erhielten den Auftrag, die verschiedenen Höfe zu sondiren und auf eine passende Partie Jagd zu machen. Man traute jedoch dem Kaiserschwindel nicht und selbst die kleinen Fürsten verweigerten dem gekrönten Abenteurer die Hand ihrer Töchter. Die Prinzessin von Hohenzollern, welche später Königin von Portugal wurde, und selbst die damals vermögenslose Prinzessin Wasa gaben ihm Körbe, so daß er sich gezwungen sah, auf eine standesgemäße Heirath zu verzichten und einige Stufen herabzusteigen.
Unter den Damen, welche die Gesellschaften im Elysée besuchten, glänzte vor Allen die spanische Gräfin Eugenie von Montijo durch ihre Schönheit und den Glanz ihrer Toilette. Sie besaß den blendendsten Teint, dessen Reinheit mit dem frisch gefallenen Schnee wetteiferte, eine Fülle blonder, wie Gold schimmernder Haare, anmuthige und ausdrucksvolle Züge, obgleich Kenner ihre Augen zu klein und geschlitzt, ihre Stirn nicht untadelig fanden. Der Schnitt ihres Gesichts und ihr ganzes Wesen erinnerte vielfach an die bekannten Bilder der unglücklichen Maria Stuart, mit der Eugenie eine große Aehnlichkeit zeigte.
Ihre Mutter stammte aus der angesehenen schottischen Familie der Kirkpatriks, die vor langer Zeit nach Spanien ausgewandert waren und daselbst einen einträglichen Handel trieben. Sie selbst galt für eine galante Dame, die viel auf Reisen war und ein abenteuerliches Leben führte, so daß ihr Ruf nicht der beste war. Ihr Gatte soll ein verdienstvoller spanischer Officier gewesen sein, mit dem sie jedoch nicht glücklich lebte. Sie besaß zwei Töchter, die unter der Aufsicht einer solchen Mutter aufwuchsen und die galanten Neigungen derselben theilten. Leider fehlte es nicht an zahlreichen Anbetern, unter denen besonders der Herzog Alba, ein Nachkomme des berüchtigten Feldherrn unter Philipp dem Zweiten, bevorzugt wurde.
Als sich derselbe für die ältere Schwester entschied, nahm sich die verschmähte Eugenie, die ihren Schwager leidenschaftlich liebte, diese Täuschung so sehr zu Herzen, daß sie einen Selbstmordversuch machte. Da das von ihr zu diesem Zweck genommene Gift jedoch nicht stark genug war, um sie zu tödten, so gelang es den schnell herbeigerufenen Aerzten, ihr das Leben zu retten. Von ihrer unglücklichen Liebe geheilt, stürzte sie sich in den Strudel der Zerstreuungen; sie besuchte die Theater, alle öffentlichen Vergnügen und wurde eine besonders eifrige Zuschauerin der landesüblichen Stiergefechte. Außerdem ließ sich die schöne Gräfin von angesehenen Männern, Prinzen, Herzögen und Grafen stark den Hof machen. Da sich aber keiner derselben ernstlich um ihre Hand bewarb, so verließ Eugenie, entrüstet über die Treulosigkeit ihrer Anbeter, das undankbare Madrid, um ihr Glück im Auslande, wo sie nicht bekannt war, mit besserem Erfolge zu versuchen.
Einen Augenblick soll sie sogar, wie behauptet wird, ernstlich daran gedacht haben, der Welt zu entsagen und sich in ein Kloster zurückzuziehen. Nur die Prophezeiung einer alten, halb blödsinnigen Nonne, daß Eugenie bestimmt sei, einen Thron zu zieren, hielt sie zurück, ihren schon gefaßten Entschluß auszuführen. Statt des Klosters besuchte die schöne Eugenie in Gesellschaft ihrer Mutter die vorzüglichsten Hauptstädte und Modebäder, wo sich um Beide die elegante Herrenwelt schaarte. Im Jahre 1848, da sie in London verweilte, machte sie die Bekanntschaft Louis Napoleon’s, mit dem sie bald so vertraut wurde, daß er ihr seine Hand anbot. Sie schlug jedoch damals die ihr zugedachte Ehre aus, weil ihr die Lage des verschuldeten Prinzen nicht die nöthige Garantie zu bieten schien.
„Sie werden,“ schrieb sie ihm bei dieser Gelegenheit, „nach Paris gehen und darnach streben, in Frankreich zur Gewalt zu kommen, Consul, Präsident und vielleicht Dictator werden. Gesetzt nun, Sie haben Ihr erstes Ziel erreicht, werden Sie dabei stehen bleiben wollen? Wird dies Ihrem Ehrgeiz genügen? Werden Sie nicht mehr erlangen wollen? Gewiß werden Sie das. Wie lästig aber würde Ihnen eine Frau sein! Wenn man, wie Sie, Kaiser werden will, muß man sich die Wahl einer Kaiserin offen halten. Wenn Sie aber unglücklich sein sollten in Ihren Plänen, wenn es Ihnen nicht nach Wunsch ergehen, Frankreich Ihnen nicht das bieten sollte, was Sie von ihm erwarten, dann, aber auch nur dann kommen Sie wieder und ich will Ihnen Antwort geben auf Ihren Antrag. Dann erinnern Sie sich, daß ein Herz in meiner Brust schlägt, stark genug, um Sie für allen Kummer, für alle getäuschten Hoffnungen zu entschädigen.“ Mit diesem Briefe soll Eugenie zugleich die Uebersendung [364] eines kostbaren Perlenhalsbandes im Werthe von fünfhunderttausend Franken verbunden haben, durch dessen Verkauf der Prinz zum Theil die Kosten seiner Candidatur bestritt. Gleich nach seiner Wahl zum Präsidenten reiste sie nach Paris, wo sie zum ersten Male bei Gelegenheit einer Jagd in dem Walde von Compiègne erschien. Ihre graciöse Gestalt, durch ein kleidsames Pagencostüm noch gehoben, ihre Schönheit und die Kühnheit, womit sie den feurigen Andalusier zügelte, erregte das Entzücken der Männer und den Neid der anwesenden Frauen. Der Kaiser wich nicht von ihrer Seite und bald sprach man in Paris nur noch von seiner Verbindung mit der reizenden Spanierin. Nichtsdestoweniger zögerte der Kaiser, da seine Freunde, vor allen der bekannte Persigny und auch seine Cousine Mathilde, sich dagegen erklärten. Die Letztere soll sich ihm zu Füßen geworfen und ihn angefleht haben, von der unpassenden Heirath abzustehen. Statt der Spanierin schlug man ihm die polnische Prinzessin Czartoriska vor, aber die geistreiche Fürstin Lieven, unter der Hand um ihren Rath befragt, entschied für Eugenie mit den charakteristischen Worten: „Wenn ich die Wahl habe, so ziehe ich die Cachucha (ein spanischer Tanz) der Mazurka (ein polnischer Tanz) vor.“
Kurz darauf meldete der „Moniteur“ die bevorstehende Vermählung des Kaisers mit der Gräfin Montijo in einem besondern Manifest, worin es unter Anderem heißt: „Wenn man Angesichts des alten Europas durch die Kraft eines neuen Princips auf gleiche Höhe mit den alten Dynastien erhoben ist, so muß man sich nicht dadurch Aufnahme zu verschaffen suchen, daß man sein Wappenschild älter machen und sich um jeden Preis in die Familie der Könige drängen will; sondern darauf, daß man sich immer seines Ursprungs erinnert, seinen eigentlichen Charakter bewährt und frei und offen in ganz Europa die Stellung eines, ‚Emporkömmlings‘ einnimmt, ein ruhmvoller Titel, sobald er durch die Abstimmung eines ganzen Volkes erlangt ist. Meine Heirath ist, da ich mich genöthigt sah, von der bisher befolgten Praxis abzuweichen, mehr eine bloße Privatangelegenheit; es handelt sich dabei um eine persönliche Wahl. Diejenige, auf welche meine Wahl gefallen, ist die Tochter eines edlen Hauses, Französin dem Herzen und der Erziehung nach, wie durch das Blut, das ihr Vater für die Sache des Kaiserreichs vergossen; sie besitzt als Spanierin den Vorzug, keine Familie in Frankreich zu haben, die mit Ehren und Würden bedacht werden müßte. Mit allen Tugenden des Geistes und des Herzens ausgestattet, wird sie eine Zierde des Thrones sein, wie sie in den Tagen der Gefahr eine seiner muthigsten Stützen sein wird. Katholikin und fromm, wird sie dieselben Gebete wie ich für das Wohl Frankreichs zum Himmel senden; anmuthig und gut, wird sie, was ich mit Zuversicht hoffe, in derselben Stellung die Tugenden der Kaiserin Josephine wieder aufleben lassen.“
Am 29. Januar 1854 fand die Civiltrauung in den Tuilerien vor der kaiserlichen Familie und den höchsten Würdeträgern statt. Der Kaiser trug die Generalsuniform, die Braut erschien in ihrer berühmten Robe von Alençonspitzen, mit dem von Demanten und Sapphiren strotzenden Gürtel der Kaiserin Marie Louise. Am folgenden Tage segnete der Erzbischof von Paris die Ehe in der Kirche Notre-Dame ein. Es fehlte nicht an Festen, Aufzügen und loyalen Freudenbezeigungen, obwohl die Bevölkerung nichts weniger als zufrieden mit dieser Verbindung war und von der „Spanierin“ nicht gerade die beste Meinung hatte. Um so mehr war Louis Napoleon von seiner jungen Gattin entzückt, deren Geist und Muth er bewunderte. „Elle a de l’esprit pour deux, et du courage pour dix,“ (sie hat Geist für Zwei und Muth für Zehn) äußerte er einem Freunde gegenüber in den Flitterwochen.
Nach und nach söhnte man sich mit der Ehe des Kaisers aus, in der die Bourgeoisie eine neue Bürgschaft der ersehnten Ruhe und des Friedens erblickte. Eugenie benahm sich anfänglich mit großer Klugheit in ihrer neuen Stellung und suchte das Volk durch Geschenke und Wohlthaten zu gewinnen. Da sie den Luxus und die Moden liebte, so beförderte sie Handel und Industrie, aber zugleich eine früher nicht gekannte Verschwendung und Genußsucht. Unverkennbar übte sie einen großen Einfluß auf die Sitten der französischen Gesellschaft, besonders auf die Frauenwelt, die sie mit der „Crinoline“ und auch mit anderen gefährlicheren Gaben beglückte. Nicht mit Unrecht galt sie für die Tonangeberin des zweiten Kaiserreichs, das durch seine Frivolität und Corruption wesentlich zu der moralischen Fäulniß und Auflösung des französischen Volkes beitrug.
Durch die Geburt eines Thronfolgers wuchs mit der Zeit ihre Macht über den alternden Kaiser und zugleich ihre politische Bedeutung. Als eifrige Katholikin und schwärmerische Verehrerin des Papstes stand sie an der Spitze der jesuitischen Partei, welche Louis Napoleon zu manchem verhängnißvollen Schritt verleitete und dadurch seinen Sturz herbeiführte. Man beschuldigte sie der Intrigue gegen die Minister und Rathgeber der Regierung, wenn diese nicht in allen Dingen ihren Willen thaten, der Beförderung mittelmäßiger, wenn nicht geradezu schädlicher Günstlinge. Ihrem steigenden Einfluß ist ganz gewiß auch mit die Schuld an dem Kriege zuzuschreiben, der mit dem Sturze des zweiten Kaiserreiches und mit der schmachvollen Niederlage Frankreichs endete. Wie man übrigens auch den Charakter der Exkaiserin beurtheilen mag, so wird man doch das Eine zugeben müssen, daß sie die Strafe der Verbannung bis jetzt mit Würde ertrug, der tiefsten Zurückgezogenheit hingegeben und in vergessener Einsamkeit das schwere Verhängniß büßend, das sie mit heraufbeschworen.