Die Mutter Gottes unter dem Hammer

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Titel: Die Mutter Gottes unter dem Hammer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 348
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[348] Die Mutter Gottes unter dem Hammer. Freunde unseres Blattes in Bamberg schicken uns zur theilweisen Ergänzung unseres neulichen Artikels über das Muttergottesdorle den Abdruck einer vom 22. April datirten amtlichen Anzeige ein, aus welcher in der That hervorgeht, daß die wunderthätige Muttergottesstatue, wie jener Artikel in Aussicht stellte, unter den Hammer kommen, d. h. daß sie „Montag den 13. Mai“ von Amts- und Obrigkeitwegen zugleich mit dem gesammten „Mobiliarnachlaß der in Bamberg verlebten ledigen Dorothea Gabler (genannt Muttergottesdorle) gegen sofortige Baarzahlung öffentlich an den Meistbietenden versteigert werden soll“. Interessant ist nun das Verzeichniß aller der Dinge, die zu dem „besagten Nachlaß“ gehören, nämlich: eine Muttergottesstatuette mit Glasschrank, dreiundzwanzig Glasgehäuse mit Wachsfiguren, hundertfünfunddreißig Votiv- und Heiligenbilder, eine Partie Wachskerzen und Opferwachs, drei Colliers von Gold, vierundzwanzig goldene Brochen, ein Faussemontre mit goldener Kette, zwei silberne Ketten, ein silbernes Armband, fünf Paar goldene Ohrringe, vier goldene und drei silberne Fingerringe, fünf goldene Kreuzchen, ein Reliquienglas, siebenzehn Opfermünzen etc. – also der ganze Apparat, wie er an sogenannten „Gnadenorten“ und vor besonders wunderthätigen Marien- und Heiligenbildern, namentlich Süddeutschlands, zu finden und vor Allem aus den Taschen der ungebildeten und ärmeren Bevölkerung herausgeholt und angehäuft ist. „Auf besonderen Antrag der Erben“ wird von dem die Bekanntmachung erlassenden Notar „noch bemerkt, daß die obenerwähnte Muttergottesstatuette in weiten Kreisen als sogenanntes ‚Gnadenbild‘ bekannt ist. Dieselbe war notorisch seit vielen Jahren Gegenstand einer besonderen Verehrung nicht blos von Seite vieler Einwohner der Stadt Bamberg und Umgegend, sondern auch von Seite anderer Personen aus weiter Ferne.“

Die „Erben“ des Muttergottesdorle scheinen also mit der „Muttergottesstatue“ noch ein besonderes Geschäft machen zu wollen, das ihnen die bisherigen Verehrer des Bildes schon darum nicht gönnen werden, weil doch ihre Absicht, das ganze Wunderwerk unter den gemeinen Hammer eines Auctionators zu bringen, auf wenig genug religiösen Sinn schließen läßt. Wir sind nun begierig, wer sich das Gnadenbild ersteigert und zu welchem Preise es zugeschlagen werden wird. Ob es auch unter anderen Händen, als denen des Muttergottesdorle noch Wunder thun wird? Am meisten hat übrigens die Geistlichkeit der fränkischen Bischofsstadt den Tod des Muttergottesdorle zu beklagen. Denn dieses hat sparsam und dürftig gelebt, dafür aber, wie man uns jetzt positiv schreibt, sechs Kirchen der Umgegend reich geschmückt und schließlich dem Domcapitel nicht mehr und nicht weniger als vierzigtausend Gulden vermacht. Nun, die Kirche hat einen guten Magen und um solchen Preis kann auch der Herr Erzbischof in Bamberg ein Auge zudrücken, wenn sich in einer bisher ganz obscuren Dachkammer plötzlich Wunder ereignen, die so staunenswerth sind, daß sie – das Unglück haben, von Vielen für Schwindel gehalten zu werden.