Textdaten
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Autor:
Illustrator: Joseph Resch
Titel: Die Marienkrone zu Filisur
Untertitel:
aus: Fliegende Blätter, Band 1, Nr. 3, S. 17–19
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: MDZ München, Commons
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Die Marienkrone zu Filisur.

Im Graubündt’ner Lande in dem Flecken Filisur lebte vor geraumer Zeit Herr Peter Buol, ein rechtschaffener, gottesfürchtiger Mann, weit und breit im „Ländle“ als tüchtiger Bergmann bekannt. Er hatte viel Gruben in der Nähe, und die Erzknappen hielten auf ihn als einen wackeren, wohlgesinnten Herrn und ihren erfahrensten Steiger. Der Himmel segnete auch seine Arbeit, und wo er Stollen schlug, traf er auf edle, erzhaltige Gänge. So hatte er auch in letzterer Zeit einen mächtigen Gang aufgemacht, und die Steiger waren bis in eine Tiefe von achtzehn Lachtern auf Silberadern gestossen. Der Gang that sich aber noch immer mehr auf, und der fromme Bergmann nannte ihn in dankbarer Anerkennung des Himmelssegens: „Marienkrone“, und empfahl ihn dem Schutze der heiligen Mutter Gottes.

So groß aber der Gewinn war, welchen er aus der Grube zog, so vergällte ihm doch ein böser Spuck die Freude über sein Glück. Seit längerer Zeit war kein Freitag in der Woche vergangen, daß nicht ein kleiner, mißgestalteter Bergkobold in der Grube sein Unwesen trieb, die Stollen auf und ab fuhr, die mit Erz gefüllten Eimer umstieß, die Grubenlichter auslöschte, und den Knappen sonst noch manchen Schabernack spielte. –

[18] Das hätte wohl Allen die Arbeit in der Grube verleiden können; da aber der Kobold nur den lustigen Schalk spielte, auch gerade Niemanden ein Leides zufügte; so gewöhnten sich die Erzknappen allmählig an den drolligen Kunden mit der schwarzen, schmutzigen Lederkappe und dem blinkenden Berghammer im Gürtel, ließen sich durch seine Schwänke nicht irre machen in der Arbeit, ja, hatten selbst ihren Spaß mit dem Zwerglein, dem sie den Namen „Silbernickel“ beilegten.

Das war nun gut, und da Herr Peter Buol merkte, daß seiner Leute Arbeit gedieh, auch der Segen nicht aus der Grube wich; gedachte er so mancher Sage, wie ein freundlich gesinnter Gnom den Steigern Glück brachte, und grämte sich nicht weiter um des Spuckes willen. Silbernickel schaltete nun ungestört in der Grube fort, und da er gewahrte, wie man ihn duldete, und freundlich gegen ihn verfuhr, so vergalt er’s den Bergknappen mit manchem guten Dienste, warnte sie vor bösem Wetter oder sonst einer drohenden Gefahr, und that hie und da mit seinem Berghammer eine Silberader auf, woran keine Seele gedachte.

Unter den Knappen der Marienkrone war Einer mit Namen Klaus, ein böswilliger Mensch, feindselig gegen alle Grubenleute, und selbst gegen den Herrn barsch und unhöflich. Hätte ihn dieser nicht als einen tüchtigen Arbeiter gekannt und um seines Weibes und der zwei unmündigen Kinder willen seiner geschont, er würde ihn längst vom Brode gejagt haben. Denn Klaus war nebstdem ein böser Trinker, und verspielte nicht selten unter anderen wilden Gesellen am Samstage Abend den ganzen Lohn, so daß Frau und Kinder die Woche hindurch am Hungertuche zu nagen hatten. Wie er sich an keinem unschuldigen Scherze erfreute, so war ihm auch Silbernickel im Herzen verhaßt, um so mehr, als es dieser just auf ihn abgesehen zu haben schien. So faßte er denn den Entschluß, die kleinen Neckereien, welche ihm der Kobold angethan, diesem bei nächster Gelegenheit tüchtig entgelten zu lassen.

Zur selbigen Zeit waren die Erzknappen auf eine Kluft im Schachte gestossen. Sie mochte sich wohl auf zwanzig Klafter in die Tiefe erstrecken, und das Rauschen eines Bergstromes tönte gar schauerlich aus dem Schlunde herauf. Hart daran arbeitete Klaus im Gesteine. Er war die Woche über in böser Stimmung, denn das Kartenspiel hatte seinen Verdienst aufgezehrt, und da ihm seine wüsten Gesellen noch darüber geborgt, so hatten sie auch Anwartschaft auf seinen nächsten Wochenlohn. Zudem war aber der Winter vor der Thüre, und er wußte nicht wie der Seinigen Noth zu stillen. Da tobte der Ingrimm in seinem Herzen, und weil er just nichts Anderes hatte, um d’ran seinen Zorn zu kühlen, so schlug er mit seinem Hammer so heftig gegen das Gestein, daß ihm der Schaft in den Händen blieb, das Eisen aber von der Wand zurückprallte, und in die Tiefe hinabstürzte.



Wie leises, höhnisches Gelächter tönte es an der Seite des Knappen. Hurtig wendete er sich dem Schalle zu; da gewahrte er Silbernickel, welcher schadenfroh sich über den Schlund hinausbeugte, und dem versinkenden Hammer nachlugte. In der Brust des Erzürnten aber kochte es, und er dachte nicht anders, als der Kobold sei auch an diesem Ungemache schuld. Mit einem derben Fluche packte er sofort [19] den Zwergen rücklings bei der Ledergurte; – ein kräftiger Stoß – und dieser stürzte dem versinkenden Hammer nach in die schwarze Kluft, und es war deutlich zu vernehmen, wie die Wasser über den fallenden Körper zusammenschlugen!

Schwerathmend stand Klaus an der grausigen Tiefe. Es ward ihm schauerlich zu Muthe und wie Mord lastete es auf seiner Seele. Angstvoll schaute er in die tiefe, dunkle Nacht des Schlundes, als harrete er der rächenden Rückkehr des Kobolds, – und harrete nicht vergebens. Denn das Wasser in der Tiefe fing an zu brausen und zu leuchten, wie das Erz im Schmelzofen, und das Gewände der Kluft brannte, wie glühendes Silber, und an dem steilen Schachte klimmte Silbernickel empor, hohnlachend, den abgebrochenen Hammer in die Höhe haltend. Den Bergknappen rüttelte es wie im Fieberfroste. Als aber der Gnom die Höhe erreicht hatte, warf er ihm den abgeschlagenen Hammer zu, und wo er niederfiel, erbebte das Gestein, und die Wände ließen nach. Da dröhnte es wie ein Bergsturz die Grube entlang, ein gellender Schrei drang aus der Tiefe, darauf ein Getöse wie nachrollendes Gestein.

Bleich und bebend schlugen die Erzknappen auf die Brust. Es war ein großes Unglück in der Grube geschehen; der Gang, darinnen Klaus arbeitete, war verschüttet. –

Von dem Tage an ließ sich Silbernickel in dem Schachte nicht mehr blicken; aber mit ihm blieb auch der Segen aus. Die Gänge zerschlugen sich und wurden taub, und die Grubenleute stießen häufiger als je auf Erzräuber, ein schlimmes Zeichen für den Bergmann. So ging die Marienkrone ein. –

Mehr denn fünfzig Jahre darnach, da Zeit und Wetter gehaust in der zerklüfteten Grube, hatten sich große Felsenmassen abgelöst, und waren in die Tiefe nachgesunken. Waghalsige Bursche, die sich in den Schlund hinabgelassen, stießen auf einen Berghammer, der bis über die Hälfte eingekeilt war in das härteste Gestein. Bald hierauf brachte man einen Leichnam zu Tage, welchen Niemand kennen wollte. In der kalten, lichtleeren Gruft des Schachtes war er unversehrt geblieben, als hätte ihn der Tod erst gestern die Augen geschlossen. Dennoch war er gar schauerlich anzusehen; denn das Haupt saß ihm verdreht auf dem Rumpfe mit dem Gesichte gegen den Rücken. Es war Klaus. –