Die Kunst, ein hohes Alter zu erreichen

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Kunst ein hohes Alter zu erreichen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 818
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[818] Die Kunst, ein hohes Alter zu erreichen. Ueber diese Kunst, welcher die „Gartenlaube“ im Jahrgang 1884 (S. 58) eine längere Betrachtung widmete, hat der berühmte Italiener P. Mantegazza ein Büchlein geschrieben, das auch in deutscher Uebersetzung erschienen ist (Styrum und Leipzig, Adolf Spaarmann). Mantegazza beruft sich dabei auf die Grundsätze richtiger Gesundheitspflege, die er selbst in zahlreichen Schriften verbreitet hat, doch steht die Gesundheit in keiner direkten Beziehung zur Lebensdauer, es kann unter Umständen selbst ein beständig kränkelnder Mensch eine hohe Lebensdauer erreichen. Ueberhaupt führt Mantegazza den Ausspruch eines alten italienischen Arztes an: der wirkliche Werth des Lebens läßt sich nicht nach der Zeit, sondern nur nach dem Gebrauche derselben messen. Gleichwohl ist das Streben nach einem langen Leben fast allgemein und auch natürlich. Nicht nur unsertwegen, sondern auch der andern wegen sollen wir unser Leben zu verlängern trachten. Eine menschliche Gesellschaft, in welcher alte Leute fehlen oder selten sind, ist unvollkommen und ermangelt eines der edelsten Elemente des Gleichgewichts und des Fortschrittes. Einen gesunden und rüstigen Greis schauen wir nicht nur mit Achtung und Ehrfurcht, sondern auch mit Neid an, und die hochbejahrten Greise sind stolz darauf, daß sie die Zeit bezwungen haben, und hängen mitunter aus einer Art Eitelkeit ihrem wirklichen Alter noch einige Jahre an.

Zu allen Zeiten hat es die verschiedenartigsten Mittel und Geheimmittel gegeben, mit deren Hilfe das ersehnte Ziel eines hohen Lebensalters erreicht werden sollte. Von dem vegetabilischen Schwefel und dem Goldelixir bis zum Himmelsbette Grahams, welches den darauf Liegenden mit neuer Lebenskraft erfüllen sollte und diese Wirkung durch elektrische Maschinen, Wohlgerüche, musikalische Instrumente und sinnberauschende Mittel hervorzurufen suchte, bis zum rothen Lebenssaft de l’Ormes, dem „Thee zum langen Leben“, des Grafen Saint Germain, dem Lebenselixir Cagliostros – wahrlich, eine Menge abenteuerlicher Zaubermittel, die ein langes Leben erzwingen sollten! Weit einfacher war die Weisheit Cornaros, der fast hundert Jahre alt wurde und vor allein eine mäßige Diät empfahl. Darauf sind ja auch die Rathschläge der meisten preisgekrönten und nicht preisgekrönten Schriftsteller zurückzuführen, die über dieses Thema geschrieben haben. Der Kernpunkt der Rathschläge Mantegazzas besteht darin, das Nervensystem in einem Zustande harmonischer Energie zu erhalten. Es ist unrichtig, daß das Leben sich bei jedem Kraftverbrauch verkleinere; ebenso wenig ist das Leben ein mit Geld gefüllter Sack, der um so länger aufrecht stehen bleibt, je weniger Geldstücke daraus genommen werden. Das Lebens ist vielmehr mit einer Maschine zu vergleichen, die, sobald man sie nicht gebraucht, verrostet und untauglich wird oder, sobald man sie in übermäßiger Weise in Anspruch nimmt, sich langsam abnutzt oder plötzlich zerbricht. Kein Organ unseres Körpers darf in Müßiggang verharren und ebenso darf keins den Arbeitsantheil der andern sich aneignen. Furcht vor dem Tode ist ebenso schädlich wie hypochondrische Selbstprüfung. Mantegazza meint, daß die Menschen in Zukunft ihr Leben verlängern können. Die Natur bringe ausnahmsweise ein Kakerlak-Kaninchen, eine doppelfarbige Stechpalme, ein Rennpferd hervor; wir erzeugen künstlich bis ins unendliche Kakerlak-Kaninchen, doppelfarbige Stechpalmen und Rennpferde. Ebenso bringe die Natur ausnahmsweise Menschen hervor, die 100, ja 150 Jahre alt werden; aber wir können auf künstlichem Wege bewirken, daß die Ausnahme zur Regel werde!

Ob die Zukunft diesen Wechsel einlösen, diese Verheißung erfüllen wird? Die Vergangenheit giebt keinen Anhalt dafür.