Die Katzenmühle bei Buchholz (Ziehnert)

Textdaten
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Autor: Widar Ziehnert
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Titel: Die Katzenmühle bei Buchholz
Untertitel:
aus: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. Band 2, S. 21–28
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1838
Verlag: Rudolph & Dieterici
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Erscheinungsort: Annaberg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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[21]
3.
Die Katzenmühle

bei
Buchholz.

[22] Diese Sage, welche von mehreren Chroniken und auch unter dem Volke erzählt wird, dürfte noch vor die Entstehung der Stadt Buchholz etwa in die erste Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts fallen.




[23]

Man sagt wohl oft: „Vor weisen Männern
     hat auch der Teufel selbst Respect,“
und doch laß’ ich mir’s nicht bestreiten,
daß er sogar den weißen Leuten

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     schon oftmals unter’s Dach geheckt,

und folgende Geschichte lehrt,
daß er sich nicht an Weißheit kehrt.

In Buchholz war vor grauen Zeiten
     ein gottesfürcht’ger, weißer Mann,

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ein Müller, just nicht reich an Schätzen,

doch auch nicht arm, da er beim Metzen
     gewöhnlich auf was Andres sann.
Die Mühle hatt’ er sich ermetzt,
und einen Stall noch dran gesetzt.

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Doch kaum ach, ist das Ställchen fertig,

     und noch vom flotten Einzugsschmauß
die Esel satt, da kommt der Böse,
und treibt durch Hiebe und durch Stöße
     die grauen Thiere wieder ’raus,

20
worauf er sich ganz ungenirt

und ohne Hauszins einlogirt.

[24]

Der Müller streichelt seine Esel:
     „Na, kommt, ihr Grauen, na, na, na!“
Er zieht beim Ohre sie zum Stalle,

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jedoch sie stemmen sich doch alle,

     und denken bei sich: I, ja, ja!
Wir werden solche Esel seyn!
und keiner ging nochmals hinein.

Als auch das Streichholz nicht will helfen,

30
     ergiebt der Müller sich darein,

und spricht: „Ihr Esel, mit dem Stalle
ist’s nichts; doch Einer steht für Alle,
     drum kommt nur in das Haus herein.“
So nimmt der gute liebe Mann

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sein Vieh zu Hausgenossen an.


Der Stall blieb demgemäß verlassen,
     und nur der Schwarze hauste drin,
auch hätte der gewiß begehret,
wenn’s ihm der Mehlstaub nicht verwehret,

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     noch in die Mühle selbst zu ziehn;

jedoch sein schwarzes Staatshabit
bestäubt er sich nicht gern damit.

Des Nachts, da poltert’s in dem Stalle,
     da paukt es an die Thüre an,

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der Teufel raunzt zu solchem Spiele,

daß man das Klippeklapp der Mühle
     kaum vor dem Lärmen hören kann.
So trieb er’s manches langes Jahr,
da hört, welch End’ vom Liede war.

[25]
50
Es war einmal Nachts im Dezember,

     Eiszapfen hingen an dem Haus
so lang und stark wie Mandeldocken,
Schneewolken beutelten die Flocken
     so groß wie Knäuel Garns heraus.

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Fest war das Thor der Mühle zu,

die Mannschaft drinnen lag in Ruh.

Da ziehn von Cunnersdorf herüber,
     geraden Wegs zur Mühle hin,
zwei Bärenführer mit den Bären,

60
als ob sie fest versichert wären,

     daß sie Herberge finden drin,
und klopfen mächtig an das Thor,
und steh’n und harren lang davor.

Da endlich wird es hell im Hause,

65
     der Müller macht das Fenster auf,

beleuchtet mit dem Kiefernspane
genau die Bärencaravane,
     mummt sich im Pelz, und öffnet drauf,
und nuschelt gähnend: „Kommt nur ’rein!

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Es wird schon Platz für Alle seyn!“


„Hier hab’ ich einen Stall; doch freilich,
     das will ich euch nur frei gesteh’n,
da drinnen spukt schon längst der Teufel,
der wird den Bären ohne Zweifel

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     die Schnauze auf den Rücken dreh’n.

Weiß nicht – doch, wie ihr denkt! – Je nun,
ihr habt das Lassen oder Thun!“

[26]

„„O dober, dober! nix zu saken!
     Was Teufel! Hat Courag’ die Bär!““

80
So polterten darauf die beiden

Polaken, die sich herzlich freuten,
     daß nur der Stall noch ledig wär’,
und führten dann ihr Vieh zur Ruh,
und riegelten die Thüre zu.

85
Drauf führt der Müller seine Gäste

     in’s Stübchen, und heitzt tüchtig ein,
bringt Brandewein herbei und Essen,
und als sie sich recht satt gegessen,
     da schleppt er Schüttenstroh herein,

90
und holt zur Decke auf der Streu

zwei leere Säcke noch herbei.

Drauf wünscht er ihnen gute Ruhe,
     und nimmt das Licht, und geht in’s Nest,
wo ihn jedoch ein stilles Sorgen

95
um die zwei Bärenleichen morgen

     erst spät den Schlummer finden läßt.
Indessen schnarchen längst die Zwei,
vom Marsche müde, auf der Streu.

Doch als der alte Stubenseiger

100
     die böse Geisterstunde schnarrt,

da fängt’s im Stalle an zu hausen,
daß drob der Müller voller Grausen
     in seinem Bette munter ward.
„Hu!“ – denkt er zitternd – „hu, jetzt wird

105
das fremde Viehzeug massacrirt.“


[27]

Er springt voll Aengsten aus dem Bette,
     und guckt versteckt zum Fenster ’naus,
da hört er erst das Kampfgetöse,
die Flüche, Seufzer, Hiebe, Stöße,

110
das Bärgebrüll und das Gebraus.

Er läuft hinab und weckt die Zwei:
„Mit euren Bären ist’s vorbei!“

Da schrecken rasch aus ihrem Schlafe
     die beiden Bärenführer auf:

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„Was hat sik? Sollten sik die Bären

denn nik so mit Courage wehren?
     O, wenn die Tanzbär ginge drauf!
Hat sik das Contretanz studiert,
und trägt die Stock und balancirt!“

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Sie gehn hinaus, und sehn – o Freude!

     wie just der Teufel retirirt,
und sich – das war doch ohne Zweifel
recht eigentlich ein dummer Teufel! –
     aus seiner Wohnung fortskissirt.

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Die Bäre hatten obgesiegt,

und waren wohlauf und vergnügt.

Der Müller hatte große Freude,
     daß nun sein Stall entteufelt war,
und brachte Sauerkraut und Schinken

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und Bier und Brandewein zum Trinken

     den beiden Bärenführern dar,
und auch den zott’gen Kämpfern bot
zum Lohne er ein schwarzes Brod.

[28]

Und als am Morgen drauf die Polen

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     mit ihren Bären weiter zieh’n,

füllt er mit Broden ihre Säcke,
und geht mit ihnen eine Strecke
     bis in die Sehmer Waldung hin,
und spricht: „Ich danke auch recht schön,

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mag’s euch selbander wohl ergeh’n!“ –


Als wenig Tage drauf der Müller
     bei Nacht einmal nach Hause kehrt,
da tritt mit grausigem Getöse
urplötzlich vor ihn hin der Böse,

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     und spricht: „Mein lieber Müller, hört!

Sind denn im Stall – ei sagt mir’s doch!
die beiden großen Katzen noch?“

Der Müller schlägt ein Kreuz, und stottert:
     „Ei wohl, die Katzen sind noch da!“

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Da huscht mit grimmigen Gezische

der Böse abseits in’s Gebüsche,
     und ihn noch Niemand wiedersah.
Gewiß hat’s später ihn frappirt,
daß er sich damals so blamirt.

155
Seitdem nun wurde jene Mühle

     die Katzenmühle nur genannt. –
Wenn ich an ihr vorübergehe,
und auf den Stall daneben sehe,
     denk’ ich: Wie mancher Mann im Land

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hat eine große Katz’ im Haus,

und bringt den Teufel doch nicht ’naus!