Die Königstanne im sächsischen Erzgebirge

Textdaten
<<< >>>
Autor: Fritz Stich
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Königstanne im sächsischen Erzgebirge
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 72
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[72] Deutschlands merkwürdige Bäume: 1) Die Königstanne im sächsischen Erzgebirge. Wenn andere Gebirge, wie hauptsächlich der Böhmerwald, sich durch besonders starke Laubbäume auszeichnen, so sind es im Erzgebirge namentlich himmelanstrebende, mächtige Tannen, welche den Berglandschaften neben den vielfachsten anmuthigen Reizen eine überwältigende Romantik verleihen und auf Auge wie Gemüth ergötzend wirken.

Eine solche Tanne, wirklich eine „Königin“ unter ihren vielen gigantischen Schwestern, ist die „Königstanne“, der Stolz des gesammten deutschen Forstwesens. Dieselbe hat ihren Standpunkt in nächster Nähe des durch seine Holzspielwaarenindustrie in neuerer Zeit wohlbekannten Marktfleckens Olbernhau, inmitten des Erzgebirges. Der Weg von letztgenanntem Orte zur „Königstanne“, welcher bergauf durch einen prächtigen Hohlgang langgestreckter, ungefähr siebenzigjähriger Buchen führt, läßt den Wanderer die Nähe dieses Baumes wenig vermuthen, und um so überraschender ist der Eindruck, wenn man plötzlich zu Füßen des Waldriesen aus seinen träumerischen Vorstellungen und Erwartungen gerissen wird. Die „Königstanne“ steht an und für sich ziemlich isolirt; denn einige wenige Zwergfichten ausgenommen, findet man ringsum nur den eben beschriebenen Buchenbestand, und es tritt somit die Größe der Tanne um so auffallender hervor. Ihr Durchmesser beträgt, 1,4 Meter über dem Erdboden gemessen, 2,07 Meter, sodaß sich ein Pferd, beziehungsweise Reiter, hinter dem Stamme querüber bequem verbergen kann. Der Kronansatz beginnt bei 10,4 der Schaftlänge, und die ganze Scheitelhöhe der Tanne mißt 47 Meter. Es dürfte dieselbe somit als die umfangreichste und höchste ihrer Art in ganz Deutschland, ja vielleicht in Europa zu betrachten sein.

Leider geht nun dieser edle Baum, dessen Alter auf beiläufig 500 Jahre geschätzt wird, seinem Untergange entgegen, indem er seit 1874 bereits oben ausgetrocknet ist, an der für alte Tannen charakteristischen Krone abzusterben beginnt und deshalb auch diese „Königin“ unter den Bäumen bald das Schicksal einer Stuart theilen und dem Beile zum Opfer fallen wird.

Man kann sich einen weiteren Begriff von den Größeverhältnissen des Baumes machen, wenn man den Holzwerth desselben berechnet. Der Schaftinhalt wird auf 57,41 Festmeter, der Reisiggehalt auf 14,36 Festmeter taxirt, was in Summa 71,77 Festmeter macht. Rechnet man nun den Festmeter zu 12 Mark, so ergiebt sich als Resultat ein Gesammtwerth von rund 860 Mark, eine Summe, welche als Erträgniß eines einzigen Baumes gewiß beträchtlich und wohl der Mühe werth ist, Axt und Säge anzulegen.

Die „Königstanne“ bei Olbernhau im sächsischen Erzgebirge.
Nach einer Skizze von F. Stich.

Wünschen wir jedoch, daß uns dieser König unter den Nadelholzbäumen unseres waldreichen deutschen Vaterlandes wenigstens noch für einige Jahre erhalten bleibe und dem Erzgebirge wie bisher zur Zierde gereiche, wenn auch die neuen Generationen diesen Schmuck der Natur werden entbehren müssen; auch Könige müssen sterben, gleichviel, ob Könige unter den Menschen oder Könige unter den Bäumen. Fritz Stich.