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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1895
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: commons
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[37]

Nr. 3.   1895.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.



Buen Retiro.

Von Marie Bernhard.

     (2. Fortsetzung)

5.

Der helle Sonnenschein, der kleine spitze Goldpfeile durch die geschlossenen Vorhänge der Villa schickte, weckte deren Besitzer aus tiefem erquickenden Schlaf. Er kleidete sich rasch an und machte sich sofort an seine wissenschaftliche Arbeit. Er hatte einen guten Tag heute. Sein Gedächtnis gehorchte ihm willig, er brauchte niemals nachzuschlagen, um sich eines Namens, einer Zahl zu versichern, auch sein Stil, mit dem er durchaus nicht immer zufrieden war, genügte heute den Ansprüchen, die er an ihn stellte. Das Frühstück wurde von ihm hastig „nebenher“ verzehrt, er sah und hörte nichts anderes als seine eigenen Gedanken und das Geräusch seiner schreibenden Feder, die ihm nicht schnell genug vorwärts kam, und hatte die Anwesenheit eines weiblichen Wesens unter seinem Dach gänzlich vergessen.

Als dann seine ermüdete Hand und die zum offenen Fenster hereinströmende rasch zunehmende Wärme ihn zum Ruhen zwang, fiel ihm freilich sein neuer Gast ein, und er empfand es mit Beschämung, sich so gar nicht um ihn gekümmert zu haben. Was mußte die junge Frau nur von ihm denken? Er sprang eilig auf und ging in den Garten hinaus, in der Erwartung, sie dort zu finden.

Sie kam ihm unter den schönen alten Lindenbäumen entgegen, blaß und schlank, in einem schlichten grauen Kleide noch mädchenhafter aussehend als gestern. Sie machte einen vornehmen Eindruck, wie sie jetzt langsam daherkam, ein weißes Schirmchen über die Schulter zurückgelehnt. Aber wieder war der vorwiegende Ausdruck in ihrem Gesicht der einer fast hoffnungslosen Müdigkeit, einer Resignation, die nichts mehr von Welt und Leben erwartet, und dieser Zug bildete einen schneidenden Gegensatz zu ihrer zarten Jugend.

„Guten Morgen,“ sagte Röder herzlich und schüttelte das feine Händchen, das sie ihm reichte, „und zugleich ein pater peccavi! Ich bin ein großer Sünder gewesen, ich habe der guten Sitte der Gastfreundschaft und meiner angeborenen Höflichkeit einen Schlag ins Gesicht gegeben, indem ich mich jetzt erst um Sie kümmere und nach Ihrem Befinden frage. Verzeihen Sie es mir, Frau Gabriele! Die Arbeit gelang mir heute gut und hielt mich ungebührlich lange am Schreibtisch fest.“

„Sie dürfen sich durchaus nicht bei mir entschuldigen,“ entgegnete sie, und ihm fiel der Wohlklang ihrer Stimme und eine fremdartige Aussprache des Deutschen auf, „ich bin sehr spät aufgestanden und habe lange in meinen Siebensachen herumgestöbert, dann Ihren schönen Garten angesehen! Und haben wir es nicht ausdrücklich festgesetzt, einander nie zu genieren? Sie sollen jederzeit Ihre Wege gehen, als sei ich gar nicht da, – ich – ich – mache es ähnlich, und dann ist’s gut. Ja?“

Er musste lächeln. „Abgemacht! Brieflich und mündlich erledigt!“ Sie reichten einander von neuem die Hand. „Und nun Ihr Befinden! Wie haben Sie geschlafen?“

Sie schüttelte leicht den Kopf. „Von meinem Befinden und meinem Schlaf ist nichts Gutes zu berichten. Ich schlafe manche Nacht kaum drei Stunden, und diesmal, glaub’ ich, ist’s noch weniger gewesen. ‚Klägliche Nerven‘, sagte mein Arzt in Bremen, und kläglich sind sie auch. Ich kann nichts thun!“

Heinrich von Sybel.

[38] „Das sollen Sie hier auch nicht, nur ruhen, sich pflegen und viel im Freien sein. Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Garten!“

„Gern, ich bin bereit!“

„Setzen Sie keinen Hut dazu auf?“

„Wozu denn? Ich habe ja einen Schirm!“

Sie trug das weiche hellbraune Haar, das sich um Schläfen und Stirn ein wenig kräuselte, im Nacken in einen dicken Knoten zusammengefaßt, was ihre zierliche Kopfform besonders zur Geltung kommen ließ. Keine Nadel im Haar, keine Ohrringe, keine Armbänder, nur an der rechten Hand den glatten Goldreif.

Röder bequemte mit einiger Mühe seinen lebhaften Schritt ihrem langsamen an und führte sie zunächst zu dem stillen Weiher. Hier schien es ihr sehr zu gefallen, sie fragte, ob sie in dem kleinen blauen Kahn, der am Ufer lag, rudern und unter den alten Bäumen nahe beim Wasser ihre Hängematte aufhängen dürfe. Die Laube, der kleine Aussichtstempel, die Blumenbeete und Baumgruppen fand sie gleichfalls schön, aber nach kaum einer Viertelstunde ermüdete sie sichtlich und nahm sein Anerbieten, in der Veranda auszuruhen, dankbar an. Sie sprach nur wenig, aber alles, was sie sagte, gefiel ihm; er mußte auch darüber nachsinnen, ob dies stille Wesen ihrer innersten Natur entspreche oder ein Zeichen ihres Nervenleidens sei. Außerdem mühte er sich in der Stille unaufhörlich ab, irgend eine Aehnlichkeit mit Margot aufzufinden, sei es auch nur im Tonfall der Stimme oder in den Bewegungen. Aber umsonst! Höchstens die Gestalt war mit der der Mutter zu vergleichen, doch hatte Margot rundere Formen und eine weit größere Beweglichkeit besessen, was sie kleiner erscheinen ließ. Gabriele gestikulierte nie. So wie sie sich in dem bequemen Lehnsessel in der Veranda niedergelassen hatte, den Kopf leicht an das Polster zurückgelehnt, die Hände übereinander gelegt, so blieb sie auch während des Sprechens. Sie hatte eine seltsam unbefangene Art, Röder unverwandt anzusehen, als wolle sie sein Gesicht studieren, und ebensowenig schien es sie in Verlegenheit zu setzen, wenn sein Blick auf ihr ruhte. Immer wieder kam ihm, während er mit ihr redete, der Gedanke, das Gesicht der jungen Frau, die da vor ihm saß, sei nicht das wahre, sie könne ganz anders aussehen, ganz anders blicken wie jetzt, doch erregte ihm diese Empfindung kein Unbehagen, im Gegenteil, sie weckte sein Interesse, und er fragte sich im stillen, ob er wohl die richtigen Züge zu sehen bekommen und wann dies geschehen würde. Im ganzen war Röder nicht das, was man einen guten Gesellschafter nennt. Mit Freunden und Bekannten wußte er angeregt und lebhaft zu plaudern, Fremden gegenüber war er meist unzugänglich. Diesen klugen blaugrauen Augen gegenüber, die so beharrlich auf ihn gerichtet blieben, war indessen seine gewohnte Zurückhaltung ganz verschwunden, vielleicht kam auch der Umstand hinzu, daß es seiner Pflegeschwester Margot Tochter war, zu der er sprach, kurz, er erzählte weit mehr von sich, seinen Erlebnissen, seinen Arbeiten, als er es Leuten gegenüber gethan hatte, die er seit Jahren schon kannte. Gabriele Hartmann besaß die bei Frauen seltene Gabe, gut zuzuhören, und den Redenden störte es durchaus nicht, daß sie nur höchst selten ein kurzes Wort oder eine Frage dazwischen warf.

Sie machten dann, da er zufällig seines Arbeitszimmers erwähnte, einen Rundgang durch das ganze Haus. Neben seinem Studierwinkel hatte er sich ein kleines Zimmer zur Bibliothek eingerichtet, ein paar große Fächerschränke und lange Wandbretter waren ganz und gar mit dichten Bücherreihen gefüllt. Neben dem Fenster stand ein weicher Polsterstuhl und eine mit bunten Decken behangene Ruhebank.

„Wenn es Ihnen hier gefällt und Sie Lektüre wünschen,“ erklärte der Hausherr, „so können Sie jederzeit nach Belieben aus- und eingehen – sehen Sie, das Zimmer hat noch seinen besonderen Eingang vom Treppenflur. Dort am Fenster können Sie bequem ruhen oder auf dem Sessel sitzen, mich stören Sie nicht, da ich die Bücher, deren ich bedarf, in meinem Zimmer habe. Ich fürchte freilich, daß meine kleine Bibliothek nicht viel ansprechende Damenlektüre enthält und daher keine besondere Anziehungskraft für Sie besitzen wird!“

„Vielleicht doch!“ erwiderte die junge Frau mit einem flüchtigen Lächeln.

Im Salon sah es noch ein wenig kahl aus. Röder hatte auf die Ausstattung dieses Raumes kein besonderes Gewicht gelegt, da er nicht daran dachte, Gesellschaften zu geben, und Leute, die ihn gemütlich besuchten, in seinem Wohnzimmer empfing. Jetzt mißfiel es ihm doch sehr, daß der Salon einen so unwohnlichen Eindruck machte. Der schwarze Stutzflügel bildete das beste Stück der ganzen Einrichtung.

„Ich muß Ihnen erklären, wie ich dazu gekommen bin, damit Sie mich nicht etwa in dem schmeichelhaften Verdacht haben können, ein guter Musikant zu sein. Ein junger Bekannter von mir, ein etwas lockerer Vogel, übrigens liebenswürdig und sehr musikalisch, wurde von seinem gestrengen Herrn Papa nach Amerika spediert. Ob das Gewaltmittel für eine Natur wie die seinige das richtige war, wage ich nicht zu entscheiden, jedenfalls konnte ich den Vater nicht hindern, seinen Machtspruch zu vollziehen. Der junge Mensch sollte ihm nun zuguterletzt alle seine Schulden mit Angabe der Veranlassung und des Gläubigers beichten, und da er wahrheitsliebend war, so that er dies auch, mit einer einzigen Ausnahme. Diese Schuld war derart, daß der alte Herr ohne Zweifel in die heftigste Wut geraten wäre und den Sohn mit tausend Vorwürfen überschüttet hätte, was nach der unabänderlichen Lage der Dinge nichts mehr genützt, sondern Vater und Sohn einander nur noch mehr entfremdet hätte. Der Junge hatte sich mir anvertraut, um meinen Rat gebeten. Nun, da die Summe nicht allzu groß war, so gab ich sie ihm, mußte aber von ihm, den dieser „Akt der Großmut“, wie er mein doch sehr natürliches Verfahren nannte, ganz überwältigte, als eine Art Unterpfand diesen schönen Blüthnerschen Flügel annehmen, das einzige wertvollere Eigentum, über das er frei verfügen konnte. All meine Weigerungen halfen mir nichts, er behauptete, sich nicht eher beruhigen zu können, als bis ich ihm den Willen thäte, er würde sonst erdrückt von seinem Dankgefühl und so weiter und so weiter. Da ich ihn wirklich gern hatte und ihn weder beunruhigt noch von Dankesgefühlen erdrückt sehen wollte, was blieb mir am Ende übrig, als den Blüthner, der übrigens für mich tausendmal zu gut ist, anzunehmen? Ich liebe die Musik unbeschreiblich, bin aber für meine Person nur ein mittelmäßiger Dilettant. Sind Sie musikalisch, Frau Gabriele?“

Wieder huschte das flüchtige Lächeln von zuvor über das blasse junge Gesicht, aber es ließ nichts als eine tiefe Traurigkeit in den Augen zurück.

„Ich könnte jetzt nicht musizieren,“ sagte sie matt, „die Musik thut mir weh!“

Er sah sie mit einem warmen teilnehmenden Blick an. „Dann lassen Sie es jedenfalls, wenigstens fürs erste. Vielleicht kommt doch bald einmal die Zeit, da mein Blüthner zu singen anfängt!“

Bei Tisch gestaltete sich die Unterhaltung nicht besonders lebhaft, dank Mamsellchens häufiger Anwesenheit, die sich’s nicht nehmen ließ, ihren Doktor selbst zu bedienen. Der alte Hausgeist trug vortrefflich bereitete Speisen auf, ließ es auch an der gebotenen Höflichkeit nicht fehlen, diese Höflichkeit trug aber zu deutlich den Stempel des Erzwungenen, um angenehm zu wirken. Mamsellchens scharfe schwarze Augen beobachteten die junge Frau wie zwei Spione und gingen dann mit einem so mißtrauischen Blick zu ihrem Herrn zurück, daß dieser zum Lachen gereizt worden wäre, wenn er sich nicht geärgert hätte. Dazu kam noch, daß die junge Fremde keinen noch so unschuldigen Kunstgriff anwendete, um sich Mamsellchens Gunst zu erobern, sie war ganz die vornehme Dame einer dienenden Persönlichkeit gegenüber, während sie sich mit ein paar zutraulichen Worten das Herz der alten Getreuen, die so gutmütig war, hätte gewinnen können. So fror Mamsellchen immer mehr ein, und mit jedem neuen Gericht, das sie auftrug, legte sie ihre Mißbilligung der bestehenden Verhältnisse deutlicher an den Tag. Wenn der Gast wenigstens vernünftig essen, der Kochkunst des Hausgeistes mehr Ehre hätte anthun wollen! Aber die junge Frau aß wie ein Vögelchen und streckte schon nach dem Gemüse die Waffen. „Auch das noch!“ schien Mamsellchens vorwurfsschwerer Blick zu sagen, als sie dies erlebte.

Völlig erschöpft, wie wenn sie die anstrengendste Arbeit hinter sich hätte, beurlaubte Gabriele sich dann, und bis zum Abend blieb sie auf ihrem Zimmer.

Der Doktor machte einen weiten Gang durch Wald und Feld und kehrte erfrischt, mit gesundem Appetit nach Hause zurück. Seinen Gast fand er in der Laube, eine Häkelarbeit im Schoß, die Hände müßig darüber gefaltet.

„Immer müde?“ fragte er mit seiner warmen teilnehmenden Stimme und strich vorsichtig mit seiner kräftigen Rechten über die schlaffen feinen Hände.

[39] „Immer müde! Ich habe zu arbeiten versucht, es ging nicht! Nicht einmal das kann ich mehr! Ob das immer so bleiben wird?“

Ohne weiteres nahm er ihr die Handarbeit fort und legte sie auf den Tisch. „Kein Gedanke daran!“ betonte er nachdrücklich. „Bei Ihrer Jugend – ich bitte Sie! Nur dürfen Sie solches Zeug“ – er warf einen unwilligen Seitenblick auf die Häkelei – „nicht machen, das schadet Ihren Nerven! Was hat Ihnen denn eigentlich der Arzt verordnet und verboten?“

„Ach, mancherlei! Ruhe soll ich haben, gute Pflege, gesunde Luft, sehr viel Aufenthalt und Bewegung im Freien, das war die Verordnung. Das Verbot: keine Aufregung, keine ergreifende Lektüre, vor allem kein Theater –“

Die junge Frau stockte plötzlich, ihr blasses Gesicht war von flammendem Rot übergossen.

Dies war so auffallend, daß Röder stutzte und lebhaft fragte: „Was haben Sie denn?“

Sie suchte offenbar nach einer ausweichenden Antwort, war aber viel zu verwirrt, um eine zu finden.

„Was haben Sie?“ wiederholte er betroffen.

„Ich – ich – ach, meine Mutter hat es mir gesagt, Sie hätten – Sie hätten eine so große Abneigung gegen das Theater!“

„Das trifft nicht ganz zu!“ entgegnete der Doktor ruhig. „Ich bin ein eifriger Theaterbesucher gewesen und schätze die Schauspielkunst und die dazu Auserwählten sehr hoch. Wenn aber Ihre Mutter Ihnen erzählt hat, daß ich mit allem Nachdruck dagegen war, als sie selbst zur Bühne gehen wollte, dann hat sie recht berichtet – ich that das und würde es heute wieder ebenso thun.“

Die junge Frau atmete rasch und hatte den Blick zu Boden geschlagen. „Warum?“ fragte sie nach einer kleinen Pause mit mühsamer Stimme. „Hielten Sie meine Mutter nicht für begabt, nicht für eine Auserwählte?“

„Ich glaube wohl, daß sie Talent hatte – es gelüstete mich jedoch nicht nach einer Probe desselben. Wie gesagt, ich traute es ihr zu. Für eine Auserwählte, die den zahllosen Gefahren und Versuchungen gerade dieses Standes siegreich getrotzt hätte, hielt ich sie bei ihrem feurigen Temperament, ihrem raschen Sinn nicht, und wenn auch! Der Gedanke, sie, die in meinem lieben gemütlichen Elternhause neben mir wie eine Schwester aufgewachsen war, heute in dieser, morgen in jener Rolle auf der Bühne zu sehen, da die hingebend Zärtliche spielend, wo sie gestern die Hassende war, dieser Gedanke hatte für mich etwas Trauriges und Abstoßendes zugleich, ich hätte sie nie in Ausübung ihrer Kunst sehen mögen. Ich möchte überhaupt kein weibliches Wesen, das mir irgendwie nahesteht, auf der Bühne sehen wollen. Das widerstreitet meinem Gefühl!“

Gabriele senkte den Kopf, wie wenn seine Worte sie schwer getroffen hätten. Sie schwiegen beide. Einmal öffnete sie die Lippen, um etwas zu sagen, aber dann seufzte sie nur und schüttelte wie entmutigt den Kopf.

Schräge, brennend rote Abendsonnenstrahlen fielen durch das Blätterwerk der Laube, die weiche Sommerluft zog kosend hindurch. Aus dem nahen Dickicht fing schüchtern die Nachtigall an zu locken, es folgten sehnsuchtsvoll langgezogene Flötelaute, nun eine ganze Skala leidenschaftlichsten Verlangens. Es war, als sei die kleine Sängerin dicht über den Häuptern der beiden, sie stimmte ein wahres Triumphlied der Wonne an. Gabriele hatte die Lippen halb geöffnet, als wollte sie die Töne in sich trinken; ein neuer Ausdruck, den Rüder sich nicht zu deuten wußte, lag auf ihrem Gesicht. Minuten vergingen so, ohne daß ein Wort gesprochen wurde, nur die Nachtigall jubelte und schluchzte über ihnen im Gezweig. Der Narzissenduft drang stark in die Laube herein.

Endlich brach der Doktor das schwüle Schweigen. „Wollen wir nicht lieber fort? Die Narzissen duften so betäubend.“

„Wenn Sie es wünschen, können wir gehen – sonst – die Narzisse ist meine Lieblingsblume –“

Ohne etwas zu erwidern, stand er auf, pflückte einen der bleichen Blütensterne und steckte ihn mit leichter Hand in Gabrielens lichtbraunes Haar. Wie hingeweht lag die weiße Blume darin. Die junge Frau sagte nichts, sie sah verträumt vor sich hin, vielleicht beachtete sie sein Thun nicht einmal.

Wohl aber that dies Mamsellchen, die soeben den Abendtisch in der Veranda gedeckt hatte und nun im Garten erschien, um dies zu melden. Ihr scharfes Auge konnte zwar beim besten Willen keine Veränderung im Gesicht ihres Doktors entdecken, er hatte seine gewöhnliche ruhige Miene, aber die Thatsache war doch da: er hatte einer jungen Dame eine Narzisse ins Haar gesteckt! Und war diese zehnmal Margots Kind und hätte dem Alter nach seine eigene Tochter sein können, und that sie zehnmal so, als ginge sie der ganze Vorgang nichts an, und saß da wie halb schlafend, müde und blaß gleich einer Schwerkranken – die Thatsache blieb bestehen: Doktor Cornelius Röder hatte einer jungen Dame eine Narzisse ins Haar gesteckt!




6.

Indessen blieb dies das einzige Beweisstück, das Mamsellchen auf lange Zeit hinaus zu verzeichnen hatte. Sie stellte es sehr geschickt an, schlich leise wie eine Katze auf unhörbaren Sohlen um die beiden Verdächtigen herum, tauchte gänzlich unvermutet vor ihren Augen auf und betrat Zimmer und Garten unter häuslichen Vorwänden zu ganz ungewöhnlichen Zeiten, sie nahm jedoch durchaus nichts Verdächtiges mehr wahr, nicht den kleinsten „Fallstrick“ von seiten der jungen Frau, nicht das leiseste Anzeichen beginnender Verliebtheit von seiten ihres Herrn. In der That schien es nach jenem ersten Tag, an dem es der Doktor für seine Pflicht gehalten hatte, seinen Gast mit Haus und Garten bekannt zu machen und sich als Hausherr um die junge Frau zu bemühen, ein stillschweigendes Abkommen der beiden zu sein, sich so wenig wie nur irgend möglich um einander zu kümmern. Ihre beiderseitige Tageseinteilung kam dem übrigens zu Hilfe. Während Röder ein Frühaufsteher war und seine Arbeiten, die ihm jetzt gut von statten gingen, gern in den Morgenstunden erledigte, schlief Gabriele, die oft erst in der Frühe etwas Schlummer fand, bis in den hellen Tag hinein. Wenn der Doktor dann Briefe schrieb oder zur Stadt ging oder las, wanderte sie mit ihrer Hängematte zum Weiher, ruhte dort stundenlang, ohne Buch oder Handarbeit, im Schatten der alten schönen Bäume, die Augen träumerisch auf den dunkeln Wasserspiegel gerichtet oder in das ernste Grün des dichten Blätterwerks vertieft. Erst bei Tische bekamen die beiden einander zu Gesicht, aber auch dann gab es keine lebhafte Unterhaltung, keinen irgendwie anregenden Gedankenaustausch. Die geistigen wie die körperlichen Kräfte der jungen Frau schienen gleicherweise ermattet zu sein und unfähig, sich auf sich selbst zu besinnen. So kam es, daß Cornelius Röder, im ganzen ein guter Menschenkenner und sehr geneigt, aus Margots Tochter ein Studium zu machen, am vierzehnten Tage ihres Beisammenseins noch nicht klüger aus ihr geworden war als am ersten. War sie eine innerlich reiche Natur, oder war dies müde Verstummen und Insichversinken das Zeichen angeborener Indolenz, die überhaupt nicht über sich selbst hinaus konnte? Schlummerte ihr Verstand oder war sie von Ursprung her unbegabt und zeigte sich einfach, wie sie war? Besaß sie Charakter und Willenskraft, beides nur durch körperliches Leiden unterdrückt, oder war ihr das versagt geblieben? Ihm wurde täglich dasselbe Schauspiel: eine blasse, zarte Frau mit müden Augen und langsamen Bewegungen, mit schleppendem Gang und leiser Stimme, unabänderlich in demselben schlichten grauen Kleide, das ihre feine Gestalt knapp umschloß, ohne Schmuck, ohne Freude an allem, was sie umgab, willig, aber kurz auf seine Fragen antwortend, im übrigen sichtlich froh, wenn er sie sich selbst überließ, anscheinend nie Langeweile empfindend, ohne Sehnsucht nach geistiger Speise, nach Zerstreuung oder Vergnügen, – bei dem bloßen Gedanken, zur Stadt zu fahren, Menschen zu sehen, in sich zusammenschauernd.

Auch seine Abendspaziergänge machte der Hausherr allein. Wie sollte er Gabriele auffordern, einen weiten Weg zu unternehmen, wenn er sah, daß sie auf ihrer kurzen Wanderung zum Teich unterwegs in der Laube oder auf einer der umherstehenden Bänke Halt machen mußte, da ihre Kräfte sie verließen? Die kalten Bäder schienen ihr mehr zu schaden als zu nützen, sie sah an solchen Tagen noch abgespannter aus und die Schatten um ihre traurigen großen Augen vertieften sich.

So kam es, daß Röder es zuweilen ganz vergaß, daß die Tochter seiner Pflegeschwester überhaupt bei ihm wohne, und sich dann mit einem förmlichen Schreck auf ihre Anwesenheit besann. Alle seine geheimen Befürchtungen von gestörter Arbeitszeit, geänderter Lebensweise und höflicher Selbstüberwindung waren unnötig gewesen, sein „Buen Retiro“ trug immer noch seinen Namen mit Recht.

[40] Selbst Mamsellchen brachte ihren Argwohn mit dem Trostspruch zur Ruhe: „Er wird doch nicht solch’ einen schlechten Geschmack haben und sich in diese Trauerweide verlieben? Immer grau angezogen und kein Leben, kein Färbchen im Gesicht, und schleicht in unsers Herrgotts schöner Natur und in meines Doktors schönem Haus wie so ’n blasses Gespenst herum! Nein, Gott schütz’ und behüt’ – wenn er sich denn doch durchaus noch ’mal verlieben soll, dann müssen dazu doch andere Leute kommen!“

Mamsellchens Kritik war nicht schmeichelhaft und ihr Hauptärger war, daß derjenige, gegen den sie dieselbe äußerte, nämlich Ewert – gegen wen sollte sie sich sonst wohl aussprechen? – ihr gar nicht recht geben wollte.

„Ja, hören Sie, Mamsellchen, ich weiß doch nicht! Sie sind die ältere und haben die Erfahrung vor mir voraus, aber nehmen Sie ’s nicht übel, ob ’ne weibliche Person hübsch ist oder nicht, na, das kann unsereins, ich mein’ Mannsleute, doch am besten beurteilen! Diese hier – nein, ’ne Schönheit ist das nicht, aber die Figur kann sich sehen lassen, obschon sie etwas dünn aussieht – und das Gesicht, ich sag’ Ihnen, lassen Sie die bloß ’mal erst gesund werden und rote Backen kriegen und blanke Augen – dann wollen wir uns wieder sprechen. Und ’was Apartes hat Sie, und ’was Vornehmes hat sie –“

„Haben Sie denn die aparten und die vornehmen Damen ausstudiert, Ewert?“

„Gewiß hab’ ich, und was für welche! Ich bin nicht umsonst Offiziersbursch’ gewesen! Sie hätten ’mal sollen meine gnädige Gräfin Steinbach sehen, und die junge Baroneß Zehrendorff und die Frau von meinem Major, die auch ein geborenes Freifräulein war! Alle durch die Bank vornehm – und mit Ahnen, sag’ ich Ihnen, bis in die Puppen – und das ist das Höchste! So ’was könnt’ hier unsere junge Gnädige auch dreist vorstellen, das Zeug dazu hat sie! Das ist ’was Feines, wenn die so an einem vorbeikommt – ich schlag’ auch nicht für umsonst jedesmal meine Hacken vor ihr zusammen und mach’ Front, als wenn gleich der Herr Oberst ankäme. Das hat alles bei mir seine Gründe, Mamsellchen, und für ’ne gewöhnliche Dame thu’ ich so ’was nicht. Und sie sieht aus wie ’ne Ausländische und sie spricht wie ’ne Ausländische, und, sehen Sie, so ’was gefällt uns Männern auch!“

„Mir nicht! Mir ist das so egal, aber auch so egal!“

„Glaub’ ich Ihnen! Aber unser Herr ist eben ein Herr, und dem wird es nicht egal sein, darauf nehm’ ich Ihnen Gift!“

Mamsellchen ärgerte sich schwer über solche Reden, beruhigte sich aber immer mit dem Gedanken, daß Ewert am Ende nur ein ungebildeter Mensch, ihr Doktor aber ein „ausstudierter Herr“ sei, da könne der Geschmack unmöglich übereinstimmen, und was ihrem Herrn zusage, das müsse ihr doch auch gefallen.

Vielleicht aber unterhielt sich die junge Frau gut mit dem Doktor! Mamsellchen war nicht immer zugegen, zumal des Abends nicht, und ein so kluger Mann würde sicher auf Geist und Unterhaltungsgabe Gewicht legen. Vor allen Dingen brannte der alte Hausgeist darauf, recht viel aus Gabrielens Vergangenheit zu erfahren, von ihrem Gatten, von seinem Beruf, von ihrem Leben nach seinem Dahinscheiden – das alles interessierte sie lebhaft, und sie benutzte ein ruhiges Stündchen vor dem Abendessen, als die junge Frau auf ihrem gewöhnlichen Platz am Weiher und der Hausherr müßig in einer Zeitschrift blätternd in seinem Zimmer war, um letzteren ein wenig auszuforschen. Sie setzte ihm sein Glas Milch recht auffällig und mit Nachdruck auf den Tisch, stellte sich neben ihn und räusperte sich vorbereitend.

Der Doktor that einen kräftigen Zug aus dem Glase und fragte: „Nun?“

„Sie sind klüger als ich,“ eröffnete Mamsellchen diplomatisch ihre Rede, „und so werden Sie mir wohl auch sagen können, was das zu bedeuten hat! Sie trägt Tag aus Tag ein dasselbe graue Kleid, so, als wenn sie gar nichts anderes auf Gottes Welt anzuziehen hätte, und dabei sind drei Tage nach ihrer Ankunft hier mit Fracht ein paar Koffer erschienen – so hoch!“ Die Rednerin zeigte nach dem Ofen.

Röder lachte.

„Nun, und was folgt daraus?“

„Das sollen Sie mir doch eben sagen! Garderobe ist drin, darauf wett’ ich meinen Kopf! Wenn sie aber drin ist, warum zieht sie sie nicht an?“

„Frag’ sie doch danach, wenn’s Dich so ungeheuer interessiert!“

Mamsellchen streckte abwehrend die Hände aus. „Ich und fragen! Das ist ebenso, als wenn Sie mir rieten: geh’ hin und sprich den Kaiser an! Die Dame wendet ja kein Wort an mich, kaum daß sie mir die Tageszeit bietet, es ist so, als ob unsereins gar nicht für sie auf der Welt wär’! Und ich bin immer so höflich!“

„Dabei bitte ich zu bleiben! Wenn Frau Hartmann schweigsam ist, so hat sie sicher ihre Gründe dafür; überdies ist sie krank!“

„Ja, ja, sie sieht aus wie das Leiden Christi. Ob sie sich so um ihren Mann grämen mag?“

„Das weiß ich nicht.“

„Was ist er denn gewesen, ich mein’, so von Amt und Beruf?“

„Ich weiß es nicht.“

„Wie lange war sie denn mit ihm verheiratet? Und ob sie wohl ein Kindchen gehabt hat? Und ob er ihr gar kein Vermögen mag hinterlassen haben?“

Der Doktor erhob sich, trank sein Glas Milch aus und setzte das leere Glas hart auf den Tisch nieder.

„Du bist der wahre Fragebogen, Mamsellchen. Jetzt merk’ Dir’s ein für allemal, damit Du mich in Zukunft mit ähnlichen Quälereien verschonst: ich frage Frau Hartmann grundsätzlich mit keiner Silbe nach ihrer Vergangenheit, ebensowenig nach ihren Zukunftsplänen. Ich weiß nichts von ihrem Mann, ihrem Vermögen und ihren Kleidern, und ich will auch nichts davon wissen, es sei denn, daß sie mir von selbst etwas darüber mitteilt. Sie soll hier leben, wie sie es will, und bleiben, solange es ihr gefällt, unbehelligt und unbefragt, und damit Punktum!“

Mamsellchen sah ihren Cornelius mit großen entsetzten Augen an. Gott im Himmel, was war ihm denn nur in die Krone gefahren, daß er sich derartig ereiferte? Ewerts Bemerkungen von vornehm und apart und fremdländischem Wesen wirbelten ihr im Kopf herum – hatte der dumme junge Naseweis am Ende doch recht mit seinen Behauptungen, die Männer hätten so ziemlich alle denselben Geschmack?

Der Doktor strich freundlich beruhigend über das erschrockene alte Gesicht. „Du brauchst nicht so ängstlich auszusehen, meine Alte! Aber sieh sie Dir doch an, wie elend und hilflos sie ist! Thut sie Dir denn nicht leid, wie sie mir leid thut? Es ist ja ein Jammer um das arme junge Geschöpf – und da soll ich ihr auch noch mit tausend Fragen kommen wie ein Untersuchungsrichter? Daß Frauen immer so neugierig sein müssen! Nimm Dir ein Beispiel an mir: ich bin keine Spur neugierig!“

„Ich frag’ ja bloß aus Teilnahme,“ verteidigte sich Mamsellchen in kläglichem Ton, „und wo werd’ ich denn kein Mitleid haben mit ’was Krankem? Ich möcht’ bloß wissen, von wem denn all’ die Briefe kommen – immer verschiedene Handschriften – und sie hat erst einen einzigen geschrieben, den sie dem Postboten selbst in die Hand gab!“

„Das geht uns alles nichts an! Ich besorge meine litterarischen Arbeiten, Du besorgst Deine Küche, und Frau Hartmann besorgt ihre Korrespondenzen. Ist Dir das klar oder nicht?“

„Was wird es mir nicht klar sein! So einfältig bin ich auch nicht! Aber daß ich auf meine alten Tage soll ganz zum Dienstboten gemacht werden, wo es früher immer gehießen hat, ich wär’ wie eine Freundin im Haus –“

Meine Freundin, Mamsellchen, meine bist Du gewesen und bleibst es auch! Da, die Hand drauf! Und kein Mensch in der weiten Welt soll jemals diese alte Freundschaft stören!“

„Ach, Doktor, Sie können einem das Herz im Leib herumdrehen! Ich bin jetzt auch still und sag’ gar nichts mehr, und wenn die junge Frau das ganze Haus auf den Kopf stellt!“

Damit streichelte Mamsellchen dem Doktor die Schulter, er klopfte sie freundlich auf die Wange, und der Friede war hergestellt.

Das geschah an einem schwülen Juniabend. Die Sonne sandte sengende Strahlen herab, die Schwalben flogen in unruhigem Zickzack und so niedrig, daß ihre Schwingen fast die Erde streiften, am Himmel stand eine schieferblaue Wetterwand, und eine schwere drückende Atmosphäre lastete auf der Erde. Dem Doktor perlten die hellen Schweißtropfen auf der Stirn, unmutig warf er die Arbeit beiseite und ging hinaus in den Garten, vielleicht war es dort erträglicher.

Er ging selbstverständlich zum Weiher, dort war es fast immer kühl und schattig. Stumm ruhte die dunkelklare Flut, kein Blatt an den Eschen bewegte sich, kein Vogellaut wurde hörbar,

[41]

Auf dem Schießstand.
Nach einer Originalzeichnung von Karl Müller.

[42] nur dann und wann flatterte es mit ängstlichem Flügelschlag im nahen Gebüsch.

Zwei starke Bäume dicht am Rande des Teiches trugen die Hängematte. Die junge Frau, die darin lag, hatte den Arm unter den Kopf geschoben, das kleine blauseidene Kissen war zur Erde gefallen. Eines der schmalen Füßchen hing heraus und stieß von Zeit zu Zeit gegen den Baumstamm, um die Hängematte im Schwingen zu erhalten. Auch sonst schien Gabriele unruhig zu sein, sie drehte das Haupt beständig hin und her, der Haarknoten im Nacken hatte sich fast ganz gelöst, sie schien dessen nicht acht zu haben. Als Röder ihr noch näher kam, gewahrte er eine zarte Röte auf ihren fast durchsichtig blassen Wangen und einen fieberhaft flackernden Glanz in ihren großen Augen. Er sah sie an, als erblickte er sie zum erstenmal, sie schien ihm eine völlig andere als all die Tage zuvor.

Als sie ihn bemerkte, richtete sie sich lebhaft auf.

„Wie gut, daß Sie kommen, ich bin Ihnen so dankbar dafür! Wollen Sie mir helfen, da herauszukommen?“

Sie stützte sich leicht auf seine dargereichte Hand und sprang wie eine Feder zur Erde.

„Was haben Sie denn, Frau Gabriele?“ Der Doktor sah sie noch immer unverwandt an.

„Ach, es ist dumm und kindisch, ich weiß es ja, und früher, als ich gesund war, hab’ ich diesen Zustand auch nie gekannt, aber seit meiner Krankheit überkommt sie mich jedesmal, diese nicht zu beherrschende Angst, diese fieberhafte Aufregung, sobald ein Gewitter in der Luft liegt! Und wenn es erst da ist,“ ihr zarter Körper schüttelte sich furchtsam – „das ist entsetzlich! Ich bemühe mich so sehr, mich zu überwinden, aber ich kann nicht, ich kann nicht! Meine kranken Nerven sind stärker als ich. Darum bin ich so froh, daß Sie kamen, allein halte ich’s überhaupt nicht aus!“

„Hätten Sie mich nicht rufen lassen?“

„Ich glaube ja, aber so ist es besser!“

„Gewiß! Wollen wir ins Haus gehen?“

„Meinen Sie, daß das Gewitter gleich kommt?“

„Das weiß ich wirklich nicht! Es sieht aus, als hätte es noch ein Viertelstündchen Zeit bis zum Ausbruch des Unwetters, doch kann meine Berechnung auch täuschen!“

„Ich möchte lieber hier bleiben, solange es angeht. Mir ist, als sollte ich ersticken!“

Mit einem schnellen Griff zog sie ein paar Schildpattnadeln aus dem schon stark gelockerten Knoten. Das seidene hellbraune Haar rollte bis über die Hüften herab, und ihre nervösen weißen Hände zupften daran, während sie den Kopf mit einer schüttelnden Gebärde hintenüberwarf. – In der Ferne meldete sich ein dumpfes Murren, die Blätter der Eichen fingen leise an, miteinander zu flüstern.

„Wollen wir nicht doch hinein ins Haus?“

„Ach nein, bleiben wir lieber hier! Ich denke, das Gewitter zieht langsam heran.“

Er machte sich daran, die Hängematte loszuknüpfen, sie stand mit schlaff herabhängenden Armen neben ihm und sah ihm zu.

Plötzlich schien sich die stille Oberfläche des Wassers zu kräuseln, ein wunderliches hohles Singen ging durch die Luft, und dann fuhr es durch die schieferblaue Wolkenwand wie ein niederzuckendes Schwert – eine atemlose Pause, ein, zwei Sekunden, und ein greller Donnerschlag schmetterte durch die Lüfte.

(Fortsetzung folgt.)




Die Diamanten- und Goldfelder in Südafrika.

Von B. Falk. Mit Abbildungen von A. Richter.

Die erste Mühle bei Moodie.

Hundert Centner Diamanten befanden sich um das Jahr 1865 im Besitz der Menschheit. Hundert Centner dieser funkelnden kostbarsten Edelsteine hatten fleißige Sucher im Laufe von Jahrhunderten und Jahrtausenden gesammelt. So versicherten wenigstens vor dreißig Jahren Leute, die im Edelsteinhandel bewandert waren. Wenn damals jemand behauptet hätte, daß dieser Schatz im Laufe der nächsten fünfundzwanzig Jahre verdoppelt werden würde – man hätte ihn als Phantasten ausgelacht und doch wäre er mit seiner Prophezeiung weit hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben. Ende der sechziger Jahre wurden in Südafrika neue Diamantenfelder entdeckt, deren Reichtum alle Erwartungen übertraf, und die Welt wurde mit einem wahren Diamantregen überschüttet. In 25 Jahren lieferte Südafrika rund 50 Millionen Karat Diamanten, das macht etwa 200 Centner! Und der Vorrat an krystallisiertem Kohlenstoff in diesen wunderbaren Gruben ist noch lange nicht erschöpft. Haben sie doch im 26. Jahre nach ihrer Entdeckung den größten aller bekannten Diamanten geliefert, der 969 Karat oder 198,7 g wiegt! Es ist dies der am Schlusse dieses Aufsatzes abgebildete „Excelsior“, der am 30. Juni 1893 in der Jagersfontein-Mine im Orange-Freistaat aufgefunden wurde und dem man eine wunderschöne blau-weiße Farbe nachrühmt. 200 Centner Diamanten, deren Wert auf etwa eine Milliarde Mark geschätzt wird, sind schon eine Macht, die zahllose Menschenmassen in Bewegung zu versetzen, Tausende von Gemütern zu erhitzen vermag. An die Ausgrabung von 200 Centnern der kostbarsten Edelsteine knüpft sich eine eigenartige Geschichte der menschlichen Arbeit, menschlichen Glücks und Elends. Besuchen wir für einen Augenblick diese weltberühmten Gefilde, hören wir zu, was sie uns erzählen!

Der Schauplatz, auf dem sich die fieberhafte Thätigkeit der Diamantengräber entfaltete, ist West-Griqualand, das von dem Vaal- und Oranjestrom durchflossen wird. In der Nähe dieser Wasserläufe grünen die Bäume und schließen sich zu Wäldern zusammen, aber schon in einiger Entfernung von den Flüssen wird die Landschaft eintöniger, wird sie eine Steppe, die nur im Frühling durch anmutige Schönheit das Auge erfreut. Anfang der sechziger Jahre wohnten in diesen Gebieten in weit zerstreuten Farmen die Boers, mit Vieh- und Straußenzucht beschäftigt. Es war im Jahre 1867, als in einer solchen Farm am Oranjestrom ein Straußenjäger Namens John O’Reilly vorsprach und ein glänzendes Steinchen sah, mit dem die Kinder des Bauers Jacobs spielten. O’Reilly ahnte, daß dieser Stein ein Juwel sein könnte; er ließ sich ihn schenken und Sachverständige bezeugten, daß er ein Diamant von 22½ Karat war, den der Generalgouverneur der Kapkolonie um den Preis von 6000 Mark kaufte. Nun begann man in West-Griqualand allgemein Diamanten zu suchen, und besonders glücklich war ein Kaffer Namens Swartsboy (Schwarzbursche), der Anfang des Jahres 1869 einen Stein von 83½ Karat fand. Dieser Fund machte großes Aufsehen; der Kaffer verkaufte ihn an einen Farmer für 8000 Mark und dieser erhielt dafür von dem Hause Lilienfeld und Brüder in Hopetown 224 000 Mark. Er wurde der „Stern von Südafrika“ genannt und als geschliffener Diamant vom Earl of Dudley für eine halbe Million Mark als Schmuck für die junge durch ihre Schönheit berühmte Gräfin Dudley gekauft.

Von da an bewegte sich ein gewaltiger Menschenstrom nach dem neuen Diamantenland und schon Ende 1869 befanden sich an 5000 „Diggers“ oder Diamantengräber am Vaalflusse, die den Boden durchgruben und in etwa 750 „Wiegen“ durchwuschen.

Die Diamanten lagen hier in einem mit thoniger Erde zusammengebackenen Steingeröll. Dieses wurde, nachdem man es [43] aus der Grube in Säcken oder Eimern heraufgeholt hatte, in einen offenen mit Wasser gefüllten Bottich geworfen und durch Umrühren mit Schaufeln von den erdigen Anhängseln befreit. Dann brachte man das Geröll ans Flußufer, wo jeder Digger seine eigene „Cradle“ oder Wiege hatte. Diese bestand aus drei übereinander gesetzten Sieben, durch welche das Geröll unter fortwährendem Wasserzuflusse geschüttelt wurde. In dem ersten blieben die größten Steine etwa bis zur Größe von Hühnereiern zurück, in dem zweiten solche bis zur Größe von Pflaumen, und in dem letzten die kleineren. Während die beiden ersten Sorten im Siebe mit der Hand durchsucht wurden, schüttete man die letzte auf den Sortiertisch, wo man sie mit einem „Scraper“ oder Schabeisen nach Diamanten durchsuchte. Von dem großen Haufen trennte man mit dem Scraper eine kleine mit dem Auge leicht zu musternde Partie ab, griff die etwa vorhandenen Diamanten heraus und strich das Wertlose unter den Tisch. Wir verweisen auf unsere Abbildung „Das Sortieren der Diamanten“ S. 46.

Caledonische Batterie.

In dieser Weise gräbt man noch heute am Vaalflusse nach Diamanten und findet in diesen „Flußdiggings“ wohl sehr schöne Steine vom reinsten Wasser, aber die Ausbeute war niemals besonders groß. Die weltberühmten Diamantenfelder lagen nicht am Ufer des Stromes, sondern auf der unfruchtbaren Hochebene zwischen dem Vaal und Oranje. Im Dezember des Jahres 1870 kam der Kaufmann und Digger Robinson nach der Farm Dutoitspan und fand hier unter Steinchen, welche Kinder gesammelt hatten, 22 kleine Diamanten. Er untersuchte die Gegend und es stellte sich heraus, daß der Lehm und Sand, aus denen die Hütte gebaut war, Diamanten enthielten. Sofort wandte sich ein Teil der Digger, die am Flusse arbeiteten, jener Gegend zu und schon im Laufe des Jahres 1871 wurden in der Nähe von Dutoitspan neue Diamantengruben entdeckt, deren Reichtum an Edelsteinen alle Erwartungen übertraf. Als die Digger von jener Hochebene Besitz ergriffen, erhoben sich da flache Hügel, die man Kopjes nannte; sie ragten nur wenige Meter über die Ebene empor, waren aber, wie die Erfahrung gelehrt hat, in ihrem Aufbau von den[WS 1] sie umgebenden Erd- und Gesteinsschichten durchaus verschieden. Ihr oberster Teil bestand aus einem eisenschüssigen, hochgradig zersetzten Gestein, das yellow ground genannt wird und eine Dicke von 6 bis 12 Metern aufweist; darauf folgt eine 2 bis 5 Meter starke dunkelbraune festere Masse, der rusty ground, und schließlich ein ganz eigenartiges schwärzlich grünes oder schwärzlich blaues Gestein, der blue ground. Zweifellos wurden diese Gesteinmassen durch vulkanische Kräfte aus dem Innern der Erde emporgehoben und bilden aufrecht stehende Säulen. An der Oberfläche der Erde sind sie am breitesten und werden um so schlanker, je tiefer man in sie eindringt. So beträgt z. B. der Durchmesser des Querschnittes der Kimberley-Kopje oben 167 Meter, in der Tiefe von 300 Metern dagegen nur 103 Meter. Höchstwahrscheinlich haben sich in diesen Gesteinsmassen die Diamanten während der Hitze der Eruption gebildet; denn nicht nur in dem obersten verwitterten Teile waren sie zu finden, sondern auch die ganze Masse des blue ground erwies sich diamantführend. Von diesen Kopjes sind besonders sechs berühmt geworden, die von Kimberley, de Beers, Bultfontein und Dutoitspan im Griqualand und Koffyfontein sowie Jagersfontein im Oranje-Freistaat.

Goldwaschen in Transvaal.

Das Leben und Treiben, das sich zu Anfang der siebziger Jahre auf diesen Kopjes entwickelte, war überall ziemlich dasselbe. War die Diamanthaltigkeit derselben festgestellt, so erfolgte sogleich dorthin ein „Rush“, d. h. ein plötzliches eiliges Zuströmen und eine Massenniederlassung von Diggers. Spekulanten kauften den Bauern die Farmen ab, auf denen die Kopjes lagen, und vermieteten einzelne Teile derselben an unternehmende Diggers[.] Die Kopje wurde in quadratische Grubenfelder von 31 Fuß oder 9,5 Metern Seitenlänge, also etwa 90 Quadratmetern Fläche geteilt. Ein solches Feld nannte man Claim (Anspruch) und ein Digger durfte höchstens zwei Claims ausbeuten; dagegen verkaufte man auch halbe und viertel Claims, ja dieser und jener versuchte wohl auch auf dem winzigen Raum von 1/16 Claim sein Glück. Die Arbeit auf den Kopjes gestaltete sich im Vergleich zu der am Vaalflusse verschieden; auf der dürren Hochebene fehlte es an Wasser zum Waschen der Erde und darum wurden diese Felder „dry diggings“, trockene Gruben, genannt. Das diamantenführende Gestein wurde in Säcken oder Eimern heraufgeholt, zerkleinert und dann trocken sortiert. Inmitten der diamanthaltigen Schicht stieß man aber oft auf gewaltige Felsblöcke, die keine Edelsteine bargen, die gesprengt und zerkleinert werden mußten, damit man sie fortschaffen und zur Diamantenader gelangen konnte. Und unter welchen Umständen mußten diese Arbeiten vollzogen werden! Die Diamantmine von Kimberley war oval gestaltet und ihr Durchmesser betrug an der Erdoberfläche 167 Meter. Auf diesem kleinen Raum waren an 3000 Claims vorhanden, und in jedem waren mehrere Arbeiter mit Schaufel und Picke, Sack und Eimer thätig. Anfangs konnte noch jeder mehr oder weniger bequem zu seinem Claim gelangen, da man zwischen den einzelnen Sektionen Wege gelassen hatte. Man ging dabei von der Ansicht aus, daß nur die obersten Erdschichten, wie dies in den anderen bis dahin bekannten Feldern der Fall war, Diamanten führten, und erwartete, daß die Diggers, nachdem sie den Boden mehrere Meter tief durchwühlt hätten, fortziehen würden. Da fand man aber zur freudigsten Ueberraschung, daß auch der blue ground edelsteinhaltig war, daß die Grube nach der Tiefe zu kein Ende nahm. Der Wert der Claims stieg dadurch ungemein; während man ursprünglich ein solches Grubenfeld schon gegen einen Pacht von 10 Mark monatlich erstehen konnte, stieg später der Preis von Claims, in denen besonders gute Funde gemacht wurden, ins Ungeheure. Es wurden für ein solches Grubenloch 10000, 50000, ja ausnahmsweise 200000 bis 300000 Mark bezahlt.

Je tiefer man indessen grub, desto sonderbarer wurde das Aussehen der Kopje. Sie war längst kein Hügel mehr, sondern ein tief ausgehöhlter Krater, um [44] den ringsherum der freigelegte Thonschiefer oder der „Riff“ starrte. Zwei Jahre nach der Entdeckung des Diamantfeldes hatte man die Claims im Durchschnitt bereits auf 30 Meter vertieft. Die Arbeit war aber in den 3000 Anteilen nicht gleichmäßig fortgeschritten. Der eine Claim war tiefer, der andere ragte über ihn empor. Die in regelmäßigen Vierecken bearbeiteten Claims erschienen hier als Schächte, dort als Pfeiler und Türme, als Plattformen, Mauern, Treppen und Gräben. Dieses ruinenhafte labyrinthische Gewirr glich einer ausgegrabenen Stadt, einem Herculanum oder Pompeji; aber kein Friede herrschte über diesen Trümmern, 12000 Diggers waren hier am Werke. Das rauschendste und geschäftigste Leben herrschte auf allen Punkten der chaotischen Stein- und Felsmassen, und wenn die heiße Sonne des Sommers in diese Schlünde der wasserarmen Hochebene herniederschien, so lagerten Wolken von Staub über diesem eigenartigen Gesamtbilde menschlicher Thätigkeit. Die Wege, die einst die Kopje durchschnitten, waren längst niedergelegt oder von selbst zusammengestürzt und man mußte auf neue Mittel sinnen, um den diamanthaltigen Stoff herauszuschaffen. Man hat die Aufgabe eigenartig gelöst. Am Rande des Riffs, rings um den tiefen Krater hat man hohe Holzgerüste errichtet. Hier hat jeder Claimbesitzer einen Platz ähnlich dem Logenbesitzer in unsern Theatern; hier stellt er eine Winde auf, und von hier geht ein langes starkes Drahtseil aus, das in den betreffenden Claim führt. Auf diesem Seile eilt ein Eimer in die Tiefe des Claims, während ein anderer mit diamanthaltigem Stoff gefüllt der Höhe des Riffs emporstrebt. Ein Netz von mehr als 2000 Drahtseilen überspinnt also den Krater und es giebt ein fortwährendes Schnurren und Sausen, denn jeder Claimbesitzer bringt an 40 Eimer in der Stunde herauf. Unsere Abbildungen auf Seite 45 geben ein anschauliches Bild einer derart aufgewühlten Grube.

Südafrikanisches Ochsengespann.

Rings um die Kopje herrscht ein gleichfalls bewegtes Leben, denn auf zahllosen Karren wird der Stoff nach den Sortierplätzen gefahren, wo er auf Tischen nach Diamanten durchsucht wird. Größere Steine werden allerdings zumeist schon in den Claims gefunden, denn durch ihr Funkeln verraten sie sich dem scharfen Auge des Diggers. Alsdann stößt der glückliche Finder einen Freuderuf aus und Hurra! erwidern ihm tausend Kehlen in dem Krater. Ein solcher Ruf weckt Hoffnungen und spornt zur weiteren harten Arbeit an.

Je tiefer aber die Diggers in den blue ground eindrangen, desto schlimmer war es um sie bestellt. Ueber ihren Köpfen sausten die steinbeladenen Eimer und wie oft löste sich einer vom Seile und bedrohte das Leben der Arbeiter in der Tiefe! Noch weit schlimmere Gefahren brachte der wüste ungeregelte Bergbau mit sich. Die wegen ihrer Armut am Edelgestein nicht abgebauten Claims, die als Pfeiler dastanden, die breite steil abfallende Riffwand drohten mit Einsturz. Als vollends die Regen kamen und die Pfeiler und Wände unterwuschen, folgte Einsturz auf Einsturz, in dem Grunde vieler Claims sammelte sich Wasser an – die Arbeit gestaltete sich immer schwieriger.

In der Nähe der Grube war inzwischen eine Stadt entstanden, zunächst nur „auf Zeit“ gebaut; aus leichten Zelt-, Wellblech- oder Holzhäusern, deren Bestandteile in Kisten wohl verpackt von England oder Norwegen in die Diamantfelder geschickt wurden und hier nur zusammengesetzt zu werden brauchten. Das Leben in dieser Stadt war durchaus nicht billig. Ernst von Weber, der in den siebziger Jahren in Kimberley als Digger sein Glück versuchte, gab in seinem interessanten Werke auch die Marktpreise an; das Pfund Rindfleisch kostete zwar nur 50 Pfennig, aber für 1 Pfund Butter mußten 5 Mark und für einen Eimer Kartoffeln 10 Mark bezahlt werden. Der schlimmste Schlag jedoch, der die Diggers traf, war der Rückgang der Diamantpreise. Südafrika lieferte eine Menge größerer Steine, die früher sehr selten waren, und gerade diese, die Glücksfunde der Diggers, erlitten dadurch in ihrem Wert eine große Einbuße. Das Diamantengraben war für den einzelnen nicht mehr so lohnend und dabei wurden die Schwierigkeiten in den Gruben immer größer. Wiederholt mußten gewaltige Einbrüche des Riffs beseitigt werden und die Tiefe, bis zu der die Claims abgebaut wurden, betrug 100 Meter und darüber. Da sah man sich genötigt, von der bisherigen Art des Abbaus zu einem regelrechten unterirdischen Betriebe überzugehen. Man setzte am Rande des Kraters Schächte an und ging von ihnen in verschiedenen Horizonten mit Strecken in den blue ground hinein. So entstanden an den Diamantenfeldern Schachthäuser mit mächtigen Winden, wie sie auf unserer Abbildung S. 45 unten dargestellt sind. Zu ihnen gesellten sich Dampfpumpen zur Entfernung des Grundwassers aus den Minen und zuletzt wurden noch die Anlagen elektrisch beleuchtet. Diese Methode bewährte sich, aber sie erforderte eine einheitliche Leitung, einen Großbetrieb. So bildeten sich seit Mitte der achtziger Jahre unter den Claimbesitzern Aktiengesellschaften, die schließlich mehr und mehr zu einer einzigen, den „de Beers Consolidated Mines“, verschmolzen wurden. Diese dürfte jetzt als die Beherrscherin des südafrikanischen Diamantenbergbaues gelten. Etwa 10000 Kaffern und 1500 Weiße stehen in ihren Diensten. Die Gesellschaft hat die Gewinnung dem Verbrauch angepaßt; da, wie die Erfahrung gelehrt hat, die Welt jährlich für etwa 80 Millionen Mark Diamanten zu kaufen pflegt, so wird nur diese Menge alljährlich gegraben; sie wiegt etwa 15 Centner. Die ersten Digger konnten Kimberley nur auf beschwerlichen Wegen, mit den langen Ochsengespannen erreichen. (Vergl. obenstehende Vignette.) Heute führt die Eisenbahn nach der Stadt, die auch mit Wasserleitung versorgt ist, und die Fahrkarte dritter Klasse von Kimberley nach Port-Elizabeth kostet nur 54 Mark. Die Reise dauert 35 Stunden. Die Zeit der „Rushs“ [45] ist aber vorüber; die Bevölkerung von West-Griqualand ist von 60000 auf 45000 Köpfe gesunken, worunter sich 12500 Weiße befinden. Kein Wunder, denn der Diamantbergbau, der nunmehr in Tiefen von 360 und 380 Metern arbeitet und noch für Jahre gesichert erscheint, kann einen abenteuernden Digger nicht befriedigen. Aber schon vor Jahren winkte diesem in demselben Südafrika ein anderes „Dorado“.

In den Diamantgruben.

Es war um die Zeit, da auf dem Londoner Edelsteinmarkt die Diamantenpanik ausbrach, da Steine über 20 Karat keinen Käufer fanden oder gegen früher zum Spottpreise verschleudert werden mußten, da man die gelblich gefärbten Diamanten der Kimberley-Minen als minderwertige Ware zu bezeichnen anfing – es war um das Jahr 1873, als unter den Diggern von Griqualand die Kunde sich verbreitete, daß in der Transvaalrepublik unermeßlich reiche Goldfelder entdeckt worden seien. Man wußte seit lange, daß der Boden Südafrikas goldhaltig war; vermutete man doch in diesen Gegenden das Ophir Salomos; aber man hatte geglaubt, daß diese Goldlager schon in grauer Vorzeit ausgebeutet worden und erschöpft waren. Jetzt war aber das Dorado gefunden, und zunächst ging ein „Rush“ nach Lydenburg, das von Kimberley im Ochsenwagen in 3 bis 4 Wochen, mit Pferden in 10 bis 12 Tagen zu erreichen war. Kurze Zeit darauf wurden noch in Dakaap und Sheba neue Goldlager entdeckt, und ein Goldfieber mit allen seinen Schattenseiten ergriff Südafrika und lockte Auswanderer aus Europa und Amerika herbei. Ursprünglich betrieb man nur einfache Goldwäschereien. Am Ufer der Flüsse und Bäche wurden die „Wiegen“ aufgestellt, in denen der goldhaltige Sand gewaschen wurde. Eine unserer Abbildungen S. 43 zeigt uns die Digger bei dieser Arbeit. Sie haben sich am Ufer eines Wasserlaufes niedergelassen; das Erdreich, das von demselben angeschwemmt ist, besteht aus Trümmern von goldhaltigen Felsarten. Es handelt sich nun darum, das Gold vom Sande zu trennen. Unsere Digger besorgen dies auf eine einfache ursprüngliche Weise. Am unteren Laufe des Baches haben sie in geneigter Stellung einen rinnenförmigen Kasten aufgestellt, dessen Boden mit niedrigen Querleisten versehen ist. Indem sie nun den Sand des Ufergeländes in den Wasserstrom hineingraben, werden die leichten Schlammteilchen fortgeschwemmt; das schwerere Gold, sowie größere Kieselsteine bleiben zwischen den Leisten des Kastens liegen und das Gold kann nunmehr ausgelesen werden. Nachdem die ersten glücklichen Funde gemacht wurden, wandte man vollkommenere Geräte zum Goldwaschen an.

Außerdem aber entwickelte sich in Südafrika in kurzer Zeit auch der Bergbau auf Gold. Das edle Metall kommt dort reichlich auch in Quarzgängen eingeschlossen vor und das Erz muß daher aufgearbeitet werden. Dies geschieht in der Regel auf folgende Weise: das goldhaltige Gestein wird in Stampfern oder Pochbatterien (s. S. 43) zerkleinert und kann alsdann wie der goldführende Sand ausgewaschen werden. Um aber Verluste an kleinen Goldteilchen zu vermeiden, wird bei verbesserten Verfahren das zerkleinerte Gestein mit Quecksilber vermengt; dieses verbindet sich mit dem Gold zum Goldamalgam, das alsdann rein ausgewaschen wird. Erhitzt man das Amalgam, so verflüchtigt sich das Quecksilber, während das Gold in mehr oder weniger reinem Zustande zurückbleibt. In Südafrika ordnet man die Goldmühlen vielfach auch in der Weise an, daß man die „Pochtrübe“, also das zerstampfte Gestein, über Kupferplatten laufen läßt, die mit Quecksilber überzogen und in rinnenartigen Behältern etagenförmig übereinander aufgestellt sind. Das Gold der Pochtrübe verbindet sich alsdann mit dem Quecksilber, während die „taube“ Masse abfließt.

Die Zahl der in Betrieb genommenen Goldminen stieg; immer häufiger wurden die Züge der langen Ochsengespanne, die durch die menschenleere Steppe nach dem neuen Dorado eilten. [46] Geschäftig rührte man auch die Trommel der Reklame und die südafrikanischen Minenaktien stiegen an den europäischen Börsen zu schwindelnder und schwindelhafter Höhe. Der Krach blieb nicht aus und die neuen Goldfelder gerieten in einen üblen Ruf. So kam das Jahr 1886 heran, als am Witwatersrand, 50 Kilometer von Prätoria, wiederum neue Goldfelder entdeckt wurden. Das große Kapital glaubte jedoch anfangs den glänzenden Berichten nicht und so konnte hier die Ausbeute nur mit geringen Mitteln und in kleineren Betrieben erfolgen. Aber der Erfolg war überraschend groß und noch einmal flackerte neben dem regellosen Raubbau eine wilde Spekulation auf und noch einmal folgte ihr der Krach.

Das Sortieren der Diamanten.

Indessen das Gold hatte zu große Anziehungskraft; es fanden sich Kapitalisten, die von neuem das zum Betrieb nötige Geld vorschossen, und es erfolgte nun eine finanzielle und technische Wiedergeburt des Goldbergbaues am Witwatersrand. Eine Minenkammer wurde errichtet, Männer von tüchtiger Schulung traten an die Spitze der einzelnen Bergwerke; außer dem Amalgamationsprozeß wandte man die neuesten chemischen Gewinnungsarten an und Witwatersrand erreichte eine ungeahnte Blüte. Natürlich wirkte dieser Fortschritt auch auf die übrigen südafrikanischen Goldfelder günstig zurück. Im Mittelpunkt derselben entstand eine neue Stadt, Johannesburg; wo vor acht Jahren noch kein Haus gestanden hatte, erhoben sich jetzt Kirchen, Theater, große Gasthöfe und Wohngebäude für 40 000 Weiße und 10 000 schwarze Einwohner; bald erschloß auch das Dampfroß die Gegend. Noch erstaunlicher als das Entstehen der Stadt ist übrigens der Aufschwung des Bergbaus. Im Jahre 1892 waren in Witwatersrand allein 69 Goldbergwerke in Betrieb, von denen einige über 100 000 Centner Gestein gefördert haben. Daraus wurde ein Goldgehalt von 1 210 574 Unzen im Werte von über 80 Millionen Mark allein im Jahre 1892 erzielt. Da diese Werke sämtlich Tiefbaugruben sind, so haben sie Schächte und dementsprechend Fördermaschinen, Pumpen, Dampfkessel, Schmieden, Reparaturwerkstätten etc. In neuester Zeit hat man auch Preßluftmaschinen und Bohrmaschinen eingeführt, die bereits nach Hunderten zählen. Sehr umfangreich sind dementsprechend die Pochwerke, und man zählte im Jahre 1892 am Witwatersrand 2530 Pochstempel, die selbst bis zur Schwere von 1000 Pfund hergestellt werden. Mehrfach wird auch die Kraft der Wasserströme in Elektricität verwandelt und als solche den Werken zugeleitet. Da Südafrika noch keine eigene Maschinenindustrie besitzt, so muß sie die Mehrzahl der Maschinen aus den Industriegebieten Europas und Amerikas beziehen, und so wirken diese Goldbergwerke auch über das Meer hinaus, indem sie in den alten und neuen Kulturstaaten zahlreiche Hände beschäftigen. Kein Wunder also, daß z. B. die Firma Friedrich Krupp zu Essen in Johannesburg eine Zweigniederlassung errichtet hat. Die Bergleute am Witwatersrand haben die besten Goldgewinnungsarten eingeführt, die bisher bekannt sind; aber sie möchten die Techniker zum weiteren Fortschritt anspornen, darum haben sie bei der Minenkammer den Beschluß durchgesetzt, in Johannesburg eine Ausstellung für Goldaufbereitungsmaschinen und eine Preisausschreibung für die besten Apparate zu veranstalten.

Der Riesendiamant „Excelsior.“

Außer Witwatersrand sind in Südafrika noch zahlreiche andere Goldfelder in Betrieb, wir nennen nur Lydenburg, Dekaap, Klein-Letaba, Selati, Marabastad, Klerksdorp, Malmani etc., und von Zeit zu Zeit bringt der Telegraph die Kunde von neuen Entdeckungen. Nach der Schätzung des amerikanischen Münzdirektors für 1892 hat Nordamerika (Mexiko, Vereinigte Staaten und Kanada) unter den goldgewinnenden Ländern in diesem Jahr noch immer die Führung innegehabt; Australien hielt ihm fast die Wage und Südafrika kam erst in dritter Linie in Betracht. Aber der Unterschied wird von Jahr zu Jahr geringer, und die Südafrikaner meinen, daß sie bald allen andern Goldländern den Rang ablaufen werden. Der Wert des Goldes, das im Jahre 1893 aus Südafrika ausgeführt wurde, wird auf 111 650 000 Mark geschätzt. Wie sehr das Land dadurch gewonnen, lehrt ein Blick auf Transvaal. Einst hielt die Volksvertretung ihre Sitzung unter einem Strohdache ab, heute tagt sie in einem Palaste, der 2 750 000 Mark gekostet hat.

Bei dieser Bedeutung, welche Afrika für die Goldgewinnung erlangt hat, entsteht wohl die Frage, ob auch in unseren Kolonien sich Gold werde finden lassen. Vereinzelte Funde sind in Deutsch-Südwestafrika gemacht worden. Sie waren aber nicht so reich, daß darauf ein Bergbau sich hätte begründen lassen. Es ist aber wohl zu bedenken, daß die weiten Gebiete deutschafrikanischen Besitzes nur höchst oberflächlich durchforscht sind. Geologen, die sich mit dem Vorkommen des Goldes in Afrika beschäftigt haben, sind auch zu der Ansicht gekommen, daß die Möglichkeit, dereinst reichere Goldminen in Deutsch-Südwestafrika sowie in Deutsch-Ostafrika zu finden, durchaus nicht geleugnet werden kann.


Um eine Kleinigkeit.

Novelle von Jassy Torrund.

     (2. Fortsetzung.)

Franziska hatte den Rechtsanwalt Sonnenthal nicht zu Hause getroffen; nur der Schreiber war dort, ein alter Mann mit gutmütigem Gesicht und bescheidenem Wesen. Nachdem die junge Frau lange Zeit vergebens gewartet, faßte sie sich ein Herz und legte dem Alten ihre Fragen vor; der zuckte die Achseln: er arbeite nur auf dem Bureau des Herrn Rechtsanwalts, von Gerichtssitzungen und dergleichen wisse er nichts. Aber er werde dem Herrn Rechtsanwalt alles sagen, und der könne ja dann der Dame schreiben.

„Ja, es ist gut; aber bitten Sie den Herrn Rechtsanwalt, einen Briefumschlag ohne Firma zu nehmen,“ sagte Franzel halb verlegen und wurde bei dem erstaunten Blick des Alten über und über rot.

„Ich werd’s bestellen, gnädige Frau,“ erwiderte er ruhig.

Ja, so war’s besser! Sie hatte neulich doch entdeckt, daß der Umschlag von Doktor Sonnenthals Brief verschwunden war, und ihr Verdacht hatte sich gleich auf Aurelie gelenkt. Ein zweites Mal sollte ihr das nicht passieren!

Als Franziska das Haus verließ und sich unwillkürlich rechts und links umblickte, sah sie unweit, vor einem Schaufenster, ihres Mannes Cousine stehen, scheinbar vertieft in den Anblick der ausgelegten Waren. Franzel schrak zusammen und eilte, so rasch sie konnte, in der entgegengesetzten Richtung davon, inständig hoffend, daß Aurelie sie nicht bemerkt haben würde. Wie sehr täuschte sie sich! Fräulein von Hagen hatte ja nur ihren heimlichen Wegen [47] nachgespürt – eine so schlaue Jägerin konnte die Fährte des harmlosen Wildes nicht leicht verlieren!

Franzel kam heim, und während sie im Flur ablegte, ging die graue Schwester mit einem Tablett voll leerer Flaschen und Gläser vorüber. „Der Herr Rat weiß, daß Sie ausgegangen waren, gnädige Frau. Fräulein von Hagen hat es ihm leider gesagt,“ bemerkte die Schwester und fügte in ihrer bescheiden-gelassenen Weise hinzu: „Ich meine, es wäre besser, Fräulein von Hagen käme nicht mehr zum Herrn Rat, sie regt ihn sehr auf.“

„Da haben Sie recht, Schwester!“ erwiderte Franziska aus tiefstem Herzen. Dann ging sie zu Ernst hinein.

„Wo warst Du, Franzel?“ fragte der Kranke, der bleich und abgespannt dalag.

Franziska legte lächelnd ein Veilchensträußchen und ein paar Apfelsinen auf seine Bettdecke. „Ein bischen Luft geschöpft, Du lieber Tyrann,“ sagte sie heiter. „Seit Schwester Valerie hier ist, vermißt Du mich ja doch nicht mehr!“

„Und ich bat Dich, Du solltest Dich schonen, Franzel, aber ich sehe, ein kranker Hausherr hat beinahe nichts mehr zu sagen! Du bist eine ganz unfolgsame kleine Frau geworden!“ tadelte Ernst.

„Schilt nicht! Die Sonne schien so hell, und die frische Luft hat mir gut gethan.“ Thatsächlich war die junge Frau mit einem von der Kälte und dem schnellen Gehen geröteten frischen Gesichtchen heimgekehrt; aber ein heftiger Hustenanfall unterbrach sie mitten im Reden.

„Siehst Du, Franzel, das hast Du nun davon! Wie Du mich ängstigst, Kind!“ schalt der Kranke nun ernstlich besorgt. Sie beruhigte ihn, das ginge vorüber; sie hätte jedes Frühjahr solch einen leichten Anfall.

Aber es ging nicht so schnell vorüber.

Gegen Abend stellte sich ein leichtes Fieber ein, und dabei hustete Franzel so stark, daß der Doktor ärgerlich den Kopf schüttelte, und Schwester Valerie jetzt thatsächlich zwei Kranke zu pflegen hatte. Strenger Hausarrest ward der leichtsinnigen Patientin auferlegt.

Doktor Böhmer konnte übrigens nicht begreifen, weshalb die junge Frau, deren Gatte jetzt täglich in der Genesung fortschritt, so scheu, so gedrückt war, wie es nicht in den schlimmsten Stunden von Ernsts Krankheit der Fall gewesen. Er sprach hierüber einmal mit dem Regierungsrat. „Ich verstehe nicht,“ meinte er und rieb seine große Nase nachdenklich mit Daumen und Zeigefinger, „was die kleine Frau quält. Ihr Leiden scheint mir weit mehr seelisch als körperlich. Das bischen Katarrh wäre ja im Grunde gar nicht so schlimm, Sie selber sind auf der Besserung – also, was giebt’s da zu grämen? Hat sie vielleicht von daheim schlechte Nachrichten, die sie irgendwie aufregen? Wir haben da ja allerlei wunderliche Symptome“ – er zählte an den Fingern auf: „kein Schlaf, kein Appetit – eine Ruhelosigkeit und Nervosität sondergleichen, wie ich sie an der gesunden vernünftigen kleinen Frau bislang gar nicht kenne …“

„Sie hat sich eben bei der Pflege zuviel angestrengt, Doktor,“ sagte der Regierungsrat, dem diese Auseinandersetzung – er wußte selbst nicht, weshalb – eine peinigende Empfindung wachrief.

„Hm ja – kann schon sein,“ erwiderte der alte Praktikus, nur halb überzeugt. Er brach das Thema ab, hatte er doch auch diesen Patienten immer noch zu schonen. –

Franzel saß an Ernsts Bett, mit einer leichten Handarbeit beschäftigt; plaudern durfte sie nicht, der Hals that ihr weh, und vieles Sprechen strengte sie an. Ernst studierte nach langer Zeit zum erstenmal wieder die Zeitung – ab und zu richtete er einen besorgten forschenden Blick auf seine Frau, die in tiefe Gedanken versunken an ihrer Stickerei schaffte.

„Woran sie nur denken mag?“ mußte Ernst sich fragen. Ihre Lippen waren wie in grübelnder Sorge aufeinander gepreßt, eine tiefe Falte stand zwischen den feinen, dunklen Brauen; das Gesicht hatte sein liebliches Oval verloren und sah zum Erbarmen blaß und schmal aus, mit tiefen Schatten unter den Augen, die von schlaflos durchwachten Nächten sprachen. Ernst sagte sich voll tiefen Kummers, daß sie etwas vor ihm verberge. Franzel hatte zwar nie ein Geheimnis vor ihrem Gatten gehabt. Ihre Jugend war so kurz, so streng behütet gewesen, daß ihre Seele kaum etwas ahnte von jenen Erlebnissen und Erfahrungen, an denen andere Mädchen zuweilen schon reich sind, ehe sie in den Ehestand treten. Da gab es keine sentimentale Erinnerung an vergangenes Liebesglück, keine verschwiegenen Beziehungen, die aus der Vergangenheit unheilvoll in die Gegenwart herüberreichen. Franzels Seele lag vor ihres Gatten Augen klar und rein wie ein heller Frühlingsmorgen; nicht einmal ein heimliches Winkelchen mit einer kleinen thörichten längstbegrabenen Backfischliebe war darin zu finden.

Und während ihrer Ehe? Da hatte sie Tag für Tag die großen klaren ruhigen Augen zu ihrem Gatten aufgeschlagen, und was er in diesen wundervollen braunen Sternen las, das gläubige Vertrauen, die kindliche Verehrung, die tiefe heiße Liebe ihres keuschen Frauenherzens – all das gehörte ihm, nur ihm allein und hatte seine Seele täglich mit neuem Glück erfüllt. So war’s gewesen bis zu seiner Krankheit. Nein – er entsann sich jetzt genau, obgleich er’s anfangs nicht so beachtet. Schon die letzten Tage vorher war’s, als ob Franziska ihm etwas verschwiege; manchmal nahm sie einen Anlauf, wie um zu sprechen, streifte ihn mit einem unruhig forschenden Blick und hielt dann wieder plötzlich inne oder lenkte die Rede auf etwas Nebensächliches, Gleichgültiges. Damals hatte er’s in seiner täglich wachsenden Abspannung kaum beachtet – jetzt fiel ihm das alles wieder ein, und er zermarterte seinen armen müden Kopf mit diesen sorgenden Fragen.

Ein tiefer Seufzer, der ungewollt sich über Franzels Lippen drängte, machte dem schweigenden Grübeln des Mannes ein Ende und ließ ihn die Hand nach seinem jungen Weibe ausstrecken. „Komm ’mal her, Franzel!“ sagte er sanft, und als sie dann neben seinem Bett niederkniete, nahm er dies blasse süße Gesicht zwischen seine beiden Hände: „Sag’ mir, was Du hast, Kleine! Dich quält etwas, das sehe ich ja – und Du willst mir’s aus Schonung nicht sagen. Aber ich bin jetzt stark und gesund und bitte Dich dringend, sag’ mir’s! Du quälst mich weit mehr durch Dein Schweigen, wie wenn Du ehrlich reden wolltest. Also sprich, Herz – was fehlt Dir?“

Sie schüttelte den Kopf, aber sie mußte die Augen niederschlagen vor seinem treuen, fragenden Blick. Ihr Atem kam und ging hastig wie im Fieber, sie lag in ihres Mannes Armen und ein Zittern und Schauern lief über die zarte kleine Gestalt. Da sie beharrlich schwieg, fiel ihm plötzlich etwas ein, ein wunderlicher Gedanke, der ihn wie eine Erlösung dünkte.

„Franzel, kleine Frau – hast Du etwa Schulden?“ fragte er hastig.

Da mußte sie in all ihrem Kummer doch lächeln; lächelnd und errötend zugleich schüttelte sie den Kopf, machte sich sanft aus seinen Armen frei und barg ihr Gesicht in seiner Bettdecke.

Also das war’s nicht! Ratlos blickte er auf das dunkle Köpfchen nieder und dann – wie ein Blitzstrahl – kam ihm ein anderer Gedanke – ein so neuer, unfaßbarer, beseligender, daß ihm fast das Herz darob stille stand. Er beugte sich hinab und flüsterte in zarter Scheu eine Frage in seines jungen Weibes Ohr. Und Franzel erglühte noch tiefer, grub auch das Gesicht noch tiefer in die Decke hinein – aber sie schüttelte zum drittenmal den Kopf – und seine Hoffnungen zerrannen.

Auch dieses nicht!

Da drängte er nicht weiter in sie, hob sie nur sanft mit seinen noch schwachen Armen empor und sagte ruhig: „Setze Dich, Kind – das lange Knieen strengt Dich an.“

Sie fühlte den stummen Vorwurf in seinen Worten, in seinem ganzen Wesen, beugte sich über seine Hand und küßte sie. „Später sollst Du alles wissen,“ sagte sie scheu und demütig und setzte sich an ihren alten Platz.

Ernst vermied es, sie anzusehen. Scheinbar gelassen nahm er seine Lektüre wieder auf; plötzlich fesselte ihn eine Notiz. „Nein, das ist ja ein wahres Verhängnis heutzutage!“ sagte er erregt. „Die Frauen vor Gericht – das nimmt ja in erschreckender Weise zu. Da ist nun wieder eine Dame der besseren Stände, die Frau eines Oberberginspektors, wegen öffentlicher Beleidigung eines Geschäftsmannes verurteilt worden. Das mußt Du hören, Franzel!“

Da saß nun das arme Weib wie eine verurteilte Verbrecherin und mußte Wort für Wort dieser Gerichtsverhandlung über sich ergehen lassen und durfte nicht mit der Wimper zucken, wie ihr Mann

[48]

Der Orangentanz.
Nach dem Gemälde von A. Rivas.

[49] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [50] in harter Rede die fragliche Angelegenheit besprach. Sie hätte ihm den Mund zuhalten, hätte rufen mögen: „Schweige doch, schweige! Indem Du jene verurteilst, verdammst Du Dein eigen Weib!“ Aber kein Laut kam über ihre Lippen, mit angstgequältem Herzen und zitternden Lippen zählte sie mechanisch die Stiche an ihrer Stickerei.

Es klopfte, und Rieke trat mit einigen Briefen in der Hand herein. Man brauchte die Hilfe der grauen Schwester jetzt nur noch während der Nachtstunden, am Tage versah das Stubenmädchen den leichten Dienst, und Rieke verwaltete mit gewohnter Tüchtigkeit und Umsicht das Küchendepartement. Ab und zu ließ sie ihr ehrliches feuergerötetes Antlitz im Krankenzimmer erblicken, tadelte ungeniert, wenn, ihrer Meinung nach, etwas nicht richtig war, fragte nach den kulinarischen Wünschen ihrer Herrschaft und ermahnte beide ernsthaft, doch nur ja dem Doktor gut zu folgen, „damit wir doch wenigstens zu Ostern wieder auf’m Damm sind“. Jetzt legte sie die Briefe vor ihren Herrn hin und sagte geringschätzig. „Nichts Ordentliches – bloß lauter Drucksachen, Zeitungen und so ’was. Je, was ich man noch sagen wollt’ – wie is es denn mit die Tauben? Hat Herr Regierungsrat vielleicht heute Appetit darauf? Die gnädige Frau ißt ja überhaupt nichts mehr, da müssen wir wohl ’mal aus dem Klub ganz ’was Apartes holen lassen, Mocturtle oder Ragout fin, oder irgend so’n Kram. Was meint gnä’ Frau?“

Franziska erteilte hastig ihre Befehle; sie hatte zwischen den braunen Marken der Drucksachen eine grüne erblickt, einen Stadtpostbrief – und ihr Herz schlug überlaut, als sie die Hand danach ausstreckte.

Rieke ging mit einem verwunderten Blick auf die Gnädige, die ihr heut’ so konfusen Bescheid gegeben – und Franziska trat mit dem Brief ans Fenster, wie um besser sehen zu können.

Doktor Sonnenthal schrieb kurz und sachlich, versuchte seine zaghafte Klientin mit wenigen Worten zu beruhigen und schloß mit einer Empfehlung an den ihm unbekannten Gemahl der Dame.

Franzel las die kurzen Zeilen wieder und wieder, ehe sie in ihrer übergroßen Erregung deren einfachen Sinn nur begriff. Ja, so ein Rechtsanwalt, der sieht die Dinge ganz anders an! Weil er Tag für Tag dort im Gerichtssaal aus und eingeht, meint er, das müsse so sein, und andern Leuten sei’s ebenso gleichgültig wie ihm! Und hätte er tausend Worte geredet - er hätte ihr doch die Angst nicht ausreden können!

Das Papier knitterte in Franzels zitternden Händen, Ernst hörte es deutlich, er hörte auch die kurzen hastigen Atemzüge seiner Frau. Eine große Unruhe bemächtigte sich seiner. Was hatte Franziska dort, was verheimlichte sie vor ihm? Er wollte sich aufrichten. und nach ihr umsehen, fühlte sich indes zu schwach und rief nur leise ihren Namen.

Franzel kam sofort, hatte aber doch Zeit gefunden, den Brief in die Tasche zu stecken. Ihr weißes Gesicht leuchtete förmlich in der beginnenden Dämmerung, der kranke Mann sah sie an und suchte in peinigender Ungeduld das Geheimnis dieses blassen stummen Frauenantlitzes zu ergründen.

„Von wem ist der Brief, Franziska?“ fragte er streng. Er nannte sie selten so – sie schrak zusammen, aber sie war auf die Frage vorbereitet – sie war das Schweigen, das Heucheln, das Lügen ja schon so schrecklich gewohnt worden in letzter Zeit. „Von der Rätin Lorenz,“ erwiderte sie leise.

Und der Mann dort im Bett wußte, daß es eine Lüge sei – die erste ihm gegenüber, die über Franziskas Lippen kam; ein Grauen wie vor drohendem Unheil schlich sich in sein stolzes Herz, ein Zweifel an seinem Weibe erwachte darin; ein erstes leises Mißtrauen hob gleichsam warnend, lauschend, ahnungsvoll den Finger auf. Aber er beherrschte sich und fragte scheinbar ruhig weiter: „Was schreibt sie denn? Laß doch hören, wie es der lieben alten Seele geht?“

Das arme junge Weib empfand mit all seinen Sinnen, was in des Mannes Seele vorging, Auge, Ohr und Gefühl verschärften sich förmlich in dieser Minute zu doppelter Thätigkeit – indes die Lippen klanglos stammelten: „Sie läßt Dich grüßen, sie … es geht ihr gut“ … und da jeder Fehler durch die Uebung sein eigener Lehrmeister wird, fügte sie hastig hinzu: „Es handelt sich um eine kleine Ueberraschung, Ernst … wenn Du gesund sein wirst …“

Dann aber war’s vorbei mit Franzels Verstellungskünsten, sie kniete am Kopfende von Ernsts Bett nieder und weinte bitterlich. Und in des Mannes Herzen schwieg der Zweifel, es schwieg das häßliche Mißtrauen – ein tiefes heiliges Erbarmen mit diesem kindlichen irregehenden Weibe überwog alles andere Denken. Er legte die Hand auf ihr dunkles Haar und sprach mild und ernst wie ein Priester: „Wenn Du gesund sein wirst, Franziska – gesund von all diesem Leid!“

Die Abenddämmerung breitete immer tiefere Schatten über das stille Krankenzimmer – kein Laut störte das große Schweigen.

So fand sie die graue Schwester, als sie eine halbe Stunde später kam; sie hob Franziska auf und brachte sie zu Bett. Die junge Frau ließ alles willenlos mit sich geschehen, sie fieberte und sprach in wirren Phantasien. Die Schwester saß die lange Nacht hindurch sorgenvoll an ihrem Bett und lauschte auf die hastigen Worte, die sich bald an den Gatten, bald an einen Fremden richteten – an einen anderen, den sie mit flehenden Worten und Gebärden beschwor, ihr zu helfen, sie nicht unglücklich zu machen. Schwester Valerie war nur einmal aufgestanden, um die Thür zu schließen, die nach Ernsts Zimmer führte, da sah sie auch ihren andern Patienten schlaflos mit weitoffenen, finsterblickenden Augen liegen – kehrte seufzend an Franzels Lager zurück, betete ihren Rosenkranz und flocht die Namen ihrer beiden Kranken in ihr Gebet ein. Und allmählich, wie die Nacht vorschritt, wurde Franzel ruhiger und schlief endlich ein.

Am nächsten Morgen ging es ihr um vieles besser, sie stand auf, und als Doktor Böhmer kam, fragte sie ihn geradezu, ob sie bald wieder ausgehen dürfte. Er lachte sie ohne weiteres aus und tippte in seiner ungenierten Art mit dem Finger an ihre Stirn. „Bei dem Ostwinde, Seelchen? Ja, was bilden Sie sich denn eigentlich ein?“ Damit glaubte er die Sache abgethan und ging zur Tagesordnung über. Franziska hörte ihm schweigend zu und starrte auf ihren Wandkalender, der zeigte das Datum des vierten März. Am sechsten, also übermorgen, sollte sie vor Gericht. Sie wußte, daß ein einziges Machtwort des Doktor Böhmer sie für diesmal davon befreien könne, damit aber war die Sache nur aufgeschoben, nicht aufgehoben – und sie mußte das alles jetzt bald von der Seele haben, sonst ging sie daran zu Grunde! So schwieg sie und sann, wie sie ihr Vorhaben ausführen könne; und als der gefürchtete Tag anbrach, kam ihr der Zufall selber zu Hilfe.

Ernst hatte in der Nacht rasende Kopfschmerzen, und die Schwester gab ihm, nach Doktor Böhmers Verordnung, Morphiumtropfen, und da diese nicht halfen, nach einigen Stunden noch eine zweite Dosis. Darauf ließen die Schmerzen nach und der Kranke verfiel in einen tiefen ruhigen Schlaf, so daß Schwester Valerie frühmorgens ruhig ihren Posten verlassen konnte.

Als Franziska erwachte, war es bereits neun Uhr. Noch anderthalb Stunden! Sie schlich auf den Zehenspitzen an Ernsts Bett, gottlob! er schlief – so würde sie vielleicht unbemerkt fort kommen! In fieberhafter Hast machte sie Toilette – ein schlichtes schwarzes Kleid, das die fahle Blässe ihres Gesichtes noch mehr hervorhob, Hut und Pelzmantel lagen schon bereit, Franzel streckte gerade die Hand danach aus – da regte sich etwas im Nebenzimmer – Ernst rief leise ihren Namen. In der nächsten Sekunde stand sie neben ihm; müde, halbgeschlossen blickten seine Augen zu ihr hin – plötzlich weckte ihr schwarzes Straßenkleid seine Aufmerksamkeit, seinen Argwohn, mühsam sich aufrichtend, fragte er, sie mit großen Augen anschauend: „Franziska, wo willst Du hin?“

Sie stand neben seinem Bett, an allen Gliedern zitternd, bemühte sich, eine Ausrede zu finden, und drückte den Kranken sanft in die Kissen zurück. Er wehrte sich mit allen Kräften, umklammerte ihr Handgelenk und rief: „Du darfst nicht ausgehen, Franziska, Du sollst … der Doktor …“ er hielt inne, griff mit beiden Händen nach den Schläfen und stöhnte: „Mein Kopf, mein Kopf! Gieb mir die Tropfen!“

Während Franziska eilig nach den schmerzstillenden Tropfen suchte, die die Schwester vorsorglich außer Greifweite des Kranken gestellt, dämmerte in dem fiebernden Hirn des Mannes eine furchtbare Erkenntnis! Dies war einer von den heimlichen Wegen, wovon Aurelie gesprochen, sein Weib – Gott im Himmel! sein Weib betrog ihn, den Kranken. Der Brief fiel ihm ein und all diese Heimlichthuerei, dies Verbergenwollen – er hörte den klugen, [51] alten Hausfreund sagen: „Sie hat etwas, das sie quält und ihr keine Ruhe läßt.“ All diese Dinge schienen wie Glieder einer Kette ineinander zu passen; Gedanken und Vorstellungen, an die er bisher nie gedacht, rasten durch sein Hirn, er durchlebte gleichsam binnen einer Minute all die letzten Wochen, fand seine Fragen beantwortet, seine Zweifel begründet; wie ein Meer war’s, ein wildes trostloses, darin er unterging – und dann plötzlich schlug wie aus weiter weiter Ferne Franziskas Stimme an sein Ohr: „Ist dies das rechte Fläschchen, Ernst?“

Er riß die Augen auf und nickte. Noch lebte er und war bei Besinnung, noch war Franziska bei ihm; aber wenn sie ging, wenn sie vielleicht nimmer wiederkehrte – wenigstens so nicht wiederkehrte, wie sie gegangen, wäre es dann nicht besser – wenn …?

Ernst Wodrich hob die blasse, mit kaltem Schweiß bedeckte Stirn und rang wie ein Ertrinkender, den die gurgelnden Wasser hinabreißen wollen; wie ein Verzweifelter rang er aus all diesen irren entsetzlichen Wahnvorstellungen heraus um eine Sekunde völliger Klarheit – eine Sekunde, die über sein Leben und das ihre entscheiden sollte. –

„Wieviel Tropfen, Ernst?“

Ernst sah sie an, klar, durchdringend.

„Fünfzig Tropfen,“ sagte er todesruhig.

Die Frau schüttelte zweifelnd den Kopf; sie hob den Papierstreifen am Halse der Flasche, 20–30 Tropfen hatte daraufgestanden, aber die Zahl am Ende des Streifens war durch ein Versehen abgerissen, die Dreißig war so geschrieben, daß man sie leicht für eine Fünfzig halten konnte. –

Fünfzig Tropfen!

Mit all ihrem Sinnen und Denken schon bei der furchtbaren Stunde, die ihr bevorstand, zählte Franziska mechanisch die Tropfen ab, dreißig, vierzig, fünfzig – und Ernst sah zu und zählte mit – und ihm war, als flösse sein Leben so, Tropfen um Tropfen, hinab in die Ewigkeit. –

In diesem Augenblick trat das Stubenmädchen herein und brachte das Frühstück für den Herrn; sie blieb ruhig abwartend stehen und sah zu, wie Franziska die Tropfen eingoß, sie sah, wie die Hand der Frau zitterte und ein paar der glasklaren Tropfen über den Rand des Löffels liefen.

Es war geschehen.

Ernst schluckte die bitteren Tropfen hinunter, seine Augen ruhten immer noch mit demselben klaren, fast unirdischen Blick auf dem bleichen unruhigen Gesicht der Frau. Aber sie schlug die schönen kummervollen Augen nicht auf – sie gab ihm auf sein Geheiß etwas Wein zu trinken, dann legte er sich zurück und sagte aufatmend: „Ich danke Dir, Franziska. So – das wird gut thun.“

„Und das Frühstück, Herr Regierungsrat,“ mahnte Lisbeth, schüchtern herantretend.

Er wehrte mit der Hand ab. „Jetzt nicht!“

Lisbeth warf einen scheuen Blick auf den Herrn, auf die Frau. Wie sonderbar die beiden waren, so ernst, so schweigsam – gerade als wenn sie ’was miteinander gehabt hätten, mußte sie denken. „Franziska“ hatte der Herr zur Frau gesagt – so hatte er sie noch nie genannt. Kurios! Das mußte sie Rieke erzählen, sobald die nur vom Markt zurückkäme.

So ging sie mit ihrem Frühstücksgerät wieder hinaus in die Küche.

Es schlug dreiviertel Zehn. Franziska brannte der Boden unter den Füßen, sie mußte fort. Die dumpfe Herzensangst der letzten Tage war zum Riesen herangewachsen, der das junge Weib mit eiserner Faust unter seinen Bann zwang, daß sie fast willenlos diesem unerbittlichen Zwange folgen mußte.

Sie stand zu Füßen von Ernsts Bett – ihr Herz klopfte in starken Schlägen, daß sie es nicht bloß fühlte, sondern hörte, deutlich hörte; sie hielt die kalten zitternden Finger fest ineinandergeschlungen, wollte sprechen, aber ihre Zunge versagte den Dienst. Endlich brachte sie mühsam, mit heiserer Stimme die Worte hervor: „Wünschest Du noch etwas, Ernst?“

Er hatte still, wie ein Todmüder, dagelegen, jetzt schlug er die Augen auf und sah sie an mit einem Blick, der ihr – hätte sie ihn gesehen – das Herz zerrissen hätte – und sagte langsam: „Nein, ich danke. Geh' in Frieden, Franziska!“

Sie wankte. Es war, als müsse sie vor dem Bett in die Knie sinken, als müsse sie ihr Haupt an Ernsts Brust legen und ihm alles bekennen – alles, was wie eine schier unerträgliche Last auf ihrer Seele lag, was sich wie eine Mauer, höher und höher anwachsend, zwischen ihr und ihrem Gatten aufbaute; aber mit einem letzten heldenhaften Aufraffen ihrer physischen und geistigen Kräfte drängte sie dies stürmische Begehren zurück. Sie griff nicht einmal nach seiner Hand, die reglos auf der Decke lag, sie wagte keinen Blick auf sein Angesicht; hätte sie ihn nur berührt, hätte sie ihn nur angesehen – noch in dieser letzten Minute wäre sie sich selber untreu geworden, und alles – das ganze ungeheure Opfer, das sie sich auferlegt, wäre vergebens gewesen!

Diese letzte Minute am Krankenbett ihres Gatten ward für sie zur Ewigkeit, in der ihre junge Seele ein Martyrium sondergleichen durchlitt.

Ohne ein Wort, ohne einen Blick schritt sie hinaus wie ein Held. – –

Franziska war fort. Mit hastigen Worten hatte sie dem verdutzten Hausmädchen eingeschärft, für den Herrn zu sorgen, hatte sich eine Droschke holen lassen und war fortgefahren. Immer unter demselben Druck jener dumpfen fürchterlichen Angst, die sich fast betäubend auf Herz und Hirn legt, wie bei einem Verbrecher, der sich zum letzten Gange anschickt. –

Kaum war die Droschke davon, als Doktor Böhmer auf einem offenen Gutswagen, der ihn aufs Land hinaus holte, vorüberfuhr. Er sah das ihm wohlbekannte Mädchen von Wodrichs noch unter der Hausthür stehen und sich rechts und links mit einem so sonderbaren Gesichtsausdruck umschauen, daß es ihm sofort auffiel. Der Kutscher mußte halten, und Doktor Böhmer rief das Mädchen an. „Was ist denn bei Ihnen los?“ fragte er barsch. „Was haben Sie hier zu gucken?“

„Ach, Herr Doktor,“ stotterte Lisbeth ungeschickt, „ich weiß nicht, bei uns ist heut’ alles so sonderbar. Die gnädige Frau ist fort, und der Herr …“

„Was ist mit dem Herrn?“

„Je, ich weiß nicht. Er wollte kein Frühstück und er sieht so schlecht aus …“

„Verrücktes Gewäsch!“ brummte der Doktor, sprang indes nichtsdestoweniger vom Wagen, bedeutete den Kutscher, ein paar Minuten zu warten, und ging mit dem Mädchen ins Haus. In diesem Augenblick kam Rieke mit ihrem schwerbeladenen Korbe vom Markte zurück. „Zum Kuckuck, müssen Sie auch gerade jetzt ausrennen und können nicht aufpassen!“ fuhr der alte Herr die Ahnungslose an. „Nun haben wir die Bescherung! Die Frau ist ausgegangen – mit solch einem Brüllhusten, bei dem schönsten Ostwind, den man sich denken kann …“ er konnte nicht weiter, pustend, atemlos blieb er auf dem Treppenabsatz stehen.

„Ausgefahren,“ verbesserte das junge Hausmädchen, das sich jetzt schon vor Riekes heiligem Donnerwetter fürchtete.

„Ganz egal – Ihr hättet sie nicht weglassen sollen,“ knurrte der Doktor. Sie standen vor der Flurthür, Rieke schloß auf; sie war noch immer sprachlos, was ihr selten genug passierte, stellte ihren Korb ohne weiteres in den Flur ab und ging hinter dem Doktor her ins Schlafzimmer.

Der Kranke lag wie schlafend, sein Gesicht war sehr blaß mit tiefen bläulichen Schatten. Doktor Böhmer griff nach dem Puls. „Nicht möglich!“ murmelte er, legte die Hand auf das Herz und beugte sich dann, wie in plötzlicher Ahnung, zu den Lippen des Kranken nieder. Ein schwacher Geruch von bittern Mandeln bewies ihm, daß er sich nicht geirrt. Verstört blickte er sich um, suchte mit den Augen nach dem verhängnisvollen Fläschchen – richtig, dort stand’s auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers. Eine wirre Gedankenflut schoß auf ihn ein – in der nächsten Sekunde jedoch war er wieder der Arzt, der ruhige, kühl besonnene. „Rieke, schnell starken Kaffee gekocht – die andere Dirn’ soll in die Apotheke …“ Er riß einen Zettel aus seinem Notizbuch, kritzelte ein paar Worte darauf. „Hier – aber so rasch als möglich!“

(Schluß folgt.)


[52] 0


BLÄTTER UND BLÜTEN.


Heinrich von Sybel. (Zu dem Bildnis S. 37.) Unsere Geschichtschreiber zeichnen sich durch eine seltene Schöpferkraft in hohen Lebensjahren aus. Hochbetagt war Ranke, als er der Nation die wertvolle Gäbe seiner Weltgeschichte spendete, und auch Heinrich von Sybel hat jetzt die Mitte der Siebziger bereits überschritten und in rascher Folge erscheint ein Band seiner „Begründung des Deutschen Reichs durch Wilhelm I.“ nach dem andern, gegenwärtig nach dem sechsten alsbald der siebente. Und dabei wendet sich der Fleiß und die Gelehrsamkeit unserer Forscher jetzt mit Vorliebe der jüngsten Zeit zu. Zwar Gervinus erlahmte bei der Aufgabe, eine Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts zu schreiben; das Jahr 1866 und der Triumph Bismarcks, in dem er nur den preußischen Junker sah, verdarben ihm das Concept. Treitschke stellte sich vom entgegengesetzten Standpunkt dieselbe Aufgabe und bringt sie mit größerer Ausdauer zur Lösung; er ist in seinem neuesten Bande bei dem bedeutungsvollen Jahr 1848 angekommen. Sybel aber hat sich die große neue Geschichtsepoche Deutschlands zum Gegenstande gewählt und behandelt dieselbe mit Benutzung der reichen archivarischen Quellen, die ihm bis vor kurzem im vollsten Umfang zu Gebote standen.

Heinrich von Sybel ist ein Rheinländer, geboren am 2. Dezember 1817 zu Düsseldorf, war er seit 1845 Professor in Marburg, 1850 kurhessischer Abgesandter auf dem Reichstag zu Erfurt. Im Jahre 1856 nach München berufen, entwickelte er hier eine Thätigkeit, welche der deutschen Geschichtswissenschaft in seltener Weise zugute kam und welche geradezu als eine grundlegende bezeichnet werden kann: er gründete die „Historische Zeitschrift“, die sich seither als Mittelpunkt aller Forschungen und Leistungen auf diesem Gebiete behauptet hat, richtete das erste historische Seminar an der Universität ein und war Sekretär der von König Max II. geschaffenen „Historischen Kommission“, welcher die Herausgabe großer geschichtswissenschaftlicher Werke als Aufgabe zufiel. Seine akademische Thätigkeit setzte er dann seit 1861 in Bonn fort; er war auch parlamentarisch thätig, mehrfach Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und auch in den Reichstag des Norddeutschen Bundes ist er gewählt worden. Seit 1875 ist er Direktor der preußischen Staatsarchive in Berlin und giebt als solcher seit 1878 ein großartiges Werk heraus, die auf 70 Bände berechnete Veröffentlichung archivarischer Dokumente. Sein großes Hauptwerk ist die „Geschichte der Revolutionszeit 1789 bis 1800“ (5 Bände seit 1853), für welche er nicht nur die Pariser Archive, sondern auch diejenigen von Berlin, Wien, London benutzte. Dieses Geschichtswerk beschränkt sich nicht auf Frankreich; es giebt ein Gemälde des ganzen Zeitalters; die europäische Kabinettspolitik in jener Zeit der großen Umwälzung ist von ihm zum erstenmal erschöpfend behandelt worden. Auch was die innere Bewegung in Frankreich betrifft, hebt er neue Gesichtspunkte hervor; volkswirtschaftliche und staatswirtschaftliche. Vortrefflich ist seine Darstellung der inneren Zustände Frankreichs vor der Revolution und der polnischen vor der Teilung Polens. Obwohl bestimmter in seinen sittlichen Urteilen gegenüber den einzelnen öffentlichen Charakteren als Ranke, ist er doch kein so markiger Porträt- und Charaktermaler wie Mommsen; er legt wie Ranke den Hauptnachdruck auf die Darstellung der allgemeinen Verhältnisse und Einflüsse. Gleiche Vorzüge hat auch sein neuestes Werk; mit einer Quellenkunde ausgerüstet wie kein anderer und gewohnt, dem politischen Faden in alle Schlupfwinkel der Kabinette nachzugehen, wird er der tonangebende Geschichtschreiber dieser großen Epoche bleiben und Sagengebilde, wie sie sich um einzelne Vorgänge, wie die Emser Depesche, ansammelten, ein für allemal zerstreuen. Die Ursachen des französischen Kriegs sind nie so lichtvoll dargelegt worden wie von Sybel im siebenten Bande seines neuen Geschichtswerkes; glücklicherweise beherrschte er das dafür nötige Aktenmaterial bereits hinreichend, als man ihm neuerdings das Vorrecht, offizielle Akten frei zu benutzen, entzog. †      

Auf dem Schießstand. (Zu dem Bilde S. 41.) Von früh bis spät knallt es im Winter wie im Sommer auf den Militärschießständen, die bei jeder Garnison unter sorgsamer Berücksichtigung des Geländes, meist mitten im Grünen, angelegt sind. Ohne Unterlaß ziehen immer wieder neue Abteilungen hinaus, um zu bestimmter Zeit die mit ihrer heutigen Aufgabe fertig gewordenen abzulösen.

Napoleon I. hat gesagt: „Ich will nur eine Infanterie, aber eine gute!“ und diese „Güte“ besteht in erster Linie im Schießen- d. h. Treffenkönnen – heute mehr denn je. Alle die Fortschritte, welche die Neuzeit auf militärischem Gebiete und namentlich auf dem des Waffenwesens – die Einführung des kleinkalibrigen Mehrladers, des rauchschwachen Pulvers etc. – gebracht hat, erheischen um so dringender auch eine um so gründlichere Einzelausbildung, eine gesteigerte Treffsicherheit des Schützen. Das weiß man im deutschen Heere, und dementsprechend wird die Ausbildung geleitet, wobei der Schießstand eine Hauptrolle spielt.

Auf einen solchen Militarschießstand versetzt uns das Bild, das bei denjenigen Lesern, die selbst gedient haben, manche Erinnerung wachrufen wird. Nach den Unterweisungen und Vorübungen, welche die Neulinge im Dienste des Mars bereits in der Kaserne und auf dem Exerzierplatze durchgemacht haben, beginnen die Schießübungen bei der Infanterie mit dem Erlernen des richtigen Anschlages, um dann zum Schießen nach der Scheibe im Stehen, Liegen und Knieen unter Anpassung an das Gelände und der dadurch gegebenen Deckungen und unter Zugrundelegung wirklicher Gefechtsverhältnisse fortzuschreiten.

Heute schießt die Kompagnie besondere Uebungen, und der Hauptmann ist selbst dabei zugegen, um die Instruktion zu überwachen und die Leistungen der Einzelnen zu prüfen. Ringsum knallt und knattert es – eine Musik, die das Soldatenherz erfreut. Neben den Schießenden sitzt der Hauptmann auf einem Stuhle, seine Cigarre dampfend; er mustert jeden Einzelnen kritischen Blickes und erteilt ab und zu kurze Weisungen. In der „Hitze des Gefechts“ läßt ein Ungeschickter, auf den die Nähe des gestrengen „Vaters der Kompagnie“ offenbar nicht gerade ermutigend wirkt, seine Patronen fallen. Ganz anders der stramme Füsilier, der soeben zum Schießen antritt. Auf ihn schaut der seitwärts am Tische, an dem ein Einjähriger die Schießresultate notiert, stehende Schießunteroffizier mit Zuversicht und Befriedigung, weil er einer der tüchtigsten unter seinen Schülern ist. Auch ihn unterweist der Hauptmann noch, während er schußfertig dasteht. Aber man sieht es seiner ruhigen, festen Haltung an, daß er auch diesmal seine Sache gut machen und wohl bald zu denjenigen gehören wird, welche die auszeichnenden Schützenschnüre tragen dürfen. F. R.     

Präparierte Palmen. Unter Palmen zu wandeln, kann sich bei uns auch der Minderbegüterte leisten, ohne deshalb eine Weltreise machen oder auch nur in ein Gewächshaus gehen zu müssen. Die Palme ist gewissermaßen volkstümlich geworden. In großen Wirtschaften kann man jetzt beim Scheine der elektrischen Lampen und einem guten Tropfen Gerstensaft mitten in einer tropischen Landschaft sitzen, nur ist diese Landschaft – eitel Trug! Die naturfrischen Wedel mit dem farbensatten Grün sind nichts als wohlkonservierte Blätterleichen, die durch kunstfertige Hände mit dem verdorrten Stamme eines aus ihrer Sippschaft zu Kübel- oder Topfpflanzen verarbeitet worden sind. Ein zierlicher Korkholzbehälter, in welchem die „Füße“ dieser Pflanze wohlverborgen sind, muß die Täuschung vollenden. Als Schmuckgegenstand zur Belebung eines Zimmers sind die präparierten Palmen ganz vortrefflich geeignet. Wartung und Pflege bedürfen sie nicht, auch kein Sonnen- oder Tageslicht; die Reinigung der Blätter geschieht in der einfachsten Weise, indem man sie aus dem Stamm herauszieht und mit einem feuchten Schwamme abwischt. Selbstverständlich vermag ein solches Kunsterzeugnis nie eine lebende Pflanze zu ersetzen; insbesondere fehlt ihr jeder Wert für die Verbesserung der Luft.

Der Orangentanz. (Zu dem Bilde S. 48 und 49.) Wenn für die Bekenner des Islam der Fastenmonat Ramasan in die heiße Zeit des Jahres fällt, lastet der dumpfe Druck der Entbehrung zwiefach schwer auf den Gläubigen. All’ ihr Fanatismus lindert die Sonnenglut nicht und hebt Hunger und Durst nicht auf. Im Gegenteil: hundertfach verlockend glühen die Früchte am Baum und sprudelt das Quellwasser in den spärlichen Brunnen für die begehrlichen Augen und die lechzende Zunge derer, die vom Aufgang der Sonne bis zur Stunde, da der Ruf der Muezzins von der Galerie der Minarets ihren Niedergang verkündet, weder Speise noch Trank berühren noch sich am Rauch des Tabaks in Tschibuk und Nargileh erquicken dürfen, ja, die ihre Lippen sogar den Regentropfen verschließen müssen, die der barmherzige Himmel jeweilen einmal spendet.

Ein einziger Tag jedoch unterbricht die strenge Askese eines vollen Monats, das ist der Fünfzehnte, die Mitte des Ramasan. Dann spricht der Beherrscher der Gläubigen im fernen Stambul drunten in der heiligen Sophienmoschee das große Gebet und in allen Provinzen, die ihm unterthan sind, feiert und schwelgt das Volk. Musik ertönt und der schwere Duft des Räucherwerks steigt aus Onyxschalen empor. – Wo ist wohl mehr Glanz zu finden als in der marmornen „Kulá“, dem Landhause des Bey, dort, wo nahe der algerischen Grenze waldige Hügel den Horizont kränzen und im Garten anbei Palmen und Orangenbäume in die zierlichen Säulengänge des kühlen Hofes hineinschauen. Aus der nahen Stadt sind die Tänzerinnen geholt worden, schöne bronzebraune Mädchen, mit sammetnen Schwarzaugen und feinen Gliedern. Sie haben mit feierlichen Tänzen begonnen, bei denen nur der Oberkörper sich in graziösem Wiegen bewegt; sie haben mit Schwert und Messer gespielt und das Tamburin gepocht; jetzt tanzt die Schönste und Zarteste den Orangentanz. Große, dunkelgoldne Früchte aus Jaffa, drei davon im Dreieck auf den weißen Marmor gelegt, Rosen, Nelken und frisches Grün dazwischen gestreut – und nun tanzt die Behende, daß die Spangen an ihren Knöcheln klirren und die golddurchwirkten Schleier fliegen. Zwischen Frucht und Blume schlüpft ihr Fuß hindurch, ohne sie zu berühren; kaum daß ihre Zehenspitze den glatten Boden streift; so leicht ist sie wie eine Tochter der Luft. Leise pfeift und zirpt die eintönige Musik aus der Schalmei, der „Tschoban“ und der langen Mandoline, der „Dingala“, und auf prächtigem Teppich, unter buntem Baldachin sitzt der Bey mit seinen Gästen, alle stumm und regungslos, nur aus den dunkelbeschatteten Augen blitzt das Entzücken am Tanze. – Später, wenn die Männer alle zum beschaulichen Träumen, dem „Kef“, in das „Selamlik“, die Besuchsräume, zurückgekehrt sind, wird die Tänzerin sich zum goldenen Lohne auch noch die goldenen Jaffafrüchte in den Zipfel ihres seidenen Gewandes knüpfen und mit heimnehmen. Sie weiß wohl, daß jede der Orangen einen kostbaren Kern birgt: drei Steine für eine neue Spange zum Bairamfest, und sie kennt den Spender; mag der junge Bey im weißen Turban neben seinem Vater sich auch hundertmal halbschlafend gestellt haben bei seiner Wasserpfeife! B. S.-S.     



Inhalt: Buen Retiro. Von Marie Bernhard (2. Fortsetzung). S. 37. – Heinrich von Sybel. Bildnis. S. 37. – Auf dem Schießstand. Bild. S. 41. – Die Diamanten- und Goldfelder in Südafrika. Von B. Falk. S. 42. Mit Abbildungen S. 42, 43, 44, 45 und 46. – Um eine Kleinigkeit. Novelle von Jassy Torrund (2. Fortsetzung). S. 46. – Der Orangentanz. Bild. S. 48 und 49. – Blätter und Blüten: Heinrich von Sybel. S. 52. (Zu dem Bildnis S. 37.) – Auf dem Schießstand. S. 52. (Zu dem Bilde S. 41.) – Präparierte Palmen. S. 52. – Der Orangentanz. S. 52. (Zu dem Bilde S. 48 und 49.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.0 Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: dem