Die Gartenlaube (1888)/Heft 23
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Der erste Schnee in den Bergen! Dort oben fällt er früh; in der Ebene fliegen vielleicht noch die Sommerfäden; da flimmert’s und stiebt’s schon hier oben und liegt duftig weiß und glitzernd auf den Tannen. Dann ist’s behaglich in den Häusern der Menschen; die großen Kachelöfen thun ihre Schuldigkeit und die Fenster sind mit grünem Moos umkränzt, daß der kalte Wind keine noch so kleine Oeffnung findet, ins Innere zu dringen. Köstlich ist es dann besonders Abends, wenn die Lampe über dem Tische schaukelt und ihr Licht auf spiegelndes Theegeräth fällt.
Aber so heimlich warm, so wohnlich, so altväterisch behaglich war es doch nirgend in dem ganzen Gebirg, wie in der Wohnstube des Neuhäuser Schlosses. Schade nur, daß das Spinnrad mit dem farbigen Wockenband nicht mehr auf der Estrade seinen Platz hatte – es paßte so gut hinein in diese behaglichen vier Pfähle! Draußen flimmerte und stiebte es; hier innen brannte die Lampe auf der Platte des altmodigen Schreibtisches.
Beate schrieb: „Also, dies wären die Wirthschaftsfragen gewesen, Lothar; jetzt zu den Herzensangelegenheiten! Ich war vorhin im Eulenhause und traf Claudine in der Wohnstube; sie gab der kleinen Elisabeth Unterricht. Ich möchte Dir ja gern etwas besonders Gutes schreiben diesmal, aber es ist immer das Nämliche. Sie spricht nie von Dir, und wenn ich davon anfange, so erhalte ich keine Antwort, wenigstens keine, die mich befriedigt. Sie zeigt nur ein Interesse, und zwar das an dem Befinden der Herzogin. Sie lebt wie eine Nonne und sieht bleich aus zum Erbarmen; ihre einzige Abwechselung sind stundenlange einsame Spaziergänge. Joachim, der Egoist, scheint es nicht zu bemerken oder will es nicht sehen; ich habe ihm aber heute den Staar gestochen. Er brachte grade wieder ein dickes Manuskript, das Claudine kopiren sollte; ich nahm es ihr vor der Nase weg und sagte ‚Wenn Sie erlauben, besorge ich das, Sie überbürden ja das arme Mädchen.‛ Du weißt , sie hat die Ida abgeschafft und thut alles allein, kocht, näht und plättet, und nicht etwa schlecht! Da soll sie nun neben den Haushaltungsgeschäften noch wie ein Bogenschreiber frohnen und ihre Augen vollends verderben. Als ob die nicht vom Weinen genug gelitten hätten!
[374] Weiß Gott, man steht sie ja kaum anders, als mit eigenthümlich gerötheten Augenlidern, wenn sie auch zehnmal auf meine Frage: „Hast Du geweint?“ antwortet: „Ich? weshalb sollte ich denn weinen?“
Joachim sah mich ganz erstaunt an; ich bin aber gewiß, es ist ihm schrecklich, daß ich in dieses Geheimniß einer Dichterseele gucke. – Er hat mir nicht zu widersprechen gewagt; es hätte ihm auch nichts geholfen, denn er ist einer von denen, die man mittelst Energie gefügsam machen muß; die imponirt ihm einzig und allein!
Aber verzeihe, ich schreibe so lange von Joachim, und Du willst von Claudine hören. Du hast mich gefragt, ob sie den Verlobungsring trägt. Es thut Dir gewiß weh, aber lügen kann ich einmal nicht, Lothar – der goldene Reif fehlt an ihrer Hand. Ich fragte sie darum, da wurde sie verlegen und antwortete nicht. Sie hat so etwas Herbes um den Mund; es schmerzt mich, sie anzusehen. Du hättest wohl anders um sie werben sollen; aber freilich, wie die Sachen lagen –
Manchmal denke ich, sie hat vielleicht doch den Herzog – Nein, nein, Lothar, ich will Dich nicht ängstigen, ich bin so dumm in solchen Dingen; ich weiß ja nicht, was zwischen Euch steht, und ich will mich nicht in Euer Geheimniß drängen. Gott gebe, daß sich diese Wolken verziehen! Aber Eines weiß ich, wenn sie sich nicht bald verziehen, so werdet Ihr beide sterbensunglücklich. Zuweilen packt es mich, ich möchte dann hintreten und fragen. ,Was ist das für ein Getrotze? Der Eine hier, der Andere da. – Liebt Ihr Euch, oder liebt Ihr Euch nicht, was?‘ Aber Du hast es so verboten, also weiter so!
Ich nehme Leonie immer mit nach Eulenhaus, aber sie thut, als ob sie das Kind nicht sieht, und es ist so frisch und herzig jetzt. Joachim sagt, es sei mit seinen dunklen Augen und Locken wie ein – ‚spanisches Baby‘. Einmal habe ich sie heimlich beobachtet, da hat sie das Kind geherzt und geküßt; aber als ich hineintrat, war es wieder das Alte!
Frau von Katzenstein schrieb neulich an Claudine, daß Prinzeß Helene bei der Herzogin in Cannes sei; sie soll sich fast aufopfern und mit unermüdlicher Geduld um die Kranke sein; auch die Herzogin lobt sie in ihren Briefen an Claudine. Ihre Hoheit schreibt fast täglich, und Claudine antwortet pünktlich; aber die Korrespondenz scheint ihr keine Freude zu machen. Sie kann förmlich ungeduldig aussehen, bringt der Postbote so ein duftendes Briefchen mit der herzoglichen Krone. Die hohe Frau erkundigt sich nämlich in jedem Briefe: ,Wann ist Deine Hochzeit, Claudine? Warum schreibst Du nichts von Deinem Bräutigam, von Deinem Glück?‘ Und zuweilen liegt eine Orangenblüthe zwischen den Blättern. Was Claudine antwortet, weiß ich nicht, vermuthe aber aus der immer wiederkehrenden Frage, daß sie gar nichts darauf erwidert.
Herr Gott, ist das ein langer Brief geworden! Und ich will noch mehr schreiben heute, ich beginne nämlich Joachims Manuskript zu kopiren. Ich habe schon darin geblättert, es ist das zweite Heft der spanischen ‚Reiseerinnerungen‘.
Was willst Du sonst noch wissen, Lothar? Frage nur, ich antworte aufrichtig. Laß Dir die Zeit auf Deinem einsamen Schlosse in Sachsen nicht allzu lang werden. Gott gebe im Befinden der Herzogin einen erfreulichen Fortgang! Die arme Kranke, sie soll so unruhig sein, so große Sehnsucht haben nach ihrer deutschen Heimath und nach den Kindern. Gestern schickte sie Rosen an Claudine; vor mir duftet eine der armen weitgereisten Blüthen im Wasserglase und schaut verwundert in das Schneetreiben vor den Fenstern. Es wogt und tanzt ganz unermüdlich in der farblosen Dämmerung des beginnenden Abends; welch ein lautloses Gewimmel! – Ich lege Dir eine Locke bei von unserer Kleinen.
Prinzeß Thekla hat in der That Frau von Berg bei sich; weißt Du das? Und wußtest Du, daß der Herzog Herrn von Palmer nicht mit nach Cannes nahm? Es ist auffallend, er konnte sonst nicht ohne ihn sein.“
Sie adressirte den Brief und stand eben im Begriff nach dem Kinderzimmer zu gehen – es war die Zeit, wo die Kleine ihr Abendsüppchen verspeiste, das Beate als gewissenhafte Pflegemutter nie zu kosten versäumte – da ward ihr Heinemann gemeldet.
„Nun,“ fragte sie, als der Alte eintrat, im Flauschrock und hohen Stiefeln, die Pelzkappe in der Hand, „was ist bei Euch passirt?“
„Gott sei gepriesen, nichts! Aber wir haben ein Telegramm bekommen, das gnädige Fräulein muß noch mit dem Nachtzuge fort; sie läßt Fräulein von Gerold um einen Schlitten bitten, der sie nach der Station fahren kann.“
Beate befahl in aller Seelenruhe das Anspannen und schenkte eigenhändig dem Alten einen Likör ein.
„Ich werde mitfahren,“ sagte sie, „und Sie können hinten aufsitzen.“
„Ja, darum ließ das gnädige Fräulein auch herzlich bitten; ich hatt’s vergessen,“ murmelte der Alte.
Beate fuhr nach kaum einer Viertelstunde in den schneehellen Wald hinaus. – Was in aller Welt mochte geschehen sein?
Das Eulenhaus hob sich grau aus den verschneiten Tannen und röthlich schimmerten die erhellten Fenster in die Nacht. Fräulein Lindenmeyer kam ihr im Hausflur entgegen; sie sah beängstigend feierlich aus und ihre Augen schwammen in Thränen. Sie hatte die Hände gefaltet und flüsterte der erschreckten Beate zu: „Mit der Herzogin geht es zu Ende!“
Beate flog die Treppe empor nach Claudinens Zimmer. Die packte eben eilig ein Köfferchen; sie wandte ihr ein trübes Antlitz zu.
„Um des Himmels willen,“ rief die Eintretende, „Du reisest nach Cannes?“
„O nein,“ erwiderte Claudine, „nur nach der Residenz; die Herzogin will zu Hause sterben.“
Und sie legte die Hände vor das vergrämte Gesicht und weinte.
„Sie bringen sie zurück? Ach Gott! – Meine gute Claudine, weine nicht; liebe, einzige Claudine, Du mußtest ja doch wissen, daß es nur eine Frist sein konnte, dieses scheinbare Besserwerden!“
„Da die Depesche von Frau von Katzenstein, Beate; die Herzogin erwartet, mich in der Residenz zu finden. Morgen Abend kommen sie an; die Depesche ist schon aus Marseille. Ich wollte Dich bitten, Beate, sieh zuweilen nach der Kleinen,“ fuhr Claudine fort; „Joachim ist so in der Arbeit, und Fräulein Lindenmeyer zuweilen schon recht vergeßlich. Ich hatte gedacht, an Ida zu schreiben, aber die Lindenmeyer erzählte mir, sie habe schon eine Stelle angenommen.“
„Was redest Du denn so lange darum?“ sagte Beate scheinbar böse und half der Kousine den Mantel anziehen, „das ist doch selbstverständlich; mach’ Dich gut warm, und –“
„Aber laß das Kind hier im Eulenhause,“ unterbrach Claudine sie; „Joachim ist es so gewöhnt, daß Elisabeth in der Dämmerung herauf kommt und auf seinen Knieen sitzt und sich Märchen erzählen läßt.“
„Versteht sich,“ erwiderte Beate. „Aber, was ich sagen wollte, Claudine“ – sie stockte – „vergiß den Verlobungring nicht,“ setzte sie leise hinzu.
Claudine wandte sich erschreckt um. „O ja, Du hast Recht,“ sagte sie traurig und suchte den Ring aus einer kleinen Kassette hervor.
Fräulein Lindenmeyer stand weinend neben Beate im Hausflur, während Claudine Abschied nahm von Joachim.
„Ach Gott, so jung noch und schon sterben müssen!“ schluchzte das alte Fräulein, dem in seinem Schmerz kein passenderes Citat einfiel; „von Mann und Kindern fort, und so weit da draußen in der Welt! Gott gebe es, daß sie noch lebend die Heimath erreiche!“
„Gott gebe es!“ wiederholte wie unbewußt Claudine und fuhr neben Beate in die Schneenacht hinaus. Beate ließ es sich nicht nehmen, ihre Kousine bis in das Coupé zu befördern; sie sorgte fast mütterlich für ihres Bruders Braut. Und als die erleuchtete Wagenreihe in die Nacht verschwunden war, fuhr sie mit ernsten Gedanken heim. Die Schlittenglocken klingelten seltsam feierlich im Walde, es war so lautlos still rings umher; sie dachte an den Expreßzug, der durch das Land jagte und die kranke Herzogin mit sich führte. Es mußte schlimm, sehr schlimm stehen, daß man die Reise unternahm; es konnte nur sein, weil sie daheim sterben wollte. Und sie dachte an Claudinens Weinen. Welch Wiedersehen zwischen den Beiden! Als die Herzogin Altenstein verließ, um nach Cannes zu gehen, war sie ohnmächtig geworden. Und nun kam der letzte Abschied.
Auch Claudine dachte an ihre fürstliche Freundin, als sie so ganz allein dahin fuhr. Es reist sich schrecklich mit solchem Ziel. [375] So bald schon! klang es in ihrem Herzen. Ja, sie alle hatten sich sagen müssen, daß es nur eine kurze Frist war, die dem armen Leben noch gegeben ward, und nun kam es doch zu rasch! Düster stand die Zukunft vor des Mädchens Seele, düsterer als die Nacht da draußen.
Sie hatte zunächst nur eine kleine Strecke zu fahren, dann aber in Wehrburg zwei Stunden Anfenthalt; der Winterfahrplan war so ungünstig. Und da schimmerten schon die Lichter von Wehrburg, der Zug fuhr langsamer und hielt endlich. Sie stieg aus und ging durch die zugige erleuchtete Halle nach dem Wartesaal; sie hob den Schleier nicht, als sie eintrat, und nahm still in einer Ecke Platz.
Nicht weit von ihr saßen flüsternd ein Herr und eine Dame, die letztere gleich ihr unkenntlich durch einen dichten Gazeschleier; nur die Bewegung des Kopfes schien Claudine bekannt. Von dem Herrn hatte sie bis jetzt nur das stark grau melirte, kurz gehaltene Haar gesehen. Er trug einen kostbaren Pelz, sein Hut lag neben ihm. Er beugte sich über ein Kursbuch, und wenn er eine Seite umschlug, so zuckte das Leuchten eines großen Brillanten zu ihr herüber. Es ist ein trauriger Aufenthalt während einer Winternacht in einem schlecht geheizten und schlecht beleuchteten Wartesaal. Unwillkürlich beobachtet man seine Leidensgefährten und überlegt: was mögen die vorhaben, wohin reisen sie, welche Bande verknüpfen sie unter einander? Ist es ein Ehepaar? Sind es Vater und Tochter?
Claudine in ihren trüben Gedanken starrte ebenfalls auf das einzige Paar Menschen, das, außer dem schlaftrunkenen Kellner, den Raum mit ihr theilte. Die Dame sprach leise und eifrig; ihr Kopf war dicht zu dem Herrn geneigt. Dieser rückte fast ungeduldig auf dem Stuhle hin und her.
„Unsinn!“ hörte Claudine ihn jetzt in französischer Sprache sagen; „ich habe es tausendmal erklärt, ich gehe bis Frankfurt und komme dann zurück.“
„Ich glaube Ihnen nicht,“ flüsterte die Dame heftig; „es bleibt bei dem, was ich gesagt habe – betrügen Sie mich, so wissen Sie, wie ich mich rächen werde.“
„Nun, das wird Ihnen auch nicht zum Heil gereichen, meine Beste!“
„Das thut dann auch nichts mehr,“ erklärte sie lauter, als es ihre Absicht sein mochte, und ihre kleine Hand schlug, zur Faust geballt, auf den Tisch. Besänftigend legte der Herr seine Rechte darüber und sah sich erschreckt um.
Claudinens Schleier war zu dicht; er verbarg völlig ihre Züge und ihre erstaunten Augen. – Das war ja, mein Gott, das war Herr von Palmer und – natürlich, so zischte nur Frau von Berg, wenn sie gereizt wurde. Das war ihr üppiges Haar, ihre volle Gestalt. Was in aller Welt –?
„Ich bitte Dich,“ sagte er jetzt schmeichelnd, „was sollte ich ohne Dich da draußen, m’amie? Sei doch vernünftig und erfülle meine Bitte!“
Eben brauste ein Zug in den Bahnhof, die Fenster bebten leise. Nun ertönte die Glocke und der Portier rief mit singender Stimme in das Zimmer. „Einsteigen in der Richtung nach Frankfurt am Main!“
Eilig erhob sich Herr von Palmer. „Bleibe hier!“ sagte er heftig.
„Ich werde mir doch nicht nehmen lassen, Sie bis ans Coupé zu geleiten,“ erwiderte sie höhnisch; „wer weiß, wie lange ich Ihre Gegenwart entbehren muß!“
Er antwortete nicht und stürmte hinaus, die Dame rauschte hinterdrein.
Claudine erhob sich unwillkürlich und trat ans Fenster; sie sah Palmer eilig in ein Coupé erster Klasse verschwinden. Die Dame stand davor, fest in ihren Pelz gewickelt. Dann setzte sich der Zug in Bewegung und die Zurückbleibende kam wieder ins Wartezimmer. Sie fixirte einen Moment die verschleierte Claudine; dann schlug sie den Schleier zurück und bestellte sich Thee und Zeitungen.
Richtig, dieser Seidenflor hatte das weiß geschminkte Gesicht ihrer Feindin verhüllt.
Herr von Palmer mochte wohl den Herrschaften entgegen reisen, was aber veranlaßte die schöne Frau zu Besorgnissen? Beate hatte vielleicht Recht; sie standen in engen Beziehungen zu einander und dieses leidenschaftliche Weib war eifersüchtig.
Und endlich, endlich kam ihr Zug. Claudine wartete ab, welches Coupé Frau von Berg nehmen würde; es waren nur zwei erster Klasse im Zuge. In das eine stieg Frau von Berg; so schritt sie auf das andere zu, das der Schaffner ihr sofort öffnete. Einen Moment überlegte sie noch, dort saß ein Herr – sollte sie zweiter Klasse fahren?
„Ist das Nichtrauchcoupé zweiter Klasse frei?“ fragte sie.
„Nein, Madame, es sind fünf Herren drinnen und eine Dame, und im Damencoupé eine Familie mit Kindern.“
Sie stieg endlich ein und nahm am Fenster Platz; der Herr dort in der Ecke schlief, es war nichts von ihm zu sehen, als Mütze und Pelz und eine dunkelviolette Reisedecke. Nun, lange dauerte ja die Fahrt nicht mehr, zwei Stunden höchstens. Sie legte den blonden Kopf mit dem dunklen Pelzmützchen an die Kissen, sie war so müde; aber die rastlos weiter arbeitenden traurigen Gedanken ließen sie nicht schlafen. – Die Herzogin würde sterben, dann hatte sie ein treues Herz verloren und – ihre Freiheit gewonnen; sobald die letzte Fackel gelöscht war am Begräbnißtage, würde sie Lothar den Ring in die Hand legen und aufathmen. Ihre Brust hob sich, aber schon der Gedanke an dieses Aufathmen that ihr weh. Ach, das Leben, das dann kommen würde! So farblos, so einförmig, das Leben eines armen adligen Fräuleins, das allmählich zur einsilbigen alten Jungfer wird. Das Leben einer Verschollenen! – Und wenn Joachim sich nun wieder verheiratete? Wenn zu all der Freudlosigkeit auch noch das Bewußtsein des Ueberflüssigseins käme? Wenn dereinst Beate einem Mann folgte, fort aus dem stillen Paulinenthal? Ach nein, Joachim blieb ihr, mußte ihr bleiben. Wie sollte er in seiner Zurückgezogenheit, in seinem arbeitsvollen Dasein Zeit finden, um zu freien? Joachim blieb ihr und sein Kind; sündhafte Muthlosigkeit war es, so zu denken. Sie hatte noch so viel, viel mehr als Andere!
Sie setzte sich hoch, kerzengerade, und sah auf die flimmernden Eisblumen der gefrorenen Fensterscheiben. Dann zuckte sie tödlich erschreckt zusammen. In dem Rollen und Kreischen des Zuges, der eben kurz vor einer Station gebremst wurde, hatte sie nicht gehört, daß der Herr dort aufgestanden und herüber gekommen war. Erst als sie fühlte, daß etwas ihren Mantel streifte, hatte sie aufgesehen – vor ihr saß Lothar.
„Also wirklich?“ klang es herzlich. „Trotz des Schleiers erkannt! Aber, was spreche ich denn? Es giebt ja nur einmal dieses goldige Haar. Und Sie wollen auch nach der Residenz?“ Es lag ein Ausdruck freudigster Ueberraschung in seinen Zügen. Unwillkürlich hatte seine Rechte gezuckt, als wollte sie eine dargebotene Hand erfassen; die Pelzmütze hatte er abgenommen; nun setzte er sie, wie um eine Verlegenheit zu verbergen, wieder auf.
Claudine saß da wie eine Statue. Sie hatte sich merkwürdig rasch gefaßt.
„Ja,“ erwiderte sie kurz, die Hand übersehend; sie hielt die beiden ihrigen in einander geschlungen im Muff, als wollten sie sich gegenseitig festhalten. „Der Kammerherr von Schlotbach telegraphirte mir, daß die Herrschaften morgen eintreffen, und da habe ich mich gleich aufgemacht.“
„Aber, sagen Sie, wie geht’s in Paulinenthal?“ fragte er dann.
„Gut!“ antwortete sie.
„Und meine Kleine?“
„Sie ist gesund – glaube ich.“
„Glauben Sie?“ fragte er mit bitterer Betonung.
Eine Weile schwiegen beide. Der Zug hielt; draußen knirschte der Schnee unter schweren Männertritten; irgend eine Coupéthür wurde zugeschlagen; dann läutete die Glocke und schrillte die Pfeife, und weiter rollte die Wagenreihe.
„Claudine,“ begann er zögernd, „ich habe vorgestern an Sie geschrieben. Der Brief wird heute früh im Eulenhause anlangen –.“
Sie neigte flüchtig den Kopf, ohne ihn anzusehen.
„Ich war in einer furchtbaren Stimmung,“ fuhr er fort; „stellen Sie sich vor, wie ich in dem alten, spärlich möblirten Schlosse hause, zwei Stunden von der nächsten Stadt, völlig eingeschneit. Ich bin vielleicht, naß wie eine Made, eben von einem Birschgange zurückgekehrt, sitze neben einem rauchigen Kamine, der kaum wärmt; der Schneesturm tobt vor den Fenstern, und so allein bin ich, so furchtbar allein in dem öden Gebäude! Dazu [376] habe ich dann zuweilen förmliche Visionen; ich sehe die Neuhäuser Wohnstube, sehe meine Kleine drinnen spielen, höre ihr Jauchzen und meine ordentlich den Geruch von Bratäpfeln zu spüren, die um diese Jahreszeit nie in der Röhre des Kachelofens fehlen.“ Er stockte einen Moment. – „Und da, da denke ich: mein Gott, wozu sitzest Du eigentlich hier in so trübseligen Gedanken? In einem solchen Moment stand ich vorgestern auf, holte meine Schreibmappe und schrieb, um Sie auf der Stelle zu fragen, ob –“
Sie fiel ihm fast heftig ins Wort.
„Weshalb fragen? Ich kann Sie nicht zwingen, Ihr Versprechen zu halten, habe auch wahrhaftig niemals verlangt, daß Sie nach Schloß ‚Stein‘ gehen sollten. Sie wußten ja sonst Berlin und Wien zu finden, oder Paris oder irgend eine große Stadt noch weiter entfernt.“
Er hatte sie ausreden lassen.
„Ich wollte Sie in dem Briefe fragen,“ sprach er ruhig weiter, „soll denn die Komödie noch kein Ende nehmen, Claudine? Es ist doch frevelhaft –“
Sie fuhr empor. Sprach er im Ernst?
„Das sagen Sie mir jetzt?“ rief sie empört, „jetzt, wo die Entscheidung so nahe? Die Arme lebt vielleicht keine vierundzwanzig Stunden mehr! Haben Sie es so eilig, Ihre Freiheit wieder zu erlangen?“
„Sie sind sehr verbittert, Claudine!“ erwiderte er unwillig, und doch klang es wie Mitleid aus seiner Stimme. „Aber Sie haben Recht; angesichts der traurigen Tage, denen wir entgegensehen, sollte man nicht von diesen Dingen sprechen; indessen –“
„Neiu, nein! Sprechen Sie nicht davon!“ pflichtete sie ihm aufathmend bei.
„Indessen ich kann nicht anders,“ fuhr er unerbittlich fort. „Das Neueste ist nämlich, daß Ihre Hoheit sich direkt an mich wandte.“ Er nahm seine Brieftasche heraus und reichte ihr ein Schreiben; „es ist besser, Sie lesen selbst.“
Claudine machte eine abwehrende Bewegung.
„Es ist ein eigenhändiges Schreiben der Herzogin,“ betonte er, ohne das Briefblatt zurückzuziehen; „die arme Frau verbittert sich ihre letzten Tage mit Sorgen. Wenn Sie gestatten, Kousine, lese ich es Ihnen vor.“
Und das blasse Mädchengesicht kaum mit dem Blicke streifend, begann er.
„Mein lieber Baron! Diese Zeilen schreibt Ihnen, nach langem innern Kampf, eine Sterbende und bittet Sie, ihr nach Möglichkeit in einer überaus zarten Angelegenheit zu helfen.
Sagen Sie mir die Wahrheit auf eine Frage, deren Indiskretion Sie mir, die ich bald nicht mehr unter den Lebenden sein werde, verzeihen wollen. Lieben Sie Ihre Kousine? Wenn es nur ein Akt der Klugheit und Großmuth war, ihre Hand zu erbitten, dann, Baron, geben Sie dem armen Mädchen die Freiheit zurück und seien Sie überzeugt, daß Sie dadurch die Zukunft zweier Menschen, die mir über alles theuer sind, glücklich gestalten werden. Elisabeth.“
Die blauen Augen Claudinens starrten wie verzweifelt auf das kleine Briefblatt. Barmherziger Gott, was sollte das sein? War die Herzogin noch immer in dem alten schrecklicheu Wahn, daß ihr Gatte sie liebe oder sie ihn? Oder hatte Prinzeß Helene sich ihr anvertraut, und die Herzogin wollte vermitteln zwischen Lothar und ihr?
„Und Sie?“ klang es endlich gebrochen von ihren Lippen.
„Ich bin auf dem Wege, Ihrer Hoheit die Antwort zu bringen, Claudine. Sie wissen selbst, hoffe ich, daß es unnöthig war von der Herzogin, die Wahrheit zu fordern. Ich habe immer offen gehandelt während meines ganzen Lebens; nur einmal beging ich eine Täuschung, weil ich aus Zartgefühl nicht den Muth hatte zu sprechen, weil ich glaubte, ein einmal gegebenes Wort einlösen zu müssen, und sollte es auf Kosten meines Lebensglückes geschehen. Lassen wir das, es ist begraben. – Niemals haben mich seitdem irgend welche Rücksichten gehindert, der vollsten Ueberzeugung gemäß zu handeln. Ich werde Ihrer Hoheit kurz erklären, daß –“
Ein leiser Schrei unterbrach ihn; flehend streckte Claudine ihm die Hand entgegen und ihre Augen starrten angstvoll in die seinen.
„Schweigen Sie, ich bin nicht die Herzogin!“ stammelte sie.
Er hielt inne vor diesem verzweifelten Gebahren. Das Mädchen sprang empor und flüchtete nach der andern Seite des Coupés.
In diesem Augenblick huschten Laternen vor dem Fenster vorüber, der Zug fuhr langsamer; in der trüben Dämmerung des Schneemorgens erkannte der Baron den Bahnhof der Residenz; über der Stadt erhob sich grau die alte herzogliche Veste.
Claudine war ausgestiegen, ehe er hinzuspringen konnte, ihr behilflich zu sein. Ein fürstlicher Lakai erwartete sie und ein Hofwagen. Als sie eilig hineinschlüpfte, stand Lothar am Schlag. In dem grauen kalten Morgenlicht sah sein Gesicht ganz anders aus als vorher; es schien Claudine, als wäre er seit den paar Monaten um Jahre gealtert.
„Ich bitte, Kousine, nennen Sie mir die Stunde für eine Unterredung,“ forderte er mit höflicher Bestimmtheit.
„Morgen,“ erwiderte sie.
„Morgen erst?“
„Ja!“ entschied sie kurz.
Er trat, sich verbeugend, zurück, nahm wenige Minuten später Platz in einem Hôtelwagen und fuhr mit dem schwerfälligen Omnibus durch das Süderthor, welches eben der fürstliche Wagen mit Claudine in Windeseile passirt hatte.
„Wie,“ dachte er, durch ihr sonderbares Benehmen geängstigt, „wenn die Herzogin dennoch Recht hätte, wenn sie den Herzog wirklich liebte? Wenn ich selbst ihr gleichgültig wäre, wirklich gleichgültig?“
Er hatte sich immer soviel darauf eingebildet, die Frauen zu verstehen; er glaubte Claudine ganz zu kennen – heute zum ersten Male kamen ihm ernstliche Zweifel.
Ueber den weiten Bergen liegt noch der Winter mit seiner ganzen eisigen Starrheit. Im Thal aber ist seit Wochen kein „Neu“ mehr gefallen. Nun bringt der späte März den ersten Regen; dünn und langsam rieselt er nieder aus dem trägen hohen Gewölk; gegen den Schnee der Berge ist er machtlos, aber bei der berußten Winterdecke der Dächer und bei dem zerlegenen, von Pfaden und Geleisen durchrissenen Schnee der Thalgehänge weiß er sich schon ein wenig in Respekt zu setzen. Wie mit Nadeln bohrt er sich ein in die glatte, gefrorene Kruste, gleichsam als Vorkämpfer der Sonnenstrahlen, die in den folgenden lauen Tagen die von ihm gewaschenen Grübchen und Rinnen mehr und mehr vertiefen und erweitern, bis die Dächer erlöst sind von ihrer drückenden Last, bis durch die rund in den Schnee gesengten Gucklöcher die wintersmüde Erde Ausschau halten kann nach dem nahenden Frühling. Von Stunde zu Stunde erweitern sich nun die „aaberen“ Flecke auf den sonnseitigen Gehängen; ein unablässiges Triefen und Rieseln geht von aller Höhe zum Grunde, die Bäche und Bächlein schwellen und steigern ihr Rauschen und allmählich zieht sich der Schnee zurück bis in das Dunkel des steil ansteigenden Bergwaldes. Doch hier auch schütteln schon die Tannen, müde des langen Tragens und Duldens, die weiße Kappe von den schlanken, hohen Wipfeln, und in schweren Klumpen klatscht der Schnee von den niedergedrückten Aesten, die sich, so jählings von ihrem Drucke befreit, wie unter einem erleichternden Athemzuge hastig in die Höhe richten.
Mehr und mehr durchbricht das dunkle Grün des Tannenwaldes die weiße Hülle der Berge; von Zeit zu Zeit durchfahren laue Windstöße das Thal - die Sendboten des Föhns, des
[377][378] nahenden Erlösers. Erst noch ein völlig windstiller Tag, unter dessen seltsam bedrückender, feuchter Schwüle der hochliegende Schnee, so weiß er ist, ein eigenartiges, schwärzlich graues Ansehen gewinnt – und dann, inmitten der folgenden Nacht, kommt’s einhergesaust, von Süden über die Berge, mit Heulen, Knirschen, Schüttern und Dröhnen, als wäre ein Dämon los, der die Welt im Schlafe knechten möchte – – und es ist doch der stürmische Held, der sie erlöst aus dem eisigen Kerker.
Wenn dann am anderen Morgen der Jagdgehilfe von seinem täglichen Wintergange, vom „Futterplatz“, wo er dem in kleinen Rudeln rings in der Nähe lungernden Hochwild das Heu hinter die Raufen warf, ins Dorf zurückkehrt, dann meldet er wohl dem Förster: „Frühjahr wird’s – der Zwölfer und die zwei guten Zehner sind schon dahin.“ Er will damit sagen, daß die drei besten Hirsche seines Bezirkes bereits vom Futterplatze ausgeblieben sind, um von nun an in Freiheit ihre Aesung zu suchen – und er spricht sie dabei nach den Geweihen an, die sie im vergangenen Jahr getragen; daß sie dieselben bereits vor Tagen abgeworfen haben, das kann den Jäger nicht irren, der seine Hirsche an den „Gesichtern“ kennt.
Tag um Tag vergeht, und ehe noch der Bergwald bis zur Almenhöhe schneefrei ist, hat auch das letzte, von des Winters Noth entkräftete Schmalthier den Futterplatz verlassen. Da kommt nun für das Wild eine schwere Zeit. Auf den vom Schnee noch kaum befreiten Blößen, wie an den Bäumen und Sträuchern, die erst schüchtern zu knospen beginnen, findet es nur spärliche Aesung. Und wenn es der Hunger zur Nachtzeit in die Thäler treibt, um die lockenden Wiesen und die mit Wintersaat bestellten Felder zu suchen, dann findet es hohe, stachlige Zäune, klappernde und flatternde Wildscheuchen, kläffende Hunde, donnernde Schreckschüsse aus Bauernflinten und nicht selten, trotz aller Wachsamkeit der Jäger, auch würgende Drahtschlingen und meuchlerische Legbüchsen. Rastlos, bei Tag und Nacht, durchzieht das Wild auf stundenweiten Wegen die steilen Gehege, gequält vom Hunger und gepeinigt von den „Engerlingen“, von den seine Haut und sein Fleisch durchwühlenden Larven der Hirschbremse. Erst mit den wärmeren Tagen, die dem Wilde kräftigere und reichlichere Aesung bringen, wird es diese Peiniger los. Nun aber erzeugt das Uebermaß der Nahrung, besonders die Nachwirkung des allzu plötzlich vollzogenen Ueberganges vom trockenen Heufutter zum dicksaftigen, immer nassen Grünfutter mancherlei Krankheiten – und wenn nun gar noch das Frühjahr trübe Mienen aufzieht, lange Regentage oder späten Schneefall bringt, dann fällt so manch ein Stücklein, das den tiefen Schnee und den starrenden Frost des Winters glücklich überwunden, der kalten Nässe des launischen Frühlings zum Opfer. Zu solcher Zeit durchkreuzt der Jäger in Sorgen sein Revier – und da stößt er oft häufiger, als er erwartet, im Zufall oder gelenkt von seinem windenden Hunde, auf einen im Dickicht verwesenden Kadaver oder auf eine Stelle, an welcher nur noch einige Haar- und Knochenreste von der Waldtragödie erzählen, die hier sich abgespielt.
Erst mit dem Eintritt des Mai, der den widerspänstigen Schnee zurücktreibt in das hohe, kahle Gestein und auf den Almen das frische Grün erweckt, beginnt die gute Zeit für das Hochwild. Da sieht der Jäger, wenn er an sonnigen Morgen von der Spielhahnfalz zurückkehrt, das Wild in Rudeln sorglos und fleißig äsend über das „Almbrett“[1] ziehen. Dann sitzt er oft durch lange Stunden hinter einem Felsblock oder vor einer der stillen, versperrten Sennhütten und mustert durch das scharf zeigende „Specktif“ der Reihe nach die einzelnen Stücke des Rudels. Manch’ eine altersschwache „Großmutter“, manch’ eines von den „Schmalstückln“ und von den nun bald jährigen Kälbern sieht freilich noch gar „schiech“ und „schier zum derbarmen“ aus. Aber mit jedem Tage bessert sich jetzt das Aussehen des Wildes, das schon anfängt, sich zu „verfärben“, das dicke, schwärzlich graue Winterkleid gegen das leichte braunrothe Sommergewand umzutauschen. Bald stehlen sich die trächtigen Mutterthiere vom Rudel ab, um in dunklem, stillem Dickicht einsam ein weiches Moosbett aufzusuchen – und wenn sie nach Wochen wieder zum Rudel stoßen, dann tummeln sich unter ihren sorgenden Blicken die erst wenige Tage alten, weißgefleckten zierlichen Kälber mit lustig spielenden Sprüngen über das Almengras.
Nun beginnt auch schon bei den geringeren Hirschen, die sich zum Rudel halten, die Bildung des neuen Geweihes. Die „guten“ Hirsche, die gleich nach dem Verlassen des Futterplatzes einsiedlerisch ihre alten Stände suchten, haben inzwischen schon wacker „geschoben“, so daß sich an den wulstigen, graubehaarten „Kolben“ bereits die untersten Enden, die „Augensprossen“ zeigen. Selten bekommt man während der Kolbenzeit solch einen alten Herrn zu Gesicht. Die Gräser und Kräutchen des Dickichts sowie die frischen, noch weichen und saftreichen Blätter der Gesträuche bieten ihnen vorerst genügende Aesung – und sie scheuen um diese Zeit jede andauernde und flüchtige Bewegung, da der weiche Kolben mit seinen zarten, von Blut zum Strotzen geschwellten Geweben gegen alle Berührung ungemein empfindlich ist. Erst gegen Mitte Juli, wenn die Verfärbung vollzogen und die Geweihbildung ihrer Vollendung nahe ist, beginnen die guten Hirsche allabendlich mit Einbruch der Dämmerung ihren regelmäßigen „Auszug“ auf die weiten, lichten Schläge zu halten, um durch die reiche, kräftige Aesung, die sie hier finden, tüchtig „Feist“ unter die „Decke“ zu bringen. Ein paar Wochen noch, dann sind die Enden ausgeschoben und stattlich prangt die zackige Krone. Aber je mehr das Geweih sich verhärtet und der dasselbe umkleidende „Bast“ ins Trocknen und Welken geräth, desto scheuer und vorsichtiger werden die Hirsche, desto mehr verspätet sich mit jedem Abend [379] ihr Auszug, desto früher ziehen sie bei grauendem Morgen wieder zu Holze – gleichsam als wüßten sie, daß die Vollendung ihres Hauptschmuckes den Beginn der ihnen drohenden Gefahr bezeichnet.
Wenn dann der Jäger am frühen Morgen von der Hütte aus sein Revier begeht, findet er nur noch die frischen, alle Wege kreuzenden Fährten. Lauschend und spähend zieht er weiter; da geräth es ihm wohl manchmal, daß er aus dem nahen Dickicht ein gedämpftes Rascheln und Klappern vernimmt, das er leicht zu deuten weiß; und einmal steht er plötzlich stille, ein vergnügliches Schmunzeln auf dem sonnengebräunten Gesichte – er steht vor dem ersten, frischen „B’schlachter“, vor einem niederen Fichten- oder Lärchenstämmchen, an welchem in der Nacht ein Hirsch „geschlagen“ – und dazu noch „a ganz a guter“ – das deuten die hochgebrochenen Zweige an, das verräth an dem Stämmchen die Höhe und Länge der Stelle, von welcher in Fetzen die zerfegte Rinde niederhängt, während Schweiß und Basthaare an dem kahlen Holze kleben.
Die Fegezeit ist im vollsten Gange – mit dieser Meldung steigt der Jäger ins Thal. Und nun beginnt die Jagd auf den Sommerhirsch, auf den richtigen Feisthirsch.
Diese Jagd wird selten mit Treibern geübt, da der Hirsch in der Feistzeit leicht „vergrämt“ ist und durch jede allzulaute Beunruhigung veranlaßt wird, seinen Standort zu verlassen und auf lange Wochen zu verschwinden – der Kuckuck weiß, wohin. Nur ausnahmsweise, wenn etwa der Jagdherr selbst oder ein hoher, mit besonderen Privilegien ausgestatteter Jagdgast im Bezirke weilt, werden kleinere, isolirt liegende Bestände „geriegelt“. Während der Jäger, zumeist allein oder in Begleitung nur weniger Treiber, mit schlechtem Winde, d. h. bei solchem Winde, der vom Jäger gegen den Stand des Wildes zieht, den „Bogen“ unter Vermeidung jedes lauteren Geräusches „angeht“, indem er langsam den ihm wohlbekannten Wildwegen folgt, die in der Jägersprache „Riegel“ oder „Wechsel“ heißen – während dessen hat der Schütze seinen Stand in der Nähe der Stelle, an welcher der unter bestem Winde liegende „Hauptwechsel“ aus der Dickung mündet. Da mag es dann wohl geschehen, daß der in der Dickung „bestätigte“ Hirsch, nachdem er vor dem nahenden Jäger munter geworden, ziemlich vertraut dem Schützen vor die Büchse trollt, um den tödlichen Schuß zu empfangen und nach kurzer Flucht verendet hinzustürzen in das vom quellenden Schweiße roth sich färbende Gras. Aber nur selten ist der Erfolg ein so günstiger wie bequemer. Gar häufig schlägt solch ein schlauer gewitzter Recke dem Schützen ein Schnippchen, indem er hart am Saume des Dickichts „umschlägt“ oder gleich von Anfang an den Jäger unbekümmert an sich vorüberläßt, um lautlos auf dem Rückwechsel auszukneifen. Oder es ist der Hirsch vor dem Jäger allzu „munter“ geworden; dann geht’s mit Brechen und Rauschen durch die Büsche, wie ein Husch über die schmale Lichtung – und während der Hirsch in rasender Flucht, das Geweih tief in den Nacken drückend, zwischen schützendem Gezweig verschwindet, bohrt die nachgeschickte Kugel ein schnell vernarbendes Loch ins Blaue. Ist aber die Kugel dennoch flüchtiger gewesen als die Flucht des Hirsches, dann trägt er zumeist einen schlechten Schuß davon, einen Waidwund- oder Schlegelschuß, und da setzt es nun eine langstündige, mühevolle Suche mit dem angeriemten Schweißhund oder eine den ganzen Bezirk beunruhigende Hetze, bis der Hirsch gefunden oder gestellt ist – wenn er überhaupt zur Strecke gebracht wird und nicht ungefunden in einem verlorenen Winkel des weiten Bergwalds verendet. Doch wenn auch der Erfolg ein günstiger ist, so mag bei solcher Jagd doch nie die rechte Waidmannsfreude sein.
Die waidgerechteste Jagdart zur Feistzeit ist jene, die den ruhigsten, sichersten Schuß ermöglicht: der Ansitz vor dem abendlichen Auszug, der Ansitz und die Birsche vor dem Einzug bei grauendem Morgen und die „Trapfbirsch’“ nach einem starken Gewitterregen, nach welchem sich alles Haarwild von den „trapfenden“ Büschen und Bäumen aus dem Dickicht auf die Schläge treiben läßt, um sich draußen „abzubeuteln“ und in der warmen, hell durch die Wolken brechenden Sonne das nasse Fell zu trocknen.
Der ruhigste, sicherste Schuß – das war vorerst nur vom Standpunkt des praktischen Jägers aus gesprochen. Aber auch der Naturfreund findet bei solcher Jagdart seine beste Rechnung. Ein solcher steckt ja schließlich in jedem richtigen Jäger, und so kommt es – man mag die Grammatik der Jägerei von Anfang bis zu Ende durchblättern – daß jedem edleren Wilde gegenüber jene Jagdart als die waidgerechteste gilt, welche mit der sichersten Erlegung den reichsten, mannigfaltigsten Genuß der Natur und ihres Thierlebens vereinigt.
Und welch ein Hochgenuß, so hinauszuziehen in Berg und Wald, wenn nach Sturm und Wetter sich der Himmel klärt, wenn in der Ferne dumpf die Donner verrollen, wenn der letzte Entscheidungskampf der Wolken um die Zinnen der Berge wogt, wenn ein kräftiger Erdgeruch vermischt mit süßem Blumenduft die Lüfte füllt, wenn die ganze Natur so recht von Herzen aufzuathmen scheint in Erquickung und Frische! Oder vor Anbruch des Tages die trauliche Hütte zu verlassen und hineinzuschreiten in die stille Dämmerung, wenn fern über den westlichen Bergen die letzten Sterne erlöschen, wenn im Osten das gebrochene Frühlicht der nahenden Sonne in farbigen Bändern emporschwimmt über den Himmel, wenn der Thau wie ein grauer, seidenartig schimmernder Schleier über allem Grunde liegt, wenn die steigende Helle in den zahllosen Tropfen, unter denen sich die schlanken Gräser tief zur Erde neigen, ein buntes Glühen und Blitzen weckt, wenn aus Bäumen und Büschen sich die ersten schüchternen Vogelstimmen hören lassen, und wenn der volle Tag erwacht in seiner ganzen leuchtenden Glorie! Und welchen Reichthum an stillen Reizen bietet erst am Abend das stundenlange Verweilen an einer Stelle, zu deren Häupten sich die wildzerrissenen Felsen über den Bergwald thürmen, während ihr zu Füßen das tiefe Thal gebettet liegt in sanfter Schönheit! Dieser Reichthum erschöpft sich nicht – er wird nicht ausgenossen, da er mit jedem Abend sich neu erzeugt in neuer Form. Jeder einzelne Abend hat seinen eigenen Reiz, jeder andere ein anderes Gesicht.
Da wäre es auch ein vergebenes Unterfangen, den wechselnden Reiz solcher Abende in ein typisches Gemälde fassen zu wollen. Ich muß an einen bestimmten Abend denken – etwa an den letzten, den ich droben in den Bergen verbrachte.
Ich weilte damals seit einer Woche auf der „Herrenroint-Hütte“, die auf einem weit in das Königsseeer Thal hinaus gebauten Vorberg des Watzmann gelegen ist. Abend für Abend hatte ich vergeblich des guten Hirsches gewartet, der über dem „Kaltenkeller-Schlag“ in einer steilen Dickung seinen Standort hatte. Nun war’s am 10. August. Während des Vormittags war ein Gewitter über die Berge hingegangen, ohne recht zum Ausbruch zu kommen. Aus den im Kreise treibenden Wolken rieselte den ganzen Tag hindurch ein dünner Regen nieder. Schon gab ich den Abend für verloren; doch unerwartet, gegen sechs Uhr, ließ der Regen nach, die Wolken klüfteten sich, und mit goldigen Strahlen spielte die sinkende Sonne über den Berghang. In rosigster Laune und in dem sicheren Erwarten, daß die Eigenart des Abends den Hirsch für heute zu zeitlicherem Auszug veranlassen würde, suchte ich gegen sieben Uhr auf dem nur wenige Minuten von der Hütte entfernten Schlage mein altes Plätzchen auf. Das lag auf dem Abhang eines kleinen, den weiten Schlag beherrschenden Hügels. Eine weiche Moosplatte diente mir zum Sitze, während ein schräger Felsblock eine bequeme Lehne bot. Hoch emporgeschossene Gräser, ein junges Fichtenböschlein und niedere, schwach belaubte Ahornstämmchen, die mir zu Füßen aus dem steinigen Grunde stiegen, gaben mir gute Deckung, ohne den Ausblick zu hemmen. Auch der Wind ließ nichts zu wünschen übrig – scharf zog er über die steile Dickung nieder. Mit sachten Bewegungen richtete ich mich in jägermäßigem Sinne häuslich ein. Ich zog das Fernrohr auf und lehnte es wider den Felsblock; den Bergstock schob ich senkrecht vor mir in die Steine, um ihn als Stütze des Fernrohrs gleich parat zu haben; das kleine Doppelglas, das in der Dämmerung, wenn dem Fernrohr das Licht schon ausgegangen, noch gute Dienste thut, steckte ich lose in die rechte Joppentasche und legte die Büchse in Bereitschaft über die Kniee. Dann kreuzte ich die Arme und schickte die Augen auf die Reise.
Tiefer Schatten lag schon über dem weiten Schlag und der steilen Dickung, über deren höchste Wipfel der schroffe Riesenzacken des Watzmann, noch sonnenbeschienen, majestätisch niederblickte. Graue, vielgestaltige Schattenbilder überhuschten seine Wände, wenn die leichten Nebel oder die schweren, von goldenen Tönen behauchten Wolken im Winde über seine Zinne trieben. In jagender Eile überflog das zerrissene Gewölk den mir zur Rechten in unsichtbarer Tiefe liegenden Königssee und mischte sich in die wogenden Nebelmassen, die alle Kuppen der jenseitigen Berge [380] noch verschleiert hielten. Aber mehr und mehr mit jeder Sekunde hob sich da drüben der Nebel, weiter und weiter wuchs am Himmel das Blau, und bald lag wolkenlos und in sonniger Pracht jene ganze herrliche Felsenkette vor meinen Augen gebreitet, von dem gezahnten Grat des hohen Göhls bis zu den plumpen Felskolossen der Fundensee-Tauern, hinter welchen in hoher Ferne die scharfen Spitzen der Teufelshörner aufwärts stachen über das blendend weiße Schneemeer der Uebergossenen Alm.
Nur ungern trennte sich mein Blick von dem leuchtenden Bilde, am zurückzukehren auf den schattendunklen Grund zu meinen Füßen. Und da bekam ich denn gleich eine Mahnung, daß es bereits an der Zeit wäre, die Augen bei der Sache zu halten. Kaum hundert Schritte unter mir war eine Rehgais mit ihrem Kitz auf den schmalen Wiesenfleck getreten, mit dem sich der Schlag zu meiner Linken in die Dickung spitzte. Fleißig äsend zog das Kitzlein über das Gras; die Gais aber stand mit erhobenem „Grind“ und hielt die großen dunklen „Lichter“ unverwandt auf mich gerichtet. Halb die Augen schließend, saß ich regungslos – und da schüttelte sie endlich die „Lauscher“ und begann zu äsen. Die Sache mochte ihr aber doch nicht ganz geheuer dünken, denn wieder warf sie windend den „Grind“ in die Höhe, um dann plötzlich mit kurzen Fluchten in das Dickicht zu verschwinden, wohin ihr das Kitzlein nach einigem Zögern in sichtlicher Verwunderung folgte.
Lächelnd athmete ich auf und ließ die Blicke nach allen Winkeln des weiten Schlages streifen, über dessen üppigen dunkelgrünen Kräuterwuchs in wirrem Wechsel die braunen Baumstöcke und Wurzelknorren, die moosigen Felsblöcke und die weißen Steine ragten. Weit drüben senkte sich der Schlag über einen lang gezogenen Rücken einem Dickicht zu, von dem ich nur die höchsten Wipfel gewahren konnte. Kleine Tannengebüsche hielten diesen Rücken besetzt, und zu oberst auf ihm erhob sich ein riesiger Felsblock, auf dessen Platte einzelne halbgewachsene, meist dürre Bäumchen schief durch einander hingen. In der Mulde, welche die Höhe da drüben von meinem Sitze trennte, rann mit Murmeln und Gurgeln ein unter Kräutern und Farren verstecktes Bächlein. Zu dem melancholischen Geplauder dieses Wassers gesellten sich die pispernden Stimmen der Meisen, die zwischen Büschen und Steinen so eilfertig hin- und wiederflatterten, als hätten sie allerlei wichtige Dinge noch schnell zu besorgen, bevor der Tag zu Ende ging. Aus dem höheren Dickicht ließ sich der weiche Schlag einer Bergamsel hören, während vom tieferen Gehänge herauf der krächzende Schrei eines Tannenhähers und ab und zu das hastige Pochen eines Spechtes klang. Weit über den See einher scholl manchmal, durch die Ferne gedämpft, das Brüllen der auf den Almen weidenden Rinder und das matt vernehmbare Läuten ihrer tieftönenden Glocken.
Einmal auch hörte ich fauchende Flügelschläge über mir, und als ich zur Höhe blickte, gewahrte ich einen der grossen Bergraben, der durch die gelbleuchtende Abendluft seinem Horst entgegen strich. Während ich dem Zug des Raben folgte, trafen meine Augen auf den steilen Lahnstreif, welcher hoch über mir das Dickicht aus einander theilte. Da meinte ich „Roth“ zu sehen. Langsam richtete ich das Fernrohr. Ein Gabelhirsch und zwei „Kälberstücke“ mit ihren Kälbern erschienen mir im Glase. Befriedigt legte ich das Fernrohr bei Seite – der frühe Auszug dieses Rudels weckte gute Hoffnung in mir.
Rasch warf ich noch einen Blick auf die Uhr – ein Viertel vor acht, der Beginn der „besten Zeit“; dann ließ ich meine Augen mit gesteigerter Emsigkeit über den Saum der Dickung auf- und niedergleiten Im scharfen Spähen mußte ich schon die Brauen furchen, denn die Schatten begannen sich bereits zu vertiefen, und allmählich dämpfte sich der grelle Schein des Himmels. Es wurde stiller und stiller um mich her, in der Ferne verstummte das Brüllen und Läuten der Rinder, die Vogelstimmen klangen sanfter und seltener, und bald vernahm ich nur noch das Murmeln des kleinen Baches. Aber auch dieses schien mit jeder Sekunde leiser und leiser zu werden – einmal noch, kurz vor Einbruch der eigentlichen Dämmerung, ließen sich mehrere Vogelstimmen zugleich vernehmen – dann plötzlich schien der Bergwald wie ausgestorben – und nun begann es in meinen Ohren allmählich anzuklingen , jenes seltsame, unbeschreibliche Geräusch, das jeder Waidmann kennen wird, der zur Sommerszeit auf dem abendlichen Ansitz auch noch auf andere Dinge merkt, als nur auf das Brechen des Wildes im Dickicht. Das ist wie ein Singen und Zirpen zahlloser Thierchen, wie ein Zwitschern von tausend Vöglein, wie ein Brummen und Summen von Hummeln und Bienen, aber unendlich leise, nur eben noch vernehmbar. Bald scheint es in der Luft zu liegen, bald wieder aus der Erde zu quellen - und man fragt sich, ob man es wirklich hört oder ob es nur eine akustische Täuschung ist, eine Folge des stundenlangen angestrengten Lauschens.
Wieder einmal, wie schon so häufig, legte ich mir im Stillen diese Frage vor, als mich ein fiepender Laut aus meinem Sinnen weckte. Tief aus dem Dickicht scholl das „Blatten“ einer Rehgais. Kaum hatte ich den Laut vernommen, da hörte ich vom Schlag herüber das Brechen dürrer Zweige – und als ich hastig die Augen wandte, sah ich ein Reh mit rasender Flucht im Dickicht verschwinden. Das mußte ein Rehbock gewesen sein, der in brünstigem Eifer den lockenden Liebeslauten folgte. Woher war er gekommen? Hatte er auf dem Schlage gestanden, ohne daß ich ihn bemerkt hatte?
Unter der ärgerlichen Befürchtung, daß mir der liebestolle Bursche durch seinen lauten Eifer den Hirsch vergrämt haben könnte, der, wenn er überhaupt ans Kommen dachte, schon im Auszug begriffen war – unter solcher Befürchtung blickte ich unwillkürlich nach den tieferen Gehängen des Schlages, von denen der Störenfried gekommen sein mußte. Doch unerwartet zog ein wundervolles Schauspiel meine Augen über das Seethal nach den fernen Bergen. Dort waren die grauen Schatten schon emporgestiegen über Wald und Almen bis zu den kahlen Felsen; doch über diesen Schatten glühten alle Wände und Schroffen in dunkelrothem Feuer, und gleich den erstarrten Flammen einer riesigen Lohe hoben sich die Zacken und Spitzen von dem tiefblauen Himmel ab, über welchen die nahende Nacht schon ihre ersten Schleier spann.
Selten hatte ich dieses Schauspiel in solcher Schönheit genossen, und unverwandt hingen meine Augen an dem herrlichen Bilde, bis plötzlich der Jäger wieder in mir rege wurde, so daß ich fast erschrocken die vergessene Nähe suchte. Doch bei dem raschen Wechsel zwischen Licht und Schatten erschien mir alles schwarz vor den Blicken. Um die Augen zu beruhigen, schloß ich für einige Sekunden die Lider – und als ich sie wieder öffnete, schoß mir jählings das Blut zum Herzen. Mitten auf dem Schlage stand der sehnsüchtig Erwartete. Ich hatte sein Kommen überhört, seinen Auszug übersehen. In stolzer Schönheit stand er da drüben und warf wie spielend mit dem „Aeser“ ein großes Blatt in die Höhe. Trotz der Dämmerung gewahrte ich deutlich das schwankende Geweih und meinte sogar, die weißen Spitzen der dreizackigen Krone zu erkennen. Ein Zittern befiel meine Hände, während ich das Doppelglas an die Augen hob, um meiner Sache noch sicherer zu werden. Das Unerwartete des Anblicks hatte mich um all meine Jägerruhe gebracht. In Unruh und Sorge begann ich die Entfernung zu schätzen. Zweihundert Schritte – wenn nicht mehr! Zu weit – nicht für die Kugel – aber zu weit für einen guten, sicheren Schuß! Mich überkam eine fiebernde Spannung. Wird er näher ziehen – und näher ziehen in den wenigen Minuten, während welcher noch Schußlicht herrscht? Oder wird er aufwärts ziehen gegen den Rücken des Schlages? Da schwellt mir ein erleichternder Seufzer die Brust – ich sehe den Hirsch mit vertrauten Schritten thalwärts trollen – er kommt mir näher – immer näher, wenn auch langsam – und nun verhält er sich äsend vor einem Tannenbusch, und da steht er mir auf etwa hundertvierzig Schritte. Tiefer und tiefer sinkt die Dämmerung, schon verschwindet mir das Geweih – aber noch immer warte ich. Nur zwanzig Schritte noch, denke ich, dann –
Doch während ich so denke, seh’ ich, daß der Hirsch den „Grind“ erhebt, wie überlegend aufwärts windet gegen den Rücken – und richtig – während ich mir diese Bewegung noch zu deuten suche, zieht er bereits äsend der Höhe zu. Nun ist’s aber höchste Zeit! Ein kalter Schauer rinnt mir über die Schultern – kaum aber halt’ ich die Büchse an der Wange, da hab’ ich meine gewohnte Ruhe wieder gefunden, und fest wie Schrauben schließen sich meine Hände um Schaft und Rohr. Ein paar Sekunden brauche ich, um vor einem weiß durch die Dämmerung leuchtenden Steine die richtige Stellung des Visiers zu fassen – dann fahr’ ich langsam auf – nun sitz’ ich mitten drin im [381] rothen „Blatt“ des Hirsches, welcher „wannenbreit“ vor der Büchse steht – und da bricht mir der Schuß.
Dumpfhallend rollte das Echo über den Bergwald, während ich durch den verwehenden Pulverdampf den Hirsch mit langen, prächtig anzuschauenden Fluchten die Höhe gewinnen sah. Dort oben hielt er plötzlich inne, drehte den Grind nach allen Seiten und verschwand dann langsam hinter dem Rücken. Was war das nun für ein „Zeichen“? Es konnte das beste sein – aber auch das schlimmste. Entweder saß ihm die Kugel in der „Kammer“ – oder er war „wurzweg“ gefehlt. Das letztere konnte ich nicht glauben – der Schuß hätte mir bester und ruhiger nicht brechen können. Das sagte ich mir ein um das andere Mal vor, und dennoch stieg mir die Erregung heiß unter die Haare, während ich mein Zeug von der Erde raffte. Ein paar Minuten – und ich hatte mich durch all den Storren- und Kräuterwust bis zum Schußplatz durchgekämpft.
Der tiefe „Fluchtriß“ in dem moosigen Grunde bezeichnete die Stelle. Nach Schnitthaaren zu suchen, wäre bei der herrschenden Dämmerung vergebliche Mühe gewesen. Doch wenige Schritte nur brauchte ich der Fährte zu folgen, da fand ich schon den ersten Schweiß. Wie auf dem Präsentirteller bot er sich meinen suchenden Blicken – in großen Flocken lag er auf einer weißen Felsplatte. Ich bückte mich und fand ihn durchsetzt mit schaumigen Bläschen. Ein Lungenschuß also – ein Schuß, mit dem der Hirsch gewiß keine hundert Gänge weit gekommen war. In hastigem Eifer überstieg ich den Rücken – und da flog mein Hut in die Höhe, während mein lachender Mund einen jauchzenden Juhschrei in die dämmerigen Lüfte schickte. Kaum zwanzig Schritte vor meinen Füßen lag der kapitale Herr verendet im dunklen Kraut. Und welch ein Geweih! Die Zehnerstangen weit gespannt, von lichtem Braun und übersäet mit dicken Perlen.
Während ich vor dem Hirsche knieete, um die „Granen“ aus seinem Aeser zu schneiden, kam der Jagdgehilfe, den mein Schuß aus der Hütte gerufen – und an mein Waidwerk schloß sich nun das Handwerk des Jägers. Bis der Hirsch aufgebrochen, ins nahe Dickicht geschleift und mit Fichtenzweigen überdeckt worden war, hatte sich die Dämmerung zur Nacht gewandelt. Und während wir plaudernd heimwärts schritten zur Hütte, blitzten vom schwarzen Himmel nieder schon die Sterne in zahlloser Schar.
Als ich mich dann nach lustigen Stunden, in denen der steinerne Krug gar häufig den Weg zwischen Tisch und Faß gemacht, zur Ruhe streckte, vergaß ich ganz, das zerlegene Heu wie sonst frisch aufzuschütten. Und dennoch hab’ ich selten so gut geschlafen wie in dieser Nacht.
Alle Rechte vorbehalten.
Walter blieb allein und überdachte sein Schicksal und seine Lebenshoffnungen. Ersteres war grausam mit ihm umgegangen; vor Jahren hatte ihm der Verlust des besten Freundes und der Braut den Glauben an die Menschheit geraubt; um sich zu zerstreuen, hatte er eine Weltreise unternommen und war allmählich durch seine Beobachtungen und Erfahrungen wieder ruhig, mild und heiter geworden. Aber eine tiefere Empfindung, besonders eine solche für ein weibliches Wesen, war ihm seither fremd geblieben. Nun hatte die edle Erscheinung und eigenartige Schönheit Ellen Howards einen mächtigen Eindruck auf ihn gemacht, dem er sich vergeblich zu entziehen suchte. „Sie hat kein Herz, o, ich Thor, in jedem schönen Körper eine gleich schöne Seele zu suchen! O, ich Thor, der ich noch einmal von Glückseligkeit zu träumen wagte!“
Wohl sagte er sich das immer und immer wieder vor, aber das Schlagen seines Herzens, so oft er die schöne Feindin sah, schien gegen diese schwarzseherische Auffassung zu protestiren, und völlig unhaltbar wurde dieselbe seit einer Scene, die sich während eines kleinen Sturmes unter dem Aequator bei der Einsegelung in die Straße von Malacca ereignete und die Walter unvergeßlich geblieben war. Eine grobe See hatte das Schiff jählings in die Seite getroffen und durch den Ruck ward der auf der äußersten Kante hoch oben hangende Matrose mit weitem Bogen in die brausende See geschleudert. Unter unsäglichen Anstrengungen glückte es, den Mann aufzufischen; stumm, bleich, aus klaffender Kopfwunde blutend, lag er auf den Planken des Vorderdecks, ein Opfer seines Berufs. Da geschah etwas Unglaubliches: Ellen Howard, die wieder, von Langeweile getrieben, auf Deck gekommen war, riß den weißen Seidenshawl von ihrem Haupte, ballte ihn zusammen und preßte ihn dem quellenden Blutstrom entgegen. Alle Farbe war aus ihrem Antlitz gewichen, und als nach wenigen Augenblicken Kapitän und Steuermann mit Hilfsmitteln zur Stelle waren und ein regelrechter Verband angelegt wurde, wankte sie bebend der Kajütentreppe zu. Walter Iversen bot der Wankenden seinen Arm. Warum wollte der deutsche Mann ihr seine Hand reichen? Sie bedurfte keiner Unterstützung; kühl dankend neigte sie nur das Haupt.
In des Deutschen Gemüth aber sang und klang es und Frau Howard fragte sich im Stillen verwundert. „Warum mag der Deutsche so impertinent glücklich aussehen?“ –
Heute rollte nun der weite indische Ocean seine tiefblauen langen Wellenzüge dem „Wotan“ entgegen, welcher sie mit scharfer Brust durchschnitt. Glühend heiße Pfeile sandte das Himmelsgestirn hernieder, jedoch war die Atmosphäre nicht klar. Es lagerte vielmehr ein weißer Dunst über den Wassern, der die Sonne mit dichtem Schleier verhüllte, aber ihre Gluth zu erhöhen schien. [382] Der Wind führte die seltsamsten Reigentänze auf; bald blies er aus Nord, dann aus Süd; nun gar verhielt er sich gänzlich still, dann aus irgend einer Ecke unvermuthet hervorzubrechen. Dadurch ward die Schiffsmannschaft fortwährend in Athem gehalten; hier mußte ein Segel fortgenommen, dort ein anderes gesetzt werden. Gegen Abend hin, unter einem jähen Windstoß, dem ebenso jähe Stille folgte, flatterte der Dunst wie eine ungeheure Schar großer Raubvögel aus einander; im Westen, wo die niedergehende Sonne sich befinden sollte, hing eine Masse grell roth und grün gefärbten Gewölks. Das alles bedeutete den Passagieren des „Wotan“ nichts Merkwürdiges; aber die Mannschaft zeigte sich unruhig und Kapitän und Steuerleute machten eigentümlich ernste Gesichter und wichen nur von ihrem Posten, um Beobachtungen an den Instrumenten vorzunehmen. Durch den innigen Umgang mit der Natur sind die Sinne der Seefahrer derartig geschärft, daß sie nahende Veränderungen in der Naturphysiognomie schon ahnen, ehe bestimmte Vorboten erscheinen. Hier aber häuften sich bereits drohende Anzeichen, und so war es selbstverständlich, daß der Führer des „Wotan“ keine Zeit an Kavaliersdienste verschwendete, sondern kurz und bündig von Frau Howard forderte: „Madam, benützen Sie gefälligst die Bank mittschiffs. Ihr Bambusstuhl muß unter Deck, daß die Brassen am Steuerbord frei werden.“
Dies hatte Walter Iversen vernommen, er trat jetzt zu dem Kapitän, der mit seinen scharfen Augen das krause Meer, den drohenden Horizont musterte.
„Sie fürchten, Kapitän?“
„Fürchten? Da kommen Sie schlecht an, Herr, aber –“ was die beiden Männer jetzt halblaut redeten, drang nicht zum Ohr der Dame. Nina und ihre Gefährtin waren beordert, die beängstigende Schwüle der Luft für die Herrin erträglich zu machen mit duftenden Wassern und Fächerschlagen.
Die Nacht brach an. Um acht Uhr war alles zur Ruhe gepfiffen; jedermann hatte dem Befehle gehorcht und sich zur Koje begeben. Doch kein einziger Mensch am Bord fand Schlaf. Nach mehrstündiger vergeblicher Mühe, die Spannung der Atmosphäre und der Nerven durch festen Willen zu überwinden, erhob sich Walter Iversen und ging an Deck. Beim Passiren der Kajüte sah er Licht durch das Schlüsselloch der Kabine Nummer Zwei dringen. „Haha, sie kann auch nicht schlafen!“
Oben bot sich ein wunderbares Bild tropischer Seelandschaft. Fast ganz schwieg der Wind, aber das Meer bewegte sich in vibrirender Erregung und versetzte dadurch das Schiff in ungleiche hilflose Aufregung. Dabei schimmerte die See in stumpfem Weiß, ähnlich einer Schneelandschaft, doch ohne deren Leuchten. Die Himmelskuppel aber lag schwer, niedrig über der Erde; die Entfernung zwischen dem Wasserspiegel und den regellos herabhängenden Wolkenballen schien nach wenigen Metern zu bemessen. Dabei war das gleichmäßige elektrische Leuchten der Tropennächte einem grellen Lichtflimmer gewichen, der den engen Raum zwischen Wasser und dumpfer Wolkendecke unaufhörlich durchzuckte. An mehreren Stellen zeigte sich die Wolkendecke zerrissen und durch den Spalt sah man in die unergründliche Himmelswölbung, von wo die Sterne in grünem Lichte schimmerten. Kaum gestattete die elektrische Spannung einen vollen Atemzug; kalte Schweißtropfen standen auf jeder Stirn; mühselig rang jede Lunge nach Luft.
Iversen wagte nicht, die drei Männer, den Kapitän und die beiden Steuerleute, welche auf dem Hinterdeck stumm und reglos der Entwickelung eines grausigen Schauspiels entgegenharrten, durch Fragen zu belästigen. Er suchte die Region „vor dem Mast“, und er fand hier die aus zwanzig Köpfen bestehende Mannschaft schlaff auf den Planken ausgestreckt, theils in finsteres Brüten versunken. Er wankte zurück und wollte auf der Bank am Großmast seinen matten Gliedern Halt gönnen. Die Bank war inzwischen von Frau Howard eingenommen worden, zu deren Füßen je ein dunkles Mädchen in dürftigster Nachtkleidung kauerte, die Gesichter angstvoll in die Falten des weißen Kleides ihrer Gebieterin gedrückt.
„Auch Sie, Frau Konsul?“
„Drunten ist’s unerträglich warm.“
„Gestatten Sie mir, neben Ihnen Platz zu nehmen?“
Sie antwortete nicht, machte aber Anstrengungen, sich zu erheben, um dem Feind das Feld zu überlassen. Es gelang nicht; eine zitternde Schwäche in den Gliedern nöthigte sie auf den Sitz zurück. Er dagegen blieb stehen und mit prüfendem Auge verfolgte er die Vorgänge in Luft und Wasser.
„Was hat das seltsame Gebahren der Mannschaft zu bedeuten? Erst unvernünftiges Arbeiten an Schiff und Takelage und nun liegen sie wie die Fliegen?“ fragte die Engländerin, da der Deutsche beharrlich schwieg.
„Empfinden Sie nicht, daß etwas Außerordentliches in der Natur sich vorbereitet oder herannaht?“
„Bah, ein wenig Wind wird kommen, ich kenne das aus meinem indischen Leben.“
„Ein wenig Wind? Es dürfte leicht genug sein, um den ‚Wotan‘ mit allem drauf und dran spurlos zu verwischen,“ erwiderte Walter mit scharfer Bitterkeit.
„Furcht?“ spöttelte Frau Ellen, indeß grelle Blitze lautlos über ihr zuckten. In diesem Moment erschien ihm die schöne Frau wie ein Zerrbild. Er ging zu dem Kapitän, der im Heck mit seinen Steuerleuten lehnte und Vermuthungen aussprach über die Gegend, aus welcher das Wetter zu erwarten stehe.
Zwischen fünf und sechs Uhr Morgens hörten die grellen Lichterscheinungen auf, undurchdringliche Finsterniß hüllte das Schiff ein. Doch nicht lange. Mit zischendem Pfeifen raste her Wind heran und alsbald begannen die Taue zu schlagen, die Rundhölzer zu dröhnen, die See zu brüllen. Sechs Uhr. Das Dunkel lichtete sich zu aschfarbener Dämmerung. Die Morgenröthe hing oben im Zenit, wo aus grünschwarzen Wolken (der seemännische Ausdruck sagt: schmierige Luft), die wild durch einander gepeitscht wurden, röthlich angestrahlte Flecken und Fetzen umherjagten, aber vergebens suchte man im Osten die Sonne. In dem aufgeregten Meere arbeitete das Schiff unter Aechzen und Stöhnen.
Ein furchtbarer Sonnenaufgang.
„Madam, Sie werden sich nach unten verfügen müssen“ rief der Kapitän Ellen Howard zu, die nun doch mit fliegendem Athem und starren Augen in das wilde Schreckniß blickte und nicht mehr im Stande war, für die schwankenden Füße einen sicheren Halt zu gewinnen. Aber der Deutsche beobachtete sie und daher kam es gepreßt aus ihrem Munde. „Ich fürchte mich nicht, ich bleibe.“
„Sie werden nach unten gehen, nötigenfalls mit Gewalt,“ schrie der Seemann noch einmal durch den zunehmenden Tumult in Luft und Wasser. Da sprang Walter Iversen hinzu, faßte energisch zu und geleitete Ellen und ihre Dienerinnen die krachende Treppe hinab. Es war das erste Mal, daß er die schöne Frau berührte, sein Arm lag fest um ihren Körper, er trug sie fast. Ellen athmete schwer.
„Und Sie?“ fragte sie nun in offenbarer Angst, als er mit einer stummen Verbeugung die Kajüte wieder verlassen wollte.
„Mein Platz ist bei der Arbeit, bei den Männern in Gefahr“. Er ließ sie wirklich allein mit den beiden Mädchen, die sie ja „nicht zu den Menschen rechnete“.
Immer mehr schwoll das Getöse an und dazwischen tönte die Stimme des Kapitäns, der durch ein Sprachrohr seine Befehle gab. Mit übermenschlicher Kraft arbeiteten die Schiffsleute an den letzten Sicherheitsvorkehrungen: Stengen und Raaen doppelt zu stützen, die Segel, bis auf ein winziges Sturmsegel, welches dem gemarterten Schiffe Halt geben soll, fest einzubinden, die Boote, Fässer, alles was in Klampen und Schrauben ruht, mit starken Tauen an seinem Platz zu befestigen.
„Kapitän, ich stelle mich zu Ihrer Verfügung,“ hatte der Deutsche gerufen.
„Gut! Gut! Der Mann am Steuer muß festgebunden werden, daß er nicht fortgespült werden kann, besorgen Sie das.“
Und Walter Iversen arbeitete wie ein gemeiner Matrose.
Noch konnten die festen, seegewohnten Männer sich aufrecht halten, wenn sie einen festen Stützpunkt hatten.
„Das ist –?“ fragte Iversen.
„Ein Taifun“ antwortete der Kapitän, seinen Mund dicht an Iversens Ohr legend und an der Reeling sich haltend; das Gesicht voll dem Sturm zugekehrt, deutete der Seemann seitwärts über seine rechte Schulter: „Dort liegt das Centrum.“ In der angedeuteten Richtung lagerte tief auf dem Horizont eine blauschwarze Wolkenbank, mit schwefelfarbigen Streifen durchsetzt. Die Bank lagerte unbeweglich; alles andere Gewölk jagte aber in wilder Hast über die brüllenden Wogen dahin. Frühzeitig hatte der Kapitän das Schiff an den Wind legen lassen, die einzige Lage, in welcher ein Schiff den Taifun bestenfalls überstehen kann. Nun lag es in einer Stellung von 40 Grad schräg im Wasser – die Köpfe der hohl und wirr durch einander laufenden Wellen [383] brachen darüber hin; in den Blöcken und Tauen der Takelung heulte der wachsende Sturm und rüttelte wüthend an allem Festgefügten. Dazu stürzte Regen herab und die von rasender Gewalt geschleuderten Tropfen verursachten brennenden Schmerz auf den getroffenen Hautstellen.
Eine einzige bleifarbene Masse ist der Himmel; und das Meer, in rasender Wuth lebendig geworden, wird durch den Sturm mit dem Himmel zu einem Ganzen vereinigt. Menschensinne vermögen nichts mehr zu unterscheiden. Der Schrecken waltet.
Der Kapitän hatte die Mannschaft auf das Hinterdeck beordert, unter dem Schutz des Schanzkleides krochen die Leute an Deck entlang, um in die Nähe ihres Führers und Meisters zu gelangen, der durch geflissentlich zur Schau getragene Zuversicht ihre Hoffnung wach erhielt. Walter Iversen aber suchte die Frauen in der Kajüte auf. Die Malayinnen lagen, das Gesicht nach unten gekehrt, platt auf dem Boden in der am tiefsten liegenden Ecke; Ellen Howard aber – o Wunder! – hatte ihre weißen Arme krampfhaft um den Hals des armen Jim, des verachteten Chinesen, geschlungen. Der gute Bursche hielt sich und seine Last mit festgestemmten Füßen aufrecht; sorgsam und doch in scheuer Ehrfurcht glitt seine Hand tröstend über den Scheitel der geängstigten Frau.
Nahe genug gekommen, suchte der Deutsche Ellens Finger von dem Nacken des Chinesen zu lösen – ein Angstschrei brach von ihren Lippen, so gellend, daß er selbst das Krachen und Toben übertönte.
„Du armes Weib,“ flüsterte Iversen. Und nun nahm er sie in seine Arme, trug sie zu dem die Kajüte durchschneidenden Besanmast und suchte sie an diesen mittels eines von Jim geforderten Stückes Zeug festzubinden. Das sollte aber nicht so leicht gehen. Waren inzwischen oben an Deck schlimme Verwüstungen angerichtet, war das mit Ketten durch die Speigaten befestigte Schanzkleid fortgerissen, das Querschott der Back weggeschlagen, und war bereits über Bord geschwemmt worden, was an und unter der Back sich befand, so drückte jetzt eine ungeheure Welle die Steuerbordseite der Kajüte ein und – das Meer hatte den Weg in die Kajüte frei. Im Nu stand sie unter Wasser; tausend Gegenstände, Möbel, Kleider, Instrumente, schwammen in tollem Wirbel darin umher, bis eine neue See die Dinge hinausstieß.
In dem Einsturz der Kajüte verhallte ein zweiter Schreckensschrei; mit dem Ausdruck des Wahnsinns stierte Ellen in das Chaos. Walter Iversen aber nahm die Frau auf seine Arme und schleppte sie, von neuen Güssen überstürzt, aus dem Gewirr heraus auf die nach oben führende Treppe. Jim, die beiden Mädchen schleifend, folgte seinem Herrn. Auf der Treppe kauerten sie nieder. Ellens Gesicht ruhte an Walters Brust. Unter ihnen wogte ein Meer, die Wellen räumten aus; über ihnen ein Meer; rundum Meer, Brausen, Kreischen, Toben – Vernichtung.
„Sterben, sterben!“ schrie Ellen und warf die Arme in die Höhe.
„Nicht sterben, wir leben und werden leben.“
Das sprach eine ruhige Stimme. Sie fühlte den Hauch eines Mundes an ihrem Ohr, sie hörte Himmelsbotschaft. Und als müßte sie sich überzeugen, von wo der Ton gekommen, so fragend ernsthaft schaute sie in das dicht über sie gebeugte Mannesgesicht.
Walter Iversen war ruhig, keine Spur von Furcht; wahrlich, er lächelte, und doch – horch – im wüthenden Chaos ein neuer Ton, ein Brechen und Knattern wie Gewehrfeuer, ihr Blick fragt wieder: „müssen wir sterben?“ und doppelt fest klammert sie sich an ihren Beschützer.
„Da brach ein Mast,“ sagt Walter Iversen und lächelt ebenso ruhig wie vorhin und drückt die zarte Frauengestalt an sich. Jim und die braunen Dirnen murmeln Gebete. Von der Wucht des Orkans fest ins Wasser gedrückt, zittert jetzt das Schiff wie im Todeskampfe; die Salzfluth, zu Gischt gepeitscht, stürzt darüber hin – es ist nicht mehr zu erkennen, was Wolken sind und was Meer ist. Der Vernichtung, dem Verderben ist jedes Atom der Schöpfung geweiht.
„Fürchtest Du Dich nicht?“ kreischt Ellen bei einem neuen Wuthausbruch des Schrecknisses.
„Nein!“
„Warum fürchtest Du Dich nicht?“ begehrt sie zu wissen wie ein angstgefoltertes Kind.
„Weil ich die Natur verstehe.“
„Sie ist furchtbar, furchtbar!“ schreit das arme Weib wieder auf.
„Lerne sie verstehen und Du wirst sie lieben.“
„Liebe! Liebe! Ich habe Dich lieb! Verlaß mich nicht!“ wimmert Ellen leise, und Walter preßt sie fest in seine Arme und drückt auf ihre feuchtkalte Stirn einen Kuß.
In ungeheuren Haufen stürzte der Seegang von allen Seiten über das Schiff. Die Reeling in Lee lag vollständig unter Wasser. Reservehölzer, Boote, Fässer – alles war zerschlagen oder weggerissen, der Fockmast bereits preisgegeben und jetzt mußte auch der Großmast gekappt werden, um die Gefahr des Kenterns zu erschweren. An einer Seite wurden Wanten und stützendes Tauwerk des Mastes durchgehauen; kaum waren einige Stützpunkte hiermit hinweggeräumt, als der riesige, aus eisernen Röhren bestehende Mast wie ein Spielzeug in der Faust des Taifuns dicht über Deck abbrach; im wirren Durcheinander riß er nicht nur Tauwerk, Stengen und Hölzer mit hinab, sondern zerschmetterte auch das letzte Boot und schlug in die Deckplanken ein großes Loch. Dreißig Hände zugleich kämpften gegen die wüthenden Elemente, um den „Wotan“ von Wrackstücken zu befreien, die schlagend und scheuernd das Schiff zum Sinken reif machen mußten; die klaffenden Lücken des Mastabbruchs mußten schleunigst gestopft werden. Die Männer kämpften wie Ein Mann. Was that es, daß zwei Matrosen, von stürzenden Stücken getroffen, erschlagen und von der nächsten See hinweggespült wurden? Walter Iversen und Jim traten an ihre Stelle. Die Frauen, jetzt auch festgebunden, daß keine mehr als die Arme bewegen konnte, hatten das Schauspiel vor Augen: Menschenkraft gegen Naturgewalt.
Der Orkan hatte seinen Höhepunkt erreicht …
Nach vierundzwanzig Stunden ein anderes Bild. Mit ebenso kluger wie sicherer Berechnung hatte der Kapitän dem Centrum des Wirbelsturmes auszuweichen gewußt. Der „Wotan“, ein mastenloses Wrack, aber noch steuerbar, schwamm unter der indischen Sonne. Friedlich, in lächelnder Bläue athmete das Meer; das unglückliche Schiff glich einem mächtigen, kahlen Sarg, der schwerfällig schaukelnd im seltsamen Gegensatz zu dem heiteren Meeresfrieden stand. Auf dem schaukelnden Sarg befand sich ein Häuflein Menschen. Aber nicht in unthätiger Verzweiflung, sondern im Frohgefühl neuen Lebens bei frischer Arbeit. Da wurden Planken angenagelt und Löcher verstopft, an den Pumpen geschafft und die Kajüte gesäubert, und der Kapitän war vorn und hinten und überall zu gleicher Zeit, hier anfeuernd, dort lobend. Mitten unter den Matrosen befanden sich auch Walter Iversen und Jim, der Chinese, mit Nägeln und Werkzeug in den Händen; ihre Hammerschläge schallten nicht minder kräftig als die der andern. Die Noth und der Tod machen alle Menschen gleich; da kommt die wahre Brüderschaft zum Ausdruck. Einige von den Matrosen lagen freilich arbeitsunfähig mit gebrochenen oder zerschmetterten Gliedern darnieder; zu diesen gehörte auch der Obersteuermann. Des Kapitäns erste Aufgabe war es, diesen Unglücklichen Hilfe zu bringen. Mit dem primitivsten Verbandzeug ging er von einem zum andern, die zum Theil schrecklichen Verletzungen zu verbinden, die Qualen der Leute zu mildern. Dabei hatte er den schönsten, nein den besten, liebevollsten Beistand: Ellen Howard. Woher hatte die Frau diese Kenntniß der Krankenpflege? Sie schauderte nicht vor Blut, sie hielt sicheren Griffs den gebrochenen Arm oder den zermalmten Fuß. Sie netzte die Stirn eines Ohnmächtigen und bettete das wunde Haupt eines andern in ihren Schoß. O wunderschöne Menschenliebe, die sich nicht genug thun kann!
Frau Ellens blasses Gesicht ward selbst infolge der großen Anstrengung von Schatten der Ohnmacht überflogen; sie drohte der Anstrengung zu erliegen. Vorsichtig führte der Kapitän sie nach einem geschützten Plätzchen und ging dann, um Walter Iversen zu rufen.
„ Gehen Sie zu ihr, das ist ein herrliches Weib.“
Walter fand bereits ihre Dienerinnen um sie beschäftigt. Sie schlug die Augen auf und schickte dieselben fort, um mit ihm allein zu sein. Noch zauderte er, die sich ihm entgegenstreckende Hand zu erfassen.
„Verschmähst Du mich?“ rief Ellen erglühend. Da sank er vor ihr nieder und rief:
„Wie konnte es nur geschehen?“
„Ich habe fürchten und lieben gelernt!“ flüsterte Ellen.
„Hoi ho! Hoi ho! Schiff in Sicht!“ ruft eine Stimme und von einem Dutzend Männerstimmen schallt der Gesang über das blaue Meer: „Nun danket alle Gott!“
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[385] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt.
[386]„Der Krieg kann in zehn Tagen und in zehn Jahren ausbrechen.“ Dieser denkwürdige Ausspruch, welchen der deutsche Reichskanzler vor wenigen Monaten offen im Parlamente gethan, wird noch geraume Zeit am treffendsten die europäische Lage kennzeichnen. Die allgemeine politische Unsicherheit erklärt aber zur Genüge die unablässige Thätigkeit aller Staaten auf militärischem Gebiete. Die alte habsburgische Monarchie ist hierbei nicht nur ihrer empfindlichen Grenzgestaltung wegen zu fortgesetzten militärischen Anstrengungen genöthigt, sondern auch, weil bei dem „in zehn Tagen oder in zehn Jahren“ ausbrechenden Entscheidungskampfe um die Herrschaft auf der Balkanhalbinsel die europäische Großmachtstellung Oesterreich-Ungarns überhaupt zu verfechten sein wird. Das wissen die leitenden Persönlichkeiten in Wien und Budapest sehr gut und darum wenden sie eine unausgesetzte, planmäßige Sorgfalt der Wehrmacht zu. Infolge dessen hat letztere in organischer, intellektueller und technischer Beziehung eine Entwickelung gewonnen, die vielfach noch nicht entsprechend gewürdigt wurde. Es erklärt sich letzteres aus den Katastrophen, die in rascher Aufeinanderfolge zweimal – 1859 und 1866 – über die kaiserlich-königlichen Waffen hereingebrochen.
Daß 1859 am Tage der Niederlage von Solferino das am rechten Flügel bei San Martino kämpfende Korps die ganze sardinische Armee zurückdrängte; daß 1866 die Südarmee die weit überlegene italienische Armee bei Custozza in Trümmer schlug, so daß es dem Erzherzog Albrecht freistand, nach Mailand oder nach Florenz zu marschiren; daß Tegetthoffs Eskadre 1864 bei Helgoland einen beachtenswerten Erfolg und bei Lissa 1866 einen glänzenden Seesieg errungen: das sind Ereignisse, welche infolge der gleichzeitigen Niederlagen auf anderen Operationsräumen und Kriegsschauplätzen im großen Publikum keine oder doch nur ebenso geringe Würdigung gefunden haben, wie der Umstand, daß im Jahre 1878 ein Bruchtheil der österreichisch-ungarischen Armee während eines kaum sechs Wochen dauernden Feldzuges Bosnien und die Herzegowina eroberte, zwei Provinzen, fast zweimal so groß als Hannover, ohne Straßen, ohne Hilfsquellen für die operirenden Truppen, von hohen Gebirgen durchzogen, mit Urwäldern bedeckt und von einer unbotmäßigen, kriegerischen Bevölkerung (1¼ Millionen Seelen) bewohnt. Der Kampf gegen eine wilde, waffengeübte Bevölkerung, in einem Lande, wo der Guerillakrieg von Geschlecht zu Geschlecht als Tradition sich fortgeerbt hat; der Kampf in der Bocca di Cattaro und in der herzegowinischen Felsenwelt,
„– wo alles klirrt in blanker Rüstung,
Wo jede Wohnung eine Feste,
Wo jeder Steinblock eine Brüstung,
Wo sich’s in jedem Felsenneste
Von Waffen und von Kämpfern regt –
Wo selbst das Weib die Waffen trägt,
Wo jeder Knabe schon ein Krieger; –“
ein solcher Kampf, sagen wir, stellt ganz außerordentliche Anforderungen an das physische Leistungsvermögen wie an die Entschlossenheit der Truppen und an die Umsicht der Führer.
Gleichwohl gelangten diese im „kleinen Kriege“ bethätigten Leistungen nicht zu allgemeiner Würdigung, weil das Urtheil des großen Publikums noch im Banne der Ereignisse auf den böhmischen Schlachtfeldern von 1866 lag. So ist es zu erklären, daß auch in jüngster Zeit, als ein bewaffneter Zusammenstoß zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland in die Nähe gerückt schien und die allgemeine Aufmerksamkeit sich in höherem Grade der kaiserlich-königlichen Armee zuwandte, über diese skeptische Stimmen laut wurden und Glauben fanden. Wer jedoch die Armee Oesterreich-Ungarns genau kennt; wer da weiß, mit welchem Eifer und Verständniß allerorten seit zwanzig Jahren ununterbrochen gearbeitet wird; wer die praktischen Uebungen auf den Uebungsplätzen und Manövrirfeldern kritisch beobachtet und die Erscheinungen der österreichisch-ungarischen Fachliteratur aufmerksam verfolgt: der wird einräumen, daß diese Armee zu hohen Erwartungen berechtigt. Sie befindet sich in einer so vorzüglichen Verfassung, wie es seit den Tagen des Prinzen Eugen von Savoyen nicht der Fall gewesen.
Man mag die Armee der österreichisch-ungarischen Monarchie mit den Augen des Freundes oder des eventuellen Gegners betrachten: man wird sie unter allen Umständen als eines der am schwersten wiegenden Machtmittel der großen europäischen Politik zu betrachten haben. Wer dies nicht thut, wird in der Stunde der Entscheidung erfahren, daß er schlecht unterrichtet war und einen unrichtigen Faktor in seine Rechnung aufgenommen hatte. Die rasch auf einander folgenden Niederlagen von 1859 und 1866 haben wie ein furchtbares, aber reinigendes Gewitter gewirkt. Was an Ehrgeiz, Talent und Vaterlandsliebe in dieser Armee geborgen war, wurde aufgewühlt und aufgewirbelt zu reger Mitarbeit an dem umfassenden inneren und äußeren Reorganisationswerke. Nicht vergeblich wurde zwanzig Jahre durchdacht und systematisch gearbeitet. Der erste reformirende Kriegsminister, Feldzeugmeister Baron Kuhn (1868 bis 1874), heute Korpskommandant in Graz, war ein Kraftgenie; mit rücksichtsloser Hand zerbrach er die alten Formen, stieß aber beim Wiederaufbau seines Radikalismus und seines Ungestüms wegen auf so heftigen Widerstand in den Hofkreisen, daß er weichen mußte. Nach ihm kam ein indifferenter Verlegenheitsminister, der aber schon nach zwei Jahren von einem wirklichen, auf der Höhe seiner Aufgabe stehenden Minister, dem Feldzeugmeister Arthur Grafen Bylandt-Rheidt, abgelöst wurde. Bis in die jüngsten Wochen war Bylandt unermüdlich thätig, die militärischen Machtelemente der habsburger Monarchie zu sammeln und zu kräftigen. Er war nicht der Mann der Inspirationen und zündenden Ideen wie der geistsprühende Kuhn, sondern der zielbewußten, positiven Arbeit, welche alle Gewaltthätigkeiten und Sprünge vermeidet. Er verband die Vorzüge des denkenden, wissenschaftlich gebildeten Generals, Technikers und Militärschriftstellers mit der Klugheit des zwischen den Gegensätzen vermittelnden Staatsmannes, welcher jedoch ein fachliches Interesse niemals den Opportunitätsrücksichten opferte.
Seit Mitte März dieses Jahres verwaltet Feldzeugmeister Ferdinand Freiherr von Bauer, bis dahin Kommandant des 2. Korps in Wien, das Kriegsportefeuille, welches Graf Bylandt-Rheidt nach fast zwölfjähriger Amtstätigkeit seiner tief erschütterten Gesundheit wegen niedergelegt hat.
Wie in der Gliederung, Verwaltung und Ausbildung, so hat die österreichisch-ungarischen Armee auch in ihrer äußeren Gestalt seit zwanzig Jahren eine durchgreifende Aenderung erfahren. Wie unsere Bilder, in welchen man die kaiserlichen Truppen von ehedem kaum wiedererkennen dürfte, zeigen, gab hierbei das Streben nach Vereinfachung, nach dem praktischen Bedürfnisse des Feldlebens und nach Beseitigung alles Parademäßigen den Ausschlag.
Der historische und elegante, aber für den Dienst im Felde aus mehrfachen Ursachen bedenkliche weiße Waffenrock ist längst verschwunden. Ja ins Feld nimmt die Truppe überhaupt gar [387] keinen Waffenrock mit, denn derselbe (bei der Infanterie von dunkelblauer, bei den Jägern von hechtgrauer, bei den Dragonern von lichtblauer, bei der Artillerie von dunkelbrauner Farbe) wird nur in der Garnison im Frieden getragen, während im Felde die Blouse von der Farbe des Waffenrockes bei allen Waffen und Branchen das herrschende Kleidungsstück bildet, wie dies unsere Bilder ersehen lassen. Nur die Generale und Generalstabsoffiziere sowie die den Haupt- und Stabsquartieren zugetheilten Offiziere haben stets im Waffenrock auszurücken und dürfen die übrigens sehr bequeme und praktische, mit zwei oberen und zwei unteren Vordertaschen versehene Blouse nur im Bureau, auf der Mappirung[2] oder auf der Reitschule tragen.
Den Typus der „deutschen Infanterie“ pflegt man in dem auch hier im Bilde vorgeführten „Deutschmeister“ zu erblicken. Wir bemerken hierbei, daß unter „deutscher Infanterie“ kurzweg jene 55 Infanterieregimenter begriffen werden, welche sich in Oesterreich ergänzen, während die 47 anderen Regimenter, deren Ergänzungsbezirke in Ungarn liegen, „ungarische Infanterie“ genannt werden. Bei letzterer sowie bei der ungarischen Landwehr- (Honvéd-) Infanterie trägt die Mannschaft enge, in die Schnürschuhe gesteckte Beinkleider mit eigenartiger Verschnürung (vitézkötés), überdies auf dem je nach dem Regimente verschiedenfarbigen Aufschlage des Rockärmels sogenannte „Bärentatzen“, das heißt Litzen, bei der Mannschaft aus weißem Tuche, bei den Offizieren aus Gold oder Silber, je nach der Farbe der gelben oder weißen Knöpfe. Die deutsche Infanterie dagegen ist einfacher; sie hat keine Litzen und trägt Pantalons.
Was den bereits erwähnten „Deutschmeister“ betrifft, so ist dessen Volksthümlichkeit lediglich auf den Umstand zurückzuführen, daß die bezügliche Truppe aus „Wiener Kindern“ besteht und daher die Heimstätte des Wiener Witzes, der Wiener Lieder und des Wiener Humors ist. Das seit nahezu zweihundert Jahren (1696) bestehende 4. Infanterieregiment hat nämlich die Reichshaupt- und Residenzstadt Wien zum Ergänzungsbezirke und den jeweiligen Hoch- und Deutschmeister (seit 1863 den Feldzeugmeister Erzherzog Wilhelm) zum Regimentsinhaber. Im übrigen dürfte zwischen diesem und den anderen Infanterieregimentern des Heeres in der Organisation, in der Ausbildung und im inneren Werthe kaum irgend ein Unterschied merkbar sein, denn die gleichen Dienst- und Exerzierreglements sowie der einheitliche Charakter des Offizierstandes, und zwar nicht nur bei sämmtlichen Fußtruppen des Heeres, sondern auch bei allen anderen Waffengattungen, wirken zusammen, um trotz der Verschiedenheiten in dem Bildungsgrade einzelner Nationalitäten sämmtlichen Truppen ein gleichförmiges Gepräge zu geben.
Weder auf dem Schießplatze, noch bei Manövern wird der kritische Beobachter, sofern er nicht Paradekünste, sondern Geschicklichkeit in der Benützung des Bodens, Feuerdisciplin, Marschleistungen in der Ebene wie im Gebirge, kurz praktische kriegerische Verwendbarkeit zum Maßstabe der Beurtheilung nimmt, auffallende Unterschiede in der Ausbildung und Tüchtigkeit der einzelnen Truppen wahrnehmen können. Es ist dies ein besonderes Verdienst der Offiziere, welche insbesondere beim Unterrichte und bei der Uebung der Mannschaften weniger entwickelter Nationalitäten schwierige Aufgaben zu bewältigen und weitaus angestrengter zu arbeiten haben als Offiziere in Armeen, die aus einer einheitlichen Nation hervorgehen.
Die 2. Gruppe des Tableaus zeigt berittene Infanterieoffiziere, während wir auf der 3. die Attacke einer Hußarenschwadron sehen. Wie schon vorhin erwähnt, lassen alle Fußtruppen sowie die technischen Waffen bei der Ausrückung ins Feld Tschako und Waffenrock als Paradestücke in den Magazinen der Ergänzungsstationen zurück. Als Kopfbedeckung dient dann die schmiegsame Lagermütze, deren ausgestülpte Theile bei schlechtem Wetter oder bei Nacht im Bivouac als Ohren- und Nackenschutz herabgeschlagen werden.
Im Hinblicke auf die Eventualitäten des Nahkampfes nimmt jedoch die Kavallerie nebst der reitenden Artillerie die Paradekopfbedeckung als Schutzwaffe ins Feld mit, daher wir auf der 3. Skizze die Hußaren mit dem Tschako und Federbusch, auf der 4. die Dragoner mit dem Helm, auf der 6. die Ulanen mit der Czapka, und auf der 8. bis 10. die berittenen Dalmatiner (8) und Tiroler (10) Landesschützen und die Landwehrulanen (9) mit dem Hute, beziehungsweise mit der Czapka (Tatarka) sehen. Ueberdies haben die gesammte Kavallerie und bei der Artillerie die berittenen Mannschaften und Offiziere (5) den Waffenrock (bei den Hußaren den Attila) an einer Schnur über der linken Schulter hängen.
Die Geniesoldaten (13) besorgen in der österreichisch-ungarischen Armee die Verrichtungen der Mineure wie der Sappeure. Der neben ihnen stehende Unteroffizier der Leibgardereitereskadron (12) gehört einer Truppe an, die sich nur aus den besten Unteroffizieren der Kavallerieregimenter ergänzt und von altadeligen Offizieren befehligt wird. Sie bildet im Frieden einen Anhang des Hofstaates und hat daher ihre reiche glänzende Uniform, die Pickelhaube mit schwarzem Roßhaarbusche, die vergoldeten Achselschnüre, Schuppenepauletts etc. beibehalten. Im Kriege dient sie zur Begleitung der Armeehauptquartiere.
Offiziere und Mannschaften der Flotte (11) tragen das Gepräge aller übrigen Kriegsmarinen. Dagegen bilden die bosnisch-herzegowinischen Bataillone (7) eine Specialität; denn bei ihrer Bekleidung und Ausrüstung sind in erster Linie die Bedingungen maßgebend gewesen, welche der rauhe, von der Bora durchlöcherte, wildzerklüftete Karstboden des Prolog und der Dinarischen Alpen an eine Truppe in der Bewegung stellt.
Wir konnten hier nur flüchtig die hervorragenderen Gattungen der österreichisch-ungarischen Armee berühren. Wer jedoch Gelegenheit hat, das Innenleben dieser Armee, den trefflichen schneidigen Geist derselben, ihr Pflichtgefühl, ihre unausgesetzte intensive Thätigkeit und den hohen Bildungsgrad der Offiziere, insbesondere des Generalstabskorps, kennen zu lernen, der wird mit uns übereinstimmen, daß die Habsburgische Monarchie mit Ruhe und Zuversicht allen Ereignissen entgegenblicken kann.
Zu guten Zwecken. Da liegt vor uns ein Selbstschriftenalbum „Dem deutschen Schulverein“, herausgegeben vom Vorstand der Ortsgruppe Margarethen-Wien. Dies Album, zu welchem hervorragende Männer und Frauen, die durch ihr Wirken im öffentlichen Leben oder auf irgend einem Gebiete der Wissenschaft, Litteratur oder Kunst dem deutschen Volke zur Zierde und Freude gereichen, zahlreich beigesteuert haben, wird als eine Heerschau über die Freunde und Förderer des deutschen Schulvereins bezeichnet. Und in der That finden sich darunter die besten Namen der deutschen Nation. Wie verschiedenartig die Handschriften, ihre Züge und Schnörkel sein mögen, allen gemeinsam ist der Geist, der echt deutsche Geist, der sich in Sinnsprüchen von tiefer Weisheit und in Ergüssen von patriotischer Begeisterung offenbart. In dem Widmungsgedicht „Unser Zeichen“ feiert Franz Keim die Muttersprache, welcher der Preis gebührt. Die ersten Verse des schwunghaften Gedichtes lauten:
„Frau Muttersprache, die Herrin hold
Mit der lieblichen Stimme so rein wie Gold;
Die Pflegerin, die uns zu Häupten stand,
Als das Leben den lallenden Laut erfand,
Den ersten Gesang, daß die Thränen flossen,
Die minnige Maid, Jungfer Tausendschön,
Die kein Schlachtengetös, kein Trompetengetön
Aus der Brust uns bannt, wenn der Tod auch grinst,
Sie hat ihre Losung herausgesandt
Von des Kahlenbergs Höh’ in das weite Land.“
Welchen Geist die empfehlenswerte Sammlung athmet, das mögen einige Denksprüche deutscher Dichter und Gelehrten beweisen:
„Ob sie dem Licht den Sieg mißgönnen
Die Nacht wird’s nicht bezwingen können,
So lang der Feldruf der Jugend heißt:
Hie deutsches Gewissen und deutscher Geist.“
„Kein Grenzpfahl staut die deutsche Luft,
Das deutsche Licht, das deutsche Wort,
Und allgemeinsam leuchtet
Jedweder deutsche Hort.
Der Geister und der Herzen,
Der, was ihn eint, unsterblich weiß,
Er kann, was trennt, verschmerzen.“
„Das höchste Gut des Mannes ist sein Volk.“
„Tüchtiges Menschenleben endet auf Erden nicht mit dem Tode: es dauert in Gemüth und Thun der Freunde, wie in den Gedanken und der Arbeit des Volkes.“Neben dem reichen Gedankenschatz enthält die Sammlung auch Zeichnungen hervorragender Meister. Die Zwecke des deutschen Schulvereins, der aus echt nationaler Gesinnung hervorgegangen, sind von uns schon oft und warm hervorgehoben worden.[3]
Eine andere litterarische Erscheinung, die ebenfalls einen guten, der Förderung werthen Zweck verfolgt, ist die „Illustrirte Zeitung zum Besten der Ferienkolonien“ (Leipzig, Verlag von J. J. Weber), von der uns die „Extranummer für unsre Jugend“ vorliegt, mit ihren 40 reich illustrirten Folioseiten. Das Titelblatt zeigt uns die Jugend, die fröhlich mit Fahnen und geschwungenen Hüten und Blumensträußen hinauseilt in Gottes freie Natur – und wer von Ferienkolonien hört oder spricht, den weht es ja an wie ein frischer Hauch der Freiheit nach der langen Seßhaftigkeit auf den Schulbänken. Wir sind stets Herolde der neuen pädagogischen Einrichtung gewesen und empfehlen auch diese „Illustrirte Zeitung“, welche ja zu ihrer Förderung bestimmt ist. Allerlei Märchen und Gedichte, neckische, schalkhafte, phantastische Illustrationen, denen sich ein paar größere Veduten von dem Hafen von Hamburg und ein paar stilvolle Geschichtsbilder anschließen, schmücken das auch im Text mannigfache Töne anschlagende Album.
Sparsamkeit auf Thronen. Es ist bekannt, wie haushälterisch am Hofe des großen Friedrich gewirthschaftet werden mußte; aber sein Vater, König Friedrich Wilhelm I. übertraf ihn noch bei weitem. In seinem Tabakskollegium gab es für seine Gäste außer Tabak von sehr mittelmäßiger Qualität nur Bier und Käse, höchstens noch Häringe, aber selten, um den Durst der alten Haudegen nicht künstlich zu vergrößern. Und doch konnte dieser sparsame, fast geizige Monarch zum Verschwender werden, wenn es sich um die Anwerbung irgend eines „langen Kerls“ für seine berühmten Grenadiere handelte, und kein Opfer war ihm zu groß, wenn, es galt, eines solchen Riesen mit List oder Gewalt habhaft zu werden. Friedrich II. ähnelte in dieser Beziehung seinem Vater; denn sein blauer Uniformfrack war nicht selten so fadenscheinig, der Hut so abgetragen, daß ihm eines Tages sein Kammerdiener erklärte, kein Mann in der ganzen preußischen Armee würde eine solche schäbige Uniform anziehen. Lachend erklärte der König, daß er sich dann doch wohl zu einem Wechsel bequemen müsse, und der Lakai brachte andere Garderobestücke. Galt es aber, Künste und Wissenschaften zu unterstützen oder dem öffentlichen Wohle Opfer zu bringen, so gab er mit vollen Händen.
Unter den durch Geiz und Habsucht berüchtigten Fürsten des Alterthums ist der römische Kaiser Vespasian, welcher im Jahre 79 n. Chr. starb, der erwähnenswertheste. Der Wunsch, die leeren Kassen wieder zu füllen, veranlaßte ihn, seinen Haushalt bis zur Aermlichkeit einzuschränken und Dinge zu besteuern, denen kaum eine Spur von Werth innewohnte. Aber auch bei diesem Charakter berührten sich die Extreme; denn bei großartigen Prachtbauten, die Vespasian errichten ließ, wie dem Friedenstempel mit einer ausgesuchten Bibliothek und dem Kolosseum, einer Arena, welche 90 000 Menschen faßte, scheute er keine Ausgaben.
Als einst Philipp II. von Spanien durch die Straßen Madrids fuhr, sprach ihn ein Bettler an, der die Füße trotz der rauhen Jahreszeit nur mit alten, dürftigen Lappen umhüllt trug. Der König zog seine eigenen Schuhe aus und reichte sie ihm; aber der Bettler wies sie zurück, weil sie so defekt waren, daß er sie nicht tragen mochte.
Auch Frankreich besaß seinen Geizhals auf dem Throne; es war Ludwig XI., der sich so dürftig kleidete, daß ihm einst ein Beamter der spanischen Gesandtschaft, welcher eben erst in Paris eingetroffen war und den König daher nicht kannte, beim Begegnen auf der Straße ein Almosen reichte. Er verkehrte viel mit den ärmeren Volksklassen und ging häufig des Abends in die Häuser der Bürger, um an ihren Mahlzeiten theilzunehmen. Dabei kümmerte er sich um die kleinlichsten Familienverhältnisse und konnte sehr scharfe Worte äußern, wenn er eine nach seiner Meinung unnütze Ausgabe gewahrte. An seinem Hofe fand aus Sparsamkeitsrücksichten nie eine Festlichkeit statt; jeder Prunk, jede Schaustellung war aus seiner Nähe verbannt; er war vielleicht der sparsamste König, den die Geschichte kennt.
Reichenbach und Wetterhorn. (Mit Illustration S. 377.) Das stimmungsvolle Bild versetzt uns in eine der interessantesten Gegenden des Berner Oberlandes in der Schweiz. Das Wetterhorn, zwischen den Thälern von Hasli und Grindelwald als vorderstes Glied der Bergkette sich erhebend, welche dieselben scheidet, erreicht in dem höchsten seiner drei Gipfel, dem Mittelhorn, eine Höhe von 3708 Metern über dem Meere, und seine Besteigung ist heutzutage keine Seltenheit und kein außerordentliches Wagniß mehr. Der an seinem nordwestlichen Fuße, nahe am Passe Scheideck entspringende Reichenbach, ein wilder Gebirgsstrom, eilt schäumend über Felstrümmer dem Haslithale zu, bildet hier seine imposanten sieben Wasserfälle und mündet gegenüber von Meiringen in die junge Aare. Dem Wetterhorn ist auf dem Bilde das niedrigere, aber höchst steile Wellhorn vorgelagert.
- ↑ Bezeichnung für den gesammten Weideplatz einer Alm, besonders für die ebener liegenden Wiesen, auf denen das Gras besser und reichlicher gedeiht.
- ↑ Zur Kartenzeichnung vorbereitende Terrainaufnahme.
- ↑ Bestellungen auf das Album sind zu richten an die Ortsgruppe Margarethen des deutschen Schulvereins in Wien V 2 Margarethenplatz.
G. R.-L. in B. Von Wolfs Radfahrerkarte von Deutschland ist Blatt 2 erschienen, welches die Provinz Sachsen, Anhalt und Braunschweig umfaßt. Was Blatt 2 von Blatt 1, welches wir schon früher an dieser Stelle besprochen haben, vortheilhaft unterscheidet, das ist die Einzeichnung der Höhenangabe in Metern über dem Meeresspiegel. Dadurch ist nun zwar dem Radler die Möglichkeit geboten, zu ersehen, wie viel Meter er sich hier höher oder tiefer befindet als auf einem anderen Punkte; er kann auch ungefähr berechnen, daß er sich auf dieser Tour mehr bergan, auf jener mehr thalwärts zu bewegen haben wird, aber die Schwierigkeiten und Vorzüge des Weges sind auf diese Weise durchaus noch nicht gekennzeichnet. Einen wirklich sicheren Wegweiser für das schmalspurige Stahlrad kann eine Karte nur dann abgeben, wenn sie sich über ein möglichst kleines Gebiet erstreckt und in noch größerem Maßstabe abgefaßt ist. Es wäre so auf dem Papier Platz geschaffen, daß die Wege kommentirt werden könnten: und dieses müßte dadurch geschehen, daß man z. B. die Straßenmarkirungen nach genauem Maße an- und abschwellen ließe, so daß z. B. die Linien, wo sie dicker, die Steigung, wo sie dünner, die Senkung des Weges bedeuten würden.
H. in Petersburg. Eine ausführliche Darstellung des Einflusses von Druck und Temperatur auf den Aggregatzustand der Körper finden Sie in dem Artikel „Die Bändigung der drei Unbezwinglichen“ (Jahrgang 1878, S. 80). In dem Artikel „Wie Berge und Erdbeben entstehen“[WS 1] von Dr. M. Wilhelm Meyer ist derselbe nur flüchtig berührt. Ihre Ausstellung, daß bei Körpern, die beim Schmelzen ihr Volumen verringern, durch die Anwendung des höheren Druckes der Schmelzpunkt erniedrigt wird, ist richtig. Körper von dieser Beschaffenheit, wie z. B. Wasser, bilden jedoch nur Ausnahmen; die meisten Körper vergrößern beim Schmelzen ihr Volumen und bei diesen wird der Schmelzpunkt durch den Druck erhöht; darum ist die Schlußfolgerung des Artikels gerechtfertigt, daß sich im Innern der Erde unter hohem Druck Massen im festen Zustande befinden, die unter gleicher Temperatur an der Oberfläche der Erde in flüssigen Zustand übergehen müßten. – Wir beabsichtigen übrigens, die betreffenden Fragen gelegentlich ausführlicher zu behandeln.
M. P. in Frankfurt a. M. Wir warnen Sie vor allen derartigen „Bureaus“ mit geben Ihnen den Rath, sich persönlich an einen Arzt zu wenden.
gingen ein: Von F. R. in Elten Mark 3; W. Dittmar in Hoof bei Kassel 10; Ertrag einer Sammlung vom Männerturnverein in Schreiberhau 57,92; vom Männergesangverein zu Wüstegiersdorf, Erlös aus der Versteigerung von 4 der „Gärtenlaube“ beigegebenen Kaiserbildern, durch O. Vogt, Vorsitzenden 4,60; Fried. Wilhelm Wichenberg, Leipzig 30; Kegelgesellschaft „Schönburg“ in Leipzig 50; Ueberschuß bei einer Geldsendung von A. v. W. in Steglitz 1,90; Verlagshandlung der „Gartenlaube“ 500; die Witwe eines Thüringers 100; H. in H. zurückgesandtes Honorar für einen nicht zum Abdruck gelangten Beitrag 40; Heinrich Scheel in Stralsund 10; H. F. K. 86. Dortmund 10; freiwillige Feuerwehr in Schreiberhau, Ertrag einer geselligen Abendunterhaltung 60; B. und St. Leipzig-Connewitz 30; J. F., L. u. W. P. in F. i. B. 6; G. in S. 2; „Ungenannt“ aus Neusalz 3; H. Meye in Husum 3; Philipp Bumiller in Prag 20,03; „Helvetia“ 10; Frau Elisabeth Witter in Straßburg im E. 10; eine Abonnentin in Breckerfeld 30; „Erato“ 12; von zwei kleinen Innsbruckerinnen 2 fl. ö. W. 3,20; Reinhold F. in Leipzig 10; Gesangverein „Phönix“ zu Leipzig durch W. Schuwardt 32,35; R. S. in Mähr.-Schönberg. 5 fl. ö. W. 8; Ueberschuß bei einer Zahlung von P. M. in Weißenburg 1,20; P. Schneider in Gröppendorf 7, außerdem 2 Säcke mit Kleidungsstücken und Schuhwerk; von einem Freunde der „Gartenlaube“ 10; C. B. in Gaiß (Vorarlberg) 10; H. N. Dresden 5; von einer deutschen Frau in Wien 10; B. W. durch die Creditanstalt in Leipzig 50; Carl Bellach in Leipzig 20; von W. G. in Saarbrücken 3; A. M. z. Z. Wittslock bei Fürstenfelde 3; Späth, Heinersdorf 3; Wittwe I. F. in Altenburg 2; Renn. Waldecke 3; Julius Bassenge, Droguist in Dresden 1,50; aus Belgien unter V. E. J. 5; Ad. J. Berlin 1 Packet Kleidungsstücke; ein Süddeutscher in Luzern 16; der Verein Bürger-Union in Glauchau 15,10; Frau C. Poesch in Gottow b. Luckenwalde 10; W. Kipp in Unterburkhardshofen 5; Felix H. an Emil L. für eine unterbliebene Partie Billard 10; von dem Kränzchen acht junger Mädchen in Gotha 15; Julius Nitschke in Löwen in Schl. 3; Eduard Kühn in London 5; J. C. M. aus Triest 1 Fl. ö. W. 1,60; ein Freund des deutschen Volkes 1 Fl. ö. W. 1,60; F. M. in M. 10; Fr. H. S. F. in Wunsiedel, Ertrag einer Kindertheatervorstellung 7; B. L. in Dresden 20; aus Lobberich 5; von zwei Lesern der „Gartenlaube“ in Mülsen St. Jacob 2; O. A. in Ibenhain b. Waltershausen 5; Rjäsansches Gouv.: J. Güngerich Familie 19 Rb., Frau Güngerich 3 Rb. und Fräulein Petri 3 Rb., zusammen 25 Rubel 41,95; C. E. in Amsterdam 20; G. S. in Stuttgart 100; Rosina Gosch in Pleasant Hill 1 Check a. Berlin 22; 1. freiwillige Feuerwehr Baden N.-Oest. 4,82; „Gräfenthal“ 1,02.
Wenngleich die erste, größte Noth gestillt ist und eifriges Schaffen und Treiben auf den verwüsteten Fluren sich regt, bedarf es trotz der reichlich gespendeten Gaben doch noch großer Mittel, um den durch die Fluthen ihrer liegenden und fahrenden Habe Beraubten die Neugründung ihres Heimes und Hausstandes zu ermöglichen. Wir wenden uns daher wiederholt an die so oft und stets bewährte Opferwilligkeit unserer Leser und bitten sie herzlichst, nicht zu ermüden in der Bethätigung ihrer Menschenliebe, sondern unserer Sammlung aufs neue und immer wieder ihre Spenden zuzuführen. Jede, auch die kleinste Gabe ist willkommen – Postmarken sind ja so bequem zu versenden!Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: „Wie Erdbeben und Berge entstehen“