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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1886
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[425]

No. 25.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 21/2 Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Sankt Michael.

Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Michael war ein Jüngling von etwa achtzehn Jahren, zwar ungewöhnlich groß und stark für sein Alter, aber diese kraftvoll derbe Gestalt mit den ungelenken Bewegungen hatte so gar nichts von der Frische und Anmuth der Jugend. Das Gesicht, unregelmäßig und unschön in jeder Linie, zeigte einen halb scheuen, halb träumenden Ausdruck, der es noch weniger anziehend machte. Das dicke blonde Kraushaar lag wirr und wild um Stirn und Schläfen, und darunter blickten ein paar Augen hervor, dunkelblau, aber so leer und träumerisch, als berge sich gar kein Seelenleben dahinter. Der Anzug war ebenso verwahrlost und halb bäuerisch wie der des Försters, und in der ganzen Erscheinung lag auch nicht ein einziger Zug, der Sympathie erwecken konnte.

„Nun, kommst Du endlich?“ empfing ihn der Pflegevater unfreundlich. „Du hast wohl unterwegs geschlafen, sonst müßtest Du längst hier sein.“

„Ich bin durch den Wald gekommen,“ versetzte Michael, indem er sich dem Geistlichen näherte, der ihm freundlich die Hand hinstreckte. Wolfram lachte höhnisch auf.

„Sagt’ ich es Ihnen nicht, Hochwürden? Er hat sich wieder nicht durch das Dorf getraut, ich wußte es ja.“

Michael ließ den anscheinend ganz begründeten Vorwurf mit vollster Gleichgültigkeit über sich ergehen, ohne eine Silbe zu erwidern, er war an diese Behandlung von Seiten des Pflegevaters längst gewöhnt; dieser nahm jetzt seinen Hut und machte sich zum Gehen fertig.

„Ich muß noch hinauf nach dem Bannwald,“ sagte er. „Da oben sieht es bös aus, mehr als ein Dutzend der stärksten Stämme sind niedergebrochen, die wilde Jagd hat wieder einmal arg gehaust in den Forsten.“

„Die Stürme der letzten Nächte, wollt ihr sagen, Wolfram.“

„Die wilde Jagd ist’s gewesen, Hochwürden! Jetzt zur Frühjahrszeit ist sie ja Nacht für Nacht los. Vorgestern, als wir im Dunkeln durch den Wald kamen, ist der Spuk dicht an uns vorübergezogen, keine hundert Schritte weit. Das tobte und heulte und stürmte, als ob die ganze Hölle los wäre, und ein Stück davon wird es wohl auch gewesen sein. Der Michel in seiner Dummheit


Elektrisationsmethode im vorigen Jahrhundert

[426] wollte grade darauf los, aber ich ergriff ihn noch rechtzeitig am Arme und hielt ihn fest.“

„Ich wollte mir den Spuk doch einmal in der Nähe anschalten,“ sagte Michael ruhig, der Förster zuckte ärgerlich die Schultern.

„Sehen Sie, Hochwürden, so ist der Bub' nun! Vor den Menschen läuft er, und solche Dinge, bei denen jedem Christenmenschen die Haut schaudert, wo Jeder sich scheu bei Seite drückt und sein Kreuz schlägt, die will er sich anschauen, da geht er mitten hinein! Ich glaube, er hätte sich in aller Ruhe mit den Gespenstern herumgeschlagen , wenn ich ihn nicht gepackt hatte. Dann läge er jetzt im Walde, denn wer in die wilde Jagd hineingerät, der ist hin.“

„Aber Wolfram, kommt ihr denn nie los von diesem sündlichen Aberglauben?“ mahnte der Priester. „ihr wollt ein Christ sein und steckt noch mit beiden Füßen im Heidenthume. Und den Michael habt ihr auch schon damit angesteckt, er hat den ganzen Kopf voll von den heidnischen Sagen.“

„Ja, eine Sünd' mag's sein, aber wahr ist's doch,“ beharrte Wolfram. „ich glaube es schon, daß sie nichts davon spüren. sie sind ein heiliger Mann, ein geweihter Priester, vor ihnen hat es Furcht, all das unheimliche Gesindels das Nachts in den Wäldern und Bergen sein Wesen treibt, aber unsereins sieht und hört oft mehr davon, als ihm lieb ist. Also der Michel bleibt hier?“

Gewiß, ich sende ihn am Nachmittage zurück."

„Nun, dann Gott befohlen,“ sagte der Förster, indem er den Riemen seiner Flinte fester zog. Er grüßte den Pfarrer und ging, ohne von seinem Pflegesohne weiter Notiz zu nehmen.

Michael, der im Pfarrhause vollständig heimisch zu sein schien, holte jetzt aus einem Wandschränkchen verschiedene Bücher und Hefte hervor, die er auf den Schreibtisch legte. Der gewohnte Unterricht sollte offenbar beginnen, aber noch ehe es dazu kam, hörte man draußen das Geläut eines Schlittens. Valentin sah befremdet auf, die wenigen und seltenen Besuche, die er erhielt, bestanden ausschließlich aus den Pfarrern der einzelnen Alpendörfer, und Wallfahrer waren um diese Zeit kaum zu erwarten. Sankt Michael gehörte nicht zu jenen großen und berühmten Gnadenorten, wohin die Gläubigen das ganze Jahr hindurch in Scharen pilgern. Zu dem kleinen, stillen Wallfahrtsorte, hoch oben im Gebirge, brachten nur die armen Aelpler ihre Gebete und Gelübde, und nur an hohen Kirchentagen sah er eine größere Zahl von Andächtigen dort versammelt.

Der Schlitten war inzwischen näher gekommen und hielt vor dem Pfarrhause. Ein Herr im Pelze stieg aus, erkundigte sich bei der alten Magd, die ihm an der Thür entgegen kam, ob der Herr Pfarrer daheim sei, und trat dann ohne Weiteres in das Studirzimmer.

„Ich wünschte seine Hochwürden zu sprechen," sagte er, noch aus der Schwelle.

Valentin zuckte zusammen bei dem Klange der Stimme, dann fuhr er mit dem Ausdrucke der freudigsten Ueberraschung empor:

„Hans! Du bist es!“

„Also erkennst Du mich doch noch! Ein Wunder wäre es freilich nicht. wenn wir das beiderseitig verlernt hätten,“ entgegnete der Fremde ihm die Hand hinstreckend, die der Pfarrer mit voller Herzlichkeit ergriff.

„Sei willkommen! Hast Du wirklich den Weg zu mir gefunden?“

„Ja, ein Freundschaftsstück war es allerdings, bis zu Dir heraufzukommen,“ meinte der Gast. Stundenlang haben wir uns durch den Schnee arbeiten müssen, bald lagen die gestürzten Tannen quer über den Weg, bald ging es mitten durch einen verschneiten Wildbach, und zur Abwechselung stäubte eine kleine Lawine von den Felsen nieder und dabei behauptet mein Kutscher hartnäckig, das sei eine Fahrstraße. Dann möchte ich Eure Fußwege sehen, die werden wohl nur für Gemsen gangbar sein.“

Valentin lächelte. „Du bist der Alte geblieben, immer spottend und kritisirend. - Laß uns allein, Michael, und sage dem Kutscher des Herrn, er möge ausspannen."

Michael gehorchte und entfernte sich, der Fremde hatte sich umgewandt und streifte ihn mit einem flüchtigen Blicke.

„Hast Du Dir einen Famulus angenommen? Wer ist denn dies Traumgesicht?"

„Mein Schüler, den ich unterrichte.“

„Nun, das mag eine Arbeit sein! In den Kopf da ist wohl nichts hineinzubringen, das ganze Talent des Burschen scheint in den Fäusten zu stecken, so steht er wenigstens aus.“

Der Gast hatte inzwischen seinen Pelz abgelegt. Er mochte fünf bis sechs Jahre jünger sein, als der Pfarrer, die Gestalt war kaum mittelgroß, aber der entschieden bedeutende Kopf mit der hohen Stirn und den geistvollen Zügen fesselte auf den ersten Blick. Die hellen, scharfen Augen schienen gewohnt zu sein, Alles und Jedes bis auf den Grund zu durchdringen, und in der Haltung wie in dem ganzen Wesen gab sich die Ueberlegenheit eines Mannes kund, der in seinem Kreise für eine Autorität gilt, Augenblicklich musterte er die Umgebung, das Wohn- und Studirzimmer des Pfarrers, das allerdings von einer wahrhaft klösterlichen Einfachheit war, seine Augen schweiften langsam um. her in dem engen Raume, dann sagte er, diesmal ohne jeden Spott, aber mit einem Anfluge von Bitterkeit:

„Also hier hast Du Anker geworfen. So öde und weltverloren habe ich mir Deine Einsamkeit denn doch nicht gedacht. Armer Valentin! Du mußt es büßen, daß ich mit meinen Forschungen so unerbittlich Euren Dogmen zu Leibe gehe, und daß meine Werke auf dem Index stehen.“

Der Pfarrer machte eine sanft abwehrende Bewegung. „Was fällt Dir ein. Es findet ja oft ein Wechsel in den Pfarrämtern statt, und ich bin nach Sankt Michael gekommen -"

„Weil Du Hans Wehlau zum Bruder hast!" ergänzte dieser.

„Wenn Du Dich öffentlich von mir losgesagt und auf der Kanzel einige Male gegen den Atheismus gedonnert hättest, wärst Du in eine behaglichere Pfarre gekommen , darauf gebe ich Dir mein Wort. Man weiß es recht gut, daß wir nicht mit einander gebrochen haben, wenn wir uns auch seit Jahren nicht mehr sahen, und das mußt Du büßen. Warum hast Du mich nicht öffentlich verdammt, ich hätte es Dir wahrhaftig nicht übelgenommen, da Du ja doch meine Lehre unbedingt verwirfst."

„Ich verdamme Niemand,“ sagte der Pfarrer leise. „Auch Dich nicht, Hans, wenn es mir auch wehe genug thut, Dich auf diesem Wege zu sehen.“

„Ja, Du hattest nie Talent zum Fanatiker, höchstens zum Märtyrer, aber daß ich auch helfen muß, Dich dazu zu machen, quält mich oft. ich habe übrigens dafür gesorgt, daß mein heutiger Besuch unbemerkt bleibt, ich bin gänzlich inkognito hier. Versagen konnte ich es mir nicht, Dich noch einmal zu sehen da ich jetzt nach Norddeutschland übersiedle "

„Wie! Du willst die Universität verlassen?“

„Schon im nächsten Monat. Ich habe einen Ruf nach der Hauptstadt selbst erhalten und habe ihn sofort angenommen denn ich fühle, daß dort erst der eigentliche Boden für mich und mein Wirken ist. Da wollte ich Dir doch vorher noch Lebewohl sagen und hätte Dich beinahe verfehlt, denn wie ich höre, warst Du gestern in Steinrück zur Bestattung des Grafen.“

„Auf ausdrücklichen Wunsch der Gräfin. Ich habe die Trauerceremonie vollzogen."

„Ich dachte es mir! ich bin gleichfalls telegraphisch nach Berkheim an das Sterbebett gerufen worden.“

„Und Du bist dem Rufe gefolgt?“

„Gewiß, wenn ich auch die ärztliche Praxis langst aufgegeben und mich dem Lehrstuhl zugewendet habe - das war ein Ausnahmefall. Ich habe es nicht vergessen, daß ich als junger, unbedeutender Arzt von den Steinrücks angenommen wurde, allerdings auf Deine Empfehlung, aber sie kamen mir doch mit vollem Vertrauen entgegen. ich konnte freilich nichts weiter thun, als dem Grafen die Todesstunde erleichtern, aber meine Anwesenheit war doch eine Beruhigung für die Familie.“

Der Wiedereintritt Michael's unterbrach das Gespräch. Er brachte die Nachricht, daß der Meßner den Herrn Pfarrer nur auf einige Minuten zu sprechen wünsche und draußen warte.

„ich komme sogleich zurück,“ sagte Valentin. „Lege Deine Schreibereien fort, Michael, der Unterricht fällt für heute aus.“

Er verließ das Zimmer, wahrend Michael sich daran machte, die Bücher und Hefte zusammenzupacken Der Professor sah ihm dabei zu und fragte flüchtig:

„Also der Herr Pfarrer unterrichtet Dich?“

Michael nickte nur und fuhr in seiner Beschäftigung fort. „Das steht ihm ähnlich!“ murmelte Wehlau. „Da quält er sich damit ab, diesem beschränkten Burschen Lesen und Schreiben [427] beizubringen, weil vermuthlich keine Schule in der Nähe ist. – Zeig’ doch einmal her!“

Damit griff er ohne Umstände nach den Heften und schlug eines derselben auf, hätte es aber vor Ueberraschung beinahe fallen lassen.

„Was? Lateinisch? Wie kommst Du denn dazu?“

Michael begriff die Verwunderung nicht, ihm kam es ganz selbstverständlich vor, daß er Latein verstand, und ruhig entgegnete er:

„Das sind meine Arbeiten.“

Der Professor sah den Jüngling, den er seiner Kleidung nach für einen Bauernburschen gehalten hatte, von oben bis unten an, dann fing er an in dem Hefte zu blättern, las einzelne Seiten und schüttelte den Kopf.

„Du scheinst ja ein vortrefflicher Lateiner zu sein, Wo bist Du denn eigentlich her?“

„Aus der Försterei, eine Stunde von hier.“

„Und wie heißest Du?“

„Michael.“

„Da führst Du ja denselben Namen wie der Wallfahrtsort. Bist wohl nach ihm genannt?“

„Ich weiß nicht – ich glaube nach dem Erzengel Michael.“

Er sprach den Namen mit einer gewissen Feierlichkeit aus, und Wehlau, der das bemerkte, fragte mit einem sarkastischen Lächeln:

„Du hast wohl großen Respekt vor den Engeln?“

Michael warf den Kopf zurück.

„Nein, die beten und lobsingen nur die ganze Ewigkeit hindurch, und das mag ich nicht, aber Sankt Michael, den mag ich. Der thut doch wenigstens etwas – er stößt den Satan nieder!“

Es mußte in den Worten oder in dem Ausdruck wohl etwas Ungewöhnliches liegen, denn der Professor stutzte und heftete seine scharfen Augen fest auf das Gesicht des Jünglings, der dicht vor ihm stand, hell überfluthet von dem Sonnenschein, der durch das niedrige Fenster hereindrang.

„Merkwürdig!“ murmelte er wieder. „Das ist ja auf einmal ein ganz anderes Gesicht! Was liegt nur in diesen Zügen?“

In diesem Augenblicke trat Valentin wieder ein, und als er das Heft in der Hand seines Bruders sah, fragte er:

„Hast Du Michael examinirt? Nicht wahr, er ist ein guter Lateiner?“

„Gewiß, aber was soll er mit seinem Latein auf einer einsamen Bergförsterei anfangen? Der Vater hat wohl nicht die Mittel, ihn auf eine Schule zu schicken?"

„Nein, aber ich hoffe, auf anderem Wege etwas für ihn zu erreichen,“ sagte der Pfarrer und fuhr dann, während Michael an den Wandschrank ging, leise fort. „Wenn der Arme nur nicht so häßlich und so unbeholfen wäre! Es hängt Alles von dem Eindrucke ab, den er an einem gewissen Orte macht, und ich fürchte, der wird sehr ungünstig sein.“

„Häßlich nun ja, das ist er allerdings, und doch, als er vorhin eine übrigens ganz gescheite Aeußerung that, brach plötzlich blitzähnlich etwas hervor, das mich unwillkürlich erinnerte an jetzt habe ich’s – an den Grafen Steinrück.“

„An den Grafen Steinrück?“ wiederholte Valentin auf das Aeußerste betroffen.

„Ich meine nicht den Verstorbenen, sondern seinen Vetter, das Haupt der älteren Linie. Er war in Berkheim anwesend, und dort lernte ich ihn kennen. Er würde eine solche Idee übrigens als Injurie betrachten, und da hätte er im Grunde Recht. Der schöne, imposante Steinrück und der Hans Träumer da! Auch nicht einen Zug haben sie mit einander gemein – ich weiß nicht, woher mir auf einmal der unsinnige Gedanke kam, als ich das Aufflammen dieser Augen sah.“

Der Pfarrer schwieg zu dieser Aeußerung, er sagte nur ablenkend:

„Ja, ein Träumer ist Michael allerdings. Er kommt mir in seiner Gleichgültigkeit und Theilnahmlosigkeit oft wie ein Nachtwandler vor.“

„Nun das wäre noch nicht das Schlimmste,“ meinte Wehlau. „Nachtwandler kann man wecken, wenn man sie bei dem rechten Namen ruft, und wenn der da einmal aufwacht, kommt vielleicht etwas ganz Erträgliches zum Vorschein. Seine Arbeiten sind gar nicht so übel.“

„Und doch ist ihm das Lernen schwer genug gemacht worden! Wie oft hat er sich durch Sturm und Unwetter kämpfen müssen, um den Unterricht nicht zu versäumen, und er hat es stets unverdrossen gethan.“

„Das wäre so etwas für meinen Hans gewesen,“ sagte Wehlau trocken. „Der zeichnet in den Schulstunden Karikaturen von seinen Lehrern, ich habe schon ein paarmal ernstlich dazwischen fahren müssen. Der Bube wird zu übermüthig, weil er so eine Art Glückspilz ist. Was er anfängt, gelingt ihm, wo er anklopft, findet er offene Thüren und Herzen, und darum bildet er sich ein, man brauche überhaupt nichts mit Ernst anzugreifen, und das Leben sei nur ein einziges Vergnügen von Anfang bis zu Ende. Nun, ich werde ihm schon eine andere Meinung beibringen, wenn es erst an das Studium der Naturwissenschaften geht.“

„Hat er denn Neigung zu diesem Studium?“

„Gott bewahre! Er hat höchstens Neigung zum Kritzeln und Pinseln, und wenn er eine bemalte Leinwand wittert, ist er nicht zu halten, aber ich werde ihm die Narrenspossen austreiben.“

„Wenn er aber Talent hat –“ warf der Pfarrer ein, doch der Bruder unterbrach ihn heftig.

„Das ist ja eben das Unglück, daß er Talent hat! Da setzen ihm seine Zeichenlehrer allerhand Dummheiten in den Kopf, und neulich rückt mir ein Freund unseres Hauses, ein Maler, in förmlich tragischer Weise auf den Leib. Ob ich es denn verantworten könnte, der Welt ein solches Talent zu entziehen? Ich konnte mir nicht helfen, ich bin grob geworden.“

Valentin schüttelte halb mißbilligend den Kopf.

„Aber weßhalb läßt Du Deinen Sohn nicht seiner Neigung folgen?“

„Das fragst Du noch? Weil ich meine geistige Erbschaft keinem Anderen gönne, als ihm. Mein Name hat einen Klang in der Wissenschaft, und der soll dem Hans Thür und Thor öffnen im Leben. Tritt er in meine Fußtapfen, so ist ihm der Erfolg gesichert, er ist eben der Sohn seines Vaters. Aber Gnade ihm Gott, wenn er sich einfallen läßt, ein sogenanntes Genie zu werden!“

Michael hatte inzwischen seine Bücher fortgepackt und kam jetzt herbei, um sich zu verabschieden; da der Unterricht heute ausfiel, hatte er keine Veranlassung, länger im Pfarrhause zu verweilen. Sein Gesicht zeigte wieder ganz den leeren, träumenden Ausdruck, der ihm sonst eigen war, und als er ging, sagte Wehlau halblaut zu seinem Bruder:

„Du hast Recht, er ist gar zu häßlich – der arme Teufel!“




Die Grafen von Steinrück waren ein altes, einst sehr mächtiges Adelsgeschlecht, das seinen Stammbaum weit in die Jahrhunderte zurückführte. Die beiden Zweige des Hauses rühmten sich allerdings einer gemeinsamen Abstammung, waren aber jetzt nur weitläufig verwandt, und es hatte Zeiten gegeben, wo sie gar nicht mit einander verkehrten, stand doch schon die Verschiedenheit der Konfession trennend zwischen ihnen.

Die ältere, protestantische Linie, die in Norddeutschland heimisch war, besaß nur ein Majorat, das ein ziemlich mäßiges Einkommen gewährte, die süddeutschen Vettern dagegen waren Herren eines sehr bedeutenden Grundbesitzes, ausschließlich Allodialgüter, und gehörten zu den Reichsten des Landes. Dieser Reichthum lag gegenwärtig in der Hand eines achtjährigen Kindes, das Töchterchen des eben verstorbenen Grafen war die einzige Erbin desselben. Der schon hoffnungslos Erkrankte hatte seinen Vetter zu sich rufen lassen und ihn zum Testamentsvollstrecker und Vormund seines Kindes ernannt. Damit wurde zugleich eine Entfremdung abgeglichen, die seit Jahren zwischen den beiden Familien bestand und ihren Grund in einem erst geknüpften und dann jäh zerrissenen Bande hatte.

Graf Steinrück hatte außer seinem Sohne noch eine Tochter besessen, ein schönes, reichbegabtes Mädchen, den Liebling des Vaters, dem sie an Charakter sehr ähnlich war. Sie sollte sich dereinst mit ihrem Verwandten, dem jetzt Dahingeschiedenen vermählen, das war längst in der Familie beschlossen, und die junge Gräfin war in Folge dessen oft wochenlang im Hause ihrer künftigen Schwiegereltern.

[428] Da trat, noch ehe die förmliche Verlobung stattgefunden hatte, in das Leben des achtzehnjährigen Mädchens eine jener Leidenschaften, die zum Unglücke führen, führen müssen, nicht wegen des Standesunterschiedes, auch nicht, weil sie den Familienzwist heraufbeschworen, sondern weil ihnen das Einzige fehlt, was einem solchen Bunde Segen und Dauer geben kann, die wahre, echte Liebe. Es war ein Rausch, dem Reue und Ernüchterung folgten, aber sie kamen erst, als es zu spät war.

Louise lernte einen Mann kennen, der, obgleich bürgerlicher Herkunft, sich doch den aristokratischen Kreisen vielfach zu nähern wußte. Eine blendende Erscheinung, voll glänzender Eigenschaften und von bestechender Liebenswürdigkeit, gelang es ihm, sich überall Eingang zu verschaffen, aber er war einer jener unstäten, abenteuerlichen Menschen, die in keinem Verhältnisse und an keinem Orte aushalten. Voll leidenschaftlicher Begier nach dem Glanze und Genusse des Lebens besaß er dennoch nicht die Fähigkeit, sich aus eigener Kraft emporzuarbeiten, und war ein Glücksritter im vollsten Sinne des Wortes. Vielleicht liebte er die junge Gräfin wirklich, vielleicht wollte er durch sie nur eine Lebensstellung und einen Platz in der Gesellschaft erobern, genug, er wußte sie so vollständig an sich zu ketten, daß sie entschlossen war, trotz des voraussichtlichen Widerstandes des Vaters und der ganzen Familie sein Weib zu werden.

Es konnte nicht ausbleiben, daß Graf Steinrück von der Sache erfuhr, und er griff sofort mit einer Energie ein, die in diesem Falle verhängnißvoll wurde. Er glaubte mit einem Machtworte, mit Befehlen und Drohungen der Sache ein Ende zu machen, und rief damit nur jenen Trotz wach, den die Tochter von ihm geerbt hatte. Sie weigerte sich entschieden, zu gehorchen, widerstrebte energisch allen Versuchen, sie zur sofortigen Verlobung mit ihrem Vetter zu zwingen, und wußte trotz der strengsten Bewachung in Verbindung mit dem Geliebten zu bleiben. Plötzlich war sie verschwunden, und schon nach wenigen Tagen traf die Nachricht ein, daß die Trauung vollzogen und sie die Gattin Rodenberg’s sei.

Die Ehe war unanfechtbar, trotz der Eile und Heimlichkeit, mit der sie geschlossen wurde, Rodenberg hatte dafür gesorgt und Alles längst vorbereitet. Er rechnete darauf, daß Graf Steinrück den Gemahl seiner Tochter schließlich nicht verleugnen und fallen lassen könne, rechnete auf die Neigung des Vaters zu seinem Lieblingskinde, aber er kannte jene eiserne Natur nicht. Steinrück antwortete auf die Vermählungsanzeige mit der vollständigen Lossagung von seiner Tochter und verbot ihr, ihm je wieder zu nahen – sie existire hinfort nicht mehr für ihn.

Er hielt das mit unerbittlicher Konsequenz aufrecht bis zu ihrem Tode und noch darüber hinaus. Rodenberg machte anfangs noch Versuche, eine Annäherung an den Vater seiner Frau zu erreichen oder zu ertrotzen, er mußte aber endlich einsehen, daß sich von dem Grafen nichts erreichen und erzwingen ließ, und da ihm alle Hilfsquellen abgeschnitten waren, so warf er sich mit Weib und Kind wieder in das Abenteuerleben, das die Zügellosigkeit seiner Natur vollends entfesselte.

Was nun folgte, war ein unlösliches Gewebe von Schuld und Elend, ein stufenweises Sinken zum Abgrunde, und das Los der jungen Frau an der Seite dieses Gatten, dem sie Glanz und Reichthum, Heimath und Familie geopfert hatte, ließ sich nur zu leicht errathen, waren doch all die Hoffnungen gescheitert, die er an sie und ihren Besitz knüpfte. Sie verleugnete auch jetzt ihren Charakter nicht und hielt aus an der Seite des Mannes, dessen Weib sie einmal geworden war, ohne je einen Versuch zu machen, bei ihrem Vater Hilfe und Rettung zu suchen, sie wußte freilich, daß es vergebens gewesen wäre, vermochte doch nicht einmal ihr Tod ihn zu versöhnen. Jetzt deckte sie und ihren Gatten schon seit Jahren das Grab, und damit war auch jenes unselige Familiendrama begraben. –

Eine volle Woche war seit der Bestattung auf Steinrück vergangen. Graf Michael, der die ehemaligen Zimmer seines Vetters bewohnte, befand sich in dem Erkergemach und hatte soeben die Meldung empfangen, daß der Förster Wolfram, den er zu dieser Stunde befohlen hatte, angelangt sei. Er war heute in voller Uniform, denn es galt eine Fahrt nach dem benachbarten Städtchen, wo der Bruder des Souveräns eingetroffen war, um einer Gedenkfeier beizuwohnen. Selbstverständlich hatte man auch die vornehmsten Persönlichkeiten der Umgegend dazu eingeladen, und der nunmehrige Herr von Steinrück konnte sich dieser ersten officiellen Veranlassung nicht entziehen, wenn er auch mit Rücksicht auf die Familientrauer nur der Feier selbst, nicht den späteren Festlichkeiten beizuwohnen beabsichtigte. Die Stunde der Abfahrt war bereits bestimmt, indessen blieb immer noch Zeit zur Audienz für den Förster.

(Fortsetzung folgt.)




Sommerferien in Berlin.

Von Oskar Justinus.


Dabei bleibt es also, mein Schatz!“ rief der Herr Regierungsassessor lustig und drückte seiner jungen Frau wie zur Besiegelung eines soeben gemeinsam gefaßten Entschlusses einen herzhaften Kuß auf die Lippen: „wir verleben unsere Ferien in Berlin.“

Der Entschluß war ihnen aber auch nicht ganz leicht geworden: auf dem Tische lagen verschiedene, vom Buchhändler zur Ansicht erbetene Bädeker und Grieben. – Die Pläne waren ausgezogen, und neben dem gelben aufgeschlagenen Reichskursbuche erblickte man ein Blatt Papier, über und über mit Bleistiftziffern bedeckt, schier, als gälte es, eine neue Kometenbahn zu berechnen. Gegen jedes der Reiseprojekte hatten sich gewichtige Bedenken erhoben: jene Tour hatte eines der beiden Eheleute schon einmal vor ihrer Verheirathung kennen gelernt; hier war es zu geräuschvoll und dort zu öde; hier die fremde Sprache, dort die Hôtelpreise zu ungemüthlich; von überall kamen jämmerliche Regenberichte und überall war es voll von Bekannten, denen zu entgehen ja mit zu den hygienischen Forderungen an den Sommeraufenthalt gehörte. Kurz, man einigte sich, den flüssig gestellten Betrag für das nächste Jahr zu der lange geplanten italienischen Reise zurückzulegen und den Urlaub für eine vierwöchentliche Erforschung Berlins ebenso genußreich, als zweckmäßig zu verwenden, des Berlins, das man sich noch niemals, wenigstens nicht in der Weise eines Durchreisenden angesehen, des Berlins, das man vom sicheren Port der Wohnung aus genießen konnte, und zwar nicht nur zur Sommerszeit, nein, auch im Winter, wenn es schneit, des Berlins schließlich, in dem sie sicherer, als in irgend welchem Sommeraufenthalte des Erdrunds, Fidschi-Inseln und Madagaskar nicht ausgeschlossen, waren, in der Zeit der Ferien keine Bekannten zu finden.

Schnell waren Bädeker und Grieben bei Seite geschoben und Aloys Henne's „Hundert Nachmittagsausflüge“ nebst dem Fahrtableau der Stadt- und Verbindungsbahn an ihre Stelle gelegt. Bald war ein vollkommener Schlacht-Ferienreiseplan entworfen: auf eine Meerfahrt – etwa auf dem Lietzensee – sollte immer eine Alpentour folgen, etwa die Besteigung des Kreuzberges, und dazwischen eine Besichtigung des zoologischen Gartens am Tage vorgenommen werden – wie neun Zehntel aller Besucher hatte man diesen nämlich immer nur des Abends gesehen, wo die Thiere schliefen etc. Die Phantasie unserer Berlin-Reisenden erfüllte sich mit den wonnigsten Bildern, die Aussicht, nach fünfjähriger Ehe wie ein verliebtes Flitterwochenpaar im fremden Menschengewühl sich umherzutreiben, entfesselte alle Fröhlichkeit in ihren Herzen.

Aus diesen behaglichen Träumen riß sie ein ziemlich unvermitteltes Reißen an der seit langer Zeit wenig in Anspruch genommenen Klingelschnur. Beide sprangen erschrocken auf: Alles, was Interesse oder Beziehung zu ihnen hat, ist ja doch verreist; wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, um neun Uhr Abends ihre Ruhe zu stören? Es war der Depeschenbote, der mit einer diesen Leuten eigenen Unschuldsmiene das verhängnißvolle Telegramm überbrachte:

„Komme 10.26. Schlesischen Bahnhof.  Eugen.“

Eine Zeit lang glaubten Beide, daß dieses Telegramm nur durch einen Irrthum an ihre Adresse gelangt sei, und man war

[429]

Der Sieger im Schweinauskegeln.0 Nach dem Oelgemälde von W. Zimmer.

[430] eben im Begriff, das Dokument, lachend über den glücklich überstandenen Schreck, dem Amte zurückzusenden, als plötzlich Herr Assessor kleinlaut und verlegen wurde und zugab, es könnte doch am Ende seine Richtigkeit damit haben. Der Unselige hatte nämlich, wie er sich jetzt dunkel zu erinnern glaubte, seinem Schulfreunde Eugen Waldmann, der eine kleine Beamtenstelle in der Nähe von Tarnowitz bekleidet, auf einen sehnsüchtigen und etwas Neid verrathenden Brief vor einigen Monaten gutmüthig zugeredet, sich doch einmal auf ein paar Tage herauszureißen, und ihm, der jeden Pfennig zu Rathe ziehen mußte, für diesen Fall angeboten, bei ihm zu wohnen. Nun hatte der Schulfreund diesen leichtfertigen Vorschlag für schweren Ernst genommen und kam – kam am ersten Abend des Urlaubs und kam so, daß der Assessor noch gerade Zeit fand, sich eilig anzukleiden und die weite Tour zum Schlesischen Bahnhof ihm zur Begrüßung entgegenzufahren.

Frau Assessor eilt in die Küche, das Dienstmädchen kommt und geht, und in aller Eile wird für den Gast ein warmes Abendbrot präparirt, was recht zeitgemäß war: denn der gute Schulfreund brachte einen Hunger mit, als hätte er in demselben direkt bei den Wölfen des angrenzenden Rußlands Unterricht genommen. Er brachte außerdem noch Etwas mit, dessen man sich längst in dem kinderlosen Hause unseres Paares entwöhnt hatte: Lärm und Unordnung. Er war ja natürlich hauptsächlich bei seinem Freunde eingekehrt, um alte Schulbankreminiscenzen auszutauschen, freilich meistens solche, an deren Exhumirung dem Herrn Assessor recht wenig gelegen war und für deren Humor er längst das Verständniß verloren hatte. Die Wände hallten wider von dem Gewieher des Gastes, der sich da hinten an der Grenze seine Burschikosität wie in Wickersheimer Flüssigkeit unverändert frisch erhalten hatte; alle Stuben bedeckten sich mit Cigarrenstummeln, Stöcken und Hemdkragen; Sofas und Teppiche wurden zum Ruheplatz seiner nägelbeschlagenen Stiefel oder trugen deren Spuren. Frau Assessor leistete Bewunderungswürdiges, um dem Gaste das Leben in Berlin recht behaglich zu machen, und schloß sich nicht einmal aus, als unter Leitung eines gleich am zweiten Tage ausfindig gemachten in Berlin angesessenen weiteren Schulfreundes, der nun auch immer mit eingeladen und freigehalten werden mußte, die ausgedehntesten Bierreisen unternommen wurden, deren Resultate dem Gastfreunde mehr am Herzen zu liegen schienen, als der Besuch von Museen und Sammlungen. Dieser stürzte in der That von Begierde zu Genuß, fand es überall wonnig, beglückwünschte ein über das andere Mal den Assessor um seines lieben „gemütlichen" Weibchens willen und wurde schließlich, als der Präklusivtermin des Retourbillets heranrückte, wenn er auf die Trennung zu sprechen kam, derart sentimental, daß unseren Freunden nichts Anderes übrig blieb, als ihm zuzureden, dieses verfallen zu lassen und den Aufenthalt noch um einige Tage zu verlängern. Das geschah denn auch, und als der Schulfreund aus Tarnowitz auf das vom Assessor gekaufte neue Billet, unter dem Komitat einer ganzen Reihe neu gewonnener Freunde, überfließend vor Dankbarkeit, die Augen vom Weinen und vom Weine glänzend, ins Koupé stieg und das karrirte Taschentuch zum Abschiede flattern ließ, da wollten sie schier auch vor Dankbarkeit überfließen, daß sie nun endlich frei und ledig heimkehren konnten – obwohl der dritte Theil des Urlaubs glücklich oder vielmehr unglücklich verflossen war.

„Doch mit des Geschickes Mächten
Ist kein ew’ger Bund zu flechten,
Und das Unglück schreitet schnell.“

Als sie in ihre Wohuung eintraten, bedeutete sie das Dienstmädchen, daß eine Dame auf Frau Assessor schon nahe an ein Stündchen wartete; nichts Gutes ahnend öffnet diese die Thür und fliegt direkt in die Arme der Pensionsfreundin. Trudchen, glücklich in der Provinz verheirathet, hatte eine Reise zur Konsultation eines Frauenarztes in Berlin unternommen, hier aber erst erfahren, daß dieser verreist und nicht vor nächster Woche zurückzuerwarten war. Fremd und unbekannt in der ungeheuren Stadt, von Niemand verstanden und gepflegt, nervös von dem Geräusch in den Straßen und eine Feindin des Hôtellebens, wo der Mensch zur Nummer herabsinkt, habe sie sich der Adresse ihrer geliebten Freundin erinnert, und sie sei glücklich, daß diese nicht auch, wie die anderen, verreist sei. Sie täuschte sich in dieser nicht, Frau Assessor glaubt den Wink verstehen zu müssen, und nach kurzer Konsultation mit dem Gemahl wird das Gepäck vom Bahnhof geholt und das Zimmer des Schulfreundes für den neuen Besuch hergerichtet. Die Nervosität des Gastes ist übrigens nicht danach angethan, ihre Genußfähigkeit im geringsten herabzusetzen: sie läßt sich freilich immer sehr bitten und bringt ein Opfer nach dem andern, aber wer kann so liebenswürdiger Gastfreundschaft widerstehen, und diese Fahrten im offenen Wagen durch Thiergarten und Grunewald sind an und für sich so erquickend wie eine Kur; die Abende an der Oberspree, im Ausstellungspark sind nicht zu theuer erkauft, wenn man auch den folgenden Tag immer bis zur Mittagszeit Ruhe hält, zumal ja die gute Freundin neben dem Bett sitzend ihr plaudernd Gesellschaft leistet. Der nervöse Ton, das Opfern, die verlorenen Vormittage würden den armen Assessor, der zu Gunsten des Besuches längst sein Privatzimmerchen geopfert, nicht nur aus dem Kabinett, sondern auch aus dem Häuschen gebracht haben, hätte er nicht seine Separatbeschäftigung gefunden. Auf der Bildfläche war nämlich eines Tages der alte Sanitätsrath Wassermann, aus dem Kreisstädtchen, wo man früher amtirt hatte, erschienen. Derselbe hatte seine Gemahlin, zu seiner Erholung, ins Bad geschickt, wollte sich hier einmal für die langjährige Theaterkarenzzeit schadlos halten, in den Tragödien sich gruseln, in den Possen herzlich auslachen: vor allem aber unter der Fuhrung eines jüngeren, Eingeborenen all die Stätten aufsuchen, an welche ihn Jugenderinnerungen banden, und überhaupt – das erste Mal seit zwanzig Jahren, daß er ohne Gattin reist – ein wenig „durchgehen“. Der Herr hinkt zwar und hat keinen Zahn mehr im Munde, ist aber dennoch ein recht unternehmender Vokativus, und das Erste, um was er seinen Führer, nachdem er ihn von seiner Frau ausgebeten hat, inquirirt, ist Kroll und Orpheum: er zeigt für die ganzen Gestalten lebender Otympierinnen ein unzweifelhaft höheres Interesse, als für die Bruchstücke der pergamenischen Götterjungfrauen. Alle Morgen muß der Herr Assessor – der Respekt verlangt das schon so – bei dem alten Herrn im Hôtel antreten, und nachdem er hier Zeuge gewesen, wie alle Toilettenkünste der Neuzeit aus ihm eine halbwegs promenadenfähige Erscheinung zuwege gebracht, wird die Rundreise angetreten durch das Reich der Langeweile.

Fast weinend vor Wuth und Aerger über das verlorene zweite Drittel der Ferien setzt sich unser abgehetztes Ehepaar zum ersten Mal nach drei Wochen wieder allein zum Mittagessen nieder, als eine wohlbekannte kreischende Stimme und ein Gewirr von Tönen ihnen das Blut in den Adern erstarren macht. „Gott sei Dank, daß sie da sind; hier herein, Gepäckträger stellen Sie nur Alles über einander; vorwärts, Kinder!“ und im nächsten Augenblick steht Tante Amélie aus Belzig, um sie herum im Thürrahmen einige Neffen und Nichten, im Reisekostüm, lustig vor ihnen da. Die gute Allerweltstante hatte den lange gehegten Herzenswunsch einiger ihrer Lieblinge durch diese Reise nach Berlin zu der Jubiläumsausstellung erfüllt. Das Unterbringen, hatte sie gleich erklärt, würde bei den vielen lieben Verwandten keine Schwierigkeiten bieten, und es bot auch in der That keine – wenigstens nicht für sie, obwohl alle Verwandten ansnahmslos, als ob sie eine Ahnung des zugedachten Ueberfalls gehabt, das Feld geräumt hatten. Aber Tante Amélie ist ja so gemüthlich und die Kinder so gar nicht verwöhnt oder anspruchsvoll, und Alles ist so sehr zufriedengestellt mit den Zimmern und Betten, welche ihnen die bedrängten Gastgeber zur Verfügung stellen, während diese selbst irgendwo – im Waschkorb kampiren. Das Lager und die Verpflegung ist ja auch Nebensache; die Hauptsache ist „das gemüthliche Zusammensein“ mit den lieben Menschen, von Tagesanbruch bis zur Nacht und die Kenntnißnahme von Allem, was in Berlin zu sehen und zu hören ist, unter ihrer sachverständigen Leitung. So geht der Zug, selbst einer Hagenbeckschen Karavane vergleichbar, von Lokal zu Lokal, durch Menschengewühl und idyllische Einsamkeiten, Alles sehend, Alles zur Kenntniß nehmend: der gute liebe Neffe, wie ein Kornak voran, an seinem Arm die kolossale Tante – die treue Nichte „wehrend den Knaben, lehrend die Mädchen“ im Nachtrab.

Am vorletzten Tage des Urlaubs verläßt auch diese Heuschreckenwolke das Weichbild Berlins. Mit dem nächsten Zuge dampft unser schwergeprüftes Paar nach – Wildpark, um wenigstens Einen Tag nach seiner Neigung, allein mit der Natur zu verleben: denn Beide sind in einer so hochgradigen Nervosität, daß [431] sie, wenn der Wind an die Fenster weht, zusammenschrecken, in der Meinung: es könnte ein Ferienbesuch sein. Der eine Tag genügt, sie wieder zu erfrischen, und mit wehmüthigem Humor blicken sie noch einmal zurück nach dem Casamicciola ihrer Ferienträume. Der Aufenthalt in Berlin hat ihnen mehr gekostet, als eine Reise nach dem Pyramidenlande.

Künftighin aber, das erheben sie zum festen Entschluß, wollen sie mit dem Glockenschlage des Urlaubsbeginnes das Weichbild hinter sich lassen – namentlich in solchen Jahren, wo in Berlin etwas Besonderes zu sehen – und das Jahr soll noch geboren werden im Schoße der Zeiten, in welchem dies nicht der Fall ist.




Der kleine Schuh.
Skizze aus dem italienischen Badeleben von Isolde Kurz.
(Schluß.)


[„]Der Kommandant des vermißten Küstenfahrers ist aus dieser Gegend gebürtig,“ fuhr Giacomino fort. „Er hat seine Frau drüben in Lerici. Sie war das schönste Mädchen im Ort, mit schwarzen Haaren, die ihr bis zu den Knöcheln reichten, und Augen wie eine Sultansgeliebte. Aber das Allerschönste waren ihre Füße – weiß und zierlich wie aus Elfenbein geschnitzt und mit Zehen so wohlgebildet wie Finger. Ein Bildhauer aus Florenz ruhte nicht eher, als bis sie ihm erlaubte, ihre Füße in Gyps zu gießen – ‚er brauche sie für die Statue einer Madonna,‘ sagte er, ‚daher sei es ein frommes Werk‘ – der Schelm! Wenn sie Abends mit den andern Weibern zum Waschen an den Kanal kam, so standen die jungen Leute oft die halbe Nacht oben auf der Brücke, spielten die Guitarre, daß kein Mensch im ganzen Ort schlafen konnte, und sangen die Stornelli, die Einer an sie gedichtet hatte. Sie aber wollte Keinen als ihren Pietro, der hält sie jetzt als Signora und bringt ihr immer die schönsten Kleider und Putzsachen von seinen Reisen mit. Vor ein paar Wochen kam ihr erstes Kind zur Welt, und nun soll die arme Frau in großer Sorge um ihren Mann sein, weil das Schiff so lange ausbleibt.“

Mich überkam es wie eine plötzliche Erleuchtung.

„O, jetzt ist Alles klar,“ sagte ich. „Am Ersten sollte er hier sein, das war gerade der Tag, an dem der Sturm begann. Diese Holzsplitter, das viele Geräthe, die Strohmatten und der kleine Schuh – ja, es ist kein Zweifel, diese Schuhe hat der Kapitän aus Spanien mitgebracht, um die schönen Fuße seiner Frau zu schmücken – da ereilte ihn das Verhängniß.“

Diesmal erhob Giacomino keine Einwendung mehr, sondern machte ein nachdenkliches Gesicht.

„O, ich kann mir Alles vorstellen, als sei ich dabei gewesen,“ fuhr ich fort. „In Barcelona hat wohl der zärtliche Gatte die Nachricht von der Geburt seines Kindes erhalten. In der Freude seines Herzens geht er, nachdem die Waaren geladen sind, noch bis zur Stunde der Abfahrt in den Straßen an den Schauläden herum, um seiner Frau das Schönste zu suchen, was nur für Geld zu haben ist. An einem Schaufenster stechen ihm diese Schuhe in die Augen, die soll sie tragen, wenn sie zum ersten Mal zur Kirche geht, um den Segen zu empfangen. Das sind zwar Schuhe wie für eine Furstin, aber dem glücklichen Kapitän ist kein Preis zu hoch, um die schönen Füße würdig zu kleiden. Zufrieden kehrt er mit seinen Schuhen an Bord zurück, der Anker wird gelichtet und bald ist bei gutem Fahrwind die französische Küste erreicht. Aber der Kapitän muß zu seiner Qual an allen Häfen anlanden, um Waareu aus- und einzuladen. Acht Tage ist er schon unterwegs, und auf dem ganzen Schiff ist Niemand so ungeduldig wie er selbst. Endlich – am neunten Morgen – kommt er nach Genua, seiner letzten Station. Jetzt nur noch nach Spezia und von da im Nachen heim zu seinem Glück. Da ändert sich auf einmal das Wetter, es ziehen drohende Wolken auf, aber der ungeduldige Kapitän sticht trotz ungünstiger Zeichen in See. In der Nähe von Portovenere muß das Schiff vom Sturm ereilt worden sein –“

Giacomino, der während meines hastigen Sprechens schon mehrmals zustimmend mit dem Kopf genickt hatte, fiel jetzt ein:

„In der Enge zwischen der Palmaria und Portovenere muß das Unglück geschehen sein.“

„Ja,“ rief ich „ich weiß Alles. Mit zerschmettertem Mast wurden sie an die gefährlichen Riffe der Palmaria getrieben und stark beschädigt; die Kisten, Tonnen und Geräthschaften, deren Trümmer am Strande liegen, sind in dieser letzten Noth über Bord geworfen worden. Aber es ist zu spät – das Schiff sinkt. Die Bemannung flüchtet sich in die Boote, der Kapitän, der wie immer den Kopf oben behält, will als Letzter folgen –“

„Ja, kennen Sie ihn denn?“ unterbrach mich Giacomino ganz erstaunt.

„Ich kann ihn vor mir sehen, er ist ein schlanker, brauner Matros – im Arm hält er sein Kästchen mit den Schuhen, das Einzige, was er von seiner ganzen Ladung gerettet hat. Aber im Augenblick, wo er über Bord springt, wirft eine Welle das Boot weit hinaus und der aufgerissene Schlund reißt den Unglücklichen hinunter. Beim Wiederauftauchen sieht er vielleicht den Leuchtthurm seiner Heimath, und wäre nicht der Sturm, so könnte er vielleicht die Glocken von Lerici das Ave läuten hören.

Aber neue Wellen schmettern über ihn herein, bewußtlos versinkt er in dem Strudel – und aus dem Kästchen, das die Wellen zermalmt haben, treibt ein kleiner Frauenschuh an unsere Bucht.“

Giacomino schwieg ernsthaft, ich hatte schließlich mit meiner Einbildungskraft auch ihn angesteckt.

„Ja, es ist ein böses Handwerk,“ sagte er schließlich nach einer langen Pause seufzend. „Gute Nacht!“

Die ganze Nacht dachte ich an den Unglücksschuh, und so oft ich aus einem kurzen unruhigen Schlaf auffuhr, stellte ich mir die unglückliche Wittwe vor, die jetzt wohl schlaflos auf ihrem Lager stöhnte, während das Meer die Leiche ihres Geliebten nach fernen Küsten wälzt. Das war für mich nunmehr eine ausgemachte Thatsache.

Als ich am nächsten Morgen aus meinem hohen Thurmzimmer auf die Plattform stieg, wo man zugleich das Meer und die Landschaft überblickt, da sah ich unten an den Stufen des Kastells ein weißes Kleid und bunte Bänder durch das Grün des Gartens schimmern und ich erkannte meine treffliche Freundin Signora Clelia, die sich mühsam die steilen Stufen heraufarbeitete, um mir einen Morgenbesuch zu machen. Man muß die Signora kennen, um die ganze Größe dieses Opfers zu würdigen.

Signora Clelia ist unbestritten die eleganteste und vielleicht auch die hübscheste Frau im Ort, und sie läßt sich diesen Ruhm wahrlich sauer werden. ich glaube sogar, ihr nicht ganz unrecht zu thun, wenn ich vermuthe, daß dies der Grund ist, warum sie alljährlich unser stilles San Terenzo zum Badeaufenthalt wählt, denn sie ist darin dem großen Cäsar ähnlich, daß sie lieber in einem Fischerdorf die Erste, als in Rom die Zweite sein mag. Sie allein hält hier die Sitte der großen Welt aufrecht, sich viermal des Tages umzukleiden, gleichviel wie der Stand des Barometers sei. Und doch kann auf der abgelegenen Villa, die sie bewohnt, Niemand ihre Standhaftigkeit würdigen, als ihr Gatte, der sich darüber ärgert.

Aber daraus macht sie sich nichts, ihr ist es nicht um den Beifall zu thun, sie leidet für die gute Sache selbst, sie ist eine Märtyrerin ihres Princips. Dabei ist sie aber stets guter Laune und zwitschert den ganzen Tag wie ein kleiner Vogel. Dieses liebenswürdige, aber etwas anspruchsvolle Geschöpf ist die Frau eines deutschen Professors.

Ich sah, daß sie große Mühe hatte, mit ihrem enggebundenen Kleide und den hohen Stöckelschuhen durch das Geröll heraufzuklettern, und daß sie nach jedem Schritte schwer athmend stehen blieb. Ich eilte ihr entgegen und brachte sie nicht ohne einige Anstrengung vollends herauf.

Auf meinem Zimmer angekommen, ließ sie sich erschöpft in einen Lehnstuhl fallen und fing eifrig mit einem riesigen japanischen Fächer zu wedeln an.

„Ein herrlicher Morgen,“ sagte sie, „heute sind wieder einmal alle Farben durch einander geschüttet in dem großen mittelländischen Farbentopfe.“

Plötzlich sprang sie auf.

[432] „Ja, um aller Heiligen willen, wie kommen Sie denn zu meinem Schuh?“ rief sie und nahm das kleine Pantöffelchen vom Gesimse.

Ich stand wie versteinert.

„Gehört dieser Schuh Ihnen?“ fragte ich endlich kleinlaut.

„Jawohl,“ antwortete sie heiter, „und wenn Sie etwa daran zweifeln, so will ich Ihnen gleich beweisen, daß ich die rechte Braut bin, der der kleine Schuh paßt.“

Dabei streckte sie ihren niedlichen Fuß vor, nachdem sie das etwas gröbere Schuhwerk abgestreift hatte, und hielt das feine, von der Nässe eingeschrumpfte Pantöffelchen daneben.

Ich sah wohl, daß es ihr Maß hatte.

„Aber wie kommt es denn ins Meer?“ fragte ich noch immer in der äußersten Verwunderung.

„Damit hat es seine eigene Bewandtniß,“ antwortete sie lachend. „Sie kennen ja meinen Mann und seine geologischen Grillen. Nun sehen Sie, seit einiger Zeit hat ihn das wissenschaftliche Fieber wieder erfaßt, da klettert er den ganzen Tag in Geklüft und Dickicht herum, und mich schleppt er immer mit sich. Kommen wir dann an eine Pfütze oder einen Graben, so darf ich nicht etwa ausweichen, nein, ich muß mitten hindurch. So auch im Walde bricht er mit mir durch das dichteste Gesträuch, und wenn die schönste Fahrstraße nebenher läuft. Daß ich dabei alle Kleider zerreiße und hundertmal stolpere, ist ihm einerlei. Höchstens legt er los und schilt über wahnsinnige Moden. Weil ich nun diese Tyrannei nicht länger dulden wollte, lud er vor einigen Tagen ein paar befreundete Familien zu einem Ausfluge nach Portovenere ein. Ich glaubte wirklich, diesmal handle es sich um ein geselliges Vergnügen, und legte zum ersten Male diese zierlichen Schuhe an. Er selbst hatte sie mir von seiner letzten botanischen Reise in Spanien mitgebracht nebst einem andalusischen Schleier; das sei doch das einzige exotische Gewächs, wofür ich Sinn habe, sagte er. Zuweilen hat er doch auch menschliche Anwandlungen. Diese Schuhe also zog ich an, denn ich dachte, wir machen die Partie ja im Nachen, diesmal giebt es also nichts zu klettern. Aber ich hatte meine Rechnung ohne den Wirth gemacht. Gleich bei der Landung in Portovenere begann meine Noth. Da mußte der sogenannte Venustempel erstiegen werden, und von dort aus ging es trotz meiner Vorstellungen über Felsblöcke und Marmorquadern hinaus in das alte Festungsgemäuer. Wenn mein Mann dabei ist, so kann man sicher sein, alle Gemsenwege zu finden. Die ganze Gesellschaft schien von demselben Dämon besessen zu sein. Für mich war diese Anhöhe ein Leidensweg, ein Kalvarienberg. Sie wissen, ich bin nun einmal mit meinem ganzen Wesen nicht auf so schwindelhafte Unternehmungen eingerichtet. Kaum hatten mich die Herren mit vereinten Kräften auf irgend einen Felsblock hinaufgezogen, so blieb ich mit dem Absatze hängen und lief Gefahr, die ganze Höhe wieder hinunter zu stürzen.“

Während sie so sprach, zog sie an dem kleinen Schuh den lose gewordenen Absatz herunter und ließ ihn klappernd zurückschnellen.

„Sehen Sie, da sind noch die Risse im Leder von all den Felsenzacken, an denen ich hängen blieb. Ich könnte kein Ende finden, wenn ich Ihnen alle meine Drangsale schildern wollte.

Mein Mann, der anfangs sehr ungeduldig war und zornige Blicke auf mein Schuhwerk warf, sagte schließlich gar nichts mehr, aber er brütete über einem finstern Entschluß.

Endlich waren wir Alle lebendig wieder unten am Strand und ließen uns in der Venusgrotte nieder, um zu frühstücken.

Die Diener hatten unterdeß auf den Steinen Feuer angezündet und das Fleisch gebraten. Die übrigen Eßwaaren hatten wir in den Booten mitgebracht, der Wein war aus dem Ort beschafft worden, aber jetzt stellte es sich heraus, daß die Gläser fehlten.

‚Was Gläser,‘ rief mein Mann voll arger List. ‚Jeder galante Kavalier trinke aus dem Schuh seiner Dame!‘

Die andern Damen, die sich vorsichtiger als ich mit grobem Schuhwerk versehen hatten, machten jetzt verlegene Gesichter, und eilig wurde ein Fischerjunge beauftragt, Gläser aus dem Dorf zu holen.

Ich aber ließ mir arglos den Schuh vom Fuß streifen. Mein Mann goß ihn voll mit goldenem Cinque-Terre-Wein und leerte ihn auf einen Zug.

Dann schwenkte er ihn hoch wie einen Pokal und sagte feierlich. ‚Das war dein Letztes.‘

Ich ahnte jetzt, was folgen würde, und wollte ihm in den Arm fallen, aber er flüchtete sich mit seinem Raube blitzschnell auf die höchste Klippe.

‚Marterwerkzeug einer verirrten Kultur.‘ rief er, ‚Ausgeburt eines wahnwitzigen Schustergehirns! Jetzt ist deine Rolle aus, liege du bei den Ungeheuern der Salzfluth.‘

Damit schleuderte er den Schuh weit ins Meer hinaus. Ich sah ihn noch lange als schwarzen Punkt auf der Oberfläche treiben, die silberne Agraffe blitzte zuweilen auf wie ein Stern. Endlich schwand er mir aus den Augen, ich mußte unter den Neckereien der Gesellschaft barfuß nach Hause und hätte nicht gedacht, daß ich noch einmal im Leben meinen verlorenen Schuh wiedersehen sollte.“

In diesem Augenblick trat Giacomino herein.

„Der vermißte Schoner ist aufgefunden, Gott sei Dank!“ rief er mir zu. „Sie hatten mit Ihrer Phantasie mich selber angesteckt, daß ich die ganze Nacht von Schiffbruch träumte. Er ist allerdings in den Sturm gekommen und nach Korsika verschlagen worden. Dort hat er sich aber in Bastia vor Anker gelegt, um seine Schäden auszubessern. Gestern Mittag ist er in Spezia eingelaufen, alle Ladung ist gerettet. Der Kommandant ist gestern Abend im Boot nach Lerici gekommen. Aber er hat seiner Frau keine Schuhe mitgebracht, auch ist er kein schlanker, brauner Matros, sondern ein untersetzter, ziemlich beleibter Mann, auch schon bei Jahren. Ich habe ihn heute selbst im Hafen von Lerici gesehen.“

Wir lachten Beide herzlich. Signora Clelia nahm ihr wiedergefundenes Eigenthum an sich, das zwar durch die erlittene Havarie unbrauchbar geworden ist, ihr aber dazu dient, den Gemahl täglich an seine Unthat zu erinnern und ihn künftig vor ähnlichen Ausschreitungen zu bewahren. Ich höre auch, daß der Professor bereits ein neues Paar Schuhe genau nach dem Modell des ersten aus Madrid verschrieben haben soll.

Giacomino aber, der auch boshaft sein kann, meinte, ich hätte diesen Schuh eigentlich zum Andenken in meinem Zimmer aufstellen sollen, gleichsam als ein Warnungszeichen vor den Tiefen der Einbildungskraft.




Die Elektricität im Dienst der Heilkunde.
I.

Scheinet es nicht, geneigter Leser, als wenn wir jetzo in einem elektrischen Seculo lebten? Man höret in unseren Tage von keiner Materie so viel sprechen, als von der Elektricität. Die öffentlichen Zeitungen haben bishero beinahe mehr von dem elektrischen als kriegerischen Feuer Meldung gethan. Schon damalen, vor ohngefähr zehen Jahren, als die Elektricität in Deutschland wiederum mehrers getrieben und bekannt wurde, waren derselben Versuche als neue Wunder, ja, wenn ich es frey sagen darf, zuweilen als Hexereyen von vielen Zuschauern gehalten und aligesehen.“ Also beginnt Herr Johann Gottlieb Schäffer, der Weltweisheit und Arzneigelahrtheit Doktor und praktischer Arzt zu Regensburg, die Vorrede eines im Jahre 1752 herausgegebenen Werkes „Die elektrische Medicin oder die Kraft und Wirkung der Elektricität in dem menschlichen Körper und dessen Krankheiten“ in welchem er die mannigfachsten mittels elektrischer Apparate erzielte Heilungen, insbesondere gelähmter Personen, schildert. Sollte man nicht glauben, diese einleitenden Worte zu einem für die damalige Zeit höchst beachtenswerthen und mit wissenschaftlicher Strenge durchgeführten Werkchen wären in unserem Jahrzehnte geschrieben? In der That war das allgemeine Interesse, welches die großen Entdeckungen Benjamin Franklin’s auf dem Gebiete der Elektricitätslehre im vorigen Jahrhundert hervorriefen, ganz analog der heutige Bewegung! Es waren nicht nur Männer der Wissenschaft, welche im vorigen Jahrhundert diesem neuen Zweige der Naturlehre ihre Aufmerksamkeit zuwendeten, sondern in den höchsten Kreisen, an den großen und kleinen fürstlichen Höfen damaliger Zeit galt es als „standesmäßig“, sich mit elektrischen Studien und elektrischen Experimenten zu befassen.

Eine der damals üblichen Methoden der Elektricitäts-Erzeugung ist aus unserer Abbildung (S. 425) ersichtlich. Mittels des von einem Abbé gedrehten großen Schwungrades einer Guericke’schen Elektrisirmaschine wird eine Schwefelkugel in rasche Umdrehung versetzt, welcher der linksstehende Kavalier dadurch, daß er durch Andrücken seiner gut getrockneten Hände die Kugel reibt, Elektricität entlockt. Diese eigenthümlich erzeugte Reibungs-Elektricität findet ihren Weg durch den Körper eines Mannes, [433] welcher auf einem an seidenen Stricken befestigten Brette schwebt. Derselbe läßt den elektrischen Strom durch einen mit einem Ringe versehenen Metallstab über dem Kopfe der rechts sitzenden Dame ausstrahlen, wodurch die Haare derselben angezogen werden. Der elektrische Strom fließt durch den Körper der Dame in die Erde ab. Durch diese Art von isolirter Körperstromleitung sollte die Wirkung der Elektricität erhöht werden. Mittels solch primitiver Methode der Elektricitäts-Erzeugung wurden trotzdem im vorigen Jahrhundert manche merkwürdige Heilresultate erzielt, von denen die Chroniken jener Zeit zu berichten wissen.

In Folge der Ende des vorigen Jahrhunderts (in dem Jahre der großen französischen Staatsumwälzung 1789) von Galvani entdeckten Berührungs-Elektricität, des Galvanismus, wobei bekanntlich durch Berührung von Metallen und erregenden Flüssigkeiten in einfacher Weise Elektricität entsteht, wurde die sogenannte Reibungs-Elektricität, die man mittlerweile durch sich drehende geriebene Glasscheiben zu erzeugen gelernt hatte, für die praktische Verwendung in den Hintergrund gedrängt.

Krankenbehandlung in dem elektrotherapeutischen Kabinet des Professors Charcot auf der Salpétrière zu Paris.

Nicht nur die Vervollkommnung und Vereinfachung der Erzeugung elektrischer Ströme hatte zu einer Aenderung in deren Anwendungsweise für den menschlichen Körper Veranlassung gegeben, sondern auch die hohe Entwickelung der Elektrophysiologie in unserem Jahrhundert verdrängte die Reibungs-Elektrisirmaschine, indem die Physiologen sich vornehmlich bei ihren Untersuchungen mit Erfolg des galvanischen Stroms bedienten.

Es ist von hervorragenden deutschen und ausländischen Gelehrten, in erster Linie durch die auf diesem Gebiete bahnbrechenden Arbeiten des Berliner Professors Dubois-Reymond, erwiesen worden, daß der thierische und menschliche Körper selbst elektrische Ströme zu erzeugen vermag. An ausgeschnittenen Muskel- und Nervenstücken lassen sich mit seinen Meßinstrumente elektrische Ströme nachweisen, ja es ist sogar experimentell schon vor vielen Jahren die Beobachtung gemacht worden, daß die Magnetnadel eines sehr empfindlichen, bei physiologischen Forschungen benutzten Messinstruments, des sogenannten Multiplikators, ausschlägt, wenn eine Anzahl von Menschen dadurch, daß sie sich gegenseitig die Hände reichen, eine Kette bilden und die letzten dieser Kette je ein cylindrisches Metallstück zur Hand nehmen, das durch eine Drahtleitung mit dem erwähnten Zeigerapparat in Verbindung gebracht ist. Wenn nun auf ein gegebenes Zeichen die in die Kette Eingeschlossenen eine kräftige Beugung des Vorderarmes vornehmen, schlägt die Magnetnadel des Zeigerapparates nach einer bestimmten Seite aus, ein Beweis, daß ein elektrischer Strom vorhanden war, welcher jene Bewegung der Nadel verursachte. Unter den Thieren ist es insbesondere der Frosch, welcher mannigfach zu einschlägigen Experimenten herhalten mußte. Bekanntlich hat auch Galvani in Folge Experimentirens mit frisch getödteten Fröschen seine große oben erwähnte Entdeckung gemacht. Die Elektricitäts-Erzeugung im lebenden Körper dient einer Anzahl von Thieren sogar zur Fristung ihres Lebens. Die elektrischen Fische, Raja torpedo, der Zitterrochen, Gymnotus electricus, der Zitteraal und Malopterurus electricus, der Zitterwels, besitzen eigenthümliche, nach Dubois-Raymond zu dem Muskelsystem gehörige elektrische Organe, die vom Gehirn aus regiert werden. Mit diesen elektrischen Organen vermögen die Thiere je nach ihrer Größe und ihrem Alter kleinen beziehungsweise größeren Thieren, ja sogar im Wasser in ihre Nähe kommenden Menschen lähmende, unter Umstanden den Tod herbei führende elektrische Schläge auszutheilen. Die Thiere benutzen diese Kraft sowohl als Waffe zur Vertheidigung gegen äußere Angriffe, als auch aggressiv zur Beschaffung der nothwendigen Nahrung. Die willkürliche Verwendungsweise der diesen Thieren eigenen elektrischen Energie wird durch die Ganglienzellen ihres Gehirns bestimmt, welche durch Nervenstränge mit dem elektrischen Organ verbunden sind.

Auch die Muskelthätigkeit der höheren Thiere und des Menschen hängt von großen Nerven- und Ganglienzellen ab, welche im Rückenmark und im Gehirne ihren Sitz haben. Von diesen Organen gehen alle Lebensthätigkeiten aus. Ob es sich bei der Uebersetzung des Willens in Muskelbewegung um ein elektrisches oder ein anderes Nervenfluidum handelt, ist bis jetzt trotz der mannigfachsten physiologischen Untersuchungen noch nicht erwiesen. So viel aber steht fest, daß durch von außen auf Gehirn, Rückenmark, Nerven und Muskeln einwirkende elektrische Ströme alle Arten von Bewegungen bei gesunden Thieren und dem gesunden Menschen ausgelöst, sowie daß die mannigfachsten Lebensthätigkeiten, die im Muskelsystem, in den feinsten Vertheilungsbezirken des Blutes, oder in den Drüsen vor sich gehen, durch von außen in geeigneter Weise einwirkende elektrische Ströme zu erhöhter Thätigkeit gereizt werden können. Funktionelle Störungen auf den betreffenden Gebieten werden durch für jeden einzelnen Fall in ihren Eigenschaften richtig zu wählende elektrische Ströme wieder zu normaler Thätigkeit in vielen Fällen zurückgeführt. Welche Apparate und Methoden heut zu Tage zu diesem Zwecke in Gebrauch, und welche Schranken der elektrischen Behandlung von Krankheiten gezogen sind, soll durch die folgenden Erörterungen klargelegt werden.

Die, wie oben erwähnt, schon im vorigen Jahrhundert zu Heilzwecken benutzte, aber gänzlich in Vergessenheit gerathen gewesene Reibungselektricität ist jüngst wieder zu namhafter Geltung gekommen. Vor mehreren [434] Jahren (1877) zog nämlich der berühmte Nervenarzt Professor Charcot in Paris in Folge des Studiums jener alten Schriften die Elektrisirmaschine für ärztliche Zwecke von Neuem in den Bereich seiner Thätigkeit. Freilich waren mittlerweile auch die maschinellen Vorrichtungen der sogenannten statischen Elektricitätserzeugnug durch geeignete neue Konstruktionen bedeutend verbessert worden und zu einer gewissen Vollkommenheit gediehen. Dr. Holtz, früher in Berlin, und Professor Töpler in Dresden konstruirten sogenannte Influenz-Elektrisirmaschinen, welche es ermöglichten, kontinuirliche elektrische Ströme von hoher Spannung für gewisse Zwecke der elektrischen Heilkunst zu erzeugen und zu verwenden. Unsere Abbildung (S. 433) stellt das große elektrotherapeutische Kabinet des Professor Charcot in Paris dar, welches derselbe auf seiner Abtheilung in der Salpêtrière, einem großen Krankenhause für Nerven- und Gemüthskranke, hat einrichten lassen.

Fast alle in der modernen Elektrotechnik in den jüngsten Jahren zu Tage getretenen Errungenschaften werden in dem erwähnten großen Heilinstitute zu Paris verwerthet. Zwei große, durch Glaskasten vor Staub geschützte Influenz-Elektrisirmaschinen werden mittels Transmissionsriemen in rasche Umdrehung versetzt und geben ihre Ströme an die auf dem Tabourete sitzenden Personen ab. Die bewegende Kraft wird durch eine Dampfmaschine erzeugt, welche in einem dem elektrotherapeutischen Kabinette benachbarten Gebäude steht, und mittels Dynamomaschine und Transmissionswellen den beiden Influenzmaschinen zugeführt.

Von den positiven Polen derselben führt je ein Leitungsstab auf das Elektrisirtabouret, während von den negativen Polen die negative Strömung zur Erde geleitet wird und von hier aus durch eine Kette dem Elektrisirstabe des behandelnden Arztes zufließt.

Im Hintergrunde des Saales, auf unserem Bilde links, sehen wir einen Elektrisirtisch mit den verschiedensten elektrotherapeutischen Apparaten und Meßinstrumenten zur Behandlung mittels des galvanischen Stroms. Im Vordergrunde des Bildes erklärt der ärztliche Dirigent der Anstalt einem besuchenden Arzte die interessanten Apparate und deren Wirkungsweise. Der Zudrang zu dieser öffentlichen Heilstätte ist so groß, daß täglich zwei- bis dreihundert Patienten daselbst Hilfe suchen; es muß daher immer eine größere Zahl von Leidenden zugleich, wie es unsere Abbildung zeigt, dem elektrischen Strome ausgesetzt werden. Auf die Krankheitsformen, welche sich zur Behandlung mit den erwähnten hochgespanten Strömen eignen, ebenso wie auf die Anwendung des galvanischen und faradischen Stroms zu Heilzwecken, werden wir in einem zweiten Artikel zurückkommen.




Was will das werden?
Roman von Friedrich Spielhagen.
(Fortsetzung.)


An dem Bach, da wo er eine Viertelstunde unterhalb des kleinen Badeortes aus dem Walde tritt, stehen zwei junge Leute auf einer erhöhten Stelle des Ufers und lassen ihre Angelleinen in dem hier ziemlich tiefen Wasser schwimmen. Der starke Strom führt die Leinen binnen einer halben Minute regelmäßig so weit, daß sie dieselben wieder herausnehmen und mit weitem Schwunge bachaufwärts schleudern müssen.

Dies monotone Spiel mochten sie wohl bereits seit zwei Stunden getrieben haben, ohne daß während dessen ein anderes Wort, als etwa ein kurzes, welches das gemeinsame Geschäft betraf, über ihre Lippen gekommen wäre. Jetzt schnellte der Größere von den Beiden, der weiter bachaufwärts stand, seine Leine, an der „beinahe“ ein Fisch gehangen hätte, nur daß der Schlaue im letzten Augenblick vorgezogen, „wieder nicht“ anzubeißen, zum vielhundertsten Male leer aus dem Wasser und sagte gähnend. „Sie wollen wirklich nicht beißen. Ich denke, wir hören auf.“

„Hören Sie auf!“ erwiderte der so Angeredete; „ich will nicht Lamarque heißen, wenn ich nicht der Peller das versprochene Gericht mit nach Hause bringe.“

„Ich hätte gewiß nichts dagegen,“ sagte der Andere, „da Sie mich dazu eingeladen haben. Aber was nicht sein soll, das ist eben nicht.“

„Es soll sein und deßhalb wird es sein,“ sagte Lamarque. „Wenn Sie noch eine halbe Stunde bleiben, können Sie sich selbst davon überzeugen.“

„Wüßte nicht, daß ich etwas versäumte, wenn ich bliebe,“ sagte der Andere, sich in das Moos streckend, welches die Wurzeln der Rieseneiche mit einem dicken Teppich überspann. „Ist auch hier so viel schöner als in dem langweiligen Nest. Was ich sagen wollte, Lamarque, Sie spielten gestern Abend wirklich –“

„Ausgezeichnet, süperb, ich weiß. Aber so gern ich mich loben höre, zumal von Ihnen, bitte, jetzt weiter kein Wort!“

„Wie, kein Wort?“

„Denken Sie, daß man angeln und konversiren kann zu gleicher Zeit? Sehen Sie, den hätte ich gehabt, wenn ich aufgepaßt hätte. Verdammt! Das kommt von dem Schwatzen.“

Der Kleine hatte den beschädigten Köder erneuert und warf abermals seine Leine aus. Der Andere legte die Hände unter den Kopf und fing an, in das mächtige Laubdach über ihm hinaufzustarren.

Die jungen Leute waren die beiden „Liebhaber“ des Sommertheaters, das sich seit acht Wochen in dem kleinen Badeorte etablirt hatte; Lamarque war der erste; ich war der zweite.

Ich sollte morgen eine größere Rolle in einem alten Benedix’schen Stück spielen und begann, mir meinen Text im Stillen herzusagen. Ich fand, daß mir kein Wort fehlte – nicht einmal ein Stichwort – und daß ich mir den Rest schenken könne. Ueberdies hatte über mir eine Amsel angefangen zu singen, und die Sonne, die im Untergehen war, warf einzelne Streifen durch das Laubdach, sodaß hier und da ein Stück Ast, ein Convolut Blätter in tiefem Purpur glühten, während aus den dichten Massen schon die Dunkelheit „mit hundert schwarzen Augen sah“. Und ich hatte noch keine zwei Minuten so hinaufgeblickt, als ich Zeit und Ort und den Gefährten und das Stück morgen und Alles vergessen hatte und im Geist bei den Liebenden des Lustspiels war, an dem ich in meinen Mußestunden schrieb, und darüber grübelte, ob ich die entscheidende Scene nicht, anstatt im Zimmer, im Walde spielen lassen könne, – in einem Eichwald wie dieser. Nur daß ich dann die Entdeckung des Handels durch den eifersüchtigen Sekretär – ich müßte denn –

Und so spann ich weiter an den bunten Fäden meines Gewebes, während droben die Purpurgluth verlosch, die Amsel sich den Unterschlupf für die Nacht längst gesucht hatte, und Lamarque wortlos weiter angelte, bis er plötzlich mit einem hellen Jauchzer die tiefe Stille und meine Träume unterbrach. Erschrocken fuhr ich in die Höhe und griff mir an die Stirn, denn das Blut war mir von dem langen Liegen in den Kopf gestiegen, und vor meinen Augen schwammen große blaue Wolken.

„Was giebt’s?“

„Das versprochene Abendessen! Sehen Sie!“

Ich sah nun wirklich fünf oder sechs größere und kleinere Fische, die in dem Korb, welchen er mir triumphirend hinhielt, zappelten.

„Sie sind ein Tausendkerl, Lamarque,“ sagte ich.

„Pah!“ sagte er; „ich habe nur Ausdauer. Das ist alles.“

„Das ist auch alles,“ sagte ich, „oder doch viel, sehr viel.“

„Freilich. Wenn Sie –“

Lamarque brach ab, nahm seine Angelruthe auseinander, den zugedeckten Korb unter den Arm, und wir machten uns auf den Rückweg am Ufer des Baches hin durch den schweigenden Wald.

„Sie wollten vorhin etwas sagen, Lamarque. Sie fingen an: ‚Wenn Sie‘ –“

„Ich weiß es nicht mehr.“

„Haben Sie Ihre Rolle so schlecht gelernt, daß Sie nicht einmal auf den Souffleur weiter spielen können? Soll ich Ihnen den ganzen Text bringen?“

„Wenn Sie können –“

„Ich glaube. Sie wollten sagen: ‚Wenn Sie Ausdauer hätten, wären Sie kein so schlechter Schauspieler‘.“

„Oder doch: ein besserer.“

„Das kommt auf Eines heraus.“

„Nicht ganz. Sie sind kein schlechter Schauspieler; aber Sie könnten ein guter sein, wenn –“

„Mir nicht eben Alles fehlte, was zu einem guten Schauspieler gehört; zu einem, wie Sie, zum Beispiel.“

„Lassen wir mich aus dem Spiel! Was meinen Sie, was zu einem guten Schauspieler gehört und Ihnen fehlt?“

„Soll ich Ihnen das wirklich expliciren, Lamarque, stehe ich mir sehr im Licht, lasse ich Sie aus dem Spiel. Ich brauche [435] nämlich bloß aufzuzählen, was Sie haben, und ich habe die sämiiltlichen Requisiten zu dem betreffenden guten Schauspieler beisammen.“

„Na, dann schießen Sie meinetwegen los! Was habe ich denn?“

Zuerst, was Sie sich ja selbst zusprechen, Ausdauer. Und welche Ausdauer! Sie haben mir selbst gesagt, Ihre Schulkenntmisse seien über Lesen, Schreiben und Rechnen nicht weit hinausgegangen -“

„Wie sollten sie,“ unterbrach mich Lamarque. „Ich ging in eine Bürgerschule in einem kleinen polnischen Nest. Mein Vater hieß übrigens eigentlich Markus - Jude selbstverständlich - war Barbier. Er brauchte mich im Geschäft von meinem zehnten Jahre an. Als ich sechzehn war, lief ich ihm weg -“

„Um Schauspieler zu werden - ganz recht. Weil Sie den unwiderstehlichen Drang hatten - das ist das Zweite zu der Ausdauer - und doch eigentlich dasselbe mit jener. Denn wohnte Ihnen nicht früher und später dieser unwiderstehliche Drang inne, so hätten Sie eben nicht die Ausdauer gehabt, ihre schwache, dünne Stimme - pfeifende, sagten Sie - so zu schulen, daß Sie sich jetzt eines starken, wohlklingenden, vor allem unermüdlichen Organs erfreuen und einer Pronnunciation, der man ihre halb polnische Abkunft nicht im geringsten mehr anmerkt. Dasselbe Kunststück haben Sie mutatis mutandis -“

„Was heißt das?"

„In ähnlicher, wenn auch in anderer Weise mit ihrem Körper fertig gebracht, der, nach ihren eigenen Worten, anfangs gebrechlich oder doch ungelenk war, und jetzt die Kraft und Elasticität selbst ist, sodaß Sie mit ihm machen können, was Sie wollen. Nun kommt das Dritte, das freilich die Hauptsache ist: Ihr für mich und alle Kunstverständigen, die Sie gesehen haben, staunenswerthes Talent, ihr theatralisches Genie: die reine, ganz spontane und momentane schauspielerische Intuition -“

„Was ist das nun wieder?"

„Eine Anschauung von dem darzustellenden Charakter, ohne daß Sie über denselben: sein Wesen, seinen Gehalt, seine psychologische oder gar historische Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit lange nachzudenken brauchen."

„Oho, Sie meinen, ich denke gar nicht!"

„Keineswegs, nur daß ihr Denken über einen Charakter mit dem inneren Nachschaffen desselben Hand in Hand geht. Und das innere Nachschaffen auch wieder sofort in das äußere Nachbilden, Herausformen, die eigentliche schauspielerische Darstellung mit einem Worte, übergeht, so daß im Grunde die Rolle, wenn Sie beim letzten Worte angekommen sind, auch eigentlich schon fertig ist."

„Das ist wahr," sagte Lamarque. „ich muß mich manchmal über mich selbst wundern, wie ich dazu komme, und wie fix das geht. Aber ich vergreife mich auch manchmal."

„Gewiß, wenn auch sehr selten. Und selbst dann kann man Ihnen nicht gram sein, weil das etwa Unrichtige, sagen wir: in der Anlage Verfehlte, das Sie bringen, tausendmal interessanter und werthvoller ist, als das schulmäßig Richtige anderer Leute. Sehen Sie, Lamarque, das sind Sie. Brauche ich Ihnen nun noch zu sagen, was und wie ich bin?"

Lamarque antwortete nicht. Wir gingen eine Weile schweigend neben einander hin; plötzlich rief er:

„Sagen Sie mir nur das Eine: weßhalb sind Sie denn Schauspieler geworden?"

Ich mußte lächeln; in dieser Frage lag das ganze Urtheil des Mannes über mich und die Verfehltheit meines Berufes. Aber er sagte mir ja nichts, was ich nicht längst gewußt hatte, und mit einer Heiterkeit, die doch nicht ganz ohne Wehmuth war, erwiderte ich:

„Weil man mir so lange eingeredet hatte, ich habe Talent zum Schauspieler, bis ich es am Eade selbst beinahe glaubte. Beinahe, nicht ganz; und wären meine Verhältnisse nicht gar so mißlich gewesen, ich hätte mich doch wohl noch im letzten Augenblicke besonnen. Aber meine Situation war zu langem Besinnen nicht angethan. Sehen Sie: es sind nun eben vier iahre her, da war ich einmal nach Haniburg verschlagen. Ich hatte nach Amerika gewollt; daraus wurde nichts. Nach einer schlimmen Nacht, in welcher der leibhaftige Teufel mit mir sein Spiel zu treiben schien - Sie brauchen sich dabei nichts Arges zu denken - ich kam leidlich unschuldig, wie ich hineingeraten, aus seiner Küche heraus war ich einen ganzen Tag freudlos, ziellos und auch bis auf ein Weniges mittellos in den fremden Gassen umhergeirrt mit diversen Selbstmordsanwandlungen, denen ich aber glücklich widerstand. Der Abend fand mich in Sankt Pauli Sie kennen Hamburg nicht? - nun, das ist eine Vorstadt, in welcher sich so ziemlich auf einem Platz Alles zusammendrängt, was im Genre der sogenannten Volksbelustigungen von den Cafés-chantants bis zu den Karrusels und den Buden mit der größten Dame der Welt, oder dem Schafe mit zwei Köpfen und so weiter geleistet werden kann. Ich hatte da so wenig zu suchen, wie überall sonst in der großen Stadt, aber ich war einmal da; und das bunte Treiben zerstreute mich doch ein wenig und lenkte mich vor Allem von jenen tristen Hamletsphantasien ab, die jetzt, wo die Sonne zur Rüste ging, in Erinnerung der furchtbaren verlebten Nacht, sich wieder stärker zu regen begannen. So trieb ich mich da herum, innerlich einem verlaufenen Hunde ähnlicher, als irgend einem anderen lebenden Wesen, wenn ich auch hier und da stehen blieb und mir irgend eine Wunderlichkeit oder Abenteuerlichkeit dieser tollen Welt scheinbar aufmerksam betrachtete; oder ebenso an den Schaubuden eine und die andere der Assichen las, die denn freilich manchmal ebenfalls wunderlich und abenteuerlich genug lauteten. Zum Beispiel folgende, die ich aus guten Gründen im Gedächtnisse behalten habe, und die Sie sich mit den nöthigen Absätzen untereinandergedruckt denken müssen: ,Felicia-Theater. Dreizehntes Gastspiel der kleinen Mimili - Der Liebling der Welt. - Das geehrte Publikum wird gebeten, während des Gastspiels der kleinen Mimili nicht zu rauchen. - Viertes Auftreten des englischen Original- Bauchredners Mister S. Vor mit seinen acht Automaten in sechs verschiedenen Sprachen. Zum ersten Male: Badekuren. Lustspiel in einem Akte von G. zu Putlitz.

Nicht wahr, die Zusammenstellung ist originell? Wenigstens interessirte sie mich, vielleicht nur deßhalb, weil mein Lehrer mir die Rolle des Reinhold eingeübt und mich auf dem kleinen Probirtheater, aus welchem ich meine praktischen Studien machte, ein paarmal hatte spielen lassen. Wie ich noch da so stehe und den Zettel lese - es war an der Hinterseite des Kunsttempels neben der Ausgangsthür - wird diese Thür geöffnet; ein plumper kurzer Mann tritt auf die Schwelle und blickt, die Hände auf dem Rücken, vor sich hin mit einem verdrießlich-nachdenklichen Gesicht. Plötzlich wendet er sich zu mir, der ich noch immer bald die Assiche ansehe, bald den Mann, ohne mir bei dem Einen mehr zu denken, als bei dem Andern, und fragt mich in grobem Ton: ,Sind sie Schauspieler?' Ob ihn mein unbärtig jugendliches Aussehen zu der Frage bewogen hat oder nur der Umstand, daß ich so eifrig die Assiche zu lesen schien - ich weiß es nicht. Und auch nicht, warum ich mit ja aatwortete. Ich bin überzeugt, es ist die reine Zerstreutheit gewesen, und ich hatte, der Wahrheit gemäß, Nein sagen wollen. - „Können Sie den jungen Kerl da in dem Stück da spielen?“ fragte er weiter, mit der rothen Hand auf den Zettel schlagend. Diesmal konnte ich mit einiger Ueberzeugung Ja sagen. - ,Dann sind Sie mein Mann!' ruft der Dicke, jetzt mit strahlendem Gesicht. ,Kommen Sie herein, wie Sie gehen und stehen. Sie finden Alles! Rönner ist gerade von ihrer Statur; es wird Ihnen passen, als wär' es ihnen auf den Leib gearbeitet.'

Ich mochte dazu wohl ein recht verdutztes Gesicht gemacht und der Mann das für eine Abneigung, auf den Handel einzugehen, gehalten haben. Er ließ sich deßhalb zu einer Erklärung herbei. Herr Rönner habe sich vor zehn Miunten krank melden lassen - werde wohl mit der Krankheit nicht weit her sein - sei überhaupt ein unzuverlässiger Patron, der Musjö Rönner. Aber herbeizuschaffen sei er nicht; die Möglichkeit, ihn zu ersetzen oder ein anderes Stück zu geben, ebenfalls ausgeschlossen, und die kleine Mimili und Mister Vox hielten für den Abend nicht vor. Ich solle meine Gastrolle nicht umsonst geben, und wenn ich dem Publikum gefalle und ich meine Ansprüche nicht zu hoch spanne, so sei ich sein Mann nicht bloß für heute Abend; und der Teufel möge den Bummler, den Lumpen nämlich den Herrn Rönner - holen!

Nun, ich hatte wahrlich nicht die Absicht, einem anderen armen Unglücksraben sein Stück Brot wegzunehmen, aber so [436] waren doch wenigstens der Abend und die Nacht untergebracht, denn der Mann hatte mir freies Quartier in dem Hause selbst zugesagt; und die Stelle an der Außenalster, die mir für mein Valet auf dieser Welt ganz besonders geeignet schien, war ich sicher, auch morgen wieder zu finden. Ich schlug also ein und spielte den Reinhold nicht schlechter und nicht besser, als ich ihn heute noch spielen würde. Das Vorstadtspublikum war in seiner Sonntagslaune, überhäufte den ,Gast‘ mit großmüthigem Beifall; mein Patron umarmte mich nach der Vorstellung, lud mich zum Abendessen im Kreise der Familie und – die deutsche Bühne hatte einen schlechten Schauspieler mehr.“

„Blieben Sie lange in Hamburg?“

„Kaum ein Vierteljahr. Mein Patron war ein roher Trunkenbold, der heute mit seinen ‚Künstlern‘ Bruderschaft trank und sie morgen ein gut Theil schlechter behandelte, als Mister Vox seine Automaten. Doch hatte ich mir während der kurzen Zeit einige Routine angeeignet, ein kleines Repertoire geschaffen, und fand leicht ein anderes Engagement. Seitdem bin ich noch auf sieben oder acht anderen Bühnen gewesen, ohne irgendwo festen Fuß fassen zu können.“

„Oder zu wollen,“ rief Lamarque. „Ich behaupte noch einmal, es liegt nur an Ihnen, wenn Sie, ich will nicht sagen, ein Ludwig Devrient oder Seydelmann, aber doch ein guter Schauspieler sind.“

„Ich habe die Hoffnung definitiv aufgegeben,“ erwiderte ich; „und, offen gestanden, der Gedanke, der mich früher allerdings begeisterte, hat jetzt allen Reiz für mich verloren. Auch bin ich entschlossen, daß dies mein letztes Engagement sein soll.“

„Ja, aber was wollen Sie dann anfangen?“

„Ich weiß es selbst noch nicht. Ich weiß bloß, ich möchte eine Thätigkeit, der ich wirklich gewachsen und von der ich überzeugt wäre, daß bei derselben, und sei sie noch so gering, wirklich etwas, und sei es noch so wenig, zum Vortheil und Nutzen der anderen Menschen herauskäme. Und eine, bei der man die leidigen Gedanken, die sich nur immer um unser eigen Ich drehen, los würde und Zeit und Geistesfreiheit behielte, an die Anderen und ihr Wohl und Wehe zu denken; – zum Beispiel die Thätigkeit eines Handwerkers.“

„Im ,Fest der Handwerker‘?“

„Nein, in der hausbackenen Wirklichkeit.“

„Als ob ich ein Wort von all dem Unsinn glaubte! – So – da wären wir. Ich will nur schnell die Fische zur Peller bringen. Sie kommen doch sicher?“

„Gewiß.“

„Also auf Wiedersehen in einer Stunde etwa!“

„Auf Wiedersehen!“




3.

Es war mir bei dieser Gelegenheit ergangen, wie das ja öfter im Leben vorkommt. daß man mit Jemand ein Gespräch beginnt, ohne eine andere Absicht als die einer ganz harmlosen Plauderei, und dabei zu einem folgenschweren, den weiteren Lebensgang bestimmenden Resultat gelangt, welches freilich wohl schon fertig in der Seele lag, aber doch jetzt erst gleichsam geboren und zum Entschluß erhoben wird. Von diesem Abend an war ich entschlossen, nicht nur dem Theater zu entsagen, das hatte schon so ziemlich festgestanden, – sondern alles Ernstes Handwerker zu werden.

Auf dem Wege ging es nicht weiter und wollte ich nicht weiter.

Mich aus meinen augenblicklichen Verhältnissen zu lösen, war herzlich leicht. Die Geschäfte der kleinen Truppe, zu der ich gehörte, gingen in diesem Jahre noch ganz besonders schlecht. Einen Direktor hatten wir eigentlich nur dem Namen nach, um dem Dinge vor den Augen des Publikums doch ein gewisses Ansehen zu geben. Im Uebrigen spielten wir bereits seit vier Wochen „auf Theilung“, und den Anderen war es ganz genehm, wenn durch mein Ausscheiden der Divisor in den schmalen Dividendus sich um eines verringerte. Man mußte dann freilich einige Stücke vom Repertoire streichen; aber das war kein Verlust, da dem wenig zahlreichen Publikum völlig gleichgültig war, was gespielt wurde, wenn nur gespielt wurde, und es so noch öfter als zuvor Gelegenheit hatte, Lamarque zu sehen, den es sich mit Recht zu seinem Liebling erkoren. Er hatte sich zum Winter ein Engagement an einem der besseren kleinen Berliner Theater zu verschaffen gewußt. Ich freute mich darüber seinethalben, der damit den Fuß auf die erste Sprosse der Leiter setzte, deren letzte zu erreichen er berufen und entschlossen war, und auch ein wenig um meinetwillen. Wir waren in der kurzen Zeit Freunde geworden, da ich ihn aufrichtig bewunderte und er keinerlei Veranlassung hatte, in mir einen Rivalen zu sehen. So nahm ich denn keinen Anstand, ihm mein Geheimniß mitzutheilen.

Auch ich wollte nach Berlin.

Ich war stets mit meinem Bruder Otto in Verbindung geblieben, wenn dieselbe auch nur darin bestanden hatte, daß ich ihm das wenige Geld schickte, welches ich erübrigen konnte, und er mir dafür, anstatt des Dankes, den ich nicht begehrte, mit Briefen antwortete, die unweigerlich nur die alten stereotypen Klagen über die bösen Menschen und die schlechten Zeiten enthielten und ebenso unweigerlich auf Blättern von verschiedenem Format geschrieben waren, zu denen aus Schulheften gerissene das Hauptkontingent stellten. Er trieb noch immer sein altes Metier eines Fenster- und Thürentischlers, manchmal mit, meistens ohne Hilfe eines Lehrlings; zu einem Gesellen hatte er sich meines Wissens noch nie aufgeschwungen. Ich hatte noch an dem Abend der Unterredung mit Lamarque bei ihm angefragt, ob er mich aufnehmen wolle. „Ich hoffe,“ schrieb ich ihm, „nicht lange Lehrling zu bleiben; übrigens kann ich auch ein kleines Lehrgeld zahlen als einen Zuschuß zur Wirthschaft, bis ich im Stande sein werde, mir meinen Unterhalt zu verdienen, und bald hoffentlich ein Uebriges, das ich dann brüderlich mit Dir theilen will.“

Die Antwort hatte auf sich warten lassen; es nahm mich bei dem allezeit Lässigen kein Wunder. Endlich war sie denn doch gekommen: er habe nicht früher schreiben können; ein fünftes Kind sei geboren worden; eine größere Bestellung gegen alles Erwarten eingelaufen – er wisse nicht, wo ihm der Kopf stehe – (als ob der Arme das jemals gewußt hätte!) –. Natürlich freue er sich außerordentlich, nach so langen Jahren wieder mit mir beisammen zu sein; aber bei ihm sei, wie ich wisse, Schmalhans Küchenmeister und – ich solle es mir doch ja noch einmal recht überlegen.

Ich schrieb ihm zurück: „Ich habe Alles überlegt; am nächsten Sonnabend treffe ich ein.“

Und nun, nachdem dieser entscheidende Brief abgesandt war, befiel mich jäh eine neue Sorge.

Ich hatte in allen diesen Jahren von den Menschen, die mir in meiner Jugend nahe gestanden, nichts gesehen und nichts gehort. Kein Wunder, da ich mich fast beständig fern von der eigentlichen Heimath (wenn anders ich von einer Heimath sprechen durfte), meistens in kleinen obskuren Orten der verlorensten Winkel des Vaterlandes umgetrieben! War auch nach Böhmen und Deutsch-Oesterreich, einmal sogar bis nach Pest verschlagen und so selten an meine Vergangenheit erinnert worden, daß sich mir dieselbe allmählich in ein Traumland verwandelte.

Denn nur zweimal während dieser ganzen Zeit hatte eine solche Erinnerung stattgefunden, das erste Mal vor etwa zwei Jahren, und peinlich genug war sie für mich gewesen.

Sie ging von einer Schauspielerin aus, welche kurze Zeit mit mir an demselben Theater wirkte. In jenen Reminiscenzen, denen sich alternde Bühnenkünstlerinnen so gern hingeben, war die Dame auch auf die Zeit zu sprechen gekommen, wahrend derer sie das Fach einer ersten tragischen Liebhaberin am herzoglichen Hoftheater bekleidete. Es war die Zeit ihrer Triumphe gewesen – eine glanzvolle Zeit nach ihrer Behauptung, in welcher es nur einen dunklen Punkt gegeben: daß sie sich in die Gunst des Publikums mit einer jungen Sängerin aus Amerika theilen mußte, einer Miß Howard. Freilich sehr ungerechter Weise. Denn die junge Dame habe eine zwar wohllautende, aber völlig ungeschulte Stimme gehabt, keine Ahnung vom Komödienspiel und den Leuten nur durch ihre allerdings große Schönheit und Anmuth die Köpfe verdreht. Nicht bloß den Leuten: nicht minder dem Chef – dem bekannten Kammerherrn von Trechow – und in erster Linie Serenissimus selbst. Das heißt, es sei immer zweifelhaft gewesen, wer von den beiden Herren in erster Linie gestanden; und auch die Katastrophe, in welcher die Unglückliche mit ihrem Kinde zu Grunde ging, habe diesen Zweifel nicht völlig gelöst. Denn hätte auch die Katastrophe in der unmittelbaren Nähe eines der Schlösser von

[437]

Aus der Jubiläums-Kunstausstellung in Berlin:
Fischmarkt in Amsterdam.
0 Nach dem Oelgemälde von Hans Herrmann.

[438] Serenissimus und unmittelbar nach einer heftigen Scene mit demselben stattgefunden – die Veranlassung dieser Scene sei immer ein Geheimniß geblieben, und könne so gut in einer etwaigen gerechtfertigten Eifersucht des hohen Herrn gefunden werden, als in einem anderen Umstande. Ueberdies sei es, wiederum unmittelbar nach jener Katastrophe, zwischen Serenissimus und dem Herrn Intendanten zu einem jähen und völligen Bruch gekommen, der denn doch die angedeutete Erklärung als die weitaus natürlichste und einfachste erscheinen lasse.

Ich hatte mich selbstverständlich gehütet, wenn die Dame diese Geschichte erzählte – was sie gern und mit Hinzufügung aller möglichen und unmöglichen Details that – auch nur mit einer Miene, geschweige denn einem Worte anzudeuten, in welch’ grausam inniger Beziehung ich zu der Heldin derselben stand. Glücklicherweise konnte ich bald das betreffende Theater verlassen, und ich verließ es nur deßhalb, um aus der Nähe der Dame zu kommen und der Versuchung nicht zu erliegen, die famose Geschichte richtig zu stellen und das Andenken meiner Mutter von dem Flecke zu reinigen, welcher aus der behaupteten Nebenbuhlerschaft des Herzogs und des Kammerherrn auf demselben haften blieb. Zwar auch Weißfisch hatte in seinem ersten Bericht damals in Nonnendorf dasselbe angedeutet, und der Kammerherr selbst nie ein Hehl daraus gemacht, daß er meine Mutter geliebt habe. Aber niemals hatte er behauptet, der Begünstigte gewesen zu sein; und welchen Grund hätte er gehabt, das zu verschweigen, wäre es der Fall gewesen? Nein, mein Unglück blieb, wie es war, und hatte durch Erzählungen der alten Müllersleute seine volle Bestätigung erhalten. Ihnen, besonders der guten Frau, hatte meine Mutter ihr volles Vertrauen geschenkt. Die Mühle war ihr Lieblingsaufenthalt gewesen; sie hatte den ganzen letzten Sommer dort verlebt. Da war auch von einem berühmten Künstler das Medaillonbild, das jetzt wieder auf meinem Herzen ruhte, gemalt worden. In aller Heimlichkeit. Es hatte eine Ueberraschung sein sollen, und die Aermste sich in ihrer phantastischen Weise mit den reizendsten Farben die Freude ausgemalt, die sie „ihm“ durch dieselbe bereiten würde. Wie sie sich denn auch sonst gerade in der Zeit vor der Katastrophe in den glänzendsten Hoffnungsträumen gewiegt zu haben schien. Nur noch gegen den Gedanken, nicht die rechtmäßige Gattin des geliebten Mannes werden zu können, hatte sich ihr Stolz gesträubt. Sie, die Abkömmlingin eines adligen Geschlechtes, das seinen Stammbaum bis auf die Zeit der ersten Kreuzzüge zurückführte, die Erbin – sobald sie wollte – von Millionen, die Bürgerin des größten Freistaates der Welt – sie, die sich gerade so vornehm glaubte wie er, und vielleicht reicher war als er – sie sollte ihm nur zur linken Hand angetraut werden dürfen! Und so war über die Ahnungslose das Furchtbare hereingebrochen, das sie nicht hatte überleben wollen. Worin es bestanden? Auch nicht die leiseste Andeutung darüber war während der wenigen Tage, die sie dann noch bei den Müllersleuten verbrachte, über ihre Lippen gekommen. Sie hatte nur gesagt: es ist Alles vorbei, fragt mich nicht! Ich hätte es wissen können. Aber ihr habt ganz Recht: die Schmach, es nicht vorausgesehen zu haben, wäre durch meinen Tod nicht gesühnt worden. Das kann nur dadurch geschehen, daß ich die Last des Lebens in Reue und Buße weiterschleppe.

War es ein Theil dieser Buße geweseu, daß sie die Liebe zu ihrem Kinde erstickte und von der Pflicht sich lossagte, welche selbst die Barbarin heilig hält?

Aber daß wenigstens das Band von mir zu ihr nicht zerrissen war, hatte ich empfunden an dem Glücksgefühl, welches mich durchströmte, wenn ich sie so wenigstens von jener anderen Schuld der Treulosigkeit gegen den Mann ihrer Wahl freisprechen durfte. Sie hatte ein hohes Spiel gespielt und es verloren; es war ein ehrliches gewesen. Und dafür war ich ihr so dankbar, daß mir dagegen, was sie früher und später an mir gesündigt, geringfügig erschien, und es Momente gab, wo mir bei Betrachtung des geretteten Bildes die alte heiße Kinder- und Knabensehnsucht nach ihrer Liebe voll zurückkam.

Die zweite Erinnerung an die Vergangenheit war von jüngerem Datum und mir ebenfalls indirekt, sogar nicht einmal durch eine Person, nur durch Zeitungen vermittelt worden.

Ich las aber in einer derselben, daß der bekannte Graf Pahlen, der vor zwei Jahren in die famose nihilistische Verschwörung Netschajeff verwickelt, seitdem in dem Alexejewskischen Ravelin in Petersburg gefangen gehalten worden, zum Tode verurtheilt, aber vom Kaiser, bei dem er früher in so hohem Ansehen gestanden, zu lebenslänglicher Deportation nach Sibirien begnadigt war, auf dem Wege dorthin entsprungen sei und sich nach London gerettet habe. Wie das möglich gewesen, wisse mit Bestimmtheit wohl nur eine Dame, welche kurze Zeit vor der Beendigung des Processes an einem gewissen deutschen Hof, als dessen erster Stern sie gegolten, durch ihr plötzliches und völlig räthselhaftes Verschwinden die größte Bestürzung hervorrief. Ob der betreffende Hof durch die Nachricht, daß die Dame jetzt – und zwar in London und an der Seite des Grafen Pahlen (dessen Flucht sie zweifellos veranstaltet und geleitet) – wieder aufgetaucht sei, in einen geringeren Schrecken versetzt worden, als vor zwei Monaten durch ihre räthselhafte Flucht, wage der Berichterstatter nicht zu entscheiden.

Diese Nachricht, welche andere Zeitungen zum Theil mit mehr oder weniger pikanten Details bestätigten, hatte auf mich einen tief wehmüthigen Eindruck gemacht. Ich beklagte alle Betheiligten von ganzem Herzen: den unglücklichen Grafen, den aller Wahrscheinlichkeit nach die Verzweiflung an seinem Lebensglück in die Verschwörung getrieben; die theure Adele, welche ihrer Liebe so ungeheure Opfer bringen mußte; schließlich ihn – und ihn nicht zum mindesten, – den seine Hartnäckigkeit und die Kurzsichtigkeit seines Egoismus nun auch die Tochter gekostet hatte, vielleicht das einzige Wesen auf Erden, das er wahrhaft liebte, so weit sein Herz eben lieben konnte.

Aber diese Trauer mußte denn doch bald der Freude weichen, daß sie, der ich alles Glück der Erde gönnte, nun doch ihr höchstes Glück sich erringen mit einem Heldenmuth, um dessenwillen ich sie, welche ich von ganzer Seele zu lieben nie aufgehört hatte, nun auch ebenso bewundern mußte. Welch’ andere Bedeutung gewann jetzt jenes unvergessene Bild der beiden Liebenden, wie sie, in der Salonthür sich umschlungen haltend, zu den Sternen emporblickten! Da hatte sicher schon die Schwere des kommenden Geschickes auf ihren Herzen gelastet, die ich von eitel Seligkeit erfüllt wähnte! Wie verstand ich so jetzt erst jenes räthselhafte Wort Adele’s, das sie vor der verhängnißvollen Unterredung mit ihrem Vater mir zuflüsterte: „sei gut!“ Sei gut, damit, wenn er mich verliert, er wenigstens dich behält! Nun, ich hätte sie ihm doch niemals ersetzen können. Aber ihrem Herzen machte es Ehre, daß sie noch frauenhaft für den zu sorgen bemüht war, den sie doch kränken mußte, weil er ihr keine Wahl ließ. Zweifellos war die Flucht schon damals beschlossen gewesen, wenn ein letzter Versuch, auf dem Wege der Bitte zum Ziel zu gelangen, mißglücken sollte. Der Versuch war mißglückt, und welche Qualen mochte die Aermste erduldet haben, als nun die Kerkerthüren sich dem unglücklichen Verschwörer öffneten, ihr jeder Tag die Nachricht seines schmählichen Todes bringen konnte! Gott sei Dank, es war anders gekommen. Ich brauchte mich dieser Schwester nicht zu schämen, und der Heroismus ihrer Handlungsweise hatte sicher, ohne daß ich es merkte, meinen jetzigen Entschluß zeitigen helfen. Weib oder Mann, es kam eben darauf an, daß jeder seiner Ueberzeugung lebte. Sollte sich der Mann von dem Weibe beschämen lassen?

Nun, der Brief, welcher mich bei Brder Otto ankündigte, war fort, und hinter ihm kam die Sorge, von der ich vorhin sagte, daß sie mich jetzt erst befallen: die Sorge, in Berlin wieder denen zu begegnen, die mich als hoffnungsvollen Knaben, als strebenden Jüngling gekannt hatten und mich jetzt wieder finden würden – wenn sie mich wiederfanden – als einen, der alle Hoffnung hinter sich gelassen und nur noch von dem einen Wunsche erfüllt war, sich in der Menge verlieren zu dürfen. Die Werins, das wußte ich ja, lebten in Berlin. Mutter und Tochter jedenfalls, Adalbert sehr wahrscheinlich – gehört doch der Sturmvogel auf das hohe Meer! Ellinor war damals zu ihrer Tante dorthin gegangen, und ich erinnerte mich, daß Schlagododro mir immer gesagt, er werde das erste Jahr in Heidelberg und die übrige Zeit in Berlin studiren. Er mußte nach meiner Berechnung jetzt mit seinem Studium fertig und voraussichtlich dort sein. Ebenso wie Astolf, der ja in einem der Garderegimenter Officier war und seine Kousine jedenfalls schon geheirathet hatte. Mochte er! – Professor Hunnius, hatte er seinen Plan, in die Hauptstadt überzusiedeln. ausgeführt? [439] Vermuthlich: er gehörte nicht zu den Leuten, die sich mit müßigen Plänen ihre Zeit verderben.

Das gab schon eine lange Reihe, und wer von den alten Bekannten mochte sich nicht noch angeschlossen haben! Aber dann: ich war längst kein Knabe mehr, und das Schicksal hatte während meiner Jünglingsjahre hinreichend an mir herumgehämmert, daß es nicht seine Schuld, wenn es mich nicht zum Manne geschmiedet, der sich durch die Einreden der Freunde nicht aus seinem Wege drängen ließ. Thor, der ich mir den frischen Muth mit solchen Phantasien beschwerte! Woher sollten die Einreden kommen, wenn die höchste Wahrscheinlichkeit dafür sprach, daß ich von allen den Genannten auch nicht einem in der Riesenstadt jemals auf meinen dunklen Lebenspfaden begegnen würde! Oder wollte ich, daß sie mir begegneten und mir ausredeten, was ich mir eben auch nur eingeredet? Dann hätte ich nur gleich bei meinem alten Handwerk bleiben können.

Sie machten mir den Abschied schier schwer, die guten Gesellen, meine Herren Kollegen, und die Damen, meine liebenswürdigen Kolleginnen. Wir kannten uns alle einander erst seit ein paar Monaten, aber die gemeinschaftliche Misère hatte uns längst zu den besten Freunden gemacht. Nie hatte es ein unfreundliches Wort zwischen uns gegeben, und es gab wahrlich keines an dem letzten Abend, an welchem sie mich wegfeierten. Auf gemeinschaftliche Kosten natürlich – es war so ziemlich Alles zwischen uns gemeinschaftlich – auf der Bühne selbst, auf der wir uns eben noch in einem schauderhaften französischen Sensationsstück abgequält, und die uns der Direktor zu dem Zwecke großmüthig zur Verfügung gestellt, auf die Gefahr hin, daß die „alte Scheune“ – es war wirklich nur eine alte, ein wenig herausgeputzte Scheune – bei der Gelegenheit in Feuer aufging. Ich saß zwischen Fräulein Peller, unsrer ersten Liebhaberin, einem gutmüthigen Mädchen von unbestimmtem Alter, und Frau Sorge-Schellhorn, der Anstandsdame und Heldenmutter, einer würdigen Matrone, deren Jahre mit denen der weißköpfigen Krähe rivalisiren mochten. Mir gegenüber Lamarque, der bei dem Symposion – das Kouvert eine Mark, inclusive Bowle – den Vorsitz führte. Ich erinnere mich nicht, daß wir etwas Nennenswerthes gegessen haben; aber die Bowle war unergründlich, Ach, und welche prächtigen Anekdoten stiegen aus ihrer Tiefe – funkelnagelneue von der heutigen Vorstellung, in der wir alle „geschwommen“ hatten, und solche, die sich schon Roscius und seine Kollegen erzählt haben mochten, und von denen alle ausnahmslos mit demselben schallenden Gelächter begrüßt wurden! Und welche Reden! eine immer schöner und länger und rührender als die andre, daß die Damen in Thränen zerflossen, und wir Männer uns schier die Hände wund drückten! Und welche improvisirte Possen und übermüthige mimische Karrikaturen, daß wir Männer uns die Seiten hielten, und die Damen erklärten, sie könnten nicht mehr lachen!

Und dann hatte unser Baß-Buffo (der allerdings tief zu tauchen verstand) irgend wie doch den Grund der Bowle gefunden, und dann gab’s ein Schluchzen und Küssen und Umarmen, als wäre mit dem fahlen Morgenlicht, das durch die Soffiten fiel, der jüngste Tag angebrochen, und nicht einer wie die andern auch, an dem nur eben ein Kollege, den nach vierundzwanzig Stunden Keiner vermissen würde, von dannen ziehen wollte.

Außer Lamarque wußte Keiner, was ich vorhatte, sondern sie meinten, ich ginge nach Berlin, mir ein neues Engagement zu suchen. So wagte auch Keiner – dem alten schauspielerischen Aberglauben folgend – mir „gut Glück“ auf die Reise zu wünschen, als sie mich in corpore zur Bahn gebracht hatten, und ich in dem Wagon (dritter Klasse) am Fenster stand und ihnen, Einem nach dem Anderen, aus dem Fenster noch einmal stumm die Hand zum Abschied reichte.

Aber sie wünschten mir Glück nichts destoweniger. Ich sah es an ihren Gesichtern. – Lebt wohl, ihr lieben, verrunzelten, verschminkten Gesichter, über deren manchem in diesem Augenblick eine so ehrliche Thräne rinnt! Lebt wohl! auf Nimmerwiedersehen!

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Auch ein Siegesfest. (Mit Illustration S. 429.) „Heisajuchheisa Dudeldumdei! Da geht’s hoch her!“ So braucht es nicht bloß in Wallenstein’s Lager zu heißen, dieser Jubelschrei paßt auch für die friedlichen Feldlager ländlicher Festfreude überall, wo das Volk noch kerngesunder Lustbarkeit fähig ist. Zu den bestimmten Landvolksfesten gehören neben den alljährlichen Kirmsen die in guter Jahreszeit von Wirthen oder auch von Gesellschaften veranstalteten Ausschießen oder Auskegeln von allerlei Werthgegenständen; dazu wählt man auch Thiere und giebt häufig Gänsen oder Schweinen den Vorzug. Unser Künstler führt uns zu einem Feste, welches dem Borstenthier gewidmet war und dessen Sieger auf der Kegelbahn soeben im Triumph herumgetragen wird, während man das erkegelte Gewinnstück nöthigt, den Triumphzug zu eröffnen.

Der Verlauf eines solchen Volksvergnügens ist in der Regel ein einfacher und gewohnheitsfester. Wo es, wie in Thüringen und Franken, so Gebrauch ist, bilden Bratwürste und Bier die ganze Speisekarte. Oft tanzt die Jugend schon während des Kegelns oder Schießens im Freien. Sicherlich geht es aber nach dem Preiswettkampfe zum Tanzsaal, da tobt die Lust sich kräftig aus, und wenn am Schluß noch als außerordentliche Zugabe eine Prügelei ihre Helden mit Beulen ziert, so muß wohl auch das zum Ländlichsittlichen gerechnet werden.

Unser Künstler läßt von einem solchen Ausgang seiner Schweine-Auskegelei nichts ahnen. Wir sehen nur die verschiedenen Auslassungen der Freuden des Tags. Es ist mit diesem Bilde ihm wieder eine der vielen Dorflust-Darstellungen, mit denen er namentlich seine Thüringer Landsleute schon so oft erfreut hat, herrlich gelungen. Wilhelm Zimmer ist selbst ein Thüringer. Am 16. April 1853 in dem „Arbeitsmekka der Thüringer Frauenwelt“ (vergl. „Gartenlaube“ 1866, S. 89), in Apolda als der Sohn eines Strumpfwirkers geboren, wurde für diese Haupt- und Hausthätigkeit nicht nur seiner Familie, sondern seiner ganzen Vaterstadt auch er bestimmt. Nach einjähriger Lehrzeit kam er zu einem Lithographen nach Weimar und erlebte dort die glückliche Entdeckung seines Talents. Denn da er zugleich die dortige Zeichenschule besuchte, so fand der berühmte Landschafter, Graf Stanislaus von Kalckreuth, welcher 1860 in Weimar eine Kunstschule gegründet hatte, die er selbst bis 1876 leitete, Gelegenheit, in diesem Apoldaer so viel eigenthümliche Begabung zu finden, daß er ihn in sein Institut aufnahm und der Ausbildung desselben seine besondere Theilnahme widmete. Seitdem hat Zimmer seine fruchtreiche Schaffenslust fröhlich walten lassen und für dieselbe ein Gebiet gewählt, das ihm immer frischen Stoff zu liefern im Stande ist, das Dorfleben und zwar vorzugsweise in seiner Heimath.

Der Fischmarkt in Amsterdam. (Mit Illustration S. 437.) Eine der interessantesten, sowohl durch ihr Aussehen als durch ihr Volksleben fesselndsten Regionen Amsterdams war mir stets der Nieuwe Markt mit seiner nächsten Umgebung, besonders dem Zee Vischmarkt. Ein Besuch desselben lohnt sich weniger wegen der verschiedenen Meeresprodukte, die dort feilgeboten werden, als wegen der interessanten Volkstypen, welche der Fremde dort zu beobachten vermag. Zwei darunter sind es, welche uns sofort in die Augen fallen und unsere Theilnahme voll in Anspruch nehmen. Unter den kräftigen, in Holzschuhen („Klompen“) umherwandelnden Männern, welche ihre Fischkörbe zur Stelle bringen, erkennt man unschwer den holländischen Fischer. Das sind wahrhaft merkwürdige Leute. Ob der Fischer auf der See mit Wind und Wogen ringt, nur seinen Lebensunterhalt zu finden, ob er angelangt am Strand den Ertrag seiner Mühen zu bergen trachtet und sorgfältig sichtet, was für eigenen Verbrauch oder Winterbedarf gehört, und vor Allem, was zum Handel sich eignet und blankes Geld für den Haushalt liefern soll; ob er endlich, heimgekehrt nach seiner Hütte, mit Weib und Kindern an Netz und Fischereigeräthen hantirt, oder nach dem städtischen Fischmarkte zieht – stets liegt ein tiefer Ernst in seinen Mienen und Bewegungen, und gelingt es, den Mann in ein Gespräch zu ziehen, so erhält man da gute und bedachte Antworten, die aber selten weiter gehen, als die Frage. Nur die Thätigkeit und Umsicht des holländischen Fischers erklären den großartigen Erfolg seiner mühseligen Arbeit. Kein Zeitpunkt wird übersehen, und wäre das Wetter, wie es häufig genug vorkommt, auch nicht günstig; keine Chance wird unversucht gelassen, tage- und wochenlang treiben die Fischer auf der See, um jeden Augenblick zu erhaschen, der dem Unternehmen günstiger werden will. Um Fischer zu sein, muß der Mann vorerst ein vorzüglicher Schiffer sein und ist es auch im vollsten Maße, denn mit den primitivsten Instrumenten, einem einfachen Kompaß u. dergl. unternimmt der ernste Holländer, den wir auf dem Fischmarkte so gemessen seinen Beschäftigungen nachgehen sehen, in seinem Boote die weitesten Reisen bis an die Shetlandsinseln, ja bisweilen bis in die Nähe von Island und findet seinen Rückweg nach der heimathlichen Küste.

Den vollendeten Gegensatz zu diesen ernsten Gestalten bilden die freundlichen Nixen, welche mit ihrem blonden, glatt gescheitelten Haar, ihren hellen klaren Augen, wohlgefärbten Wangen und ihrer freilich mitunter etwas derben Frische von dem Menschenschlage in den Niederlanden eine recht günstige Meinung erwecken. Ich meine die Dienstmädchen, welche des Morgens sich unter den Käuferinnen auf dem Fischmarkte zahlreich einfinden und wegen ihrer kleidsamen Tracht auch sonst zur Staffage des holländischen Straßenlebens dienen. In den Niederlanden huldigt man nämlich noch immer der anderwärts längst überwundenen Ansicht, wonach es weder gut noch schicklich sei, daß Frau und Dienerin in ihrem äußeren Erscheinen keinen Unterschied zeigen, und selbst die einfachste Bürgersfrau sieht strenge darauf, daß die Magd in ihrer Kleidung sich innerhalb der durch die Sitte vorgeschriebenen Grenzen bewege. Diese verlangt nun für die Dienstmädchen Sommers und Winters schmucklose Kleidung aus meist weiß und violett gestreiftem Kattun, weiße Schürze und Häubchen, schwarze Schuhe und weiße Strümpfe, welche unter dem Röckchen zum Vorschein kommen. Alles muß stets von tadelloser [440] Sauberkeit sein, und es läßt sich nicht leugnen, daß die zahlreichen, oft recht zierlichen lichten Gestalten dieser dienstbaren Geister, welche geschäftig durch die Straßen eilen oder in den Morgenstunden an den Fenstern sichtbar werden, ein ungemein belebendes, heiteres Element in das Gewühl der sonst dunklen Straßen bringen. Diese „Uniform“ der Dienstmädchen, wie wir sie auf dem Amsterdamer Fischmarkte in größerer Gesammtwirkung beobachten können, herrscht übrigens mit sehr geringfügigen Unterschieden in ganz Holland und hat jedenfalls den Vortheil, dem fremden Besucher eine unliebsame Verwechselung etwa mit der Tochter des Hauses zu ersparen. Natürlich fällt es auch Niemanden ein, wie bei uns, die pfortenöffnende Zofe mit „Fräulein“ anzureden, sondern man nennt sie ohne Rücksicht auf ihr Alter einfach: „meisje“, das heißt Mädchen.

Um die Mittagsstunde erstirbt das Leben und Treiben auf dem Fischmarkte: die Menschen verlaufen sich, und auch die Körbe mit den Fischen sind verschwunden. Wer Nachmittags oder des Abends über jene Stätte schreitet, sieht in ihr nichts als einen Theil des Nieuwe Markt. – Das treffliche Gemälde, nach welchem unser Holzschnitt ausgeführt wurde, befindet sich gegenwärtig auf der Jubiläums-Kunstausstellung in Berlin.
Friedrich von Hellwald.     

Ein billiges und wohlschmeckendes Erfrischungsmittel aus Apfelsinen-(Orangen-)schalen. Durch Trocknen, Einschichten in oder Kochen mit Zucker suchen unsere Hausfrauen nicht selten die Schalen der jetzt für wenige Pfennig zu hahenden Apfelsinen oder, wie man in Süddeutschland sagt, Orangen zu längerer Aufbewahrung tauglich zu machen, und gewinnen dadurch ein für manche Zwecke sich recht wohl eignendes Gewürz. Immerhin dürften noch ungezählte Apfelsinenschalen unbenutzt zu Grunde gehen, aus denen mit wenig Mühe und Kosten ein Erfrischungsmittel sich herstellen ließe, welches bei Allen, denen wir es vorsetzten, namentlich auch bei Arbeitern und Handwerkern, Beifall gefunden hat. Dasselbe dient zur Herstellung einer Nachahmung der in Sachsen und manchen anderen Gegenden Deutschlands beliebten „Wasserkaltschale“. Man bereitet dieselbe bekanntlich aus frischem Wasser, dem geriebene Brotkrumen, in kleine Würfel geschnittene Brotrinde, Zucker, etwas Wein und Citronenscheiben, oder an Stelle der beiden letzteren auch nur Citronensaft oder etwas Essig zugesetzt werden. Manche fügen auch noch einige in kochendem Wasser aufgequellte und wieder abgegossene Korinthen hinzu. Die letzteren sind aber entbehrlich. Der Wein und die Citronen können nach unseren Versuchen mit bestem Erfolge durch starken Essig ersetzt werden, den man durch mehrwöchentliches Ansetzen mit möglichst dünn abgeschälter Apfelsinenschale aromatisirt hat. Auf einen halben Liter Einmache-Essig genügen die Schalen von zwei Apfelsinen. Im Interesse der Haltbarkeit benutzten wir Essig, der mit Hilfe der bekannten Essig-Essenz bereitet war. Der nach beliebig langer Zeit von den Schalen abgegossene, angenehm duftende Essig hielt sich auch unfiltrirt stets mehrere Jahre. Um etwa zurückbleibend kleine Theilchen der Schale zu entfernen, kann der Essig durch ein feines Tuch oder Filterpapier gegossen werden; nöthig ist es aber nicht. Mit jedem Jahre nimmt in Folge des günstigen Handelsvertrags mit Spanien und der Eröffnung der St. Gotthardbahn der Apfelsinenhandel einen immer größeren Umfang an; die wohlfeileren (spanischen) Sorten werden heut zu Tage auf Wochen- und Jahrmärkten nicht selten auch von kleinen Leuten gekauft, denen der ohne Umstände und Zeitopfer zubereitete Apfelsinenschalenessig während der heißen Jahreszeit, sei es als Kaltschale oder auch nur als Limonade, eine recht willkommene und – was die Hauptsache ist – wohlfeile Erquickung bieten dürfte. Vielleicht ließe sich diese Kaltschale auch in den Volkskaffeehäusern einführen, deren Entstehen und kräftiges Gedeihen eines der erfreulichsten Ergebnisse der Thätigkeit des seine großen Ziele mit so viel Geschick und Umsicht verfolgenden „Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke“ ist. Für die Volkskaffeehäuser wären die Schalen in großen Städten, wo der Apfelsinenverbrauch ein massenhafter geworden ist, gewiß leicht schenkungsweise zu erlangen. Auch könnten Freundinnen der Mäßigkeitsbewegung aus den in ihren Haushaltungen abfallenden Schalen Essig für Volkskaffeehäuser oder zum Verschenken an Arbeiter, kleine Handwerker, Briefträger u. A. bereiten. Hat man nur erst die Leute mit diesem einfacheu Genußmittel bekannt gemacht, so werden die Meisten jede aufzutreibende Apfelsinenschale zu seiner Bereitung verwenden. Ein Handwerker, der auf unsere Empfehlung hin den Apfelsinenschalenessig in seiner Familie benutzte, meinte, in einfachen Familien und Volkskaffeehäusern brauche man das Brot zu der Kaltschale nicht zu reiben. Jeder könne sich dasselbe mit den Händen zerkrümeln und die Rinde in kleine Stückchen schneiden. Bemerkt sei noch, daß für eine Portion oder ein Viertel Liter Wasser ein Eßlöffel Essig und 20 Gramm Zucker genügen. Marie Ernst.     

Zwei seltsame Professoren. Im holländischen Indien giebt es noch Sultane, die den alten Glanz der Herrschaft und eine hohe Civilliste genießen, aber thatsächlich mediatisirt sind. Bei jedem derselben ist ein holländischer „Resident“ angestellt, der ihm alle Sorgen und Mühen des Regierens und der Verwaltung abnimmt. Zum standesgemäßen Hof- und Herrscheraufwand des Sultans gehört u. A. auch eine prachtvolle große Menagerie, die von einem malayischen Direktor verwaltet wird. Nun kommt einmal ein holländischer Professor der Zoologie nach Java, um dort seine Studien zu machen. Der Resident führt ihn in die Menagerie des Sultans. Der Professor interessirt sich sehr für einen großen dickköpfigen Affen mit tiefblauen Backen und zinnoberrother Nase. Das Gesicht des Professors erstrahlte in ähnlichen, jedoch etwas gemäßigteren Farben. „Ich würde behaupten“, sagte der Professor zum Residenten, „dies sei ein Mandrill, wenn ich nicht wüßte, daß dieser Affe nur in Afrika vorkommt. Ich möchte wissen, wie die Eingeborenen dies Thier nennen.“ Der Resident fragte also den Menagerie-Direktor auf Malayisch: „Wie nennt Ihr Den?“ Der Direktor zeigte auf den Professor und stellte die Gegenfrage: „Wie nennt Ihr denn Den?“ „Professor Hollanda,“ sagte der Resident. Der Malaye dankte mit einer tiefen Verbeugung, die Arme über der Brust kreuzend, für die Belehrung: dann zeigte er auf seinen schönen blauen Affen und stellte ihn vor mit den Worten: „Professor Borneo.“ Das Geschöpf stammte aus Borneo, wie der Professor aus Holland. K. B.     

Neues in der Kartographie. Die Sektion „Wienerwald“ des österreichischen Touristenklubs läßt zu Beginn des heurigeu Sommers eine auf wissenschaftlicher Grundlage beruhende, jedoch populär gehaltene Monographie des herrlichen Wienerwaldgebietes, an der es bisher mangelt, erscheinen und werden die einzelnen Theile derselben fast durchweg von Fachautoritäten verfaßt. Diesem Werke nun wird eine neue Höhenschichtenkarte des Wienerwaldes (1:100000) von Freitag beigegeben, auf der, wie ich glaube, eine Neuerung eingeführt ist, die den Touristen höchst willkommen sein dürfte. Es werden nämlich auf dieser Karte diejenigen Wege, welche in sommerlicher Zeit stark der Mittagssonne ausgesetzt sind, besonders bezeichnet werden, und so der Ausflügler bei ersten Touren in einer ihm unbekannten Gegend in die Lage versetzt, ein oft stundenlanges Marschiren auf schattenlosen Pfaden in versengender Gluth vermeiden zu können. Die Anregung zu dieser unstreitig beachtenswerthen neuen Einführung ist von dem Begründer der Sektion, Herrn Gerbers ausgegangen, dem bisher noch keine derartig bearbeitete Karte zu Gesicht gekommen ist, was jedoch nicht ausschließt, daß etwa ein Kartograph bereits diese Idee praktisch verwerthet hätte. Ernst Kelter.     


Allerlei Kurzweil.

Ring-Räthsel.

Die 31 Kreuzchen dieser Ringe sind so durch die gleiche Anzahl Buchstaben, nämlich 9 a, 1 b, 2 d, 2 e, 1 h, 2 i, 1 k, 2 l, 1 m, 2 n, 2 r, 2 s, 1 t, und 1 v zu ersetzen, daß in jedem der Ringe ein bekanntes Wort entsteht, und daß die 2 Kreisen angehörenden Buchstaben den Namen einer griechischen Göttin bilden. Die Wörter der einzelnen Ringe bezeichnen: 1. einen Gott der alten Germanen, 2. einen König der Perser, 3. eine griechische Insel, 4. eine nützliche, aus Brasilien stammende Treibhauspflanze, 5. einen Staat der nordamerikanischen Union, 6. eine Person aus Schiller’s Drama „Die Räuber“.


Auflösung des astronomischen Problems auf Seite 424: Werden die Buchstaben in der Reihenfolge der dargestellten Lichtphasenerscheinung geordnet, so ergiebt sich das Wort: „Mondfinsterniß“. K. L. Engel.     


Kleiner Briefkasten.

((Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

A. G. in Zittau. Die Schwalben gehören bekanntlich zu den vorzüglichsten Fliegern, die es überhaupt giebt, dagegen bewegen sie sich mit ihren kleinen zarten Füßen nur unbeholfen auf dem Erdboden; namentlich wird es ihnen schwer, sich flink und geschickt zu erheben und in die Luft hinaufzuschwingen. Zum Ruhepunkt muß die Schwalbe daher immer eine Stelle wählen, wo sie ohne Hinderniß die langen Flügel schnell ausbreiten und loskommen kann. So sehen wir sie auf den Dachziegeln, den Telegraphendräthen und weit hervorstehenden, dürren Zweigspitzen sitzen. Alle diese Gegenstände sind einerseits frei, so daß die Flügel bei der Ausbreitung nicht behindert sind, und andererseits glatt, damit die Füße sich zunächst nicht drücken und sodann leicht und rasch loskommen können. Dr. Karl Ruß.     

„Struppius“. Nicht geeignet. Das Manuskript steht zu Ihrer Verfügung.



Inhalt: Sankt Michael. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 425. – Sommerferien in Berlin. Von Oskar Justinus. S. 428. – Der kleine Schuh S. Skizze aus dem italienischen Badeleben von Isolde Kurz (Schluß). S. 431. – Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit. Die Elektricität im Dienst der Heilkunde. I. Mit Illustrationen S. 425 und 433. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 434. – Blätter und Blüthen: Auch ein Siegesfest. S. 439. Mit Illustration S. 429. – Der Fischmarkt in Amsterdam. Von Friedrich von Hellwald. S. 439. Mit Illustration S. 437. – Ein billiges und wohlschmeckendes Erfrischungsmittel aus Apfelsinen-(Orangen-)schalen. Von Marie Ernst. – Zwei seltsame Professoren. – Neues in der Kartographie. – Allerlei Kurzweil: Ring-Räthsel. – Auflösung des „Astronomischen Problems“ auf S. 424. – Kleiner Briefkasten. S. 440.




Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das zweite Quartal dieses Jahrgangs unserer Zeitschrift, wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das dritte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.


Die Postabonnenten machen wir noch besonders auf eine Verordnung des kaiserlichen General-Postamts aufmerksam, laut welcher der Preis bei Bestellungen, welche nach Beginn des Vierteljahrs aufgegeben werden, sich pro Quartal um 10 Pfennig erhöht (das Exemplar kostet also in diesem Falle 1 Mark 70 Pfennig statt 1 Mark 60 Pfennig).

manicula 0 Einzeln gewünschte Nummern liefern wir pro Nummer incl. Porto für 35 Pfennig (2 Nummern 60 Pf, 3 Nummern 85 Pf.). Den Betrag bitten wir bei der Bestellung in Briefmarken einzusenden.
Die Verlagshandlung.     

Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.