Die Gartenlaube (1873)/Heft 9
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No. 9. | 1873. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
„Welche Ueberraschung, Papa!“ sagte Eugenie noch strahlend vor Freude und Aufregung. „Ich hatte keine Ahnung von diesem unerwarteten Besuche.“
Der Baron ließ sich, den Arm noch immer um sie geschlungen, mit ihr auf das Sopha nieder.
„Er war auch nicht beabsichtigt, mein Kind. Eine Reise führte mich in diese Gegend, und da konnte und wollte ich nicht den Umweg von einigen Stunden scheuen, um Dich wiederzusehen.“
„Eine Reise?“ Eugenie blickte fragend in das Antlitz ihres Vaters, dessen Auge so forschend auf ihren Zügen ruhte, als wolle es darin die Geschichte dieser ganzen Wochen lesen, die sie von ihm getrennt gewesen war; aber als ihr Blick jetzt zufällig niederglitt auf seinen Hut, den er noch in der Linken hielt, schreckte sie erbleichend zusammen.
„Um Gottes willen, Papa, was soll der Trauerflor? Meine Brüder –?“
„Sie sind wohl und grüßen Dich herzlich,“ beschwichtigte der Baron. „Erschrick nicht, Eugenie!“ Für das, was Dir lieb ist, brauchst Du nicht zu zittern. Ein Trauerfall, der allerdings unsere Familie betroffen hat, geht leider, muß ich wohl sagen, Keinem von uns zu Herzen. Doch ich werde Dir das später ausführlich mittheilen, jetzt sage mir –“
„Nein, nein,“ unterbrach ihn die junge Frau unruhig, „ich muß erst wissen, wem dieser Flor gilt. Wen haben wir zu betrauern?“
Windeg stellte den umflorten Hut bei Seite und legte den Arm fester um seine Tochter; es war etwas Schmerzliches, Krampfhaftes in der Zärtlichkeit, mit der er sie an sich drückte.
„Ich bin auf der Reise, um unserm Vetter Rabenau die letzte Ehre zu erweisen. Seine Güter liegen in dieser Provinz.“
Eugenie fuhr auf. „Graf Rabenau? Der Majoratsherr –“
„Ist todt!“ vollendete der Baron schwer. „In der Fülle des Lebens und der Gesundheit, wenige Wochen vor seiner beabsichtigten Vermählung – das konnte allerdings Niemand vorhersehen.“
Eugenie war todtenbleich geworden; man sah es, die Nachricht ging auch ihr nicht zu Herzen, und dennoch erregte dieselbe sie auf’s Furchtbarste; sie sagte kein Wort, aber der Vater schien ihre Erregung zu begreifen.
„Du weißt, daß wir einander schon seit langer Zeit entfremdet waren,“ fuhr er düster fort. „Mit Rabenau’s rohem, wildem Wesen war nicht auszukommen, und nie vergesse ich die bittere Abweisung, die ich vor einem halben Jahre von ihm erfahren mußte. Er hätte uns retten können, wenn er gewollt; ihm wäre es ein Leichtes gewesen; er wies mich rauh und hart zurück. Nun ist er todt, gestorben ohne Erben; ich trete das Majorat an, jetzt, wo es zu spät ist, wo ich mein Kind geopfert habe!“
Es lag ein erschütternder Schmerz in diesen Worten. Eugenie strebte sichtbar sich zu fassen, und das gelang ihr auch im Laufe der nächsten Minuten.
„O Papa, Du darfst jetzt nicht an mich denken! Ich – ich athme ja auf bei dem Gedanken, daß Dir ein so reicher Ersatz wird für all die Demüthigungen, die Du erlitten; mich überraschte nur das Unerwartete, Plötzliche dieser Nachricht. Wir konnten uns ja nie Hoffnung auf das Majorat machen.“
„Nie!“ sagte der Baron düster. „Rabenau war jung und kräftig; er stand im Begriff, sich zu vermählen. Wer konnte da ahnen, daß eine dreitägige Krankheit ihn niederwerfen würde! Aber wenn sein Tod nun einmal beschlossen war, warum, warum konnte diese Fügung nicht eher eintreten? Vor vier Wochen noch hätte uns die Hälfte, hätte uns ein Viertheil des Reichthums gerettet, der mir jetzt zuströmt. Ich hätte dem – Schurken der mich in’s Unglück stürzte, das Geld hinwerfen können, das er mit hundertfachen Wucherzinsen forderte, und meine einzige Tochter brauchte nicht der Preis zu werden. Ich habe Dein Opfer angenommen, Eugenie. Gott weiß es, nicht um meinetwillen; es geschah für meinen Namen, für die Zukunft meiner Söhne. Aber daß dieses ganze bittere Opfer jetzt umsonst gebracht sein soll, daß eine kurze zufällige Zögerung von einigen Wochen es Dir und mir erspart hätte, diesen Hohn des Schicksals ertrage ich nicht!“
Er preßte heftig ihre Hand in der seinigen; aber die junge Frau hatte bereits ihren ganzen Stolz, ihre ganze Fassung wieder gewonnen; wie furchtbar sie auch dieses „zu spät“ berührt haben mochte, man sah es ihr nicht mehr an.
„Du darfst nicht so sprechen, Papa!“ entgegnete sie fest. „Es wäre eine Ungerechtigkeit gegen Deine anderen Kinder. Dieser Tod, den wir freilich, wie Graf Rabenau nun einmal war, nur formell betrauern können, macht Dich frei von Vielem. Meine Vermählung wendete nur das Drohendste ab; es blieb noch immer genug, was schwer auf uns lastete, was Dich vielleicht [140] später auf’s Neue in erniedrigende Abhängigkeit von jenem Manne gebracht hätte. Diese Gefahr ist nun abgewendet für immer; Du kannst ihm das Empfangene zurückzahlen. Wir schulden ihm nichts mehr!“
„Aber er schuldet Dich uns.“ unterbrach sie Windeg bitter, „und er wird sich hüten, diese Schuld je einzulösen. Das ist’s, was mir die Rettung vergällt, die ich vor Kurzem noch aufathmend begrüßt hätte und die mich jetzt zur Verzweiflung treibt um Deinetwillen.“
Eugenie wendete sich ab und beugte sich tief über die Blumen, die neben ihr in einer Vase dufteten.
„Ich bin nicht so unglücklich, wie Du und meine Brüder es vielleicht glauben,“ sagte sie leise.
„Nicht? Meinst Du, ich hätte mich durch Deine Briefe täuschen lassen? Ich wußte es im Voraus, daß Du uns schonen würdest; aber wenn mir noch ein Zweifel geblieben wäre, Deine Blässe spricht deutlich genug. Du bist unglücklich, Eugenie, mußt unglücklich sein an der Seite dieses Menschen, der –“
„Papa, Du sprichst von meinem Gatten!“
Die junge Frau erhob sich so heftig und leidenschaftlich bei diesen Worten, daß ihr Vater zurücktrat und sie betroffen ansah, ebenso erstaunt über diesen Ton wie über die dunkle Purpurgluth, die auf einmal ihr Antlitz bedeckte.
„Verzeih’!“ sagte er sich fassend, „ich kann mich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen, daß meine Tochter einem Arthur Berkow angehört, und daß ich mich in seinem Hause befinde, aber sie zwingen mich ja, es zu betreten, wenn ich mein Kind sehen will. Du hast Recht, ich muß Dich in dem Manne schonen, dem Du nun einmal angetraut bist, wenn ich es auch deutlich genug sehe, wie sehr Du durch ihn gelitten hast und noch leidest.“
Die tiefe Gluth war langsam wieder von Eugeniens Antlitz gewichen, aber noch blieb ein heller Schein davon zurück, als sie gepreßt erwiderte:
„Du irrst, ich habe keine Klage über Arthur. Er hat sich von Anfang an in einer Entfernung gehalten, die ich ihm nur danken kann.“
Das Auge des Barons flammte auf. „Ich wollte ihm und seinem Vater auch nicht rathen, die schuldige Rücksicht gegen Dich zu vergessen; sie verdienten am wenigsten die Ehre, die Du in ihr Haus brachtest, wo bis dahin nicht viel Ehre zu finden war. – Aber eine Genugthuung wenigstens kann ich Dir geben, Eugenie! Du wirst nicht lange mehr den Namen tragen, an dem so viel Gemeinheit, so viel Schändlichkeit gegen uns und Andere haftet, nicht minder schändlich deshalb, weil das Gesetz sie nicht strafen kann. Ich habe dafür gesorgt, daß wenigstens das ein Ende nimmt.“
Die junge Frau sah ihn überrascht an. „Was meinst Du damit?“
„Ich habe die nöthigen Schritte gethan, damit Deinem –“ der Baron schien sich schwer überwinden zu müssen, als er das Wort aussprach – „Deinem Gatten die Erhebung in den Adelstand zu Theil wird. Nur ihm, nicht seinem Vater, dem leiste ich keinen Dienst und den will ich nicht, wenn auch nur formell, in unsern Reihen wissen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß mit einer solchen Standeserhöhung auch eine Namensänderung verbunden wird, und das soll auch hier geschehen. Ihr könnt selbst unter den Namen Eurer Güter wählen, welcher Euch am passendsten für das neue Adelsgeschlecht erscheint. Eure Wünsche werden Berücksichtigung finden.“
„Für das neue Adelsgeschlecht?“ wiederholte Eugenie tonlos. „Du bist im Irrthum, Papa, und wenn Du diese Standeserhöhung nur meinetwegen wünschest – doch Du hast Recht, es ist in jedem Fall das Beste! Mir ist der Gedanke schrecklich gewesen, von Arthur’s Großmuth bedingungslos zurücknehmen zu müssen, was er theuer genug gekauft und bezahlt hat. So bieten wir ihm doch etwas dafür! Das Adelsdiplom wird ihm reichlich Ersatz sein für das, was er aufgiebt.“
Es war ein Ausbruch überwallender Bitterkeit in diesen Worten, und doch zuckte mitten durch die Bitterkeit ein verhaltener Schmerz; für Windeg war eins so unverständlich wie das andere. Die Rede seiner Tochter blieb ihm völlig räthselhaft, und er war eben im Begriff, eine Erklärung darüber zu verlangen, als der Diener Herrn Berkow meldete, der den Herrn Baron zu begrüßen wünsche.
Arthur trat ein und näherte sich dem Baron, dem er einige Artigkeiten über sein unerwartetes Eintreffen sagte. Der junge Mann war wieder sehr gleichgültig, sehr blasirt. Man sah es ihm deutlich genug an, daß er nur eine Pflicht der Höflichkeit erfüllte, die ihm gebot, seinen Schwiegervater zu bewillkommnen, der seinerseits die Nothwendigkeit dieser Bewillkommnung über sich ergehen ließ. Da diesmal keine fremden Zeugen zugegen waren, so unterblieb auch die Form des Händedrucks, man ließ es bei einer gegenseitigen kühlen Verneigung bewenden; dann nahm der ältere Herr wieder neben seiner Tochter Platz und der jüngere blieb an seinem Sessel stehen, in der offenbaren Absicht, diesen gezwungenen Besuch im Salon seiner Gemahlin so viel als möglich abzukürzen.
Windeg hätte nicht der vollendete Weltmann sein müssen, um nicht, trotz des aufregenden Gespräches, das er soeben mit Eugenien geführt hatte, sofort den Gesellschaftston wieder zu finden. Es folgten die üblichen Fragen und Erkundigungen nach den verschiedenen Familiengliedern; der Tod des Grafen Rabenau wurde als Veranlassung der Reise erwähnt und sehr förmlich von Arthur bedauert, der jedenfalls keine Ahnung von der Veränderung hatte, die dieser Tod in den Verhältnissen seiner neuen Verwandten hervorrief. Endlich ging der Baron auf ein anderes Thema über.
„Uebrigens bringe ich eine Nachricht aus der Residenz mit, die auch für Sie, Herr Berkow, vom höchsten Interesse ist,“ sagte er artig. „Ich darf wohl annehmen, daß Ihnen die Wünsche Ihres Herrn Vaters in Bezug auf eine Standeserhöhung kein Geheimniß geblieben sind, und kann Ihnen die Versicherung geben, daß ihre Erfüllung nahe bevorsteht. In einem Punkte freilich fand ich unübersteigliche Hindernisse; man hegt gewisse – Vorurtheile gegen Herrn Berkow persönlich, die kaum zu überwinden sein dürften, dagegen ist man sehr gern bereit, einen unserer ersten Industriellen dadurch auszuzeichnen, daß man seinem Sohne den Adel ertheilt. Ich hoffe Ihnen in Kurzem dazu gratuliren zu können.“
Arthur hatte zugehört, ohne eine Miene zu verändern. Jetzt hob er das Auge empor, und sofort richtete sich Eugeniens Blick mit einem ihr selbst unerklärlichen Interesse auf diese Augen, obgleich augenblicklich darin nicht das Geringste zu lesen war.
„Darf ich fragen, Herr Baron, ob in dieser Angelegenheit allein die Wünsche meines Vaters oder auch Rücksichten auf Ihre Tochter vorwaltend waren?“
Windeg bekämpfte eine leichte Verlegenheit. Er hatte sicher auf einen Dank gerechnet und nun kam statt dessen diese seltsame Frage. „Unsere beiderseitigen Wünsche kamen sich wohl entgegen, nachdem die Verbindung einmal geschlossen war,“ erwiderte er etwas gezwungen. „Uebrigens verhehlte ich schon damals Herrn Berkow nicht meine Bedenken wegen einer persönlichen Standeserhöhung und erhielt von ihm die Versicherung, daß er im Nothfall darauf verzichten würde, zu Gunsten seines einzigen Sohnes und Erben, dem er ja damit allein eine glänzende Zukunft schaffen wollte.“
„Dann bedaure ich, daß mein Vater mich nicht von dem Fortschreiten einer Sache unterrichtet hat, die ich nur als unbestimmten Plan kannte,“ sagte Arthur kühl. „Und ich bedaure noch mehr, Herr Baron, daß Sie Ihren Einfluß für eine Ehre verwandt haben, die ich leider ablehnen muß.“
Der Baron fuhr auf und sah seinen Schwiegersohn mit starren Augen an.
„Verzeihen Sie, Herr Berkow! Ich hörte wohl nicht recht? Mir däucht, Sie sprechen von Ablehnung?“
„Von der Ablehnung des Adels, wenn er mir angeboten würde – ja, Herr Baron.“
Windeg war vollständig aus der Fassung gebracht, was ihm sicher nicht oft passirte. „Nun, dann muß ich Sie doch bitten, mir den Grund dieser, gelinde gesagt, seltsamen Weigerung zu nennen. Ich bin höchst begierig darauf.“
Arthur sah zu seiner Frau hinüber. Sie war zusammengezuckt bei seinen Worten, und die dunkle Röthe ergoß sich wieder heiß über ihre Wangen. Beider Augen begegneten sich und ruhten einige Secunden lang ineinander, aber es schien nicht, als habe der junge Mann viel Nachgiebigkeit geschöpft aus diesem Blicke, denn seine Stimme hatte einen entschiedenen Anflug von Trotz, als er erwiderte:
[141] „Die Seltsamkeit liegt wohl weniger in meiner Ablehnung, als in der Art des Anerbietens. Wäre meinem Vater der Adel wegen der Verdienste ertheilt worden, die er doch unleugbar um die Industrie hat, so hätte ich als sein Erbe ihn gleichfalls angenommen. Es ist eine Auszeichnung wie jede andere, und als solche ehrenvoll. Man hat nicht für gut gefunden, sie ihm zu gewähren, und ich bin natürlich nicht Richter über die ‚Vorurtheile‘, die dem entgegenstehen mögen, aber ich meinestheils habe nicht den mindesten Anspruch auf eine solche Auszeichnung und deshalb halte ich es für besser, wir lassen die Residenz nicht behaupten, daß eine Verschwägerung mit der Windeg’schen Familie nothwendig ein Adelsdiplom im Gefolge haben müsse.“
Er hatte die letzten Worte sehr gleichgültig hingeworfen, und doch preßte Eugenie zornig die Lippen zusammen; sie wußte, daß sie einzig ihr galten. Wollte er sich denn durchaus von Allem frei machen, was ihr noch das Recht gab, ihn verachten zu dürfen? und sie fühlte doch jetzt mehr als je den Wunsch, es zu thun.
„Ich scheine in der That im Irrthum über die Gründe gewesen zu sein, die Sie diese Verschwägerung wünschen ließen,“ sagte der Baron langsam, „aber ich muß gestehen, bei Ihnen war ich am wenigsten auf solche Ansichten gefaßt, die auch wohl neueren Datums sind, denn vor Ihrer Vermählung schienen Sie eher dem Gegentheil zu huldigen.“
„Vor meiner Vermählung!“ Ein unendlich bitteres Lächeln spielte um Arthur’s Lippen. „Da war ich allerdings noch nicht darüber orientirt, wie man in Ihren Kreisen, Herr Baron, mich selbst und mein Verhältniß zu diesen Kreisen zu beurtheilen pflegte. Seitdem ist mir das in ziemlich schonungsloser Weise klar gemacht worden, und es kann Sie daher nicht befremden, wenn ich darauf verzichte, dort nach wie vor für einen unberufenen Eindringling zu gelten.“
Eugeniens Finger preßten sich hier so heftig um die Rose, die sie vorhin aus der Vase gezogen und noch in der Hand hielt, daß die zarte Blume dasselbe Schicksal hatte, wie neulich ihr Fächer in Arthur’s Händen; zerdrückt fiel sie auf den Teppich nieder. Arthur merkte das nicht. Er drehte ihr fast den Rücken und wendete sich ganz ihrem Vater zu, der ihn mit einem Ausdruck ansah, als zweifle er durchaus und vollständig daran, daß es wirklich sein Schwiegersohn sei, der da vor ihm stehe.
„Ich habe begreiflicher Weise keine Ahnung, wer Ihnen diese jedenfalls sehr übertriebenen Eröffnungen gemacht hat,“ entgegnete er ernst, „aber ich muß Sie doch bitten, in diesem Punkte Rücksicht auf Eugenie zu nehmen. Bei der Rolle, die sie voraussichtlich im Winter in der Residenz spielen wird, kann sie – verzeihen Sie, Herr Berkow! nicht den bürgerlichen Namen tragen: das lag weder in der Absicht Ihres Vaters noch in der meinigen.“
Ein langer düsterer Blick Arthur’s streifte seine Gattin, die sich noch immer mit keinem Worte an dem Gespräche betheiligte, so sehr sie sonst ihre Ansicht und ihren Willen geltend zu machen wußte.
„Bis zum Winter könnten sich die Verhältnisse ganz anders gestalten, als es jetzt den Anschein hat. Ueberlassen Sie das Eugenien und mir! Für jetzt bedaure ich, bei meinem Nein bleiben zu müssen. Da mir allein diese Erhebung angeboten wird, so habe ich ja auch wohl allein das Recht, anzunehmen oder abzulehnen, und ich lehne ab, was ich – verzeihen Sie, Herr Baron – dem aristokratischen Namen meiner Frau nicht danken will.“
Windeg erhob sich verletzt. „Dann bleibt mir allerdings nichts übrig, als die schon gethanen Schritte in dieser Angelegenheit schleunigst wieder rückgängig zu machen, damit ich nicht noch mehr compromittirt werde, als es bereits der Fall ist. – Eugenie, Du schweigst ja vollständig zu dem Allen. Was sagst Du denn zu diesen eben gehörten Ansichten Deines Herrn Gemahls?“
Die Antwort sollte der jungen Frau erspart werden, denn in diesem Augenblicke wurde die Thür nicht wie sonst von dem Diener geräuschlos geöffnet, sondern hastig aufgerissen, und herein stürzte, ohne Anmeldung, mit aschbleichem Gesicht und vollständiger Hintansetzung aller Formen, die er sonst so zierlich zu beobachten wußte, Herr Wilberg.
„Ist Herr Berkow hier? Verzeihen Sie, gnädige Frau! Ich muß Herrn Berkow augenblicklich sprechen!“
„Was ist geschehen?“ fragte Arthur, dem jungen Manne entgegentretend, dessen verstörtes Gesicht eine Unglücksbotschaft verrieth.
„Ein Unfall!“ sagte Wilberg athemlos. „Unten im Fahrschacht – Ihr Herr Vater ist schwer verletzt, sehr schwer – der Director schickt mich!“
Er kam nicht weiter in seinem Berichte, denn Arthur war bereits an ihm vorüber zur Thür hinausgeeilt. Der junge Beamte stand im Begriff ihm zu folgen, als er sich draußen im Corridor von dem Baron zurückgehalten sah.
„Haben Sie dem Sohne die volle Wahrheit gesagt?“ fragte dieser ernst. „Mir brauchen Sie nichts zu verschweigen. Ist Herr Berkow todt?“
„Ja!“ stieß Wilberg hervor „Er fuhr mit dem Steiger Hartmann zu Tage – die Seile sind gerissen – Hartmann rettete sich durch einen Sprung auf die vorletzte Bühne. Herr Berkow stürzte in die Tiefe. Kein Mensch weiß, wie das Unglück eigentlich geschehen ist, aber verheimlichen läßt es sich nicht. Bereiten Sie die gnädige Frau vor, Herr Baron! Ich muß fort!“
Er eilte Arthur nach, während Windeg in den Salon zurückkehrte, wo seine Tochter ihm bereits in heftiger Erregung entgegenkam.
„Was hast Du erfahren, Papa? Das Gesicht des Unglücksboten sprach von mehr als einer bloßen Verletzung! Was ist geschehen?“
„Das Schlimmste!“ sagte der Baron erschüttert. „Wir haben den Mann eben noch so bitter angeklagt, Eugenie; jetzt ist es zu Ende mit dem Haß und der Feindschaft zwischen uns und ihm – der Tod hat sie geschlichtet!“
Die erste Woche mit ihrer düsteren Feierlichkeit war vorüber, aber der dumpfe Druck, der auf jedem Trauerhause liegt, war nicht gewichen und gab sich nur schwerer kund jetzt, wo die Unruhe all dieser Anordnungen, Beileidsbezeigungen und Besuche vorüber war. An Zeichen äußerer Theilnahme hatte es nicht gefehlt. Berkow’s Stellung, seine Bekanntschaft und Verbindungen in den verschiedenen Kreisen machten seinen Tod zu einem Ereigniß. Das Gefolge, dem sich natürlich die sämmtlichen Beamten und Arbeiter der Werke anschlossen, war ein endloses gewesen. Karten und Briefe bedeckten in unendlicher Anzahl den Schreibtisch des jungen Erben, dessen Gemahlin die Besuche der ganzen Umgegend empfing. Man bewies beiden alle möglichen Rücksichten, und dies um so mehr, als man ihnen gegenüber keine „Vorurtheile“ zu überwinden hatte, wie Baron Windeg es diplomatisch nannte. Zu Herzen ging dieser Verlust wohl Keinem, vielleicht nicht einmal dem einzigen Sohne des Verstorbenen, für den er doch so viel gethan; denn es ist schwer da zu lieben, wo auch nicht eine Spur von Achtung vorhanden ist. Uebrigens ließ es sich schwer entscheiden, ob Arthur Berkow durch den Tod seines Vaters wirklich tief oder nur oberflächlich berührt wurde. Wer die Fassung sah, die er Anderen gegenüber zeigte, mußte wohl das Letztere glauben, und doch war er furchtbar ernst geworden seit jener Katastrophe und fast unzugänglich für Jeden, mit dem er nicht nothgedrungen verkehren mußte. Eugeniens Ruhe konnte Niemanden befremden, der die näheren Verhältnisse kannte. Für sie, wie für ihren Vater hörte mit dem Tode des alten Berkow allerdings der Haß gegen ihn auf; von einer anderen Regung war hier nie die Rede gewesen – und dieser Standpunkt wurde leider von Vielen getheilt; denn nur zu Viele hatten Grund dazu.
Die Beamten waren zu oft durch das brutale, hochmüthige Wesen des Emporkömmlings verletzt worden, der ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nur als eine Waare betrachtete, die ihm gegen Bezahlung des Gehaltes zur unbedingten Verfügung stand, um einen Chef zu betrauern, bei dem weder Charakter, noch Persönlichkeit, noch Tüchtigkeit galt, sondern nur die möglichst vortheilbringende Verwendbarkeit in der betreffenden Stellung. Noch Schlimmeres aber gab sich bei den Arbeitern kund, eine vollständige Fühllosigkeit, die keine Regung des Mitleides, der Theilnahme aufkommen ließ. Berkow war, was man ihm auch sonst vorwerfen mochte, doch unleugbar ein industrielles Genie ersten Ranges gewesen. Er hatte sich aus Armuth und Niedrigkeit zu einer bedeutenden Höhe emporgeschwungen, hatte Schöpfungen in’s Leben gerufen, die, was die Großartigkeit betraf, sich den [142] ersten des Landes an die Seite stellen durften; er hatte eine Stellung errungen, in der er Tausenden hätte zum Segen werden können. Er war es ihnen nicht geworden, hatte es nicht werden wollen. Da mußte denn wohl sein Andenken die Verurtheilung über sich ergehen lassen, die in diesem Aufathmen nach seinem plötzlichen Tode lag, das durch seine ganze Umgebung, durch all seine Schöpfungen ging, in diesem unausgesprochenen und doch von Allen gefühlten „Gott sei Dank!“
Ob die Erbschaft eines solchen Lebens und dessen, was es seit Jahrzehnten gesäet, wirklich so beneidenswerth war, als es den äußeren Anschein hatte, mochte dahingestellt bleiben. Jedenfalls wälzte schon diese Erbschaft an sich eine Last von Geschäften auf die Schultern des jungen Erben, der er nach dem allgemeinen Urtheil am wenigsten gewachsen war. Er hatte freilich Beamte aller Fächer, Vertreter und Bevollmächtigte genug; aber je mehr sein Vater es verstanden hatte, sie sämmtlich in Abhängigkeit von sich zu erhalten und an seine unbedingte Oberleitung zu gewöhnen, desto mehr fehlte ihnen jetzt die Hand und das Auge des Herrn, fehlte dieser Herr selber. Jetzt sollte der Sohn die Zügel in die Hand nehmen und noch ehe dies geschehen war, mußte auch er das Urtheil oder vielmehr die Verurtheilung über sich ergehen lassen, die in dem Achselzucken seiner sämmtlichen Untergebenen lag. Sie waren bereits einig darüber, daß auf ihn so gut wie gar nicht zu rechnen sei.
In dem Conferenzzimmer war das ganze Beamtenpersonal versammelt, um den nunmehrigen Chef zu erwarten, der sie für diese Stunde herbeschieden hatte. Aber wer die rathlosen, verstörten und zum Theil selbst angstvollen Gesichter der Herren sah, der mußte wohl auf die Idee gerathen, daß hier mehr verhandelt werden sollte, als eine blos formelle Begrüßung und Vorstellung, jetzt, nachdem die ersten Tage der Trauer vorüber waren.
„Das war ein Schlag!“ sagte der Director eben zu Herrn Schäffer, der gleichfalls aus der Residenz eingetroffen war. „Der schlimmste, der uns überhaupt treffen konnte! Wir wußten ja längst, was sie unter einander verabredeten und planten, und das geschieht ja auch überall auf den benachbarten Werken. Man sah es kommen; man hätte seine Maßregeln danach genommen, aber jetzt schon, grade in diesem Augenblick! Das liefert uns auf Gnade und Ungnade in ihre Hände.“
„Hartmann hat seine Zeit gut gewählt!“ fiel der Oberingenieur bitter ein. „Er weiß sehr wohl, was er thut, wenn er allein vorgeht, ohne die anderen Werke. Der Chef todt, sämmtliche Geschäfte in Stockung und Verwirrung, der Erbe unfähig zu jedem energischen Eingreifen – da kommt er mit seinen Forderungen! Ich habe es Ihnen immer gesagt, dieser Hartmann ist uns ein Pfahl im Fleische. Die Leute sind gut und man kann es ihnen nicht verdenken, wenn sie endlich einmal Sicherung ihres Lebens in den Schachten und das Nothwendige für dieses Leben verlangen. Sie haben lange genug unter drückenden Umständen ausgehalten, wie keine der Anderen, und sie hätten auch vernünftige Forderungen gestellt, die man bewilligen könnte. Was sie uns aber unter diesem Führer zudictiren, das übersteigt ja alle Begriffe, das ist ja eine offene Empörung gegen alles Bestehende!“
„Was wird nur der junge Herr thun?“ fragte Wilberg, der unter all den Rathlosen und Aengstlichen der Rathloseste und Aengstlichste war, ziemlich kleinlaut.
„Was er unter den augenblicklichen Umständen thun muß,“ entgegnete Herr Schäffer ernst, „die Forderungen bewilligen.“
„Erlauben Sie, das kann er nicht!“ fuhr der Oberingenieur auf. Das zerreißt alle Disciplin und macht ihn in Jahr und Tag zum ruinirten Mann. Ich wenigstens bleibe nicht auf den Werken, wo das durchgeht.“
Schäffer zuckte die Achseln. „Und doch wird ihm kaum etwas Anderes übrig bleiben. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß die Dinge bei uns keineswegs so glänzend stehen, als es den Anschein hat. Wir haben Verluste in der letzten Zeit gehabt, sehr bedeutende Verluste; wir haben nach allen Seiten hin Ausfälle decken, Opfer bringen müssen; dann war noch so manche andere Verpflichtung – genug, wir sind einzig auf den augenblicklichen Ertrag der Werke angewiesen. Feiern uns die einige Monate und können wir die für dies Jahr abgeschlossenen Contracte nicht zur Ausführung bringen, dann sind wir – am Ende.“
„Die Leute müssen irgend etwas davon in Erfahrung gebracht haben,“ meinte der Oberingenieur finster, „sonst würden sie es gar nicht wagen, so aufzutreten; aber sie wissen nur zu gut, daß das einmal Bewilligte nicht wieder zurückgenommen werden kann. Hartmann wird Alles aufbieten, es durchzusetzen, und wenn er es unter dem zwingenden Druck der Verhältnisse wirklich durchsetzt – was sagte denn Herr Arthur, als Sie ihm von diesem Stande seiner Angelegenheiten Mittheilung machten?“
Es war eigenthümlich, daß die sämmtlichen Beamten nie von „Herrn Berkow“ oder ihrem Chef sprachen, als sei es ihnen unmöglich, die Person des jungen Herrn mit diesen Bezeichnungen in Verbindung zu bringen; sie nannten ihn noch immer „Herr Arthur“ oder „der junge Herr“, wie sie ihn stets genannt hatten. Bei der letzten Frage richteten sich Aller Augen auf Schäffer.
Es war an einem schönen Herbsttage des Jahres 1870, als ich mich von Versailles aufmachte, Klein-Trianon, den Lieblingsaufenthalt der Königin Marie Antoinette, zu besuchen. War es die herbstliche Jahreszeit oder das Andenken an die unglückliche Fürstin – ich fühlte mich von einer Art von wehmüthiger Trauer ergriffen und ein dunkler Schleier schien über die mich umgebende Landschaft ausgebreitet. Indem ich das Auge auf jenem Schlößchen, halb im Gebüsch verborgen, ruhen ließ, mußte ich unwillkürlich der Frau gedenken, deren Name durch das Unglück geheiligt und gleichsam mit dem Schmerz identisch geworden ist. Man hat stets den Ausgang dieser Tragödie vor Augen; die endliche Katastrophe derselben ist so traurig und so schrecklich zugleich, daß man in der That sich Gewalt anthun muß, um wenigstens für kurze Zeit sich diesen Betrachtungen zu entziehen und vor dem Auge der Seele noch einmal jene kurze, glückliche Zeit emporsteigen zu sehen, wo es nichts als Feste und Jubel hier gab.
Im Jahre 1774, als Ludwig der Sechszehnte kaum den Thron bestiegen, sagte er eines Tages zu seiner jungen Gemahlin: „Sie lieben die Blumen? Wohlan, ich habe Ihnen ein Bouquet zu überreichen – es ist Klein-Trianon.“ Welch ein Geschenk konnte der jungen Fürstin wohl willkommener sein, ihr, der enthusiastischen Freundin des Landlebens und der Natur?
Klein-Trianon liegt an dem äußersten Ende des Parks von Groß-Trianon und besteht aus einem viereckigen Pavillon römischer Architektur. Dies Miniaturpalais hat nur ein Erdgeschoß und zwei Stockwerke, deren Façaden mit Säulen korinthischer Ordnung geschmückt sind. Der Architekt Gabriel hatte es für Ludwig den Fünfzehnten gebaut, der es in den letzten Jahren seines Lebens zu seinem Lieblingsschlosse erkor. Er ließ es mit einem botanischen Garten umgeben; und hier, inmitten einer damals in Frankreich fast noch unbekannten Flora, pflegte er nach einer in wüsten Orgien verbrachten Nacht in Gemeinschaft mit einem seiner Hofschranzen zu botanisiren.
Trianon wurde der liebste Aufenthalt der jungen Marie Antoinette, die damals noch kinderlos war und den Staatsgeschäften fern stand. Hier konnte sie neue Schöpfungen in’s Leben rufen und schon Vorhandenes vergrößern oder verschönern lassen, hier, in ihrem kleinen Königreich, ein Volk von Gärtnern und Künstlern befehligen, um endlich nach so vielen Anstrengungen und nach Ueberwindung aller Schwierigkeiten ein trautes Daheim zu haben, das sie, in Erinnerung an ihre glückliche Kindheit, ihr kleines Wien nannte. Es lag damals in der Zeitströmung, die Natur von der lästigen Bevormundung und dem steifen Regelzwange der Lenôtre’schen Gartenkunst zu befreien. Das Buch des Engländers Sir Thomas Wathely „Ueber die moderne Gartenkunst“ hatte den ersten Anstoß und die erste Anleitung gegeben, diese neue Geschmacksrichtung zu entwickeln. Seitdem wollte jedes Landhaus einen sogenannten „jardin chinois“ haben. Marie Antoinette war mit dem bisher geleisteten mit nichten zufrieden;
[143]wollte sie doch in ihrem jugendlichen Ehrgeiz, wenn möglich, Alles überbieten, was die Mode bis dahin gegen Lenôtre’s Kunst unternommen. Welch anmuthiger Plan: eine Königin, des Thrones müde, will die sie umgebenden Gärten aus der ihnen angelegten Zwangsjacke befreien, und indem sie selbst die Fesseln ihres Ranges abstreift und zur reinen Menschlichkeit zurückkehrt, giebt sie die Natur ihrem Schöpfer zurück!
„Hier lebe ich mir selber,“ pflegte sie wohl entzückt von der Verwirklichung dieses so lange im stillen gehegten Planes auszurufen. In einem einfachen weißen Kleide, das zierliche Haupt mit einem breitränderigen Strohhute bedeckt, durchstreifte sie, das Herz geschwellt von Jugendlust und Glück, ihre jungen Schöpfungen. Ins Schloß zurückgekehrt, unterbrach ihr Eintritt in den Salon weder die Beschäftigung der Damen noch die Partie Billard der Herren. Nach Trianon kam der König zu Fuß und allein, ohne jegliches Gefolge. Die von der Königin Eingeladenen langten um zwei Uhr zum Mittagsessen an und kehrten gegen Mitternacht nach Versailles zurück. „In Trianon,“ schreibt der Prinz von Ligne, „athmet man in einer Atmosphäre von Freiheit und Glück. Der Rasen scheint hier frischer, das Wasser klarer zu sein. Man glaubt sich hundert Meilen vom Hofe fern.“ Aus dem Schlosse kommend, das sich im Innern durch nichts, als durch seine Einfachheit auszeichnet, treten wir in einen Vorbau hinaus (la salle des fraîcheurs) bestehend aus einer Reihe von Bogengängen und Gitterwerk, die ganz mit Schlingpflanzen bedeckt sind. Rechts vom Schlosse ist der neue Garten mit seinen seltsam verschlungenen Gängen, Grotten und Bäumen, deren Laub in allen Farbenschattirungen, vom dunkelsten Grün bis zum tiefsten Roth, spielt.
Auf einer mäßigen Anhöhe, umgeben von Jasminen, Myrthen [144] und Rosenbüschen, erhebt sich ein zierliches Belvedere, von wo aus die Königin ihr kleines Reich mit einem Blick überfliegen konnte: die Grotte, der Wasserfall mit der darüber geschwungenen kunstlosen Brücke, die Mühle mit ihrem einförmigen Geklapper, die Insel mit dem Liebestempel, das Schweizerdorf, wo der König den Müller, und sein Bruder, der Graf von Provence (Ludwig der Achtzehnte) den Schulmeister spielte. Dort war es auch, wo die Königin und ihre Gesellschaft, die Träume der Schäferromane verwirklichend, die Schafe mit goldenen Scheeren schoren, die Kühe in einer marmornen Milchkammer melken und die Ernte auf Leitern von Mahagoni zu Boden brachten. Nachdem Trianon bereits bei Gelegenheit eines Besuches Kaiser Joseph des Zweiten mit einem großartigen Feuerwerk, begleitet von einer feenhaften Beleuchtung der Gärten, seine feierliche Einweihung gehabt, wurde den 10. August 1780 das Theater mit dem Lustspiel „König und Pächter“ eröffnet. Selten hat man wohl Gelegenheit, eine so vornehme Schauspielertruppe und ein so gewähltes Auditorium beisammenzusehen. Die Königin gab in dem Stück die Rolle der Jenny und spielte sehr natürlich und anspruchslos. Eines Abends, als sie die dienstthuenden Gardes du Corps als Zuschauer zugelassen, näherte sie sich ihnen und sagte: „Ich habe mein Möglichstes gethan, Sie zu amüsiren, und ich wollte nur, daß ich besser spielte, um Ihr Vergnügen vollständig zu machen.“ Ein anderes Mal hatte die Königin im „Dorfwahrsager“ eben eine Arie geschmackvoll vorgetragen, als plötzlich aus einer der Logen ein Pfeifen ertönte. Sie trat bis an die Rampe vor und sagte in einem halb bescheidenen, halb spottenden Tone: „Mein Herr, wenn Sie nicht mit uns zufrieden sind, so gehen Sie an die Casse und lassen sich Ihr Geld wiedergeben!“ Wie es sich später zur allgemeinen Belustigung ergab, war es der König gewesen, der sich einen Scherz mit seiner Gemahlin erlaubt.
Hernach war das Milchmädchen von Trianon wieder mit ebenso vieler Würde die Königin von Frankreich und Navarra. Was auch ihre Verleumder dagegen gesagt haben, sie wußte sich in allen Lagen Respect zu verschaffen. „Ihre angebliche Galanterie,“ sagt der Prinz von Ligne, „war nie etwas Anderes, als ein tiefes Bedürfniß der Freundschaft für eine oder zwei Personen und eine leichte Coquetterie der Frau, der Königin, die so gerne aller Welt gefallen wollte. Selbst zu der Zeit, wo ihre Jugend und ihre Unerfahrenheit leicht dazu verleiten konnten, sich ihr gegenüber allzu sehr gehen zu lassen, ist es Keinem unter uns, die wir doch täglich das Glück hatten, sie zu sehen, beigefallen, jemals die geringste Unschicklichkeit zu begehen. Sie war immer die Königin, ohne sich selbst dessen bewußt zu sein. Man verehrte sie, ohne daß jemals ein unlauteres Gefühl sich hineinmischte.“
Die Königin gab sich dem idealen Traume hin, jene Einfachheit der deutschen Höfe, wo die Größe eine gewisse Gemüthlichkeit nicht ausschließt, nach Frankreich verpflanzen zu können, und die strenge Etiquette, die eine beständige Marter ist, zu besiegen. Dies war gewiß eine große Unbesonnenheit, denn abgesehen davon, daß die vornehme Hofgesellschaft durch das zurückgezogene Leben der Königin in Trianon, wohin ihr nur eine kleine Anzahl Auserwählter folgen durfte, ihren natürlichen Mittelpunkt verlor und schmollend und unzufrieden sich um die mißgünstigen Tanten des Königs schaarte, kann auch das französische Volk im Allgemeinen so viel Herablassung und Güte nicht auf die Dauer vertragen. Es will, wie Graf Ségur richtig bemerkt, trotz des Leichtsinns, den man ihm vorwirft, und vielleicht eben deshalb, die Gewalt, die es beherrscht, von einer gewissen Gravität umgeben sehen. Es bedarf einer ernsten Güte, die es in angemessener Entfernung hält und keine Vertraulichkeit aufkommen läßt.
Marie Antoinette sah die menschliche Natur in zu gutem Lichte; sie beurtheilte die Herzen Anderer zu sehr nach ihrem eigenen. Aber dieses Uebermaß von Edelmuth und Vertrauen ist gewiß ein sehr verzeihlicher Fehler. Was sie uns so sympathisch macht, ist, daß sie mit einem durchaus offenen Charakter alle guten und schönen Eigenschaften des zarten Geschlechts, Güte, Zärtlichkeit, Aufopferung, Enthusiasmus, verbindet, daß sie ihr Ideal nicht in aufgeblähtem Stolz und unnahbarer Größe fand, sondern in den Freuden des Familienlebens und der Freundschaft, in den Annehmlichkeiten des Landlebens und in der Betrachtung der Naturschönheiten. Wenn man ihr einige Thorheiten vorwirft, denen man erst lauten Beifall gezollt, um sie ihr dann später als unverzeihliche Verbrechen vorzuwerfen, so erscheint sie uns darum um so liebenswürdiger.
Umgiebt nicht ein magischer Zauberkreis diese Frau, die den Festen von Trianon präsidirt? Welch anmuthiges Bild! Alle Reize, die dem Dasein Werth verleihen, finden sich auf diesem Fleckchen Erde vereinigt. Wie unter dem Zauberstabe einer Fee verwirklichen sich hier alle Träume der Einbildung, alle Traumgebilde der Phantasie.
Man sollte denken, eine solche bevorzugte Existenz hätte nur Freuden in ihrem Schooße geborgen und die Schloßfrau von Trianon wäre die Glücklichste unter den Sterblichen gewesen. Und dennoch nicht! All’ dieses Glück ist nur ein künstliches. Schon in den schönsten Tagen zeigen sich Anwandlungen von Verstimmungen und Ahnungen kommenden Unglücks. Während noch ganz Frankreich seiner künftigen Herrscherin zulächelte, begannen schon leise im Verborgenen die Machinationen der altfranzösischen Partei – deren Politik bekanntlich Choiseul durch das Bündniß mit Oesterreich gebrochen und als dessen Pfand Marie Antoinette nach Frankreich gekommen –, die keinen andern Zweck verfolgte, als Marie Antoinette als Deutsche, als Oesterreicherin bei dem Volke verhaßt zu machen. Der Erfolg hat leider nur zu sehr gezeigt, welch leichtes Spiel diese Partei, begünstigt durch die Unerfahrenheit der jungen Königin, bei der leichtgläubigen Menge hatte.
Marie Antoinette mit ihrem unverdorbenen deutschen Gemüthe suchte Freunde, und sie fand nichts als Ehrgeizige, Intriganten und Laffen. Sie mußte zu ihrem Schmerze erkennen, daß Königinnen keine Freunde haben. So viele Freundschaften, an deren Aufrichtigkeit sie geglaubt, waren nur von Interesse und Berechnung eingegeben. Diese elegante Gesellschaft der Polignac, Besenval etc., welche die vertraute Umgebung der Königin bildete, entpuppte sie sich nicht als eine Reihe von Ehrgeizigen? Alle wollten sie, daß Trianon für sie der Weg zu Ehre und Ruhm, zu Rollen und Glücksgütern würde. Und wenn es so mit ihren Freunden sich verhielt, wie sah es erst auf Seiten ihrer Feinde aus! Trianon war beständig von listigen Spähern umgeben. Da sich nichts von Belang gegen die Aufführung der Königin aufbringen ließ, so suchte man sein Heil in der Spionage, um dann hinterher die kleinsten Vorkommnisse, entsetzlich entstellt, in’s Publicum zu bringen.
Die Prinzen und Prinzessinnen des Königshauses konnten es ihr nicht vergessen, daß sie durch sie in Schatten gestellt wurden; die Minister suchten das Mißtrauen des Königs gegen sie als Oesterreicherin zu reizen. In der That, Ludwig der Sechszehnte liebte die Königin, und zwar in einer Weise, wie sie die Bourbons bisher nur gegen ihre Maitressen gezeigt, und es ist daher eine richtige Bemerkung eines Zeitgenossen, daß Marie Antoinette mit der Liebe gleichzeitig den Haß geerbt, mit dem man die Maitressen der Könige verfolgte. Bisher hatte die Gunst der öffentlichen Meinung die Königinnen über die Untreue ihrer Gatten getröstet, jetzt hatte sich dieselbe gegen die rechtmäßige Gattin gewandt, da der Einfluß einer Pompadour, einer Dubarry auf sie übergegangen war.
Wir sehen, wie Marie Antoinette, vor der sich anscheinend Alles im Staube neigte, nichts destoweniger wie von einer feindlichen Atmosphäre umgeben war. Der Prinz Ligne sagt in Bezug hierauf: „Ich habe sie keinen einzigen Tag vollkommen glücklich gesehen. Selbst während der glänzendsten Epoche ihrer Laufbahn war ihr Geist nie von traurigen Vorahnungen frei.“
Bei dem herannahenden Verhängnisse, das die Königsfamilie so schrecklich ereilen sollte, verstummten allmählich die Feste des Trianon. Am 19. August 1785 wurde im Trianon „Figaro’s Hochzeit“ zur Aufführung gebracht. Das war das letzte derartige Fest. Der bisherige Schauplatz des Vergnügens wurde von nun an ein Ort der Einsamkeit. Hierher flüchtete die Königin, um ihre Traurigkeit und ihre düsteren Ahnungen vor den Augen des Hofes zu verbergen. Hier entstand auch das schöne Familienbild der Madame Lebrun, welches ich noch jetzt in der historischen Portraitgalerie des Versailler Schlosses sah und dessen ergreifender Ausdruck mich so sehr an die Kinder Karl’s des Ersten von Van Dyck gemahnte. Wir sehen hier nicht mehr die angebetete Souveränin, umgeben von Glanz und Pracht, sondern eine Frau, die bereits die Beute tiefer Melancholie und geheimnißvoller Traurigkeit geworden. Die [145] kleine Madame Royale (spätere Herzogin von Angoulême) liebkost ihre Mutter, wie um sie zu trösten; der Dauphin, der nur noch wenige Monate zu leben hat, zeigt mit dem Finger auf die leere Wiege seiner entschlafenen Schwester, der kleinen Prinzeß Beatrice Sophie, die kurz zuvor gestorben. Auf dem Schooß seiner Mutter sitzt der Herzog von der Normandie; dies arme Kind, das den Titel Ludwig der Siebzehnte führen sollte, hat etwas ungemein Rührendes, als ob es eine Ahnung seines dunklen Schicksals hätte. Ein äußerst charakteristisches Zeichen für die herannahenden Stürme war es, daß die gaffende Menge nur noch feindselige Blicke für dieses liebliche Bild hatte. Man sah sich genöthigt, die Ausstellung desselben im Louvre 1787 abzukürzen, da das Publicum selbst dem Bilde der Monarchin nur noch Haß und Hohn entgegentrug.
Trostlos und entmuthigt, kam Marie Antoinette nur noch nach Trianon, um sich einsam in den Gängen des Parks zu ergehen und sich die Bilder vergangener Tage zurückzurufen. Am 5. October 1789 saß sie in der Grotte des Gartens, in schmerzliche Betrachtungen versunken, und sah dem herabfallenden Laube zu, als man ihr meldete, daß sich revolutionäre Banden Versailles näherten.
Die schönen Tage von Trianon sind nun vorüber! Marie Antoinette erschien dort hinfürder nicht mehr. Noch kurze Frist – und man las über den Eingangspforten die Worte: „Zu verkaufendes Eigenthum“. Es fehlte wenig, so wäre der Pflug über die reizenden Anlagen hinweggegangen. Den 28. Nivose des Jahres Drei machte die Versailler Commune ihren Mitbürgern bekannt, daß Klein-Trianon, welches so lange der Bodencultur entzogen gewesen, um dem Luxus und dem Vergnügen der Tyrannen zu dienen, der Arbeit zurückgegeben werden solle. Das Ameublement des Schlosses wurde für viertausendachthundert Livres bei einem Trödler der Straße Neuve d’Egalité zum Verkauf ausgeboten, und 1797 miethete ein Limonadenverkäufer der Umgegend das Schloß, um eine Restauration darin zu etabliren.
Ehe Marie Antoinette noch den Weg zur Richtstatt mit auf dem Rücken zusammengeschnürten Händen, auf einem Karren neben einem ihr aufgedrungenen Geistlichen und ihren Henkern sitzend, antrat, hatte sie bereits den Kelch des moralischen Schmerzes bis auf die Hefe geleert. Der Tod ihrer treuen Freundin, der fast unter ihren Augen ermordeten Prinzessin von Lamballe, die Hinrichtung ihres Gatten, endlich die Trennung von ihren Kindern – dies Alles durchlitten, was konnte sie da noch schmerzen?
Als sie den Tempel verließ, um dieses Gefängniß mit der Conciergerie zu vertauschen, vergaß sie, sich bei der niedrigen Ausgangsthür zu bücken, und stieß sich daher an den Kopf. Als man sie fragte, ob sie sich wehe gethan, antwortete sie: „O nein – nichts kann mir hinfort noch wehe thun!“ – In Wahrheit, sie hat in ihrem Dasein alle Angst umschlossen, die ein Frauenherz zerreißen kann, und man fragt sich mit Chateaubriand, ob es einen Schmerz giebt, der an ihr vorübergegangen? –
„Die Weltgeschichte ist das Weltgericht!“ Dieses Wort unseres Schiller hat sich in dem Schicksale der deutschen Fürstentochter, deren Bild ich in der vorliegenden Skizze zu zeichnen suchte, nur zu traurig bewährt. Aber wie so oft in der Geschichte mußten auch hier die unschuldigen Nachkommen für die Sünden der Väter büßen. Ludwig der Fünfzehnte hatte während fünfzig Jahren durch seine Ausschweifungen die Krone um ihren Nimbus gebracht. Das arme schwergedrückte Volk hatte schweigend zusehen müssen, wie sein König sich ganz der Herrschaft von sittenlosen Weibern ergab, die nur die tiefste Verachtung verdienten; wie das Land, durch ihre Erpressungen verarmt, nach außen hin durch unfähige Minister und Generale, ihre Creaturen, um seinen Credit gebracht wurde. Als nun Ludwig der Sechszehnte, einer der wohlwollendsten und tugendhaftesten aller bisherigen französischen Könige, den Thron bestieg, da wurden auf ihn die gerechten Anklagen gegen das bisherige Regiment übertragen. Wie man seine Vorgänger beschuldigt hatte, sich dem Einflusse ihrer Maitressen ergeben zu haben, so warf man ihm vor, seiner Gemahlin gegenüber zu willfährig zu sein. Die Königin ihrerseits ward angeklagt, leichtsinnig über die öffentlichen Gelder und Stellen zu verfügen, mit Oesterreich gegen Frankreich zu conspiriren, die Minister stürzen zu wollen, um sie durch ihre Günstlinge zu ersetzen, gerade wie es die Maitressen so häufig unter den früheren Regierungen gethan. Die Revolution in ihrer unerbittlichen, schrecklichen Logik traf mit ihrer Vergeltung die Häupter der Unschuldigen wie der Schuldigen; sie führte Ludwig den Sechszehnten und Marie Antoinette zu demselben Schaffot, auf dem die letzte Maitresse der vorhergehenden Regierung, die zu einer Gräfin Dubarry umgewandelte Freudendirne, ihr Haupt verlor.
Ueber Hypnotismus bei Thieren,
Meine hochverehrten Anwesenden! Wir waren gestern in der Untersuchung des alten Kircher’schen sogenannten „Wunderexperiments über die Einbildungskraft der Hühner“ so weit gekommen, daß wir die völlige Entbehrlichkeit des fesselnden Bandes und des mysteriösen Kreidestrichs zur Hervorrufung des merkwürdigen Hemmungszustandes im Hühnernervensystem als thatsächlich constatirt hatten.
Dieser Thatsache gegenüber wollten uns, im ersten Anlauf, diese beiden Veranstaltungen als ein ganz bedeutungsloser Hocuspocus erscheinen, während uns das Geradestrecken und Niederdrücken des Halses und Kopfes auf die Unterlage als das eigentlich wirksame Hauptmoment unter den Versuchsbedingungen imponirte. Die durch das Geradestrecken und Niederdrücken des Halses und Kopfes möglicher Weise gesetzte leise, mechanische Dehnung oder Zerrung gewisser Theile des Gehirns und Rückenmarkes schien in der That den einzigen noch übrig gebliebenen physiologisch-plausiblen Erklärungsgrund für den beobachteten Zaubereffect abzugeben, da wir uns damit doch nicht begnügen konnten und wollten, den nicht näher definirbaren allgemeinen psychischen Eindruck des Ueberwältigens und des Festhaltens auf die Thiere als den alleinigen wirksamen Factor anzusehen.
Allein so einleuchtend dies Alles schien, wir hüteten uns wohl – nach Laienart – bei einer ungenau beobachteten Thatsache stehen zu bleiben, denn wir konnten uns als nüchterne Naturbeobachter der Einsicht nicht verschließen, daß einerseits die nachgewiesene völlige Entbehrlichkeit des fesselnden Bandes und des Kreidestrichs noch lange keinen Beweis für ihre völlige Bedeutungs- und Wirkungslosigkeit an sich abgiebt, andererseits aber die supponirte besondere Wirksamkeit des Geradestreckens und Niederdrückens des Halses und Kopfes noch in keiner Weise thatsächlich begründet ist.
So wollen wir denn heute, wie bereits angekündigt, unsere Untersuchung wieder aufnehmen und zu Ende führen, um schließlich einige aufklärende Bemerkungen über Naturwissenschaft und Spiritismus, Geistermanifestationen u. dgl. anzuknüpfen.
Vor Allem will ich hervorheben, daß uns die weitere Untersuchung unseres Gegenstandes gestattet, den hypothetischen Gedanken an die besondere Wirksamkeit der Geradestreckung des Halses und Kopfes, vorläufig wenigstens, ganz fallen zu lassen, denn es wollte mir nicht gelingen, Tauben, die, wie die Hühner, in der Bauch- oder Seitenlage festgehalten wurden, durch einfaches Geradestrecken und Niederdrücken des Halses und Kopfes auf die Unterlage regungslos zu machen, obschon doch bei ihnen die gleiche Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit für eine hierdurch bewirkte leise, mechanische Dehnung gewisser Hirn- und Rückenmarkstheile vorlag, wie bei Hühnern, Enten, Gänsen, Truthühnern und beim Schwan.
Dagegen lehren die neuen Controlversuche, welche ich hierüber [146] anstellte, daß die sanfte, aber unwiderstehliche Gewalt, welche den widerstrebenden Muskeln angethan wird, indem man die geängstigten Thiere festhält und bezwingt, ferner der Druck auf die Hautnerven, welche beim Berühren, Festhalten oder gar Binden der Thiere unvermeidlich ist, und endlich ganz besonders auch das anscheinend so sinnlose Hinmalen des Kreidestrichs unzweifelhaft von Bedeutung und Wirksamkeit sind.
Es kommt nämlich sehr häufig der Fall vor, daß ein Huhn, welches soeben, nach minutenlanger Regungslosigkeit, die man durch einfaches Niederhalten desselben und Geradestrecken seines Halses und Kopfes auf die Unterlage hervorgerufen hatte, erwacht und entflohen war, sofort aber wieder eingefangen wird, augenblicklich in den wunderbaren lethargischen Zustand zurückversetzt werden kann, wenn man das auf seinen Füßen stehende Thier in die hockende Bauchstellung niederdrückt, indem man einfach mit der auf seinen Rücken gelegten Hand den Muskelwiderstand mit sanfter, aber unwiderstehlicher Gewalt überwindet. Schon während des langsamen und gleichmäßigen Niederdrückens beobachtet man oft ein höchst merkwürdiges Verhalten des völlig frei und unberührt gelassenen Halses und Kopfes.
Der Kopf bleibt nämlich, wie von unsichtbarer Hand festgehalten, an seinem Ort im Raume fixirt, während sich der Hals in dem Maße streckt und verlängert, als der Rumpf allmählich nach unten rückt.
Wird nun das völlig niedergeduckte Thier ganz frei gelassen, so bleibt es minutenlang in dieser absonderlichen, gestreckten Halshaltung mit offenen Augen starr hocken.
– (Zur Erläuterung des Gesagten ließ der Vortragende ein Huhn bringen, welches er durch einfaches Niederhalten und Geradestrecken des Halses und Kopfes auf die Tischplatte in jenen wunderbaren Zustand von Regungslosigkeit und Benommenheit versetzte; das wiedererwachte Thier zeigte dann deutliche Spuren einer sofortigen Rückkehr des fraglichen Zustandes, als es mit einer Hand, ohne daß Hals und Kopf berührt worden wären, aus der stehenden in die hockende Stellung niedergeduckt wurde.) –
Hier ist also der fragliche Zustand thatsächlich nur die Folge und Wirkung der Berührung, welche die Hautnerven erregt, und der sanften Gewalt, welche den Muskelwiderstand des Thieres überwindet;[1] freilich hatte sich das Thier bereits kurz vorher in demselben Zustand der Regungslosigkeit und Benommenheit befunden, was eine besondere Geneigtheit zurückgelassen haben konnte, bei der geringsten Veranlassung in denselben zurückzuverfallen, obschon allerdings das Erwachen, die Flucht und das Wiedereingefangenwerden, also der völlig normale Zustand der Leistungfähigkeit und Erholung des Nervensystems dazwischen liegt.
Aehnliche Erfahrungen, bei denen sich augenscheinlich zunächst auch nur der Einfluß und die Wirkung des Druckes auf die Hautnerven und der sanften Gewalt manifestirt, welche man den Muskeln der geängstigten Thiere anthut, indem man sie festhält und bezwingt, lassen sich bekanntlich an kleinen Vögeln machen.
Es ist eine den Vogelliebhabern längst bekannte Thatsache, daß man Zeisige, Stieglitze, Kanarienvögel etc. der normalen Leistungsfähigkeit ihres Nervensystems sofort berauben kann, so daß sie minutenlang regungslos bleiben, wenn man sie einfach kurze Zeit mit sanfter Gewalt in der Rückenlage festhält, und dann ganz frei läßt. Bei der Lebhaftigkeit dieser scheuen Geschöpfe sind diese Versuche besonders auffallend und überraschend, wie ich Sie sogleich durch die unmittelbare Anschauung zu überzeugen versuchen werde. Doch muß ich auch diesmal dem üblen Eindruck eines möglichen Mißlingens durch die ausdrückliche Bemerkung vorbeugen, daß wir den sonst fast nie versagenden Versuch unter neuen und ungewöhnlichen Umständen anstellen, welche vielleicht von störendem Einfluß auf die leicht erregbaren Thierchen sind.
Hier in meiner Hand ist ein ganz frisch vom Markt geholter, munterer, scheuer Vogel. Wenn ich ihn nun mit etwas nach hinten übergebogenem Kopfe, den ich von den Seiten her zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand fasse, auf den Rücken lege und in dieser Lage einige Augenblicke sanft festhalte, so wird er, nachdem ich beide Hände entfernt habe – und wenn sonst keine ungewöhnlichen Störungen eingetreten sind – zwar heftig athmend, sonst aber unbeweglich und wie von einem Zauber befangen kürzere oder längere Zeit ganz frei liegen bleiben, ohne einen Versuch zu machen, seine unnatürliche Lage zu verändern oder gar fortzufliegen.
– (Demonstration: zwei der herbeigebrachten Vögelchen wurden vergeblich in der angegebenen Weise behandelt, erst das dritte – ein Zeisig – verfiel in eclatanter Weise in den schlafähnlichen Zustand und blieb, ganz freigelassen, völlig regungslos auf dem Rücken liegen, bis es endlich nach vielen Minuten unter einem Glassturz wieder erwachte und munter flatternd umhersprang, den der Vortragende über das schlafähnlich benommene Thierchen – ohne es hierdurch erweckt zu haben – gestülpt hatte.) –
Auch in sitzender oder hockender Stellung, mit etwas nach hinten übergebogenem Kopf festgehalten, gerathen die Vögelchen – wie ich gefunden habe – trotz ihrer offenen Augen in diesen, sozusagen verzauberten, schlafartigen Zustand; ja es ist mir oft begegnet, daß die Thierchen unter diesen Umständen sogleich oder nach einiger Zeit die Augen schlossen und für Minuten, ja bis zu einer Viertelstunde und darüber, hockend oder selbst stehend, mehr oder weniger fest einschliefen.
Ich kann nicht unterlassen, hier beiläufig mit besonderem Dank hervorzuheben, daß mir unser strebsamer Naturalienhändler, Herr Geupel-White, mit der größten Bereitwilligkeit das reiche Material seines Thiergartens in Connewitz an in- und ausländischen Luxus-Vögelchen zu diesen Versuchen zur Disposition gestellt hat. Auch den früher erwähnten Versuch mit dem Schwan habe ich im Geupel-White’schen Thiergarten angestellt.
Bei den Versuchen an den kleinen Vögelchen wird der fragliche Zustand von Benommenheit und Regungslosigkeit, der sogar in wirklichen Schlaf übergehen kann, offenbar zunächst auch nur durch die Folgen des Eindruckes hervorgerufen, welchen wir durch die Berührung der Haut und die Ueberwältigung der widerstrebenden Muskeln auf die geängstigten Thiere ausüben, obschon noch andere Momente mitwirken mögen, wie uns im Verlaufe unserer Untersuchung sogar wahrscheinlich werden wird. –
Daß aber die Erregung gewisser Hautnerven durch Druck oder Pressung schon ganz allein die normale Functionsfähigkeit gewisser Theile der animalen Nervencentralorgane für längere Zeit mächtig verändern, und einen ganz eigenthümlichen Zustand von Stupidität oder Willenlosigkeit herbeiführen kann, das beweist der folgende, höchst interessante Versuch am Frosch, welchen Dr. Lewissohn in Berlin angegeben und näher untersucht hat.
Wenn man einen normalen Frosch auf den Rücken legt, so bleibt er in dieser unnatürlichen Position in der Regel nicht einen Augenblick liegen, sondern dreht sich sofort um und entflieht – wie Sie selbst an diesem etwas entkräfteten Winterfrosch hier sehen können, wenn ich ihn auf den Rücken zu legen versuche.
Achten Sie nun auf den überraschenden Erfolg, den es haben wird, wenn wir ihm jeden seiner Oberarme mit einer Bindfadenschlinge mäßig fest umschnüren.
– (Der Vortragende brachte nun an die beiden Oberarme des Frosches Fadenschlingen an, zog dieselben mäßig fest zu und legte dann das Thier, wie vorher, auf den Rücken.) –
Sie sehen, jetzt bleibt der widerspenstige Frosch, heftig athmend, sonst aber vollkommen regungslos, auf dem Rücken liegen und kann nicht den geringsten Fluchtversuch machen, selbst wenn ich ihn, wie Sie sehen, berühre und aufzuscheuchen suche. Es ist, wie wenn er, wie durch einen Zauber, sein bischen Verstand und Willenskraft verloren hätte und nicht recht bei sich wäre, oder gar mit offenen Augen schliefe; – ein ganz analoger Zustand, wie wir ihn auch bei den Krebsen, Hühnern und Vögelchen eintreten sahen. Nur ist der ursächliche Zusammenhang der Erscheinungen beim Frosch viel klarer und einfacher.
Jetzt hebe ich den Druck auf die Hautnerven des Frosches auf, indem ich die Fadenschlingen an dem Oberarm löse und entferne. Noch bleibt das Thier, wegen zurückbleibender Nachwirkung, regungslos auf dem Rücken liegen; endlich aber kommt es ganz zu sich, dreht sich um und entflieht schleunigst.
Daß sich’s hier gewiß um die Hemmung der motorischen Nervencentren in Folge des Eindruckes auf die sensiblen Hautnervenfasern handelt, hat Lewissohn dadurch bewiesen, daß bei diesem Versuche einerseits die motorischen, den Bewegungsimpuls auf die Muskeln übertragenden Nervenfasern, die aus den sogenannten motorischen Centren des Gehirns und Rückenmarkes [147] entspringen, vollkommen leistungsfähig bleiben, andererseits aber der wunderbare Zustand der Stupidität oder Willenslosigkeit gar nicht mehr eintritt, wenn man vor Anlegung der Fadenschlingen die sensiblen Hautnerven durchschnitten hat. – Zuweilen gelingt es allerdings auch, den Frosch ohne Anlegung schnürender Bindfadenschlingen bei vorsichtigem Hinlegen auf den Rücken regungslos zu machen; allein dies beweist nichts gegen die Stichhaltigkeit der Lewissohn’schen Ermittelungen. –
Doch kehren wir zu unserem alten Kircher’schen „experimentum mirabile“ am Huhn zurück.
Nach der Analogie der zuletzt mitgetheilten Erfahrungen am Frosch mag das Zusammenschnüren der Füße des Huhns, so entbehrlich es auch ist, dennoch nicht blos dadurch, daß es das Thier fesseln und bezwingen hilft, sondern wohl auch dadurch, daß es die Hautnerven preßt, als eines der causalen Momente, etwas mit beitragen zur Hervorbringung des wunderbaren Effectes beim Kircher’schen Versuch, zu dessen Erklärung sich also das Zusammenwirken einer Reihe von Momenten geltend machen läßt. –
Nun bleibt uns noch der interessanteste Theil unserer Untersuchung übrig, der uns, wie ich vorweg bemerken will, hart an die bedenklichen und anrüchigen Gebiete des Mesmerismus und Somnambulismus führen wird. Es handelt sich nämlich jetzt noch um die Entscheidung der Frage: hat das, wie wir sahen, thatsächlich völlig entbehrliche Hinmalen des Kreidestrichs in dem Kircher’schen Experimente dennoch auch irgend eine Bedeutung? und welche?
Ich habe schon früher erwähnt, daß es mir nicht gelingen wollte, Tauben, welche ich wie die Hühner behandelte, indem ich ihren Leib festhielt und ihren gerade gestreckten Hals und Kopf einige Zeit auf die Unterlage sanft niederdrückte, in jenen Zustand der Benommenheit und Regungslosigkeit zu versetzen.
Ich versuchte es daher, die Tauben wie die kleinen Vögelchen zu behandeln, d. h. sie in der Rückenlage mit etwas nach hinten übergebeugtem Kopfe, den ich an beiden Seiten zwischen Daumen und Zeigefinger der einen Hand faßte, während die andere den Leib hielt, auf eine Unterlage sanft niederzudrücken.
Allein auch dieses Verfahren, welches bei den kleinen Vögelchen so wirksam ist, schien anfangs bei den Tauben zu versagen. Fast immer flogen sie mir augenblicklich davon, sobald ich sie losgelassen und meine Hände ganz entfernt hatte. Ich bemerkte jedoch bald, daß die kurze Zeit, während welcher die Tauben zwischen meinen sich lösenden Fingern denn doch immer noch ruhig bleiben mußten, beträchtlich wuchs, ja zu vielen Minuten sich ausdehnte, wenn ich die Finger der Hand, welche den Kopf hielt, auseinander that, die Hand selbst aber nur wenig zurückzog oder überhaupt gar nicht entfernte. Die den Leib des Thieres haltende Hand konnte schon viel früher loslassen, und ohne Schaden ganz entfernt werden.
Indem ich diese Spur von neuen Thatsachen eifrig weiter verfolgte, fand ich zu meiner Ueberraschung, daß es sich dabei um die Fixirung des Blickes und der Aufmerksamkeit der Taube auf meine nahe vor ihren Augen befindlichen Finger handelte.
Dieses bisher unberücksichtigt gebliebene Moment ist es, welches, wie ich oben andeutete und hier noch mit einer Ergänzung wiederholen will, nicht nur bei den Versuchen mit den kleinen Vögelchen, sondern auch bei meinem vereinfachten Verfahren mit Hühnern wirksam werden mag; ja ich konnte mich nun kaum der Vermuthung entschlagen, daß dieses Moment überhaupt von ganz besonderer Wirksamkeit sei und selbst dann sich geltend machen dürfte, wenn dem Blicke des Thieres kein besonderes Sehobject absichtlich dargeboten wird, wie bei meinem vereinfachten Verfahren bei den Hühnern.
Um zunächst die Wirksamkeit dieses Momentes überhaupt erst zu constatiren, versuchte ich einer Taube, die ich in beliebiger Stellung mit der linken Hand am Rumpfe festhielt und niederdrückte, deren Hals und Kopf jedoch ganz frei und unberührt blieb, einen Finger meiner rechten Hand ganz knapp vor die Stirnschnabelwurzelgegend zu hatten – und siehe da, gleich die erste Taube, mit welcher ich diesen Versuch vornahm, blieb, ganz freigelassen, starr und regungslos, wie gebannt, minutenlang vor dem ausgestreckten Zeigefinger meiner rechten Hand liegen!
Ja, ich konnte die linke Hand, mit welcher ich den Rumpf gehalten, und die ich dann entfernt hatte, dem Thiere wieder nähern, ohne es aufzuscheuchen, es mit derselben ergreifen, aus der Bauchlage auf den Rücken wenden, – das Thier ließ willenlos Alles mit sich geschehen, während ich mit dem knapp vorgehaltenen, ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand ununterbrochen nach der Stirnschnabelwurzel zielte.
– (Der Vortragende demonstrirte diesen Versuch in gelungenster Weise mit einer herbeigebrachten Taube, einem sogenannten „Tümmler“.) –
Ich habe diesen höchst frappanten Versuch wiederholt und an einer Reihe von verschiedenen Taubenindividuen angestellt, doch weiß ich nicht, ob sich zu diesem Versuche geeignete Thiere häufiger finden, denn es versteht sich von selbst, daß derselbe nicht immer in gleich eclatanter Weise gelingen kann, da es sich dabei wesentlich um die Fixirung des Blickes und die Concentration der Aufmerksamkeit der Thiere handelt. Individuelle innere Verhältnisse und Verschiedenheiten, sowie äußere Umstände müssen nothwendig von förderndem oder störendem Einflusse sein, ob sich die Thiere der dabei erforderlichen Anstrengung gewisser Theile ihres Gehirns mit mehr oder weniger Geneigtheit und Ausschließlichkeit hingeben wollen oder müssen, oder nicht. Sie begreifen nun, warum und wie wenig man für den Erfolg aller jener Versuche, in welchen dieses Moment eine Rolle spielt, von vornherein – namentlich unter ungewöhnlichen Umständen – einstehen kann!
Oft sieht man deutlich, wie sich z. B. eine Taube durch ängstliches Abwenden des Kopfes dem Banne zu entziehen sucht; folgt man jedoch ebenso hartnäckig den oft ganz absonderlichen und charakteristischen Fluchtbewegungen des Halses und Kopfes mit dem vorgehaltenen Finger, so erreicht man entweder sein Ziel, oder man macht die Taube so perplex und aufgeregt, daß sie sich nur dadurch beruhigen läßt, daß man sie, an Leib und Kopf festhaltend, einige Zeit in der Rückenlage mit sanfter Gewalt niederzwingt. Es ist damit, wie Schopenhauer vom Einschlafen sagt: „Das Gehirn muß anbeißen!“
Beiläufig will ich hier nicht unerwähnt lassen, daß ein in meinem Hause gehaltener zahmer Papagei, ohne irgend welche vorhergehende Berührung oder sonstige Beeinflussung, durch einfaches unverrücktes Vorhalten eines Fingers knapp über der Stirnschnabelwurzelgegend, zu verschiedenen Malen in einen schlafähnlichen Zustand versetzt werden konnte.
Pauline Lucca und „Mein Lied.“
Originelle Charakterzüge der berühmten „kleinen Lucca“ – wie viele sind nicht schon erzählt und mit dem größten Interesse gelesen worden! Und doch betrafen dergleichen Veröffentlichungen stets nur das Privatleben der Künstlerin; wie dieselbe sich in Angelegenheiten der Kunst benimmt, das hat, so viel ich weiß, bis jetzt Niemand geschildert. Nun denn, ein günstiges Geschick brachte mich vor drei Jahren mit der Sängerin in Verbindung; ich wurde durch sie Mithandelnder in einer Sache, die, von ihr allein erdacht und mit der ihr eigenen Willenskraft und Consequenz ausgeführt, uns einen nicht gewöhnlichen Erfolg errang.
Wird man mir verzeihen, wenn ich bei der treuen und ungeschminkten Erzählung auch – was das deutsche Publicum von mir seit den dreißig Jahren meiner Laufbahn nicht gewohnt ist – von mir selbst spreche? Ich hoffe doch! Der Leser wird sich bald überzeugen, daß ich das nicht umgehen konnte.
Es war am 9. October 1869, als ich mich in Folge einer Einladung, welche mir der Vater der berühmten Sängerin einige Tage zuvor persönlich überbracht hatte, per Droschke nach der Victoriastraße 30 begab. Dem Diener, welcher mir, nachdem ich die Klingel gezogen, entgegentrat, nannte ich meinen Namen; derselbe schien von meinem Kommen bereits unterrichtet und führte mich zunächst in das, wie es mir beim Zwielicht vorkam, Arbeitszimmer des Baron von Rhaden. Ich hatte kaum Zeit, mich umzusehen, als Pauline Lucca, in einfachem Hauskleide, [148] rasch eintrat, mir die Hand bot und mit gewinnender Natürlichkeit sagte:
„Ist es nicht sonderbar, daß wir Beide, die wir uns seit Jahren so bekannt sind, uns heut’ zum ersten Male sprechen?“
„Gnädige Frau, daß ich stets den Wunsch hegte, Sie persönlich kennen zu lernen, daran dürfen Sie nicht zweifeln. Wenn ich dennoch nicht den Versuch machte, so geschah es, aufrichtig gestanden, aus einer gewissen Scheu; ich weiß ja nur zu gut, daß Sie, die gefeierte Sängerin, viele Besuche zu empfangen gezwungen sind, denen Sie sich gern entzögen. Und nun gar ein Musiker! Wenn ein solcher Ihnen seine Aufwartung macht, können Sie in zehn Fällen neun Mal darauf schwören, daß er, nachdem er Ihnen die üblichen Weihrauchwolken vorgeblasen, schließlich eine Composition aus der Rocktasche hervorzieht und Sie freundlichst ersucht, dieselbe doch nächstens öffentlich zu singen. Und ebenso können Sie in zehn Fällen neun Mal darauf schwören, daß diese Composition weder für Ihre Stimme, noch für Ihre Gesangsweise paßt und daß Sie sie in die Todtenkammer legen.“
„Das stimmt auffallend!“ rief Pauline Lucca lächelnd.
„Um so mehr,“ fuhr ich fort, „freut es mich, daß Sie mir die Gelegenheit boten, zu Ihnen zu kommen. Und um Ihnen meine Dankbarkeit zu beweisen, versichere ich feierlich, daß ich keine Composition bei mir führe.“
„Sie haben Humor; das gefällt mir! Wie aber nun, wenn ich von Ihnen gerade das verlangte, was Sie mir gutwillig nicht geben wollen?“
„Wie meinen Sie das, gnädige Frau?“
„Nun, Sie werden doch wissen wollen, weshalb ich Sie durch meinen Papa zu mir bitten ließ? So hören Sie denn! Ich soll nächstens zum ersten Mal in dieser Saison die Frau Fluth in Nikolai’s ‚Lustige Weiber‘ singen. Die Partie gehört zu meinen beliebtesten und ich singe sie auch gern; aber sie ist nur in den beiden ersten Acten eine dankbare, im letzten Act verschwindet sie, und das Publicum verliert sie aus dem Gedächtniß. Deshalb habe ich zum Schluß stets irgend eine Einlage gesungen, aber – wenn ich die Wahrheit sagen soll – keine von den bisherigen entsprach meinen Wünschen. Zuletzt nahm ich zu Mozart’s ‚Veilchen‘ meine Zuflucht; das paßt aber schon gar nicht hinein. Ohne Einlage aber mag ich die Partie nicht mehr geben; ich mühe mich zwei Acte hindurch, um zuletzt an Beifall leer auszugehen. Nun sollen Sie mir ein hübsches, wirksames Lied schreiben. Bekomme ich das von Ihnen nicht, so bin ich fest entschlossen, die Frau Fluth gänzlich von meinem Repertoire zu streichen. Wollen Sie?“
„Wie gern, gnädige Frau!“ Kann es doch wahrlich nichts Lohnenderes geben, als für Sie etwas zu componiren! Dennoch will ich Ihnen meine Bedenken nicht verhehlen. Warum haben Sie mir das nicht im Frühjahr, ehe Sie Ihren Urlaub antraten, gesagt? Ich würde dann den ganzen Sommer günstigste Arbeitszeit gehabt haben, Ihren Wunsch zu erfüllen. Jetzt, im Winter, bin ich mit Unterricht, mit vielen anderen Beschäftigungen überhäuft. Und dann, das ist mir schon ganz klar, darf das, was ich Ihnen gebe, kein Lied, etwa ein Liebeslied der Art sein, wie Sie deren schon so viele gesungen und ich deren schon so viele geschrieben habe. Es muß jedenfalls in irgend einer Hinsicht eine kleine Specialität sein, welche durch den Stoff berechtigt erscheint, von Pauline Lucca gesungen zu werden. Woher ein derartiges Gedicht nehmen?“ „O, das werden Sie schon bekommen. Nicht wahr, Sie erfüllen mir die Bitte?“
„Wenn es mir gelingt, gnädige Frau, eine gute Idee zu finden, dann mit Freuden; jedoch fest versprechen kann ich es nicht. Wann muß das Lied fertig sein?“
„Nun, in spätestens zwei, drei Wochen.“
„Gnädige Frau, ein schwer wiegender Auftrag; ich will sehen – und Samiel mag helfen!“
„Hier, nehmen Sie meine Photographie mit. Die legen Sie auf Ihren Arbeitstisch, so daß sie Ihnen immerfort in die Augen fällt! Dann werden Sie an mich denken und gewiß das Rechte finden.“
Schon war ich aufgestanden und im Begriff mich zu empfehlen, als mir noch ein Scrupel, meine Antipathie gegen Concurrenzarbeiten, durch den Kopf fuhr. Wie, dachte ich, wenn die Lucca auch noch Andere um ein Lied ersucht hätte und sich dann das ihr zusagende auswählen wollte? Es wäre ihr keineswegs zu verübeln, sogar ganz praktisch! ich aber würde mich dann zurückziehen. So begann ich abermals:
„Gnädige Frau, verzeihen Sie mir noch eine Frage! Es ist nicht Eitelkeit, die mich sie thun läßt; ich habe meinen Grund. Was veranlaßte Sie, die Sie doch nur die Hand auszustrecken brauchen, um von vielen Seiten ein neues Lied zu erhalten, mich damit zu beauftragen, mich, den Sie bis heute nicht persönlich kannten?“
„Nun,“ erwiderte die Künstlerin und blickte mich dabei mit ihren wundervollen Augen ruhig und unbefangen an, „weil ich mir dachte, daß gerade Sie mir das schreiben würden, was ich für meinen besonderen Zweck brauche.“
„Und Sie haben außer mir Niemand darum ersucht?“
„Niemand, auf mein Wort! Noch mehr, ich bitte Sie dringend, die Sache als tiefstes Geheimniß zu betrachten. Ich will mit dem Liede, ohne daß irgend Jemand eine Ahnung hat, plötzlich hervortreten.“
„Nun denn, so wünsche ich, daß es mir gelingen möge, Ihr Vertrauen zu rechtfertigen. Leben Sie wohl! Auf baldiges Wiedersehen!“
„Bald, und mit einem schönen Liede!“
Damit ging ich.
Der Weg nach meiner Behausung, von der Victoria- nach der Alexanderstraße, ist ein ziemlich langer und meine Droschke fuhr im gewohnten Schneckenschritt; dennoch verging mir die halbe Stunde schnell genug; meine Gedanken verarbeiteten die Situation, deren Bedeutung mir, bei meiner Erfahrung, bald klar vor Augen stand. Welche Aufregung sollten die nächsten Wochen mir, dem seine Gemüthsruhe so lieb ist, bringen! Zwanzig Jahre früher wäre ich mit dem leichten Sinn und dem Selbstvertrauen der Jugend ohne Weiteres an’s Werk gegangen; aber heut, wo ich wußte, wie schwer der Künstler sich einen Namen erringt und wie leicht er ihn einbüßt, heut war mein Zagen wohl erklärlich.
Die Lucca – so sagte ich mir – die so sparsam und bedächtig mit neuen Leistungen ist, soll auf der Bühne, diesem unberechenbarsten Schlachtfelde der Kunst, ein neues Lied von dir singen. Ist auch die Lucca ein Charakter, welcher die etwaigen Intriguen vor dem entscheidenden Abend mit Entschlossenheit, nöthigen Falls durch den kategorischen Imperativ zu beseitigen weiß, so kann sie doch die selbst bei dem günstigsten Erfolge nicht ausbleibenden Kundgebungen des Neides und der Mißgunst nicht verhindern. Und erst die Kehrseite der Medaille – wenn das Lied nicht gefällt! Wird man nicht mit vollem Recht sagen: wie schlecht muß eine Composition sein, die, von der Lucca gesungen, keinen Eindruck macht?
Das war so ungefähr mein Ideengang, der mir natürlich eine Nacht der größten Unruhe und wenigen Schlafes brachte, so daß ich am nächsten Morgen mit dem Entschlusse aufstand: Du wirst dich auf diese Brücke nicht begeben, du wirst der Lucca kein Lied schreiben. Und eine Durchsicht der Gedichte, welche zu gelegentlicher Composition in meiner Mappe bereit lagen, bestärke mich vollends in meinem Entschlusse; ich fand nichts für den Zweck Geeignetes und durfte doch auch, nachdem ich einmal die Geheimhaltung der Angelegenheit zugestanden hatte, keinen der mir befreundeten talentvollen Schriftsteller um ein Gedicht bitten.
In dieser Stimmung, oder richtiger Verstimmung fand mich zwei Tage später der Musikverleger Fürstner, welcher, im Begriff, eine mehrwöchentliche Geschäftsreise nach Paris und London anzutreten, sich von mir verabschieden und zugleich anfragen wollte, ob ich etwas mitzugeben hätte. Die ungewöhnliche Unruhe meines Wesens entging ihm nicht; voll Theilnahme drang er in mich, ihm die Ursache zu sagen, und – nachdem ich ihm sein Ehrenwort abgenommen, über das, was er hören würde, zu schweigen – zeigte ich ihm die Photographie der Lucca und schilderte meine Lage.
„Und Sie sind entschlossen,“ rief er verwundert aus, „das Lied nicht zu machen? Das ist jammerschade! Vielleicht besinnen Sie sich doch noch.“
Ich setzte ihm indessen meine Bedenken auseinander und er merkte wohl, daß mein Entschluß ein wohl überlegter und feststehender war. Da begann er wiederum:
„Nun, da Sie selbst der Lucca die Einlage nicht schreiben [149] wollen, möchten Sie ihr nicht vielleicht ein anderes Stück empfehlen? Könnte sie den Liebesreigenwalzer von Matiozzi, den Sie für mich übersetzten, nicht singen?“
„O ja, er paßt für ihre Stimme sehr wohl.“
„Ach, dann erweisen Sie mir den Freundschaftsdienst und bitten Sie die Lucca den Walzer zu singen.“
„Gern! Ich werde Ihnen sogleich ein paar Worte für die Lucca schreiben; schicken Sie ihr dieselben und zugleich zwei Exemplare des Walzers.“
Fürstner nahm meinen Brief – in welchem ich der Lucca den Walzer als für den Zweck und für ihre Stimme wohl geeignet nicht nur empfahl, sondern mich sogar erbot, das Stück, falls es ihr convenire, mit ihr zu studiren – sagte mir Adieu und ging.
Trotzdem mir nun leicht wurde, als hätte sich eine Centnerlast von meiner Brust gewälzt, verhehlte ich mir doch nicht, daß die Künstlerin, die mir so liebenswürdig und vertrauensvoll entgegengekommen war, mein Betragen wenig freundschaftlich finden könnte. Sie bevorzugt mich vor vielen Anderen, sie bittet mich um ein Lied, und ich schicke ihr das Werk eines Fremden! Immer aber behielt mein erstgefaßter Entschluß die Oberhand und ich beruhigte mich bei dem Gedanken: Vielleicht gefällt ihr der Matiozzi’sche Walzer.
Jedoch schon den folgenden Tag, am dreizehnten, erhielt ich nachstehendes Schreiben:
„Nein, nein, mein lieber, lieber Freund, keinen Walzer! Ein einfaches, aber hübsches Lied! Mit diesem italienischen Walzergedudel kann ich nie zu Stande kommen. Vergessen Sie mich nicht, helfen Sie mir aus der Verlegenheit.
Damit stand ich wieder auf dem alten Fleck. Doch nein! Der Brief in seiner natürlichen Schreibweise machte einen tiefen Eindruck auf mich; er rief mir das unwiderstehlich herzliche Wesen der Künstlerin zurück, und zum ersten Male trat mir der Vorsatz nahe, die Arbeit zu wollen, zu versuchen. Ja, wenn es sich nur um das Componiren gehandelt hätte! es war meine gewohnte Beschäftigung, und was den Erfolg anbetrifft, so hatte ich ja wahrlich keinen Grund, an dem Wohlwollen des Publicums, das mir seit länger als einem Vierteljahrhundert stets ein nachsichtiger und freundlicher Richter gewesen, zu zweifeln. Auch das Versemachen schreckte mich nicht zurück; aber der Stoff! woher den Stoff nehmen? Da lag die Schwierigkeit. Ich mochte nachdenken, so viel ich wollte, immer wieder mußte ich mit Faust ausrufen: „Nichts! Nichts!“
Da half mir der Zufall, dieser unschätzbare Bote des Schicksals, der Zufall und in der sonderbarsten Gestalt.
Am sechszehnten fesselte mich eine entsetzliche Migräne, meine langjährige und nur zu treue Freundin, an das Zimmer; ich war gezwungen, den Tag über auf dem Sopha zuzubringen. Nur wer das Uebel kennt – man ist dabei nicht effectiv krank und doch verbietet der heftige Kopfschmerz jede Beschäftigung – der vermag die Langeweile eines solchen Tages zu begreifen. Schon um mich zu zerstreuen, um meine Gedanken von dem Schmerz abzulenken, stellte ich die Photographie der Lucca vor mich auf den Tisch, betrachtete die Züge aufmerksam forschend, und dachte: Was möchtest du denn wohl dem Publicum sagen, und was möchte das Publicum denn am liebsten von dir hören? Jedenfalls irgend ein Selbstgeständniß, eine Vertraulichkeit in der Weise: wißt ihr, woher die Seele meines Gesanges kommt? wißt ihr, was mein Lied bedeutet? mein Lied, das seit meiner Jugend mir das Theuerste auf der Welt, mein Lied, der Ausdruck meiner Freuden und Schmerzen – – –
Halt! ein Pfad aus dem Labyrinth, ein Stern im Dunkel der Nacht! Mein Lied! Das könnte gehen!
Und wie sehr die Nerven in meinem armen Kopfe auch hämmerten und schlugen, es reihte sich Gedanke an Gedanke, Wort an Wort, Satz an Satz, und in meinen Schmerzen – wahrlich in Schmerzen entstand ein Lied: „Mein Lied“. Und merkwürdiger Weise, während ich mir das Gedicht oft wiederholte und hier und da den Ausdruck änderte und präcisirte, kam mir auch zugleich das musikalische Motiv für das Lied.
Am anderen Morgen erwachte ich sehr früh. Kaum hatte ich mich überzeugt, daß meine Migräne verschwunden war, als ich aufstand und mein Gedicht niederschrieb. Es lautete:
Seit meiner Jugendzeit
Hab’ ich in Freud’ und Leid
’Nen lieben Freund,
Der mit mir lacht und weint;
Der Freund ist: mein Gesang,
Wie ich bald froh, bald trüb’ und bang,
Den mir, der Alles lenkt,
So gütig hat geschenkt.
War oft von Sorge schwer, voll Zweifel mein Gemüth,
Treu blieb mir doch: mein Lied.
Und ist mein Haar ergraut,
Verhallt der Stimme Laut,
Wend’ ich den Blick
Wohl oft nach heut’ zurück,
Zu dieser Wonnezeit,
So reich an Huld und Seligkeit,
Und denk’: das war so schön,
Und mußte doch vergeh’n!
Dann wie ein süßer Trost durch meine Seele zieht,
Was heut’ ich sang: mein Lied!
Am nächstfolgenden Tage war auch die Composition beendet, so daß ich meiner Auftraggeberin brieflich anzeigen konnte, ich würde am nächsten Sonnabend vier Uhr mit dem verlangten Liede bei ihr erscheinen.
Liebenswürdig wie immer, empfing mich Pauline Lucca, indem sie mir entgegenrief:
„Nun? Habe ich nicht wahr gesprochen, als ich Ihnen sagte: Sie würden das Rechte schon finden?“
„Ob es das Rechte ist, gnädige Frau, das wird sich erst zeigen. Vor allen Dingen hören Sie die Worte und erklären Sie sich darüber, ob die Idee Ihnen zusagt.“
Sie fand das Gedicht „allerliebst“ und mit sichtlicher Neugier wollte sie mir das Manuscript aus der Hand nehmen, um es sofort am Flügel zu singen.
„Halt!“ rief ich, ihre Hand abwehrend, „erst ein Wort zur Verständigung! Ob unser Lied dem Publicum gefallen wird, das wissen wir heut Beide nicht; vor der Hand kommt es mir darauf auch nicht an. Zuerst will ich wissen, ob das Lied Ihnen gefällt, ob Sie es gerne singen; nur unter dieser Bedingung lasse ich es Ihnen. Seien Sie überzeugt, daß ich ohne jede Spur von Empfindlichkeit bin und nur den Zweck im Auge habe! Deshalb erwarte ich ehrlich und rücksichtslos Ihre Meinung. Mögen Sie dieses Lied nicht, so sollen Sie gewiß bald ein anderes haben. Nun singen Sie!“
Und indem ich ihr auf dem Flügel begleitete, sang Pauline Lucca mit voller Stimme das Lied fast ohne Anstoß vom Blatte.
Wie herrlich klang die Stimme auch hier! Wie edel und sonor erfüllte jeder Ton das große Zimmer! Und wie beredt und innig, wie reizend nüancirt – trotzdem sie das Stück zum ersten Male sang – war der Vortrag! Mit Freude gewahrte ich, daß meine Composition die günstigste Stimmlage und die Gesangsweise der Künstlerin wohl getroffen hatte.
„Das ist vortrefflich!“ rief Pauline Lucca, nachdem sie das Lied beendet hatte, „haben Sie bestens Dank! Ich will wünschen, das Lied wird dem Publicum so gefallen, wie es mir aufrichtig gefällt. Aber nun seien Sie so freundlich, es rasch zu instrumentiren, denn nächsten Freitag sollen die ‚Lustigen Weiber‘ sein.“
Selbstverständlich erhielt die Künstlerin einen Tag später meine kleine Partitur, so daß sie vollkommen Zeit hatte, das Ausschreiben der Stimmen besorgen zu lassen.
Am Freitag den 29. October verkündete der Theaterzettel: „Die Lustigen Weiber von Windsor“ und am Ende der Personen stand:
„Mein Lied“, Lied von Gumbert; „Das Veilchen“, Lied von W. A. Mozart, gesungen von Frau Lucca.
Klug und vorsichtig wie immer, sang Pauline Lucca zwei Lieder; gefiel das meine nicht, so sicherte sie sich doch den Erfolg durch das oft erprobte Mozart’sche.
Obwohl ich wußte, daß mein Lied der siegesgewissen Ausführung der über Alles beliebten Lucca anvertraut war, ging ich doch mit recht bekommenem Herzen in’s Opernhaus. Im Begriff, den Corridor zu durchschreiten, werfe ich zufällig noch einen Blick auf den dort hängenden Zettel – Himmel, was sehe ich! „Mein Lied“ war von dem Zettel verschwunden, nur „Das [150] Veilchen“ war geblieben. Ich mußte sicher sehr blaß geworden sein; so lag mir der Schreck, das Gefühl der Enttäuschung in den Gliedern. Was konnte da vorgefallen sein? Vergebens spähte ich nach einer Persönlichkeit, die mir Aufschluß gegeben hätte. Niemand zu entdecken! So trat ich endlich mißmuthig den Heimweg an, indem ich mir sagte: Das hast du von deiner Gefälligkeit; man soll der ersten Regung stets folgen; so hättest du dir den heutigen bitteren Abend erspart. Nun, so beruhigte ich mich, jedenfalls wird die Lucca dir morgen eine Aufklärung geben.
Allerdings kam Vormittags folgender Brief:
„Theurer Freund! Ich muß Sie nothwendig sprechen. Wenn Sie können, kommen Sie heute zwischen drei und vier Uhr oder morgen zwischen drei und vier Uhr zu mir. Das Lied muß länger werden, mit Orchester verschwand es ganz, darum mußte es gestern wegbleiben. Mit aufrichtiger Ergebenheit P. Lucca.“
Ich athmete freudig auf. Also nur zu kurz war das Lied für die Wirkung auf der Bühne. Sofort überlegte ich, wie dem abzuhelfen sei, und fand auch das geeignete Mittel: ein getragener Zwischensatz, eine breite Cantilene, bei welcher die Stimme sich in der ganzen Klangfülle zu zeigen vermochte, sollten die beiden Verse verbinden.
Als ich Nachmittags zu Pauline Lucca kam, streckte sie mir ihre beiden Hände entgegen und sagte voller Theilnahme:
„Sie armer Freund, Sie haben wohl gestern Abend keinen geringen Schreck gehabt? Aber ich konnte und wollte das Lied nicht so singen; in der Probe empfand ich, daß es vorüber ging, ehe ich warm geworden war, und da weiß ich stets gewiß, daß es dem Publicum ebenso geht. Das Lied muß auf irgend eine Weise länger werden.“
„Nun, gnädige Frau, jedenfalls danke ich Ihnen dafür, daß sie unter diesen Umständen das Lied nicht preisgaben. Das Gefühl des Sängers ist stets das richtige. Uebrigens bringe ich schon die Rettung.“
„Wie, Sie haben die Umänderung schon überlegt?“
„Gewiß! Hören Sie einmal an! Zwischen beiden Strophen kommt folgender Satz.“
Und ich sang ihr nun das vollständige Lied, allerdings den neuen Mittelsatz ohne Worte; diese hatte ich noch nicht.
„Ja,“ rief Pauline Lucca, „so ist es prächtig, so muß es von Wirkung sein; glauben Sie mir!“
Am nächsten Tage machte ich zu der Melodie des Mittelsatzes die Worte:
Und was mein Herz im Lauf der Stunden
An Liebesqual und Liebeslust
So ewig wahr und treu empfunden,
Was ich verschloß in tiefster Brust,
Wonach ich rang in heißem Sehnen,
Bald hoffnungsreich, bald todesmüd’,
Mein ganzes Sein in Glück und Thränen,
Das sprach: mein Lied –
instrumentirte den Satz und brachte nun das Ganze meiner Freundin. Diese sang das Lied, wiederholte es sogleich mit unverkennbarer Lust und erklärte sich durchaus befriedigt.
„Nun aber,“ sagte sie, „habe ich mir auch etwas überlegt. Bis jetzt sang ich meine Einlage immer am Schluß der Oper und mußte mich ärgern, wenn die Leute, um ihre Garderobe besorgt, ungeduldig wurden und sich zum Aufbruch rüsteten, noch ehe ich ausgesungen hatte. Bei dem ‚Veilchen‘ machte ich mir daraus weniger; Mozart bleibt ja doch Mozart; wenn ich aber etwas Neues singe, will ich den möglichsten Erfolg erzielen und dazu muß das Publicum ruhig zuhören können. Wenn mich nicht Alles trügt, wird Ihr Lied gewiß sehr gefallen; deshalb habe ich beschlossen, es zu Anfang des dritten Acts während der Tisch-Scene zu singen. Damit entgehe ich auch dem schon versuchten Einwande, daß das Lied dem heiteren Charakter der Frau Fluth nicht entspreche. Bei Tische singt der Ernste oft ein heiteres und der Lustige ein sentimentales Lied. Jedenfalls erreiche ich durch das Arrangement die Hauptsache: daß das Publicum dem Liede die volle Theilnahme schenkt.“
„Sie sind in Ihrer Sorge um mein Werkchen liebenswürdig wie stets. Aber, gnädige Frau, werden der Intendant und der Regisseur mit Ihrem Arrangement einverstanden sein? Wird man Ihnen nicht – und nicht ohne Grund – einwerfen: dann fehlt der Vorstellung der wirksame Schluß?“
„Nun, wenn es nicht anders ist, dann singe ich wirklich zum Schluß noch das ‚Veilchen‘; darauf soll es mir auch nicht ankommene.“ –
Die Angelegenheit mußte sich wohl so gestaltet haben, wie ich vorausgesehen. Am 29. November wurden die „Lustigen Weiber“ wiederum gegeben. Auf dem Zettel standen, wie einen Monat früher, als Einlagen die beiden Lieder.
Während der Tischscene mußte der Sänger des „Reich“ die Frau Fluth auffordern, „doch ein Liedchen zu singen“. Pauline Lucca trat nun vor und im Orchester begann das Vorspiel zu „Mein Lied“. Es bedarf keiner Versicherung, wie gespannt das gedrängt volle Haus horchte. Ein noch unbekanntes Lied und zum ersten Male von der Lucca gesungen. Im ganzen Opernhause herrschte die Stille einer Kirche. Und in einer Loge des zweiten Ranges, in eine Ecke gedrückt, saß der Autor des Liedes mit klopfendem Herzen und stockendem Athem und erwartete sein Schicksal.
Das Glück bereitete mir einen der schönsten Momente meines Lebens. Pauline Lucca sang das Lied wunderbar; in jedem Tone – nur ich konnte das herausfühlen – lag die Energie des Wollens, der Kampf um den Erfolg. Hatte sie im Mittelsatze die ganze Macht und Klangfülle ihrer Stimme entfaltet, so wurde ihr Ton im letzten Verse so unaussprechlich innig und wehmüthig, daß ich Damen in meiner Nähe die Augen trocknen sah. Bei den Schlußworten:
Denn wie ein süßer Trost durch meine Seele zieht,
Was heut’ ich sang: mein Lied!
hatte die Sängerin die aneinander gepreßten Fingerspitzen ihrer Händchen zum Munde geführt, und – wie bei einem herzlichen Scheidegruß – warf sie eine Kußhand in’s Publicum; zuletzt, gleichsam vom Gefühle überwältigt, ging sie schnell von der Scene.
Minutenlanger stürmischer Beifall folgte der Stille. Immer und immer wieder mußte Pauline Lucca erscheinen; nur mit Mühe entzog sie sich dem Verlangen nach einer Wiederholung des Liedes. In den folgenden Vorstellungen indessen gab das Publicum nicht nach, und von da hat die Künstlerin das Lied stets repetirt. Ebenso konnte sie nun zum Schlusse der Oper das Mozart’sche Lied ausfallen lassen; an Stelle desselben wurde ein schon vor Jahren gesungenes kurzes Ensemble-Stück wieder hergestellt, nach welchem der Vorhang fiel.
Daß ich meiner Sängerin den wärmsten Dank schriftlich und mündlich ausdrückte – wer wird daran zweifeln?
„Mein Lied“ wurde der Sängerin aber im Verlaufe der Zeit viel mehr, als wir jemals voraussehen konnten; die Ereignisse stempelten es – im Winter 1871 auf 1872 – zu einem Sensationsstück; Pauline Lucca sang es während der Saison fünf Male und jedes Mal dann, wenn sie auf das Publicum einen besonderen Eindruck beabsichtigte. So sang sie es im December als Abschiedslied vor dem Petersburger Gastspiel, mit welchem die Berliner (weil inmitten der Wintersaison) durchaus nicht einverstanden waren; sie sang es ebenfalls nach der Rückkehr beim ersten Auftreten im Januar des Jahres 1872. Noch bedeutungsvoller wurde das Lied am 30. Januar, wo das Publicum der Künstlerin zeigte, daß es ihr selbst eine große Uebereilung verzeihe. Pauline Lucca war nämlich am 27. Januar in einer Vorstellung der „Hochzeit des Figaro“, als sie erschien, wie gewöhnlich mit Beifall, in welchem sich jedoch starke Zischlaute bemerkbar machten (man schrieb diese wohl nicht mit Unrecht einer gewissen Clique zu), empfangen worden. Auf Susannens Frage: „Nun, Cherubin, was giebt’s?“ erwiderte der Page zum Publicum gewandt: „Ungezogenheiten giebt’s!“ und verließ die Scene, so daß der Vorhang fallen mußte. Nach einer peinlichen Pause begann die Vorstellung von Neuem; Cherubin erschien wieder, abermals mit Beifall, aber auch wiederum mit Zischen empfangen. Da trat Pauline Lucca dicht an die Lampen vor und sagte zum Publicum:
„Ich bin mir keiner Schuld bewußt und sehe nicht ein, weshalb ich unverdiente Beleidigungen hinnehmen soll.“
Darauf hatte die Vorstellung ihren gewohnten Verlauf. Wenige Tage nachher trat Pauline Lucca, wie oben erwähnt, als Frau Fluth wieder auf, und das Publicum bereitete ihr eine überaus glänzende Satisfaction. Schon bei ihrem Erscheinen mit den kostbarsten Blumenspenden empfangen, erreichte der Enthusiasmus im dritten Acte nach der Einlage „Mein Lied“ den höchstmöglichen Grad. Unter Beifall, der nicht
[151] [152] enden wollte, bedeckte sich die Bühne mit Blumen und Kränzen; endlich Wiederholung des Liedes, darauf abermals minutenlanges Rufen und Applaudiren.
Das Lied wurde endlich auch am 2. April 1872 das letzte Wort, welches Pauline Lucca zum Berliner Publicum sprach. „Mein Lied“ war nach elfjähriger Wirksamkeit ihr Lebewohl. Sie hat von Amerika aus die Conventionalstrafe von achttausend Thalern erlegt und damit ihre Verbindlichkeiten gegen die königliche Oper vollständig gelöst. Ob sie noch einmal in Berlin singt? Die Zukunft wird es lehren!
Somit wäre meine kleine Erzählung zu Ende.
Dennoch mag ich sie nicht schließen, ohne über Pauline Lucca und ihre charakteristische Eigenthümlichkeit noch Einiges mitzutheilen. Hat doch der Leser gewiß ungern die originellen Aperçus vermißt, durch welche die Künstlerin nicht minder berühmt geworden als durch ihre Gesangsleistungen. In der That schien Pauline Lucca nach meinen ersten Besuchen mir ihr Vertrauen zu schenken; sie sprach offen und rückhaltlos zu mir, freilich nicht ohne öftere Ermahnung: „Doch das bleibt unter uns; Sie versprechen mir, keinen Gebrauch davon zu machen.“ Natürlich gelobte ich Discretion und werde mein Versprechen halten. Und so habe ich wohl die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (in Bezug auf die Begebenheit), aber allerdings nicht die ganze Wahrheit (das heißt Alles, was gesprochen worden) berichtet. Jedoch kann ich versichern, daß ich unsere oft stundenlangen Unterhaltungen zu den interessantesten Erinnerungen meines Lebens zähle; die Aeußerungen der Künstlerin über sich selbst, über Opern, Componisten, Sänger und Sängerinnen, Capellmeister, Recensenten, über Persönlichkeiten aus anderen Kreisen waren ebenso überaus treffend, als sie oft mit dem köstlichsten Humor, oft mit tiefem Gemüth vorgebracht wurden.
Wer Pauline Lucca – wie man das jetzt wohl öfter vernehmen kann – für undankbar erklären möchte, weil sie mit den langjährigen Berliner Verhältnissen so plötzlich gebrochen, der würde ihr sicher großes Unrecht thun. Das Scheiden ist ihr gewiß nicht leicht geworden; ich habe, so oft von Berlin die Rede war, nur Worte der innigsten Anhänglichkeit von ihr gehört. Mit enthusiastischer Verehrung und gar gern gedachte sie des Kaisers Wilhelm und seiner Huld und Güte; den Generalintendanten Herrn von Hülsen nannte sie ihren besten Freund, dessen Rathschlage sie stets zu ihrem Wohle befolgte, und über ihre Beliebtheit beim Publicum sprach sie ohne Ueberhebung und in den Ausdrücken des höchsten Dankes. Zeugte es doch gewiß von Bescheidenheit, wenn sie – als ich einst schilderte, wie schwierig es sei, zu ihren Vorstellungen Billets zu erlangen – in ihrer natürlichen Weise äußerte: „Ich bin nur neugierig, wie lange sich noch die Berliner so um mich reißen werden.“ Wie genau sie übrigens ihr Publicum kannte und wie klug und logisch sie folgerte, davon noch eine Probe.
Während des letzten Winters veranlaßte Pauline Lucca öfter rothe Zettel, das heißt, Umänderung der angesetzten Opernvorstellung. Als ich ihr die Unzufriedenheit des Publicums nicht verhehlte, sagte sie:
„Lieber Freund, was kann ich dafür? Ihnen darf ich den wahren Sachverhalt schon sagen. Sie wissen ja, daß ich während der letzten Saison in London einen so heftigen Anfall von Diphtheritis hatte, daß die Aerzte meinen Zustand während fünf Stunden für einen hoffnungslosen erklärten. Nachdem ich wieder genesen war, sagten mir dieselben Aerzte, daß die Krankheit, wenn auch für jetzt gehoben, mir jedoch noch längere Zeit Nachwirkungen verursachen würde; daß ich zeitweise eine Ermüdung im Halse zu gewärtigen hätte, bei welcher ich, wenn mir meine Stimme lieb sei, unter keinen Umständen singen dürfe. Die Aerzte hatten nur zu richtig prophezeit. Schon im Sommer, als ich in Ischl war, spürte ich eine solche Erschlaffung der Halsorgane, und jetzt habe ich sie wieder. Hören Sie selbst! Wenn ich den Ton stark angebe, spricht er wohl an, aber im Piano merken Sie das Mühsame, das Hinderniß; der Ton ist stumpf und klanglos. Würde ich einen Abend hindurch in so forcirter Weise singen, so wäre sicher eine lange andauernde Heiserkeit die Folge.“
Dabei war Pauline Lucca zum Flügel gegangen und sang; als Praktiker konnte ich mich sofort von der Wahrheit ihrer Aussage überzeugen.
„Aber“ – warf ich ein – „warum sorgen Sie nicht dafür, daß das Publicum durch die Presse den Sachverhalt erfährt?“
„Nein“ – rief sie lächelnd – „o nein, um die Welt nicht! Dann würde bei meinem nächsten Auftreten das Publicum – und wäre ich noch so brillant disponirt – sich gewiß einbilden, ich hätte an meiner Stimme verloren. Und das möchte mir auf immer für hier und auswärts den größten Schaden zufügen. Nein, nein, besser ist es, man hält mich – wie ich sehr wohl weiß – für träge und launenhaft. Wenn ich dann wieder auftrete, dann singe und spiele ich um so besser. Dann applaudirt das Publicum, verzeiht mir meine – wie es glaubt – Capricen und hat mich lieb, wie immer.“
Wie so häufig, mußte ich ihr zustimmen.
Ich habe im Laufe der Jahre manche berühmte Sängerin kennen gelernt, aber keine gefunden, die so klar und ohne jede Verblendung über ihren Charakter, über die Beschaffenheit ihrer Stimme, über die Tragweite ihres Talents urtheilte und die jeden praktischen Wink so freudig aufnahm und verwerthete, wie Pauline Lucca.
Berlin, den 8. Februar 1873.
Seit den letzten Jahren sind mir in stets wachsender Zahl eine solche Menge von Briefen aus allen Weltgegenden, insbesondere aus Deutschland, zugekommen, daß es mir nachgerade beim besten Willen zur Unmöglichkeit geworden ist, dieselben alle auch nur annähernd genügend zu beantworten. Der biedere Postbote, welcher meine kosmopolitische Stellung als Mitarbeiter der „Gartenlaube“ nicht kennt, erstaunt mit Recht über die zahlreichen fremdländischen Briefcouverte, welche er fast täglich an meine Adresse befördern muß, worauf Poststempel aus Städten hinten in der Türkei, aus Rußland, Brasilien, asiatischen Ländern etc. durchaus nichts Seltenes sind; so daß es mich durchaus nicht Wunder nehmen sollte, wenn er meine bescheidene Wohnung für ein verdächtiges Geheimbureau hielte. Diese Sündfluth von ausländischen Briefen habe ich lediglich dem Umstande zu verdanken, daß ich in dem berühmten San Francisco lebe und von hier aus gelegentlich Skizzen über amerikanisches Thun und Treiben in unserem deutschen Weltblatte, der „Gartenlaube“, vor die Oeffentlichkeit bringe. Neunundneunzig unter hundert jener Briefsteller haben in der Gartenlaube gelesen, daß ich in der großen californischen Goldstadt, also an der Quelle, wohne, und wenden sich daher an mich um Auskunft.
Fast jeder dieser Briefe beginnt ungefähr mit den Worten: „Da ich Ihren werthen Namen in der Gartenlaube gelesen habe und sonst Niemanden in San Francisco kenne, so erlaube ich mir etc.“ – Dann folgen einige anerkennende Worte über meinen Aufsatz so und so in der Gartenlaube, um mich in eine freundliche Stimmung zu versetzen, und darauf beginnt der Brief im Ernste – zwei, vier, sechs oder gar acht dichtbeschriebene Quartseiten lang. Hier fragt mich zum Beispiel ein (gewiß äußerst liebenswürdiges) Fräulein, nachdem sie mir ihre kleinen Sorgen im Vertrauen mitgetheilt hat, ob sie in San Francisco – – doch schweigen wir davon; denn ich möchte keiner der Leserinnen unserer Gartenlaube durch eine Indiscretion in diesem offenen Schreiben wehe thun! Befassen wir uns also lieber mit meinen männlichen Correspondenten!
In x Briefen erkundigt sich ein mir ganz unbekannter Fabrikant, Kaufmann, Gärtner, Bierbrauer, Handwerker, Müller, Wein- und sonstiger Bauer in positivster Sprache nach den klimatischen und Bodenverhältnissen, den socialen und handelswirthschaftlichen Zuständen von Californien, Nevada, Oregon, Texas etc.; fragt nach der Sicherheit des Lebens und Eigenthums in jenen Ländern, nach der billigsten und besten Reiseroute dorthin, mit genau anzugebenden Preisen für Passage; welche Art von Kleidungsstücken, was für Geldsorten am vortheilhaftesten mitzunehmen [153] seien; welche Jahreszeit die passendste zur Reise ist etc. etc. Der und Jener möchte mit so und so vielen europamüden Nachbarn auswandern, besitzt so und so viel Vermögen und hat nun das bodenloseste Vertrauen in meine Kenntnisse über die Verhältnisse jedes Staates dieser Union. Zu mir mit dem „echt deutschen Wesen“ hat er ein Vertrauen gefaßt; mein gutes Herz ist ja aus allen meinen Aufsätzen in der Gartenlaube klar zu ersehen (dieser Passus fließt so oft in die Briefe ein, daß ich fast an die Wahrheit der Behauptung glauben möchte) – in mir wird er sich nicht täuschen und ich soll ihm sagen, wo in den Vereinigten Staaten er am besten hinziehe, wo es am gesündesten ist und wo er am zufriedensten leben kann etc. Seitenlang erzählt mir der Briefsteller seine Privatverhältnisse, damit ich dieselben genau beurtheilen könne, theilt mir die zartesten Familiengeheimnisse mit, deren Lesen mich oft tief erröthen läßt. Ich könnte hier Stellen aus solchen Briefen wiedergeben, die ungeheure Heiterkeit von Pol zu Pol erregen müßten; aber, wie gesagt, ich will Niemanden compromittiren und werde zu schweigen wissen.
In einer Menge von Briefen werde ich gefragt, ob ehrliche Leute an der Spitze von dieser oder jener Eisenbahngesellschaft stehen, in deren Aktien mein unbekannter Freund, durch hohe Procente angelockt, sein Baarvermögen angelegt hat; eine fast komische Frage für einen alten Deutschamerikaner, wie Schreiber dieses ist, der weiß, daß bei dergleichen Unternehmungen die Ehrlichkeit hier zu Lande mit der Diogeneslaterne gesucht werden muß und jedenfalls da aufhört, wo der Profit zu Ende ist, und daß ein Uneingeweihter gar keine Einsicht in die Verhältnisse solcher Gesellschaften erlangen kann. Oder es wünscht (wovon ich zahlreiche Belege besitze) Jemand Butter, Bier und Eier, Tuche, Strumpfwaaren, Handschuhe oder andere Artikel aus den östlichen Unionsstaaten oder aus Deutschland nach Californien zu schicken, oder Lachse aus Oregon zu beziehen, oder er will den Preis von hiesigen Producten wissen, – da wendet er sich natürlich an den ihm aus der Gartenlaube bekannten Herrn Kf. in S. Frc. – Der kennt ja die californischen Verhältnisse auf das Genaueste und wird gewiß in einem ausführlichen Briefe gern die nöthige Auskunft ertheilen. Der Mann ist gewiß die Gefälligkeit selber und hat als Schriftsteller ja Zeit vollauf!
Von Hunderten bin ich gefragt worden, ob Handelsbeflissene in dieser Stadt leicht eine gute Anstellung erlangen könnten, oder ob ich nicht gar die Gefälligkeit haben wollte, Jemandem eine solche einträgliche Stelle zu verschaffen; oder es wünscht eine unternehmende deutsche Dame einen Platz als Lehrerin und Haushälterin in einer hiesigen reichen und gebildeten Familie; oder Jemand meldet sich in einem sehr uncorrect geschriebenen und schlecht stilisirten Briefe als Schullehrer und beansprucht gleich ein hohes Gehalt, im Glauben, daß die californischen halbcivilisirten Nabobs, denen er seine werthvollen Dienste anbietet, mit beiden Händen zugreifen werden – kommt er dann mit solcher vorgefaßten Meinung hierher und findet eine großstädtische Bevölkerung ganz nach europäischer Weise und gute Bildungsanstalten und treffliche Lehrer in Menge und fällt gar beim Examen durch, so muß er, statt ein Professor zu werden, vielleicht die Stelle eines Schüsselwaschers in einem Restaurant versehen, was Alles schon dagewesen ist. Wenn ich nun dieses der Wahrheit gemäß auseinandersetze und Anderen antworte, daß gesunde und arbeitsame Dienstmädchen hier bei hohem Lohn mit Leichtigkeit ein Unterkommen fänden, aber keine deutschen Gouvernanten; daß man in Californien, wo unternehmende Leute aus allen Weltgegenden zusammengeströmt sind, nur die tüchtigsten Leute in jedem Fach, namentlich aber kräftige und fleißige Landbebauer, Winzer, Handwerker, Arbeiter aller Art, und zwar mit möglichst viel Geld gebrauchen könne, und daß hier viele Hunderte von Handlungsdienern ohne Beschäftigung wären, die gern nach den „Staaten“ zurückgingen, wenn sie nur das zur Reise nöthige Geld erübrigen könnten: so glaubt mir das natürlich Niemand, und ich gelte wahrscheinlich noch obendrein als ein herzloser Grobian.
Die „Hertha-Woche“ im Goldlande scheint namentlich bei Vielen in Deutschland den Glauben geweckt zu haben, daß es in San Francisco sozusagen immer Sonntag sei. Ein gewaltiger Irrthum! denn hier arbeiten die Menschen im Allgemeinen viel anstrengender und gönnen sich weit weniger Zeit zu Vergnügungen als in Deutschland. Es ist eine hier oft ausgesprochene und wahre Bemerkung, daß ein Kaufmann oder ein Handwerker, der in Deutschland so hart wie in Amerika arbeiten wollte, dort ebenso viel „Geld machen“ könnte wie in diesem Lande. – Doch, um auf meine Herren Correspondenten zurückzukommen; da lautet es z. B. in einem vor Kurzem eingelaufenen sehr langen Briefe wörtlich, in origineller Stilübung:
„Ich erbitte mir Ihr Urtheil darüber, ob das westliche Amerika, also Mexico, Californien, Oregon, das Gebiet der Shoshones- oder Snake-Indianer zum Getreide-, Obst- und Weinbau geeignet, Arbeitskräfte genügend dazu vorhanden sind und die Arbeiterverhältnisse nicht zu erschwerend bei wenigem Betrieb der Landwirthschaft, Vieh-, Pferde-, Schaf- und Schweinezucht einwirken, ob den Grundbesitzern einiger Schutz durch Behörden etc. gewährt wird, ob die erzeugten Producte auch zu verwerthen und durch dieselben sichere Renten zu erzielen sind? Dann bitte ich mir auch gütigst etc.“ – NB. ich bitte den Fragesteller gütigst zu entschuldigen, daß ich ihm nicht eine mit ausführlichen statistischen Angaben bereicherte Broschüre über einen Ländercomplex, halb so groß als Europa, als Antwort schreibe; ich habe wirklich nicht die Zeit dazu! – Derselbe Briefsteller interessirt sich nebenbei sehr für edele Charaktere und erkundigt sich nach dem Franzosen Violet, dem Häuptling der edlen und geistig begabten Shoshones- und Snake-Indianer, sowie nach seinen Freunden Gabriel und Roche, von denen er in einem Buche gelesen hat. Die Cooper’schen Phantasieromane über die „noblen rothen Männer“ scheinen diesem Briefsteller im Kopfe zu spuken. Ich habe ebensowenig die Ehre der Bekanntschaft jener berühmten Franzosen, als der den Erzengeln Gabriel, und was die geistig begabten Herren Shoshones und Snakes anbetrifft, so muß ich sagen, daß ich in meinem Leben keine miserableren, schmierigeren und nichtswürdigeren Indianer sah, als jene. Ein Zigeuner würde sich ihre Bekanntschaft höflichst verbitten!
In vielen Briefen werde ich dringend ersucht, Verschollene ausfindig zu machen, und gefragt, ob ich nicht Diesen oder Jenen in Texas oder in Californien oder in Oregon kenne, wo ich ja lange gewohnt. Die genannten drei Staaten sind etwa so groß wie Deutschland, Frankreich und Spanien zusammengenommen, und die Frage klingt ungefähr so, als erkundigte sich Jemand bei Einem, ob man nicht mit dem Herrn Schmidt oder Meier in Preußen bekannt sei. Keinem dieser Briefsteller scheint es bis jetzt in den Sinn gekommen zu sein, daß es in einem Lande wie Californien mit nicht geringen pecuniären Opfern verknüpft ist, Verschollene ausfindig zu machen, da es doch für Jemanden, der mehr als absolut gar nichts zu thun hat, nicht statthaft ist, sich persönlich bei allen Vereinen, Clubs, Freunden etc. in der Stadt nach diesem oder jenem Unbekannten zu erkundigen. In San Francisco leben unter einhundertsiebzigtausend Einwohnern etwa zwanzigtausend Deutsche und außerdem gibt eine Menge Landstädte und Hunderte von Minenlagern an dieser Küste, wo solche abhanden gekommenen Leute sich aufhalten könnten. Wie ist nun ein Einzelner, selbst bei ausgedehntester Bekanntschaft, im Stande, die Spur eines solchen Verschollenen zu entdecken, es sei denn, daß er die Anzeigespalten einer Zeitung zu Hülfe nähme? und da die hiesigen deutschen Journale selten bis zu jenen Minenlagern dringen, so müßte eine der gelesensten englischen aushelfen, welche sich ihre Anzeigen recht theuer bezahlen lassen. Trotz dieser schwierigen Verhältnisse und der an mich gestellten wirklich nicht selten äußerst naiven Fragen und Zumuthungen, habe ich mir oft viele Mühe gegeben, die Gesuchten zu finden, und daß mir dies in einzelnen Fällen gelang, hat mir zur herzlichen Freude gereicht. Leider muß ich die Bemerkung hinzufügen, daß solche Wiedergefundene in der Regel Menschen waren, die seit vielen Jahren entweder aus purer Nachlässigkeit ihren Angehörigen keine Briefe gesandt hatten, oder, weil ganz veramerikanisirt, es nicht der Mühe werth hielten, nach Deutschland zu schreiben, und die es wenig verdienten, daß Jemand ihrethalben Zeit und Geld verschwendete, um ihren Wohnort ausfindig zu machen.
Mancher von solchen Nachlässigen würde doch vielleicht von sich hören lassen, wüßte er, wie sehr ein ängstliches Mutterherz sich nach ihm sehnt und liebende Eltern, Geschwister und Verwandte die Tage zählen, welche nach und nach zu Jahren und Jahrzehnten werden, seit sie zuletzt von ihrem über das Weltmeer [154] gezogenen Theuren eine Nachricht erhielten. Sollten Diesem oder Jenem von solchen Schuldbewußten meine Mahnworte an dieser Stelle in unserer fast nach jedem Erdenwinkel gelangenden Gartenlaube zu Gesicht kommen, so will ich hoffen, daß er es nicht unterlassen wird, sofort durch einen langen und ausführlichen Brief nach der alten Heimath das Versäumte wieder gut zu machen, und wenn diese Zeilen die Ursache sind, daß lange Zeit von einander Entfremdete sich auf solche Weise wiederfinden, so will ich die Stunde theuer schätzen, in welcher mir zuerst der Gedanke kam, mich hierüber öffentlich auszusprechen.[2]
Noch ein paar Worte, und ich schließe diese bereits ungebührlich lange Epistel. Niemand, hoffe ich, zweifelt daran, daß ich an dem Wohl und Wehe meiner wanderlustigen Landsleute regen Antheil nehme. Gern möchte ich auch Jedem auf seine brieflichen Anfragen den besten Rath ertheilen und Jeden mit einem langen Antwortschreiben zufriedenstellen; aber ich müßte, um dies möglich zu machen, fast meine ganze mir bereits sehr knapp zugemessene freie Zeit opfern. Der gütige Leser soll nämlich, da ich doch einmal über mein Selbst reden muß, auch noch wissen, daß ich nicht ein mit vielen Mußestunden beglückter Schriftsteller von Profession, sondern Kaufmann bin, und mich mit Literatur lediglich aus Lust und zur geistigen Erholung in meinen freien Stunden beschäftige. Ein amerikanischer Geschäftsmann hat aber, namentlich in Californien, wo Alles sozusagen mit Dampf betrieben wird, verzweifelt wenig Mußestunden. Ich müßte, da mir die Zeit zu ausführlichen Berichten etc. an meine geehrten Herren Briefsteller gänzlich mangelt, entweder meiner Lieblingsneigung zum Schriftstellern und Dichten ganz entsagen, oder wenigstens einen Secretär anstellen, der mein auswärtiges Departement besorgte, was denn doch wohl zu viel verlangt hieße!
Wer die heimathliche Scholle zu verlassen gedenkt, der baue überhaupt nicht zu viel auf den Rath und die Hülfe Anderer, sondern sei entschlossen, im fremden Lande seines Glückes eigener Schmied zu sein. Ich rede grundsätzlich Niemandem zu, auszuwandern. Das sei eines Jeden eigene Sache, und ich möchte nicht die Verantwortung übernehmen, auch nur Einem unter Tausend, die über das Meer ziehen wollen, verkehrten Rath gegeben zu haben. Selbstverständlich bin ich gern erbötig, in besonders dringenden Fällen und wo meine Hülfe augenscheinlich Nutzen bringen kann, meinen lieben Landsleuten im alten Vaterlande Aufschluß über hiesige Verhältnisse zu ertheilen; aber ein allgemeines Intelligenz- und Immigrationsbureau in San Francisco zu halten und culturhistorische Briefe an Johann, Peter und Paul zu schreiben, muß ich ein- für allemal entschieden ablehnen.
San Francisco, am 18. Januar 1873.- ↑ Hierher gehört auch die Erfahrung, welche ein Ungenannter in den „Blättern für Geflügelzucht“, Nr. 20, 16. October 1872, mittheilt. Er giebt an, daß Hühner (besonders junge), die er auf seinem Schooß auf den Rücken legte und mit der Hand vom Halse nach dem Schwanz strich, in Schlaf geriethen.
- ↑ Diesem Wunsche muß auch die Redaction der Gartenlaube sich anschließen. Der erfreuliche Umstand, daß es in einigen Fällen gelungen, sogenannte Vermißte deutscher Angehöriger in fremden Welttheilen aufzufinden oder über ihr Ende Nachricht beizuziehen, hat uns einen längst nicht mehr zu bewältigenden Strom von solchen Nachfragen nach Vermißten zugewandt. In diesem Augenblick liegen weit über tausend solcher Aufrufe vor! Ein wenn noch so gedrängt gehaltener Abdruck dieser Briefe würde nicht mehr Spalten oder Columnen, sondern Bogen der Gartenlaube in Anspruch nehmen, oder wir müßten unseren sämmtlichen Lesern zumuthen, Jahr aus Jahr ein in jeder Nummer wenigstens eine Spalte Nachfragen nach Vermißten zu finden. Und dabei haben wir leider die oben von Kirchhoff erwähnte Erfahrung ebenfalls gemacht, daß nicht selten die Herren Vermißten selbst der Mühe ihres Suchens nicht werth waren. Allerdings giebt es ehrenwerthe Ausnahmen und herzergreifende Familien-Tragödien, die Beachtung zur Pflicht machen; einer solchen werden wir uns, namentlich wo es gilt, einem alten Vater, einer trauernden Mutter den Trost der Hoffnung zu bringen oder einem Armen aus der Noth zu helfen, nie entziehen, müssen aber um so ernster darum bitten, nicht blos, weil’s durch die Gartenlaube so bequem gemacht ist, nach Verschollenen zu fragen, an die man wohl sonst kaum gedacht hätte. D. Red.
Trachtenbilder. Nr. 1. Senner und Sennerin in Norwegen. (Mit Abbildung, Seite 151.) Mit unserm heutigen Bilde eröffnen wir eine Serie von „Trachtenbildern“, als deren Vorläufer wir das „Lappländische Hirtenmädchen“ in Nr. 6 der Gartenlaube ansehen möchten. Wir gedenken unsern Lesern in dieser Rubrik nach und nach Volkstypen aus Nord und Süd, aus Ost und West vorzuführen und hoffen so bei dem immer mehr hervortretenden Verschwinden der Volkstrachten den jetzigen und namentlich den künftigen Lesern der Gartenlaube ein nicht unwillkommenes Andenken an jene Zeit zu schaffen, da sich noch die nationalen Eigenthümlichkeiten der Völker, hinab bis in die einzelnen Provinzen, auch in ihrem Aeußern, in Kleidung und Geräthschaften, ausprägten.
Das Bild der gegenwärtigen Nummer versetzt uns in’s südwestliche Norwegen, in’s Hardanger Land. „Die Sonne stand noch hoch; ihr blendender Glanz wurde durch den aufsteigenden Höhenrauch gedämpft, und ihre Strahlen gossen eine glühende Fülle von Licht und Farbe über die Landschaft und den glatten Spiegel des Fjords, der in buntem Durcheinander ebensowohl den üppigen Baumwuchs des Ufers, wie grüne Felder, bemooste Steine und Felsen, kahle Berge und schneebedeckte Kuppen in seinen Schlangenlinien abspiegelte. Wie ein strahlendes Diadem aber umgaben die Gletscher die Stirn des Gebirgen.“ So schildert Asbjörnsen einen Sommerabend in jenen Distrikten Norwegens. Es ist ein schönen romantisches Stück Erde, dieses Hardanger Land; die Wasser des buchtenreichen Fjords bespülen seine Felsenküsten – und zwischen seinen Klippen und Bergen wohnt ein kräftiges, arbeitsames Volk.
Wir sehen eine anmuthige Scene aus dem Leben dieses Volkes vor uns. Es ist das alte Thema: „Er“ und „Sie“, Beide schmucke Kinder, Beide junges Blut! „Was die Leutchen mit einander zu reden haben, das wird schon Jeder selbst wissen; wozu da noch ein Text?“ so meinte ein gemüthlicher Freund der Gartenlaube, als das Blatt noch naß aus der Druckerei kam. Der Mann hat Recht. Wir verrathen also unsern Lesern nichts weiter, als daß unsere Schöne ein „Sätermädchen“ ist, eine norwegische Aelplerin, eines Bauern Tochter oder Magd. Das Motiv der Scene aber ist: Abschied; der Bursche bleibt unten im Thal, aber das Mädel – reisefertig, neben ihr liegt das Bündel – geht heute auf lange Zeit hinauf auf die Berge. Leben doch solche „Sätermädchen“ im Sommer Monate lang, oft acht bin zehn Meilen von ihrem Heimathsdorfe entfernt, auf dem Hardanger-Fjeld; sie hüten da oben die Heerden und wohnen in ärmlichen Hütten, welche „Säter“ (daher der Name der Mädchen) genannt werden. – Ob der Bursche sein Mädel da oben auf den Bergen besuchen wird? Wir glauben’s.
gingen wieder ein: Frl. v. B. in Rochlitz 2 Thlr.; Gymnasium Bernhardinum in Meiningen 21 Thlr. 10 Ngr.; Gemeinde Braunichswalde bei Ronneburg 8 Thlr.; Männergesangverein in Bretnig 6 Thlr.; Grünstädter Greschengesellschaft 4 Thlr.; Theatervorstellung des Gesangvereins in Jeßnitz 52 Thlr. 2 Ngr. 9 Pf.; Turnverein in Jeßnitz 10 Thlr.; Association in Frankenberg 5 Thlr.; aus Nordhausen 2 Thlr.; A. S–d in Petersburg 2 Rubel, E. B. 1 Thlr.; ein bis in den Tod treuer Leser der Gartenlaube in Lichbg. 10 Rubel; ein Kränzchen der Feuerwehr in Baden 10 fl. ö.; Theatervorstellung von Dilettanten in Chodziesen 100 Thlr.; Frau Botte in Tangerhütte 1 Thlr.; dritter Beitrag des Stammtisches im Mohren in Untermhaus (Gera) 8 Thlr.; N. N. 1 Thlr.; wenig aber herzlich 2 Thlr.; Familie Zawrzel in Wien 3 fl. ö.; Jugendverein zu Walddorf 2 Thlr.; G. L. Ritter aus H. in Baiern 6 Thlr.; Verlobungsbund (A. Grau) in Breslau 25 Thlr.; Arbeiter der Kunsttischlerei von Bieler u. Co. in Leipzig 6 Thlr. 12 Ngr.; Frau C. Z. in Leipzig 5 Thlr.; Abendunterhaltung der Gesellschaft Thalia in Ronneburg 10 Thlr.; Dilettanten des Turnvereins zu Alt- und Neugersdorf 12 Thlr.; Turnverein in Siegen 10 Thlr.; Sam. Zeim in Redwitz 5 Thlr.; Liedertafel in Ortrand 2 Thlr.; für unsere schleswig-holsteinischen Stiefgeschwisterchen ein paar Vergißmeinnicht aus Köpenick 10 Thlr.: A. Kriegemann in Riga 22 Rubel 50 Kopeken; Stadtrath in Lommatzsch 36 Thlr. 20 Ngr. 5 Pf.; von Deutschen in Montevecchio in Sardinien 50 Lire; Deutscher Verein in Antwerpen (durch A. Kropp) 42 Thlr.; königliches Gerichtsamt in Lengefeld 80 Thlr. 14 Ngr. 9 Pf. und zwar von Lengeseld mit Rauenstein und Marterbüschel 30 Thlr. 24 Ngr. 5 Pf., von Forchheim 5 Thlr. 5 Ngr. 4 Pf., von Grösdorf 7 Thlr. 6 Ngr., von Haselbach 4 Thlr., von Lippersdorf 5 Thlr., von Mittelsaida 4 Thlr. 10 Ngr. 5 Pf., von Niedersaida 2 Thlr., von Obersaida 3 Thlr. 1. Ngr., von Pockau 5 Thlr., von Lippersdorf 5 Thlr. 2 Ngr. und von Wünschendorf mit Stolpenhain 7 Thlr. 25 Ngr. 5 Pf.; aus Manchester 1 Thlr.; Ungenannt aus Bamberg 15 fl. ry.: L. M. in St. Petersburg 50 Thlr.; Schiedsmännischer Vergleich durch Ludwig Manheimer 1 Thlr.; Gewerbeverein in Markneukirchen 16 Thlr.; Osterloh in Köln 1 Thlr. 1 Ngr.; Gesangverein in Wüstegiersdorf 4 Thlr.; am runden Tisch im „Deutschen Haus“ zu Oederan und R. Modrow in Thiemendorf 2 Thlr.; Ergebniß einer in Kötschenbroda veranstalteten Lotterie 112 Thlr.; Sammlung der Schulclassen in Lunzenau 8 Thlr. 28 Ngr.; Kinderconcert der Chorschüler in Lunzenau 15 Thlr. 17 Ngr.; aus einer Lotterie von Frau E. Zangemeister zu V. bei Mühlhausen i. Th. 27 Thlr.; für Fritz Kruse aus der Sparbüchse von Emma Zangemeister 1 Thlr.; Henriette Klusemann in Gmunden 20 fl. ö.; I. G. in Frankfurt a. M., aus einem Nachlasse 15 Thlr.; Malermeister Hoffmann in Breslau 10 Thlr.; vom Stiftungsfest den landwirthschaftlichen Vereins zum Lindenvorwerk bei Kohren 8 Thlr.; W. K. 2 Thlr.; P. Höfer in Soroksar (bei Pest) 5 fl. ö.; theatralische Vorstellung der Concordia in Eilenburg 12 Thlr. 9 Ngr. 4 Pf.; Th L. in Sangerhausen 2 Thlr.; Knabenclasse A V der Bürgerschule in Freiberg 3 Thlr. 17 Ngr. 5 Pf.; I. in Hof 10 Thlr.; L. und I. Hildisa in Christiania 3 Thlr.; Töchterschule in Schwersenz durch Lehrerin Mellmann 20 Thlr.; kleine Gesellschaft auf der Post in Sohland 1 Thlr. 15 Ngr.; Gemeinde Roda durch den Vorstand Voigt 17 Thlr. 10 Ngr.; Kronensöhne in der Centralhalle in Leipzig 8 Thlr. 10 Ngr.; Torgauer Liedertafel 10 Thlr.; gesammelt bei einem Bergmannsball in Altwasser 4 Thlr. 5 Ngr. 9 Pf.; vom Stiftungsballe der Gesellschaft zum Bade in Raschau 17 Thlr.; Polytechniker-Gesangverein Erato in Dresden 55 Thlr.