Die Gartenlaube (1871)/Heft 35
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No. 35. | 1871. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
Das Haideprinzeßchen.
Ich steckte die Briefreste in meine Tasche und ging hinein
auf den Fleet. Eben rollte die Chaise aus dem Gatterthor und
bog, bedenklich schwankend, in den nach links führenden schauderhaften
Haideweg ein, und von der entgegengesetzten Seite her
kam Hainz auf den Dierkhof zugetrabt. In diesem Augenblick
erst fiel es mir auf, daß er ja stundenlang verschwunden gewesen
war. Ich trat neben Ilse, die den Doctor bis an das Hausthor
begleitet hatte und auf der Schwelle stehen geblieben war. …
Es wollte mir scheinen, als käme Freund Heinz sehr unsicher daher;
er machte sich erst noch in völlig unnützer Weise mit dem
Gatter zu schaffen, ehe er es unternahm, auf uns zuzuschreiten –
das wurde ihm offenbar blutsauer. Beim Anblick unserer verweinten
Gesichter blieb er verwirrt stehen.
„Nu, was hat er denn gemeint?“ fragte er verlegen stockend, indem er mit dem Daumen über die Schulter zurück nach dem wegfahrenden Doctor zeigte.
„Mein Gott, Heinz, Du weißt es nicht?“ rief ich, aber Ilse unterbrach mich mit barscher Stimme.
„Wo warst Du?“ fragte sie kurz und bündig den Bruder.
„Bei mir zu Hause,“ antwortete er trotzig.
Heinz trotzig! Ich traute meinen Augen und Ohren nicht; aber da stand er trotz alledem, der ewig Nachdenkende, und schöpfte offenbar Muth aus seinem eigenen widersetzlichen Ton, denn nun verstieg er sich auch noch zu der unglaublichen Kühnheit, Ilse’s feindlich scharfen Blick zu pariren.
„So – was war denn Nachts um Eins so nöthig bei Dir zu Hause? – Hast wohl Deinen Vogel füttern müssen!“ sagte sie schneidend.
Er sah ängstlich und unsicher auf. „O je – Nachts um Eins den Vogel füttern – wie werd’ ich denn so dumm sein! … Zwischen meine vier Wände hab’ ich mich gesetzt,“ platzte er heraus, „die hat mein Vater mit seinen ehrlichen Händen gebaut, und ein frommer Spruch steht über der Thür. … Wie werd’ ich denn auf dem Dierkhof bleiben, wenn eine Judenseele geradewegs in die Hölle fährt! … Ilse, wenn das mein Vater wüßte, daß Du bei einer Judenfrau gedient hast!“ –
„Heinz, wenn das mein Vater wüßte, daß Du bei einem Christen gedient hast, wo Du halb verhungert und erfroren bist, und der Dir alle Tage mit Ohrfeigen und Stockprügeln gedroht hat!“ parodirte sie ihn zornig. „Das ist mir ja eine ganz neue Weisheit, die Du da auskramst, und die hast Du von da drüben!“ Sie zeigte nach der Richtung eines großen Dorfes hinter dem Walde, wo Heinz in früheren Zeiten als Knecht gedient hatte.
„Ja hast Recht, von dort her hab’ ich’s!“ versetzte er ebenso trotzig wie vorher und nickte verstockt mit steifem Nacken. „Die Juden sind verflucht bis in alle Ewigkeit, weil sie den Heiland gekreuzigt haben. Mein Herr hat’s gesagt, und das war ein Reicher und ein Hofbesitzer, und der Pfarrer hat’s von der Kanzel gepredigt, und der muß es noch besser wissen – dafür war er der Pfarrer!“
Ilse sah dem Sprecher scharf in’s Auge. „Jetzt paß auf!“ setzte sie kurz und resolut hinzu und trat ihm mit aufgehobenem Zeigefinger so nahe, daß er ängstlich zurückwich. „Es ist ein für allemal nicht wahr, daß der Heiland von unserm Herrgott bis in alle Ewigkeit gerächt sein will! Wenn er das zuließe, nachher wär’s aber auch aus und vorbei mit meinem Glauben, denn er hat uns geboten ‚Segnet, die euch fluchen,‘ und thät’s selber nicht! … Wenn ich Christi Leidensgeschichte lese, da hab’ ich freilich allemal einen Heidenzorn auf die Juden, aber, wohlgemerkt, Bruder Heinz, nur auf die Juden, die dazumal gelebt haben. … Wie werd’ ich denn so ein Unmensch sein und meinen Zorn an Leuten auslassen, die bis auf den heutigen Tag als unschuldige Kinder auf die Welt kommen und von ihren Eltern in der alten Lehre aufgezogen werden! … He, Musje Heinz, wie gefiele Dir denn das, wenn irgend ein Mensch mir etwas zu Leide thäte, und ich wollte seine Kinder dafür schlagen?“
„Das ist lauter Studirtes!“ sagte Heinz kleinlaut, „das hast Du von der alten Frau gelernt –“
„Das hab’ ich nicht gelernt, wie die Bibelsprüche in der Schule; das hat mir mein Gewissen und,“ sie deutete auf ihre Stirn, „der gesunde Menschenverstand gesagt. … Gesprochen habe ich freilich im Anfang viel mit meiner armen Frau, und es hat ein Wort das andere gegeben, und ich hab’ sie manchmal beruhigt, wenn ‚die Leute im schwarzen Rock‘ Unheil angerichtet hatten. … Die Juden haben den Heiland einmal gekreuzigt; aber Solche, wie der Herr Pfarrer dort drüben,“ sie zeigte abermals nach dem Dorfe hinter dem Walde, „die kreuzigen ihn alle Tage – Feuer und Schwert und Verfluchen und böse Worte, die machen das Reich Christi gar nicht fein, und ist es den Leuten nicht zu verdenken, wenn sie nicht hinein wollen! … Da hast Du meine Meinung, und nun sage ich noch zu Dir selber: Pfui, schäme Dich in Dein Herz hinein, Du undankbarer Mensch! Hast [578] lange Jahre das Brod auf dem Dierkhof gegessen – und ich meine, es ist Dir recht gut bekommen, das Judenbrod – und nun lässest Du die alte Frau in ihrer Sterbestunde allein – geh’ heim, und lies das Capitel vom barmherzigen Samariter!“
Sie wandte sich um und ging in das Haus hinein.
Recht hatte sie, vollkommen Recht! Bei jedem Worte wurde es mir so leicht, als hätte ich selber gesprochen und meiner Erbitterung Luft gemacht. Ich war tief empört, und doch dauerte mich der arme Sünder, wie er ganz zerknirscht, mit niedergeschlagenen Augen an der Schwelle stehen blieb und sich nicht in das Haus hineintraute. … Wie war es nur möglich? Dieser Mensch mit der kinderweichen Seele, der kein Thier leiden sehen konnte, er zeigte plötzlich eine dunkle Stelle in seinem Gemüth, eine unbegreifliche Härte und Erbarmungslosigkeit, und glaubte sich dazu auch noch völlig berechtigt, ja förmlich autorisirt gerade – als Christ!
„Heinz, Du hast einen sehr schlechten Streich gemacht!“ schalt ich in hartem Ton.
„Ach, Prinzeßchen, wem soll man’s denn nun recht machen?“ seufzte er auf, und Thränen funkelten in seinen Augen. „Todsünde gegen den lieben Gott soll’s sein, wenn man dem Pfarrer nicht gehorcht, und nun meint Ilse, ich sei ein schlechter Kerl, weil ich ihm folge.“
„Ilse trifft immer das Richtige – das hättest Du doch wahrhaftig wissen sollen,“ sagte ich. Die Strenge, die ich mir vorhin erlaubt, gelang mir nicht mehr. So unreif ich auch noch im Denken war, das sah ich doch ein, die Grausamkeit wurzelte auch nicht mit einem Fäserchen in seiner Seele selbst, sie war ihm systematisch eingeimpft worden – abscheulich!
Meine Augen schweiften unwillkürlich über den Himmel – mir graute nicht mehr vor dem vielen Licht, das nun gekommen war; es floß wie milder Balsam in mein gepreßtes Herz, und ich begriff zum ersten Mal, nachdem ich heute Nacht dem Tod in die düsteren Augen gesehen, die Wunderverkündigung des Auferstehens.
Ich nahm Heinzens Rechte zwischen meine Hände. „Hier im Hofe kannst Du doch nicht stehen bleiben,“ sagte ich. „Komme nur mit mir herein – Ilse wird schon wieder gut werden und meine liebe, arme Großmutter – die hat Dir längst verziehen; sie ist im Himmel!“
„Weiß es Gott, wie leid mir die alte Frau thut!“ murmelte er und ließ sich wie ein Kind auf den Fleet führen.
Draußen im Baumhof stand Ilse; sie hatte den Eimer unter den Brunnen gestellt und hob eben den Schwengel; aber beim ersten Aufkreischen desselben ließ sie ihn mit kreideweißem Gesicht wieder sinken.
„O, Herr Jesus, ich kann das nicht mehr hören!“ stöhnte sie auf.
Sie kam herein, sank auf einen Stuhl nieder und verhüllte die Augen mit ihrer Schürze. Aber das dauerte keine zwei Minuten.
„Was für ein albern Ding bin ich doch!“ sagte sie unwirsch, richtete sich straff empor und strich die Schürze über den Knieen glatt. „Möchte, wohl gar die Frau wieder da am Brunnen stehen sehen, wo sie immer ihren armen, heißen Kopf gekühlt hat, und sollte doch Gott danken, daß sie drin still liegt und erlöst ist von dem vielen Jammer.“
„Ilse, war Christine an dem vielen Jammer schuld?“ fragte ich schüchtern.
Sie sah mich scharf an. „Ach so,“ sagte sie nach kurzem Besinnen, „Du hast’s ja heute Nacht mit angehört – nun, da magst Du’s wissen, sie hat so viel Jammer über Deine Großmutter gebracht, wie es eben nur eine ungerathene Tochter kann.“
„Ach, mein Vater hat eine Schwester?“ rief ich überrascht.
„Eine Stiefschwester, Kind. … Deine Großmutter war zuerst an einen Juden verheirathet, der ist jung verstorben – die Christine hat dazumal noch in den Windeln gelegen. Nach zwei Jahren hat die Großmutter sich und das Kind taufen lassen und ist Frau Räthin von Sassen geworden – nun weißt Du Alles –“
„Nein, Ilse, noch nicht Alles – was hat die Christine verbrochen?“
„Sie ist heimlich entwischt und unter die Komödianten gegangen –“
„Ist das so schlimm?“
„Das Durchbrennen freilich – das solltest Du doch selber wissen – was aber die Komödianten betrifft, da kenne ich keinen Einzigen und kann nicht sagen, ob sie schlimm oder recht sind. – Bist Du nun fertig?“
„Ilse, sei nicht böse,“ sagte ich zögernd, „aber Eines möchte ich Dir noch sagen – diese Christine ist doch sehr unglücklich, sie hat ihre Stimme verloren.“ –
„So – Du hast den Brief gefunden und ihn gelesen, Lenore?“ fragte sie in ihrem eisigsten Tone.
Ich nickte stumm mit dem Kopfe.
„Und Du schämst Dich nicht?“ schalt sie. „Mir machst Du Vorwürfe, weil ich in den schweren Stunden meine Pflicht und Schuldigkeit thue, und in dem gleichen Moment guckst Du in fremde Briefe, die Dich auf der Gotteswelt nichts angehen! – Das ist so gut wie Diebstahl – weißt Du das? … Uebrigens glaube ich kein Wort von dem ganzen geschriebenen Zeug; und damit gieb Dich zufrieden!“
„Nein, das kann ich nicht! … Sie dauert mich! Wirst Du ihr wirklich nichts schicken? … Ach Ilse, ich bitte Dich –“
„Nicht einen Pfennig! … Die hat mehr als ihr Erbtheil vornweg genommen in der Nacht, wo sie heimlich aus dem Hause gegangen ist – das hat auch in dem armen Kopf da drinnen gewühlt –“
„Meine Großmutter hat ihr verziehen, Ilse –“
„Ich müßte das erst lernen! Das kann wohl eine Mutter, noch dazu, wenn sie schon fast nicht mehr auf der Erde ist; aber Unsereinem, der das Elend jahrelang mit angesehen und redlich mitgetragen hat, dem wird’s schon saurer. … Gelt, nimmst Alles für baare Münze, was in dem Briefe steht? … Ja, ja, auf den Knieen kömmt sie gerutscht, aber nicht etwa, weil sie Verzeihung will – Gott bewahre! – ohne die hat sie lange Jahre draußen gelebt, und ist es recht gut gegangen – Geld will sie! … Das liebe Geld! Darum ist’s freilich der Mühe werth, auf die Kniee zu fallen!“ –
Wie tief mußte ihr dies Alles gehen, daß sie so heftig und bitter und so anhaltend sprach, die schweigsame Ilse!
„Kannst bei der Gelegenheit auch erfahren, weshalb Deine Großmutter das Geldgeklapper nicht hören konnte,“ fuhr sie, tief Athem schöpfend, fort. „Es kann Dir nicht schaden, wenn Du erfährst, wie viel Unglück oft an solchen leidigen Thalern hängt, wie Du sie gestern zum ersten Mal in Deinem Leben gesehen hast. … Deine Großmutter ist die reichste Frau in Hannover gewesen – ihr erster Mann hat ihr volle Kisten und Kasten hinterlassen. … Nachher bei der zweiten Heirath – sie mochte den Mann eben zu gut leiden – da hat sie die größten Opfer gebracht, ihren Glauben hat sie hingegeben; den durfte sie nicht mitbringen – mit dem jüdischen Geld nimmt man’s nicht so genau. Es hat auch gar nicht lange gedauert, da ist’s ihr klar geworden, daß es dem Zweiten nicht im Geringsten um ihre Liebe zu thun gewesen ist – ihre Capitalien aber sind mit der Zeit nur so nach allen vier Winden verflogen – der hat’s verstanden!“
„Das war mein Großvater, Ilse?“
Das prächtige Carminroth erschien plötzlich in seiner ganzen früheren Gluth auf Ilse’s Backenknochen.
„Siehst Du, da lässest Du Einem keine Ruhe und fragst das Blaue vom Himmel herunter, und nachher kommen solche Dinge zum Vorschein!“ schalt sie ärgerlich und stand auf. „Aber das sage ich Dir, mit der Christine kömmst Du mir nicht wieder – die ist todt für mich, das merke Dir, Kind! … Brauchst auch gar nicht mehr an die Verlogene zu denken – das sind Dinge, die nicht in Deinen jungen Kopf passen!“
Sie schob Heinz, der sich demüthig und schweigend auf seinen Stuhl gesetzt hatte, eine Tasse hin und schenkte ihm Kaffee ein; aber einen Blick erhielt er noch nicht. Dann ging sie wieder hinaus an den Brunnen. Ich sah, wie sie die Zähne zusammenbiß, als sie den Schwengel hob, aber das mußte ja sein! Der Wasserstrom schoß unermüdlich nieder, bis der Eimer gefüllt war.
Nein, und wenn Ilse auch immer das Richtige traf, darin konnte ich ihr doch nicht folgen. Denken mußte ich an die unglückliche Sängerin! Sie war ja meine Tante! Meine Tante! Das klang süß und wohlthuend, aber doch viel zu gesetzt für das reizende Gebild, das mir vorschwebte. … Und doch – sie war [579] älter als mein Vater, älter als zweiundvierzig Jahre – hu, wie entsetzlich alt! … Aber das half doch Alles nichts, meine Phantasie blieb geschäftig, die interessante Gestalt auszuschmücken – sie war ja eine Sängerin. …
Ich flüchtete mit meinem übervollen Herzen hinüber auf den einsamen Hügel und starrte mit schmerzenden Augen in den schönen, blauen Himmel. … Ob sie mich wohl sah, meine liebe Großmutter, wie ich traurig dasaß? Sie war ganz gewiß nicht böse, daß ich an Christine dachte – sie hatte ihr ja verziehen! …
Vier Wochen waren seit dem Tode meiner Großmutter verstrichen. Ich war dabei, als man sie auf den Gottesacker des nächsten Dorfes in die Erde bettete. Der gute, alte Pfarrer betete so inbrünstig um Frieden für die Hingeschiedene, als läge sein liebstes Beichtkind zu seinen Füßen, und Heinz schien auch vergessen zu haben, daß die wenigen Bretter da unten eine getaufte, und dem Christenthum dennoch wieder abgewendete Jüdin umschlossen – er weinte bitterlich. … Nun blühten schon die bunten Sommerblumen auf dem neuen Hügel; sie stiegen leicht und zwanglos aus dem dunklen Erdreich, wie liebliche Traumgebilde der drunten Schlafenden, und nickten helläugig in die sonnige Welt hinein.
Der einsame Dierkhof hatte just seine schönste Zeit; er lag mitten in einem pfirsichfarbenen Bett – die Haide fing an zu blühen, und die Bienenschwärme, die bis dahin auf den goldenen Rübsamenfeldern und in der Buchweizenblüthe geschwelgt hatten, breiteten sich nun wonnetrunken über den unabsehbaren, honigtriefenden Flächen aus. … Nun summte sie wieder bestrickend und einlullend um das traute Dach, die uralte eintönige Haidemelodie! Aus den Lüften taumelten meine Lieblinge, die blauen Schmetterlinge, so massenhaft nieder, als sei der strahlende Sommerhimmel droben in Stückchen zerflattert; über die Sandblößen schlüpften goldflimmernde Laufkäfer, und an den Wiesen- und Gartenblumen hingen Perlmuttervögel, der prächtige Admiral und das Pfauenauge.
Sonst war ich den Schmetterlingen nachgelaufen, hatte sie eingefangen, mich ergötzt an dem wunderbaren Farbenspiel der Flügel, und sie dann wieder davonfliegen lassen – so hatte ich oft halbe Tage lang die Haide durchschwärmt; das war jetzt anders geworden. Ich hielt mich viel im Zimmer meiner Großmutter auf, das mit seinen alterthümlichen, aus dem Judenhause stammenden Möbeln einen geheimnißvollen Reiz auf mich ausübte. Es lag und stand da Alles an seinem alten Platze, nicht ein Geräth war verrückt worden, die große Uhr wurde wieder pünktlich aufgezogen, und damit Nichts fehle, was den Glauben erwecken konnte, die Verstorbene walte noch in dem Raume, hatte Ilse die niedergebrannten Kerzen auf dem Silberleuchter durch neue ersetzt.
Sie schloß mir auch da und dort eine Truhe oder einen Spind auf; die Fächer waren meist leer; meine Großmutter hatte bei ihrer Flucht aus der Welt allen Ballast von sich geworfen. Dafür war mir aber auch jedes beschriebene Papierblättchen, jeder zerstäubende Blumenrest ein interessanter Fund.
In einem Schranke hingen auch noch verschiedene Kleidungsstücke, die meine Großmutter aber nie in der Haide getragen hatte. Eines Tages nahm Ilse ein schwarzes, wollenes Kleid aus dem Schranke, zertrennte es und fing an, zuzuschneiden – sie hatte in der Stadt schneidern gelernt, und das war ihr Stolz. … Ich war sehr erschrocken, als sie mich aufforderte, zur Anprobe in das Werk ihrer Hände zu schlüpfen – das Ding sah aus wie ein Küraß.
„Ilse, nur das nicht!“ protestirte ich schaudernd und zerrte ängstlich an dem pressenden Halsausschnitt, der mir dicht an der Kehle saß, und mein Ellenbogen gab sich insgeheim alle Mühe, die enge, drückende Aermelnaht zu zersprengen.
„Ei was – wirst Dich schon d’ran gewöhnen!“ sagte sie kaltblütig und schneiderte weiter.
Wir saßen im Baumhof unter den Eichen, wohin ich einen Tisch und Stühle getragen hatte. Draußen über der Ebene brütete die flimmernde Nachmittagssonnenhitze; aber hier war es schattig kühl und still; nur die Bienen summten, und droben im Nest schrieen die jungen Elstern. Ich hatte den übergroßen, runden, braunen Strohhut unter den Händen, den mir Ilse vor circa fünf Sommern aus der Stadt hatte kommen lassen, und trennte auf ihr Geheiß das Rosaband herunter, das die Wonne meiner Augen gewesen war.
Da kam Heinz aus dem nächsten Dorfe zurück und legte einen Brief vor Ilse hin.
Mein Vater hatte auf die ihm telegraphisch mitgetheilte Nachricht vom Ableben meiner Großmutter hin geschrieben und sein Nichterscheinen bei der Beerdigung mit ernstlichem Kranksein entschuldigt. Seitdem war die Correspondenz zwischen ihm und Ilse eine ziemlich lebhafte geworden; um was es sich handelte, wußte ich nicht, ich bekam keine Zeile zu sehen; aber so viel war mir bekannt, daß zwischen Ilse’s letztem Schreiben und der Antwort meines Vaters, die sie da eben vor meinen Augen überlas, kaum fünf Tage lagen.
„Nichts da!“ sagte sie und steckte den Brief in die Tasche. „Uebermorgen reisen wir – dabei bleibt’s!“
Hut und Scheere fielen mir aus den Händen.
„Reisen wir!“ wiederholte ich mit stockendem Athem. „Du willst mit Heinz fort? … Ihr wollt mich mutterseelenallein auf dem Dierkhofe lassen?“
„O je, da wär’ er gut aufgehoben, der arme Dierkhof!“ rief sie, und zum ersten Male wieder seit dem Tode meiner Großmutter flog ein schwaches Lächeln über ihre Züge. „Närrisches Ding, Du sollst fort!“
Ich stand auf und warf meinen Stuhl so heftig zurück, daß er polternd hinten überfiel.
„Ich? – wohin denn?“ stieß ich hervor.
„In die Stadt,“ lautete die lakonische Antwort.
Das ganze sonnige Haideland draußen und die urkräftigen, rauschenden Eichen über mir versanken – die entsetzliche, dunkle Hinterstube empfing mich, und ich sah in das feuchte, karge Gärtchen inmitten der vier grünangelaufenen Häuserwände.
„Und was soll ich in der Stadt?“ preßte ich heraus.
„Lernen. –“
„Ich gehe nicht mit, Ilse, darauf kannst Du Dich verlassen!“ erklärte ich entschieden, während ich mit den bitteren, heißen Thränen rang. „Mache mit mir, was Du willst – aber Du sollst sehen, ich klammere mich in der letzten Stunde draußen am Hausthorpfosten an. … Ob Du das Herz hast, mich fortzuschleppen?“ Ich schüttelte Heinz, der wie eine Bildsäule mit offenem Munde dastand, verzweiflungsvoll am Aermel. „Hörst Du denn nicht – fort soll ich! … Wirst Du das leiden, Heinz?“
„Ist’s den wirklich wahr, Ilse?“ fragte er beklommen und faltete die ungeschlachten Hände ineinander.
„Nun sehe mir Einer die zwei Kinder hier an – thun sie doch wirklich, als sollte der Kleinen der Hals abgeschnitten werden!“ schalt sie; aber ich sah recht gut, daß ihr gar nicht wohl zu Muthe war bei meiner ausbrechenden Heftigkeit. „Meinst Du denn, es kann das ganze Lebenlang so fortgehen, Heinz, daß das Kind wie ein Heide den ganzen lieben Tag über draußen herumtobt und mir Abends barfuß, mit Schuhen und Strümpfen in der Hand, heimkommt? … Sie kann nichts und versteht nichts und läuft fort wie eine wilde Katze, wenn ihr ein fremdes Gesicht über den Weg geht! … Wo soll’s endlich hinaus? … Sei vernünftig, Kind!“ sagte sie zu mir und zog mich wie ein kleines Kind auf ihre Kniee. „Ich bringe Dich zu Deinem Vater – nur zwei Jahre bleibe draußen und lerne was Rechtes, und wenn es Dir durchaus nicht gefallen will, da kommst Du wieder heim auf den Dierkhof, und nachher bleiben wir zusammen, gelt?“
Zwei Jahre! Das war ja eine ganze Ewigkeit! … Zweimal sollte die Haide blühen, sollten die Störche fortziehen und wiederkommen, und ich war nicht auf dem Dierkhof; ich steckte zwischen vier dumpfen Wänden und knebelte am verhaßten Strickstrumpf, oder mußte wohl gar Schreibübungen halten und neue Bibelsprüche auswendig lernen! … Ich schauderte und schüttelte mich, und jede Fiber in mir stählte sich zu Aufruhr und energischem Widerstand.
„Ilse, da lasse mich nur gleich drüben auf dem Gottesacker einscharren!“ sagte ich trotzig. „In die entsetzliche Hinterstube bringst Du mich nicht –“
„Dummes Zeug!“ unterbrach sie mich. „Glaubst Du denn, Dein Vater kann sie im Koffer mitnehmen? … Er ist ja fortgezogen, und Vieles ist anders geworden – nun wohnt er ja in K.“
[580] Husch, da war der braune Lockenkopf mit der blendend weißen Stirn wieder und sah mich mit spöttischen Augen an – er kam immer so unversehens und erschreckte mich jedesmal so heftig, daß mir das Blut heiß nach den Schläfen schoß!
„Mein Vater will mich ja nicht!“ sagte ich und steckte das Gesicht in Ilse’s Halstuch.
„Das wollen wir sehen!“ versetzte sie mit einem schlecht unterdrückten Seufzer; aber sie warf herausfordernd den Kopf zurück und schob mich von sich.
„Muß es wirklich sein? … Ach Ilse –“
„Es muß sein, Kind! … Und nun sei still und mache mir das Leben nicht schwer! Denke an Deine Großmutter, die hat’s auch so gewollt!“
Sie nähte mit verdoppeltem Eifer den zweiten Aermel in das schwarze Kleid; Heinz aber schob die kaltgewordene Pfeife in die Tasche und schlich fort. Gegen Abend sah ich ihn drüben auf dem großen Hünenbett sitzen; er hatte die Arme um die Kniee gelegt und sah unverwandt hinaus in’s Weite. … Ich lief hinüber und setzte mich zu ihm, und nun flossen die Thränen unaufhaltsam, die sich in Ilse’s strenger Gegenwart nicht hervorgewagt hatten. Ein so tiefes Trennungsweh hatte das blaue Stück Himmel über uns wohl lange nicht gesehen!
Am andern Tage sah die Wohnstube schrecklich aus. Eine große hölzerne Truhe stand auf den Dielen, und Ilse packte ein.
„Da sieh her!“ sagte sie und hielt mir ein Paket grober, buntgewürfelter Bettüberzüge hin. „Ist das nicht eine wahre Pracht? … Ja, da ist Kern drin! … Das Spinnwebenzeug, in dem die Großmutter schlief, ist mir von jeher ein Gräuel gewesen!“
Sie schob einen Stoß außerordentlich feinen, mit Stickerei besetzten Leinenzeugs verächtlich auf die Seite. „Die neuen Ueberzüge bekommst Du mit; die habe ich nach und nach für den Haushalt angeschafft, seit wir auf dem Dierkhof sind – halte sie ordentlich!“
Auch ein ganzes Regiment jener steifen, unförmlichen Strümpfe aus Haidschnuckenwolle wanderte in den Koffer und füllte einen beträchtlichen Raum. Ilse hatte jahrelang beträchtliche Vorräthe für mich aufgespeichert, die nun draußen in der Welt „Staat machen“ sollten. … Dann wurden kolossale strotzende Federbetten zu einem Ballen geknetet und in Sackzeug eingenäht – ein riesiges Frachtstück!
Mir verursachten alle diese Vorbereitungen entsetzliches Herzweh, und doch gab es Augenblicke, wo meine junge Seele plötzlich schwoll, wo es über sie kam wie ein frohes Ahnen, eine schöne Hoffnung; aber das erschien und erlosch wie der Blitz, und – seltsame Gedankenverbindung – mein Blick huschte jedesmal scheu und prüfend über meine Schuhe hin. Sie waren jetzt recht hübsch ausgetreten und gewährten meinen Füßen in liberalster Weise Spielraum. Ich trat so stark auf, als ich vermochte, und suchte mein ängstliches Herz mit der unumstößlichen Gewißheit zu beruhigen, daß die Nägel doch bei Weitem nicht mehr so entsetzlich klapperten wie vor vier Wochen. Aber das half nicht immer, und so verstieg ich mich denn einmal in meiner Bedrängniß zu der schüchternen Bitte, Ilse möchte mir unterwegs ein Paar neue Schuhe kaufen. Aber da kam ich schön an. Sie zog mir einen Schuh aus und hielt ihn gegen das Licht.
„Solche Nähte und solche Sohlen, die kann man suchen!“ sagte sie. „Das sind Schuhe, in denen Du noch nach zwei Jahren zum Tanzen gehen kannst! … Brauchst keine neuen!“
Damit war die Sache erledigt.
Und er kam wirklich, der Morgen, da ich meinen geliebten Dierkhof verlassen sollte. … Früh vor vier Uhr lief ich schon durch die thautriefende Haide. Ich winkte mit ausgebreiteten Armen über die Millionen blüthenbeschwerter Erikastengel hin und nach dem qualmenden Torfsumpf hinüber, und schüttelte die gute, alte Föhre im Abschiedsschmerz so heftig, daß die letzten dürren Nadeln vom vergangenen Winter auf mein flatterndes Haar herabrieselten … Spitz war mitgelaufen und bellte und freute sich wie närrisch – er hielt alle meine heftigen Bewegungen für eitel Spaß und Kurzweil, die ich ihm machen wolle. Ich flocht einen bunten Kranz – und legte ihn auf Mieke’s Hörner, die schlaftrunken aufblinzelte und zu bequem war, um mir auch nur mit einem leisen Brummen zu danken oder Adieu zu sagen.
Dann zog mir Ilse das neue, schwarze Kleid an und band eine schneeweiße, breite und faltenreiche Battistkrause aus dem Wäschespind der Großmutter um meinen Hals – mein schwarzbrauner Kopf lag darauf wie eine abgefallene Haselnuß auf einem kleinen Schneepolster. Darüber wölbte sich der umfangreiche, braune Strohhut, den Ilse mit einem schwarzen Band besteckt hatte. Ich mag wohl eine merkwürdige Reiseerscheinung gewesen sein, ähnlich wie die kleinen Waldpilze mit den großen Hutdeckeln, die ich immer so lächerlich fand.
Nach dem Kaffee, den ich unter Thränenströmen hinabgeschluckt hatte, brachte Ilse eine Schachtel und nahm feierlich, mit spitzen Fingern einen violetten Taffethut heraus.
„Das war mein Kirchenhut in Hannover,“ sagte sie vor den Spiegel tretend und setzte sich das wunderliche Seidenhaus vorsichtig auf den Scheitel. „In der Stadt darf man nicht ohne Hut ausgehen – es ist nun einmal so!“ –
Ich sah scheu zu ihr auf. Der Begriff „Mode“ existirte natürlicherweise nicht für mich. Ich hatte keine Ahnung davon, daß es jenseits der Haide eine Macht gab, welcher sich der Mensch widerstandslos unterwirft, und von der er seine äußere Erscheinung in Formen treten und kneten läßt, wie sie gerade Lust und Laune hat. Deshalb wurde auch mein Respect vor dem schnabelförmigen Gebäude selbst nicht im Geringsten geschmälert; aber es hatte während der zwanzigjährigen Rast in der Hutschachtel offenbar stark an Glanz und Nüance eingebüßt. Ilse schien das nicht zu finden. Sie zupfte die mißfarbenen Pensées über ihrer krausen, gelben Haarwolke zurecht, warf die offen herabhängenden Bindebänder in den Nacken zurück, schlug ein großes, schwarzes Wolltuch um die Schultern und fort ging es.
Heinz und ein Bauerknecht aus dem nächsten Dorfe fuhren das Gepäck. Sanft, aber unwiderstehlich schob mich Ilse aus dem Hausthor, auf dessen Schwelle meine Füße wie festgezaubert standen. Ich hörte hinter mir den Hausschlüssel umdrehen, dann scheuchte Ilse scheltend die Hühner und Enten zurück, die uns durchaus in’s Freie begleiten wollten; sie schrieen und krakelten durcheinander, und dazwischen hinein brüllte die eingeschlossene Mieke von der Tenne her. … Auch das Gatterthor wurde hinter mir zugeschlagen und verrammelt, und nun wanderte ich hinaus aus dem Paradies meiner Kindheit auf demselben Wege, den einst Fräulein Streit gegangen war. …
Wie ich von Heinz fortgekommen bin, kann ich nicht sagen. Ueber den ganzen sonnigen Abschiedsmorgen breitet sich mir heute noch ein Thränenflor. Ich weiß nur, daß ich das gute, alte, weinende Menschenkind mit beiden Armen umschlungen und der schauderhaft breiten und steifen Hutkrempe zum Trotz mein Gesicht tief in seinen alten Drellrock eingewühlt habe, und daß er, umringt von gaffenden Bauernjungen, sein blutgewürfeltes Taschentuch vor die Augen hielt, während ich im Dorf die Kalesche bestieg, in der wir fortrumpeln sollten nach der weitentfernten ersten Poststation.
Wer die Schweiz blos in ihrer gegenwärtigen politischen Gestalt kennt als einen Bund von Republiken aus mehr oder minder, doch immer, nach deutschen Polizeibegriffen, sträflich breiter demokratischer Grundlage, der muß sich in hohem Grade überrascht fühlen, wenn er fast in allen zweiundzwanzig Cantonen, auf so zahlreiche Monumente und Zeugen des Feudalismus stößt. An alten Burgen und Adelssitzen namentlich, theils noch erhaltenen, theils in Trümmern liegenden, ist die Schweiz so reich wie irgend ein Land Europas, mindestens ebenso reich wie die ruinengeschmückten Ufer des Rheins und andere große Heerstraßen des
mittelalterlichen Verkehrs, ja einzelne Bezirke von Graubünden, von Wallis, von Bern und Waadtland übertreffen Alles, was wir in Deutschland an derartiger Romantik besitzen.
Aber die Demokratie der Schweiz ist in den meisten Cantonen
[581][582] noch eine sehr junge, aus den dreißiger Jahren oder gar erst seit der durch den Sonderbundskrieg von 1847 hervorgerufenen neuen Bundesverfassung datirend. Bis dahin blühte in der Schweiz das Junkerregiment so lustig wie nur heute in Mecklenburg, blos einmal durch den Einfall der Franzosen und Napoleon’s Weltherrschaft unterbrochen, um nach der Restauration desto übermüthiger wieder das Haupt zu erheben. Die „gnädigen Herren Junker“, ob als Vögte, als Bannerherrn als Baillis auf ihren über das Land verstreuten Burgen sitzend, ob als regimentsfähige Geschlechter in den städtischen Rath- und Zunfthäusern tagend, ob als Bischöfe und Aebte in fürstlichen Schlössern und Stiften residirend, waren allmächtig. Der gewerbtreibende Bürger und der Bauer, in politischen Dingen eine reine Null, kamen staatlich kaum mehr in Betracht als die Heloten der alten Griechen. Ja, verschiedene der heutigen selbstständigen Cantone und gleichberechtigten Cantonsgebiete waren bis zur französischen Revolution bekanntlich im buchstäblichen Sinne des Worts Unterthanenländer dieser gnädigen Herren, so Waadt und Aargau von Bern, Tessin von Uri, und in Bünden schaltete ein ganzes Schock von Adelsdynasten mit absoluter Willkür.
So finden die vielen Zwingburgen in den Thälern der Rhone, des Rheins, der Reuß, der Aare, die Herrenschlösser am Genfer, Boden-, Thuner und Neuenburger See, die bethürmten Patricierhäuser in Bern, Zürich, Freiburg, Solothurn, Schaffhausen und anderen größeren und kleineren Städten des Landes ihre Erklärung.
Unter sämmtlichen dieser Denkmale der Feudalzeit aber hat die Schweiz wohl kein zweites aufzuweisen, dessen Name der Welt so geläufig wäre wie die Inselburg Chillon im Genfer See: Lage, Geschichte und Poesie, sie alle drei haben sich vereinigt, ihre Zinnen mit einer unvergänglichen Glorie zu umkränzen. In der schönsten Bucht des Lemans, wo, ein immer blühender Terrassengarten voller Städte, Dörfer, Villen und Schlösser, gegen Morgen und Mittag von den Felshörnern und Schneebergen der Waadtländer, Walliser und Savoyer Alpen behütet, dieser Winkel des Genfer Sees in seinem idealen Ensemble von Anmuth und Erhabenheit alle Rivalen siegreich aus dem Felde schlägt, und zwar auf der allerschönsten Stelle derselben haben wir unsere Inselveste zu suchen. Nur zwei Schritte von dem gleich einem Seeungethüm sich trutzig emporreckenden Steinklumpen der Burg stehen jetzt die leichten Bauten der Station Veytaux-Chillon. Eine doppelte Umfassung von crenelirten Mauern schützt das Schloß nordwärts nach dem Lande zu. An ihren Ecken springen drei spitzbedachte Rundthürme vor, gegen Osten mit einer massigen quadratischen Warte verbunden; durch sie führt die spitzbogige Pforte, der einzige Eingang des Bauwerks, in das Innere der Burg. Inmitten des Felseneilands erhebt sich, alle übrigen Constructionen weit überragend, der gewaltige viereckige Donjon. Von wo aus man Chillon daher auch sehen mag, überall stellt es sich in hohem Grade malerisch dar, erst aber, wenn man in den ersten der terrassenförmig übereinander aufsteigenden drei Höfe der Veste eintritt, empfängt man eine Vorstellung von dem außerordentlichen Umfange, den sie beschreibt.
Seine Hauptfaçade, welche aus zwei oder, die Souterrains mitgerechnet, aus drei Etagen besteht, kehrt Chillon dem Wasser zu. Hier liegen, doch nicht unter dem Seespiegel, wie man vielfach liest, sondern acht Fuß über dem See, die in den Felsen gehauenen Gewölbe, die einst zu jenen furchtbaren Kerkern dienten, von welchen uns die Geschichte erzählt. Es sind ihrer drei, zwei nebeneinander, der dritte, durch verschiedene Zwischenlocalitäten von ihnen getrennt, nähert sich mehr der nordwestlichen Burgecke. Die beiden letzteren sind mächtige Hallen, so groß, daß eine ganze Compagnie Soldaten darin exerciren könnte. Plumpe byzantinische Säulen stützen ihre gothischen Deckenbogen, und an den Gewölben angebrachte kleine Schießscharten lassen nur ein mattes Sonnenlicht eindringen. Morgens, wenn der See das Blau des Himmels widerspiegelt, färben azurne Reflexe die Bogen; Abends kommen grünliche Tinten, allein dieser schwache Schimmer verscheucht nur wenig das Dunkel, und der Hintergrund der Verließe bleibt in ewige Finsterniß eingehüllt.
Zwischen den einzelnen Krypten passirt man zwei enge und dunkle Grotten, in welchen wahrscheinlich die zum Tode verurtheilten Gefangenen ihre Häupter auf den Block legen mußten. Ueber der ersten dieser Gefängnißhallen hatte der Burgvogt und Castellan seine Wohnung; einst war sie so ausgestattet, wie der Künstler es auf unserm Bilde gezeichnet hat, jetzt ist sie zur nüchternen Behausung eines modernen Pförtners degradirt. Ueber der zweiten sehen wir die Küche und den Speisesaal der ehemaligen Residenz, welchen vier Säulen von geschnitztem Eichenholze theilen. Ungeheure Kamine mit leicht geneigten Decken thun dar, wie verschwenderisch die dichten Wälder ringsum das erforderliche Brennmaterial lieferten. Aus dem dritten Kerkergewölbe geht es direct nach dem Gerichtssaale empor. In ihm ward das Loos so manches Unglücklichen besiegelt, den man durch eine Fallthür in die hier achthundert Fuß messende Tiefe des Sees versenkte und so auf ewig verstummen und verschwinden ließ.
Dergestalt sind die Kerker von Chillon beschaffen, in die bis zum Anfange des sechszehnten Jahrhunderts kein neugieriger Blick dringen durfte. Das Volk kannte sie blos aus vagen und geheimnißvollen Beschreibungen und nannte sie nur den „Schlund von Chillon“. Alles, was man sich davon erzählte, war voller Schrecken. Wie viele Köpfe waren darin weiß geworden, wie viele Märtyrer darin von den Menschen vergessen gestorben! Wie Wenige von allen Denen, welche man in das grausige Verließ geworfen, haben jemals das Licht des Tages wieder erblickt! Die mächtigen Felsen, die Einsamkeit, die Brandung, die eintönig an die Mauern schlägt, der dumpfe grabeshohle Klang der menschlichen Stimme in den vielen Gewölben – das Alles war dazu angethan, das Herz mit Eisesschauern zu überrieseln.
Eine andere finstere und winklige Stiege bringt uns in den Rittersaal. Das zierliche Holzgetäfel an der Decke ist noch erhalten, auch einige Spuren von Malerei zeigen sich noch am zerbröckelnden Abputze der Wände. Im Uebrigen ist es ein nackter, wüster Raum, der uns nichts vom Glanze seiner Jugendtage verräth. Auch „die Gemächer des Herzogs und der Herzogin“ sind keineswegs fürstliche Appartements nach unseren heutigen Begriffen, und von der hart an den dritten, westlichen Rundthurm grenzenden Capelle sind nur noch wenige Reste vorhanden; sie reichen indeß hin, uns den zierlichen Spitzbogenstyl erkennen zu lassen, in welchem sie erbaut war. Daß man hier auch die Folterkammer nicht vergessen hatte, bedarf leider keiner Erwähnung. Gegenwärtig ist Chillon das Artilleriezeughaus des Cantons Waadt und über seinem Thore prangt die waadtländische Wappendevise „Liberté et Patrie“.
Chillon hat als Schloß und Gefängniß eine ungewöhnlich reiche Geschichte. Wann aber die Burg gegründet worden ist, das läßt sich nicht mehr genau verfolgen. Bereits vor länger als tausend Jahren stand die Steinmasse des Donjon auf dem Felsengrunde und war schon damals – was Chillon bis in unser Jahrhundert hinein geblieben ist, – ein „Grab der Freiheit“. In Karl’s des Großen fränkischem Reiche galt Chillon als ein „Ort des Schreckens und der Einsamkeit“. Später war es eine Burg der streitbaren Bischöfe von Sitten; von ihnen ward es gegen andere Ländereien an die Bischöfe von Genf abgetreten, bis es im dreizehnten Jahrhundert mit dem größten Theile der burgundischen Schweiz in den Besitz Peter’s, Herzogs von Savoyen und Grafen von Piemont, gelangte. Die Geschichte hat diesem Fürsten den stolzen Namen „Der kleine Karl der Große“ beigelegt. Wie sein Zeitgenosse, der um fünfzehn Jahre jüngere Graf Rudolf von Habsburg, im deutschen Helvetien, ebenso entschieden gebot Peter im romanischen und bevölkerte die unterirdischen Verließe von Chillon mit neuen Märtyrern der Freiheit, bis ein endlicher Friede die Grenze zog zwischen seinem Gebiete und dem der Bischöfe von Sitten. Auch einen späteren Kampf gegen Rudolph von Habsburg bestand er siegreich.
Glänzendere Tage hat Chillon niemals gesehen, als unter Herzog Peter. Er hatte der Veste im See vor allen seinen vielen Schlössern seine Neigung zugewandt, hatte sie zu dem weitläufigen Bau umgeschaffen, so ziemlich, wie er heute steht, zum Kriegsarsenal seines Reiches gemacht, mit Wurfmaschinen und Belagerungsgeräthen, mit Bogen und Pfeilen angefüllt, mit einer starken Besatzung ausgerüstet und zugleich einen Hofhalt darin errichtet, wie seine Zeit nur wenige gleich prachtvolle kannte. Auf seinem Lieblingssitze im Anblicke des Leman und der penninischen Alpen zu sterben, war ihm aber nicht vergönnt; auf der Rückkehr von Italien, wohin ihn eine neue Fehde gerufen hatte, ereilte ihn der Tod in der Burg Pierre-Châtel am Einfluß der Isère in die Rhone.
Noch Jahrhunderte lang herrschten seine Nachfolger über [583] beide Ufer des Leman, ihr Einfluß in der Waadt hatte sich indeß beträchtlich verringert. Auch kamen sie selten nach Chillon. Hier waltete nur ein Burgvogt, welcher gleichzeitig Bailli (Amtmann) des Chablais war. Er vertrat den abwesenden Fürsten, unterzeichnete in seinem Namen Verträge, führte im Kriege die Ritterschaft an, befehligte alle festen Plätze des Landes, hielt namentlich Chillon in vertheidigungsfähigem Stande und commandirte die zum Schutze des Sees bestimmte kleine Flotille, welche unweit des Schlosses vor Anker lag. Auch in Genf saß ein savoyischer Prinz auf dem Bischofsstuhle. Schon schien es Savoyen gelingen zu wollen, die widerspenstigen Genfer Bürger unter seine Botmäßigkeit zu bringen, da hielt aus Frankreich her die Reformation ihren Einzug an den Gestaden des Sees, und in der Stadt wie in der Umgegend verbanden sich die Kämpen der religiösen mit den Streitern für die politische Freiheit, um das verhaßte savoyische Regiment abzuschütteln. Alle bauten dabei auf die Hülfe Berns, des alten Widersachers der Savoyer, welches laut seine Stimme erhob, auf daß dem Worte Gottes freier Lauf gelassen werde.
Von allen Männern der Bewegung hatte vielleicht keiner mehr dazu beigetragen, der Reformation und Freiheit in Genf den Weg zu bahnen, als der Prior von St. Victor, François von Bonivard. Von Geburt Savoyarde und durch Blut und Freundschaft zu dem hohen Adel des Landes in engen Beziehungen, war er doch von ganzem Herzen der Sache Genfs ergeben und unablässig bemüht gewesen, ein Bündniß der Stadt mit den Eidgenossen der Schweiz zu bewerkstelligen. Keinen verfolgte darum auch der Herzog von Savoyen mit solchem Grimme wie den noch jungen Vorstand des kleinen Klosters, dessen Priorat Bonivard als zwanzigjähriger Jüngling im Jahre 1514 von einem alten Onkel geerbt hatte. Um jeden Preis mußte der kühne Rebell unschädlich gemacht werden. Es geschah durch Verrath. Eines Tages kam der Herzog nach Genf. Bonivard hatte sich von ihm nichts Gutes zu versehen, er fand es deshalb für gerathen, bei einem Freunde im Waadtlande, dem Abte von Montheron, ein Asyl zu suchen. Allein der Freund war ein Schurke. Unter Mithülfe eines waadtländischen Edelmannes ließ er den arglosen Prior unterwegs von einer bewaffneten Bande ergreifen, zwang ihn seiner Pfründe zu entsagen, welche er in seine eigene Tasche steckte, und lieferte ihn dem Herzoge von Savoyen aus, der ihn volle zwei Jahre lang gefangen hielt.
Seine Freunde erwirkten ihm zwar endlich die Freiheit wieder, aber alle Anstrengungen Bonivard’s, auch das Priorat in seinen Besitz zurückzubekommen, blieben fruchtlos. In seinen eigenen Aufzeichnungen muß man nachlesen, was der muthige Mann aufbot, sein kleines Reich wieder zu erobern. Mit einer Truppe von sechs Mann unter der Führung eines Freiburger Hauptmanns warf er sich in ein festes Schloß und bekriegte von da aus den Herzog. Wie man sich leicht denken kann, mißglückte das Abenteuer und diente nicht dazu, seine Feinde zu versöhnen. Jetzt blieb ihm nichts Anderes übrig, als die Stadt Genf um ein kleines Jahrgeld anzugehen und ihr dafür die Rechte auf seine Pfründe abzutreten. Er erhielt die Pension, aber sie langte nicht aus, ihn und seinen getreuen Pagen zu ernähren. Allmählich verarmte er gänzlich. Da, in seiner großen Noth, ließ er sich verleiten, das Mitleid seines unerbittlichen Gegners, des Herzogs Karl des Dritten, anzurufen, wenngleich er, wie er selbst sagt, dem Mann nicht traute.
Es war im Jahre 1530. Um eine Streitigkeit des Grafen von Greyerz zu schlichten, tagte Karl mit seinen Vasallen eben in Moudon an der Straße von Lausanne nach Bern. Dahin begab sich Bonivard, welchem man Hoffnung gemacht zu haben scheint, der Herzog werde seine Bitte um das bescheidene Einkommen von vierhundert Thalern gegen Verzichtleistung auf seine Priorei erfüllen.
„Ich dachte,“ schreibt er in seinen Memoiren, „meine Angelegenheit der Fürsprache der dort versammelten Edelleute zu empfehlen. Es war am Abend vor Himmelfahrt. Ich saß beim Nachtessen dem Marschall von Savoyen gegenüber und fand bei dem Haushofmeister der Herzogin Quartier. Da man sich noch nicht alsbald mit meinem Anliegen beschäftigen konnte, beschloß ich, andern Tages nach Lausanne zurückzukehren. Bellegarde – der Haushofmeister – gab mir einen reitenden Diener zum Geleite mit. Aber kaum befanden wir uns auf der Höhe des Jorat bei Sainte- Cathérine, da erschien der Burggraf von Chillon, Antoine von Beaufort, der sich mit einigen Begleitern im Gehölz versteckt gehalten hatte, und überfiel uns. Ich ritt ein Maulthier und mein Führer ein hohes Roß. ‚Vorwärts!‘ rufe ich ihm zu, ‚vorwärts!‘ und sporne selbst mein Thier, indem ich die Hand an mein Schwert lege. Mein Geleiter aber dreht sein Pferd um, dringt auf mich ein und zerschneidet mit seinem Messer meine Schwertkoppel. Dann stürzen alle die braven Leute auf mich her, nehmen mich im Namen des Herzogs gefangen und schleppen mich gefesselt und geknebelt nach Chillon, wo ich meine zweite Passion ausstehen sollte.“
In das schauerliche Grab von Chillon also warf man den unerschrockenen Kämpen für die religiöse und staatliche Freiheit. Noch zeigt man in einem der düsteren Gewölbe die Säule, an welche er angeschlossen war, und den Ring, der die Kette an seinem Fuße festhielt. Was wurde aus ihm? Was hat er gedacht? Was gelitten? Leider hat er uns nicht, wie in neuerer Zeit Silvio Pellico, seine Gefängnißqualen erzählt. Nur wenige Worte enthalten seine Denkwürdigkeiten von den langen Tagen, welche er im Verließe der Inselveste geschmachtet hat. Er sagt uns blos, daß er nicht sogleich in das dunkle Gewölbe gebracht worden sei, daß man ihn vielmehr zwei Jahre lang in einem Gemache neben der Wohnung des Schloßhauptmanns untergebracht habe, der ihn täglich besuchte und rücksichtsvoll behandelte. Ein Besuch des Herzogs in Chillon machte aber dieser Milde ein jähes Ende.
„Jetzt“ – sagt Bonivard – „steckte mich der Hauptmann in ein Verließ, tiefer als der See, wo ich vier Jahre blieb. Ich weiß nicht, ob er es auf eigenen Antrieb ober auf den Befehl des Herzogs that, allein das weiß ich, daß ich seltsame Muße hatte, zu promeniren, dergestalt, daß ich in den Felsen, welcher das Pflaster meines Käfigs bildete, einen kleinen Fußpfad eingrub, als hätte ich diesen mit einem Hammer ausgehauen.“
In der That sieht man in der erwähnten Krypte noch heute eine kleine Vertiefung, die uns als die Fußbahn des Märtyrers gezeigt zu werden pflegt.
Bonivard ist Chillons berühmtester Gefangener gewesen, derjenige, dessen Name mit dem der Burg für alle Zeilen unzertrennlich verbunden bleibt. Er war es, welchen Lord Byron in seinem gefeierten Gedicht verherrlichen wollte. Als der Poet aber, während eines Regentages im Gasthofe zum Anker in Ouchy bei Lausanne festgehalten, in Einem Zuge seine gewaltigen Verse auf’s Papier warf, da kannte er, wie er in einer späteren Auflage seines „Prisoner of Chillon“ unumwunden eingesteht, Bonivard’s Geschichte noch nicht. So ist sein Held eine reine Schöpfung der Phantasie, keine Gestalt der Wirklichkeit. Der englische Dichter spricht von einem Vater seines Gefangenen, der um des Glaubens willen auf dem Scheiterhaufen geendet habe; von sieben Brüdern seines Heros, von denen drei mit diesem in Chillons Verließe angekettet worden und darin „an seiner Seite“ gestorben seien, er „der allein Ueberlebende von Allen“. Ich brauche nicht erst zu bemerken, daß dies Alles blos Fiction ist. Dennoch hat Byron mehr dafür gethan, Bonivard’s Ruhm in alle Lande hinaus zu tragen, als sämmtliche Geschichtsbücher der Welt, und wer des tapfern Priors von Sanct Victor gedenkt, dem kommt unwillkürlich auch Byron’s Epos in Erinnerung. Jedenfalls hat dies Epos auch den Künstler unserer Illustration begeistert. Er hat sich zu seinem Gemälde den Moment gewählt, wo der Burgwart sich zu seiner letzten Tagesrunde durch die Kerkerhallen der Veste anschickt. Der Alte zündet die Laterne an zu seinem Gange, der ihm ein schwerer ist, wie wir in den traurigen Zügen seines Antlitzes lesen.
„Um etwas milder wird mein Leid:
Mein Hüter zeigt Barmherzigkeit,“
singt Byron. Ob wohl die Tochter, die wir schwermuthsvoll in den abenddämmernden See und auf die Berge drüben hinausblicken sehen, dem Vater, der
„Gewöhnt ist, Schmerz und Qual zu schauen,“
das Herz gerührt hat? Wir dürfen es annehmen, denn das Weib ist ja die natürliche Verbündete aller Leidenden, und wer weiß, ob nicht auch noch ein anderes Interesse für den jüngsten der gefesselten Brüder,
„Für ihn, der schön war wie der Tag,
Mit Augen wie des Himmels Blau,“
ihr die Brust erfüllt? Wer weiß es? Wer weiß es, wie oft sie in der Angst ihrer Seele geknieet haben mag vor dem kleinen Crucifix dort auf des Vaters Tische, inbrünstig zu Gott betend
[584] um Barmherzigkeit, um Leben und Freiheit für den in der nächtlichen Tiefe schmachtenden Jüngling?
Was aber mögen während der endlosen vier Jahre die Gedanken Bonivard’s gewesen sein? Die Dichtungen und Schriften, die nach seiner Haft seine emsige und schwungvolle Feder zu Tage gefördert, geben uns davon Kunde. In ihnen hat er die Ideen niedergelegt, welche ihn in seiner Einsamkeit beschäftigten. Daß die ersten Regungen seiner Brust, nachdem er sich des Lichts und der Luft beraubt sah, Zorn waren gegen den Fürsten, welcher ihn so grausam verrathen hatte, – wen wird das Wunder nehmen? Bald aber wichen diese Empfindungen höheren Betrachtungen. Bonivard war ein Mann von einem für seine Zeit ungewöhnlich reichen Wissen. Er hatte außerordentlich viel gelesen und besaß ein vorzügliches Gedächtniß neben einer höchst beweglichen Einbildungskraft. Nicht nur die Römer und Griechen waren ihm vertraut, er verstand auch Italienisch und Deutsch. Sein Lieblingsstudium war, in den alten Sprachen den Wurzeln unserer neueren nachzuspüren, und in diesen Untersuchungen hat er mehr Scharfsinn entwickelt als irgendwer seiner Zeitgenossen. Ueberhaupt suchte er als denkender Kopf allen Dingen auf den Grund zu dringen, ganz besonders den Aufzeichnungen der Bibel, die er, wie seinen Horaz, fast auswendig wußte.
So fehlte es auch in dem dunklen Verließe von Chillon seinem Geiste nicht an Gesellschaft. Dem menschlichen Verkehre entzogen, versenkte er sich in die Geschichte, deren Gesetze er zu enträtseln trachtete. Die Frucht dieser seiner Forschungen ist uns in den lateinischen Versen enthalten, welche er nachmals veröffentlichte und später selbst in sein wunderliches savoyisches Französisch übertrug. Mittlerweile gingen draußen in der Welt die Ereignisse ihren Lauf. Das Jahr 1536 war herangekommen, da beschlossen die gnädigen Herren von Bern, Savoyens Macht am Leman zu brechen. Mit sechstausend Mann fielen sie in dem Waadtland ein und marschirten bis vor Chillon. Die Genfer Freiheitsmänner – „les Enfants de Genève“, wie sie sich selber nannten –, die ihren Prior von Sanct Victor nicht vergessen hatten, wurden ihre Verbündeten. Mit zwei Galeeren, zwei Barken und einigen leichteren Fahrzeugen unterstützten sie die Expedition der Berner. Als die Flotille absegelte, war das ganze Volk am Ufer versammelt. „Rettet Bonivard!“ rief es wie aus Einem Munde.
Er war gerettet. Am 29. März dröhnte das Geschütz der Genfer vom See, das der Berner von Montreux und von Villeneuve her über die Veste; schon gegen Mittag des andern Tags ergab sich das Schloß. Jubelnd drangen die Sieger ein – ihre ersten Schritte lenkten sich nach den Kerkergrüften hinab. Man hatte gefürchtet, der durch die Flucht entkommene Gouverneur möchte seine Gefangenen mit auf das Schiff geschleppt und mit diesem den Flammen überantwortet haben. Zum Glück war die Angst grundlos. Man hörte Athemzüge, – Bonivard war noch da, er lebte noch!
„Du bist frei, Bonivard!“ jauchzten ihm seine Erlöser entgegen.
„Und Genf?“ frug er mit kaum vernehmbarer Stimme.
„Genf ist es auch,“ lautete freudig die Antwort.
Eine Zeitlang schien der Gefangene, der vier Jahre hindurch kein theilnehmendes Menschenwort gehört, nicht zu begreifen, was man von ihm wollte. Es war, als scheute er sich vor dem Lichte und der Luft der Freiheit. An der Ausgangspforte seines Kerkers kehrte er wieder um und nahm mit thränenden Augen Abschied von den finsteren Mauern, die ihn so lange begraben hatten; die Gewohnheit hatte ihm selbst sein Gefängniß zur Heimath gemacht. –
Nach Bonivard hat Chillon noch manchen Gefangenen beherbergt, unter andern auch, im Jahre 1848, den in Freiburg residirenden Bischof von Lausanne, Etienne Marilley. Er hatte die neue Verfassung der Eidgenossenschaft nicht anerkennen wollen, weil sie die bischöfliche Autorität gewissen Einschränkungen unterwarf. Seine unfreiwillige Residenz auf der Inselveste währte jedoch nur wenige Wochen.
Heute dient Chillon als Haftort für renitente Milizen, deren Strafe übrigens keine harte zu sein scheint, denn gemüthlich kann man sie allezeit in den Höfen des Schlosses umherschlendern sehen.
Die französische Journalistik repräsentirt gegenwärtig eine Macht, deren gewaltigen Einfluß wir während des letzten Krieges nur zu oft zu beklagen hatten; denn leider geht mit der Bedeutsamkeit des Könnens die Lauterkeit des Wollens nicht immer Hand in Hand. Ein beträchtlicher Theil der nationalen Fehler und Irrthümer, die dieses so reichbegabte Volk verunzieren, kommt auf Rechnung der Pariser Presse, die in selbstsüchtiger Absicht den verwerflichen Leidenschaften der Masse schmeichelt, anstatt dieselbe aus dem Staube der Kleinlichkeit hülfreich emporzuheben. Das Gefühl der Pflicht ist – so hart dies auch klingen mag – der überwiegenden Mehrzahl der französischen Journalisten ein unbekannter Artikel; das einzige Ziel, auf das sie ihr Talent und ihren Eifer richten, ist der materielle Erfolg ihres Blattes und ihr damit zusammenhängendes eigenstes „Glückmachen“. Es giebt, Gott sei Dank, eine Reihe der ehrenwerthesten Ausnahmen, aber, wie gesagt, sie befinden sich in der Minorität.
Doch lassen wir die Frage nach der sittlichen Beschaffenheit der französischen Presse für diesmal ohne weitere Erörterungen fallen, und werfen wir einen Blick in ihre innere Einrichtung. Suchen wir uns von den geistigen und mechanischen Vorbereitungen Rechenschaft zu geben, die erforderlich sind, um dem Pariser zum Frühkaffee eine Nummer des „Siècle“ oder des „Journal des Débats“ zu liefern. Machen wir uns mit dem Personal eines modernen französischen Blattes und mit den Aufgaben bekannt, die jedem einzelnen Rade der großen Maschinerie obliegen.
Ein bedeutendes Pariser Journal ist meistens in ein unsympathisches, düsteres Gebäude verwiesen. Ein niedriger Thorbogen, aus grauen, schmutzigen Quadern gewölbt, führt in die unwirthliche Hausflur. Die Treppenaufgänge sind eng, dunkel, halsbrecherisch. Es ist, als solle dem Zudringlichen von vornherein begreiflich gemacht werden, wie wenig man gesonnen ist, ihm die Pfade zu ebnen. Der Umstand, daß jedes größere Journal seine eigne Druckerei besitzt, trägt wesentlich dazu bei, die erkorene Baulichkeit zu verdüstern; denn wo die Jünger Gutenberg’s ihre Zelte aufschlagen, da verwandelt sich die reinste, blendendste Tünche über Nacht in das niederträchtigste Grau.
Die Residenz einer Pariser Zeitung ist in zwei scharf gesonderte Hälften getheilt: in den Bezirk der Redaction und in den der Administration.
Das Gebiet der Redaction besteht aus sechs bis sieben Räumlichkeiten, nämlich einem Gemach für die Bureau-Bediensteten, einem Wartezimmer, einem Privat-Cabinet für den Chef-Redacteur, zwei oder drei Sälen für die Unterredacteure, und einem sogenannten Redactionszimmer, in welchem sich die Bibliothek befindet.
Das Gemach der Büreaudiener ist gewissermaßen die Vorhalle, durch welche Jedermann, selbst der Eingeweihte, passiren muß, ehe sich ihm die Pforte des Heiligsten, – nämlich des Wartezimmers, – oder gar des Allerheiligsten, – nämlich des chefredacteurlichen Privatcabinets – erschließt. Aber nicht Jeder, der diese Vorhalle betritt, gelangt zur geweihten Schwelle! Viele sind berufen aber Wenige auserwählt! Wer die Parole nicht kennt, wer nicht mit unumstößlichen Beweisen darthut, daß er drinnen erwartet wird, der erhält die stereotype Antwort. „Der Herr Redac-en-chef (so lautet die sanctionirte Abkürzung) kommt vor heute Abend nicht in die Redaction!“ So schroff diese Methode auf den ersten Anblick erscheinen mag, so dringend ist sie mit Rücksicht auf die Unmasse ungebetener Gäste, die von früh bis spät die großen Journale belagern, geboten. Ein bekanntes geflügeltes Wort behauptet, der Mann, der seine Zeit am genauesten kenne, sei Monsieur de Paris, der Scharfrichter. Mit einem gleichen Grade von Autorität könnte man diesen Ausspruch auf die Bureaudiener (Garçons de bureau) anwenden. Welche bunte Gallerie von Charaktermasken wandelt nicht Tag um Tag an ihnen vorüber! [585] Welche Fülle von typischen Figuren! Da naht sich in demüthiger, gebeugter Haltung der heruntergekommene Literat, der den abgeschabten Cylinder krampfhaft durch die dürren Finger laufen läßt und von seinem Herrn Collegen einige Franken „erborgen“ möchte. Da stolzirt kühn gehobenen Hauptes ein Jüngling herein, der eine weltverbessernde Erfindung gemacht hat, – sei es nun, daß er die Lösung eines gewaltigen socialen Problems, sei es, daß er eine neue Methode der Straßenreinigung, des Brodbackens oder der Kuhpockenimpfung bringt. Auch wissenschaftliche Entdeckungen, wie z. B. die der Cirkelquadratur, des Perpetuum Mobile etc. sind an der Tagesordnung. Der junge Mann verlangt die Einrückung eines acht Spalten langen Artikels, in welchem er die Früchte seines Nachdenkens dem Urtheile der Sachverständigen unterbreitet. Erbittert runzelt er die Stirn, wenn der Chefredacteur zum zweiten Male gewagt hat, nicht zu Hause zu sein! Wie? Hat man denn im neunzehnten Jahrhundert jeden Sinn für die Fortentwicklung des Menschengeschlechts verloren? Soll sich die traurige Komödie, die der große Columbus durchgelitten, immer und ewig wiederholen? … Es ist fast überflüssig, hinzuzufügen, daß der angebliche Geistespionnier im besten Falle ein unreifer Schwärmer ist.
Nicht minder zahlreich als die Bittsteller und Erfinder sind die literarischen Dilettanten. Sie übertreffen jene noch an Hartnäckigkeit und Beredsamkeit. Der Student im ersten Semester, der einen Leitartikel über die europäische Lage verfaßt hat und denselben in der nächsten Nummer veröffentlicht sehen möchte; der hagere Poet, der eine Dichtung im Stil der Henriade geboren hat und das Feuilleton der betreffenden Zeitung um die Uebernahme der Patenstelle ersucht; die ältliche Dame, die mit einem Sensationsromane von hundert Bogen niedergekommen ist – das sind stehende Charaktere des Vorzimmers. Die „Garçons“ sind ihnen gegenüber so meisterhaft geschult, daß sie dem Redactionspersonal nie lästig fallen würden, wenn sie nicht eine eigenthümliche Kriegslist befolgten. Sie warten nämlich bis zum Schlusse der Bureaustunden und „begleiten“ dann die Redacteure auf dem Wege nach ihren Privatwohnungen. Namentlich versteht es die Pseudo-Schriftstellerin, ihre Opfer mit unlöslichen Garnen zu umstricken.
Auch der Mann des „Eingesandt“ gehört zu den Typen der Belagerer des Wartezimmers. Bald bringt er eine Jeremiade über das schlechte Pflaster in der Rue de la Coqueluche; bald beschwert sich sein Artikel über die Unsicherheit gewisser Stadtviertel; bald erlaubt er sich eine „leise Anfrage“, ob man höheren Orts nicht gesonnen sei, endlich in dem Impasse Carcolet eine Gaslaterne anzubringen, da ein naher Verwandter des Einsenders am 27. d. M. daselbst in der Dunkelheit der Nacht eine Rippe gebrochen habe.
Oft sind diese Correspondenzen unterzeichnet wie folgt: Henri Goguenard, Specereiwaarenhandlung, Rue St. André, Nr, 99; oder: Jean Jacques Brimbouillet, Strumpfwaarengeschäft (auch auf Credit), Rue Bergère Nr. 77. Alsdann entspringen sie dem speculativen Kopfe eines haushälterischen Bourgeois, der dem Publicum seine Firma in’s Gedächtniß rufen will, ohne die Auslagen für eine Anzeige zu bestreiten.
Vergessen wir schließlich nicht den Finanzschwindler! Er bringt eine mehr oder minder beträchtliche Summe und wünscht dafür die lobende Besprechung irgend eines zweideutigen Unternehmens.
Alle diese Persönlichkeiten hat der Bureaudiener abzuwehren, zu beschwichtigen oder im Nothfall vor die Thür zu befördern. Die Aufgabe ist ebenso schwierig als undankbar, und mehr als ein Seufzer des Neides ringt sich aus dem Busen des ewig umlagerten Garçons los und weht hinüber nach den Räumen, wo der König des Journals, der Redacteur en chef, seine souveraine Existenz führt.
Der Chef-Redacteur eines Pariser Journals ist in der That ein kleiner Fürst. Jedermann fêtirt ihn; alle Pforten sind ihm geöffnet. Die Theater stellen ihm die besten Logen zur Verfügung; ohne ihn geht keine Feier, kein diplomatisches Diner, kein Autorenfrühstück, keine künstlerische Soirée in Scene. Er bezieht ein Gehalt von zwanzig- bis vierzigtausend Francs, wohnt Bel-Etage, und „macht ein Haus“. Dabei ist er unter allen Journalisten derjenige, der am wenigsten schreibt. Als eleganter Dirigent steht er vor seinem Pulte und schwingt ohne sichtbare Anstrengung sein Stäbchen. Freilich, die Arbeit ist, äußerlich genommen, leichter, als die rastlose Thätigkeit der einzelnen Instrumente; aber es gehört ein ganz besonders ausgeprägtes Tactgefühl dazu.
Ein echter Chef-Redacteur duldet unter seinem Personal Niemanden, der ihm vermöge seines Talentes ebenbürtig oder gar überlegen wäre. So hat Emil von Girardin den Herren Nefftzer, Peyrat, Duvernois u. A., die eine Zeit lang seine Unterredacteure waren, nach gewonnener Einsicht in ihre Befähigungen den Laufpaß gegeben. Emil von Girardin ist übrigens, beiläufig gesagt, einer der wenigen Chefs, die persönlich eine unermüdliche Feder führen.
Der Zweite im Rang, nach dem Chef-Redacteur, ist der Verfasser des „Premier-Paris“, des Leitartikels. Sein officieller Name ist Bulletinier, eigentlich „Berichterstatter“; das journalistische Kauderwelsch benennt ihn auch wohl „Tartinier“ (tartine ist ein belegtes oder Butter-Brödchen), was sich aus besten mit „Appetitsmacher“ übersetzen läßt.
Der Bulletinier muß die Gabe besitzen, auf Commando über jeden beliebigen Gegenstand aus dem Gebiete der Politik, der Nationalökonomie, der Geschichte etc. etc. eine Spalte voll geistreicher Bemerkungen loszulassen. Je nach dem Inhalte der einlaufenden Telegramme fordert man von ihm eine Charakteristik der religiösen Ideen in Deutschland, eine Darlegung der türkischen Militärverhältnisse oder ein Resumé der österreichischen Geschichte seit dem Kriege von 1864. Der Bulletinier zeichnet sich durch die Verwegenheit seiner Perspectiven, durch die Tollkühnheit seiner Combinationen aus. Mit einem einzigen Federstriche „vernichtet“ er Systeme, Staatsmänner, sociale Einrichtungen; es kostet ihm nicht das Geringste, den „politischen Horizont“ mit „schwarzen Punkten“ zu tätowiren, kriegerische Verwickelungen in allen vier Weltgegenden zu weissagen, und von Zeit zu Zeit im Tone einer Pythia zu erklären, Europa stehe „am Vorabende großer Ereignisse“.
Der Bulletinier verbraucht, wie der Leser bereits ahnen wird, eine unfaßliche Menge sogenannter „Clichés“, d. h. Gemeinplätze. Da sein unermüdlicher Kiel per Dampf arbeitet und oft ohne Unterbrechung zwei- bis dreihundert Zeilen auf’s Papier wirft, in denen sich kaum eine ausgestrichen Silbe vorfindet, so wird man ihm die kleine Schwäche zu Gute halten. Die Clichés verleihen übrigens dem Zeitungsstile in den Augen der Halbgebildeten ein eigenthümliches Relief. Im Wesentlichen stimmen die Gemeinplätze der französischen Journalistik mit denen der deutschen überein. Hierher gehört z. B. die famose Wendung: „Wir tanzen auf einem Vulcan!“, oder die nicht minder poetische: „Wir befinden uns auf einer schiefen Ebene.“ Auch Phrasen wie die folgenden sind dem Deutschen wie dem Franzosen geläufig: „Man erzählt sich in diplomatischen Kreisen …“ – „Wir erfahren aus zuverlässiger Quelle …“ – „Dürfen wir einem sehr consistenten Gerücht Glauben schenken, so …“ – „Sie haben Nichts gelernt und Nichts vergessen …“ – „Er war ein Mann, nehmt Alles nur in Allem …“ – „Der gesunde Sinn des Volkes …“ – „Die Wissenschaft hat einen herben Verlust erlitten …“ etc.
Der Bulletinier verfügt über alle diese mehr oder minder geistreichen Wendungen mit unumschränkter Machtvollkommenheit. Auch sprudelt er von bildlichen Ausdrücken über, die indeß nicht immer die Genehmigung des Logikers erlangen würden. Der Bulletinier spricht von dem Sturme einer lodernden Begeisterung, von den Grundlagen der Familienbande, von den Schranken, die das Gesetz ihm auflegt, und dergleichen mehr. Je schneller und flüchtiger der Artikel vom Stapel gelassen wird, um so häufiger finden sich solche schadhafte Stellen. Seitdem die Journalisten genöthigt sind, ihre Arbeiten zu unterzeichnen, seitdem ist auch der Tartinier vorsichtiger geworden. Traut er sich indessen nicht hinlänglich, fürchtet er, durch die Beifügung seines Namens seinen Ruf zu schädigen, so hilft ihm ein eigens hierzu berufener Amtsbruder aus der Verlegenheit: der Redactionssecretär!
Derselbe hat die Aufgabe, sämmtliche Artikel, deren Verfasser ungenannt bleiben wollen, auf sein Conto zu nehmen. Wie mancher hohe Staatsmann verbirgt sich hinter der schlichten Unterzeichnung eines solchen Scheinschriftstellers! Jahrelang hat Guizot das „Journal des Débats“ mit Leitartikeln beglückt, die „David“ signirt waren. Selbst Louis Napoleon ließ von Zeit zu Zeit seine souveräne Stimme im „Constitutionnel“ erschallen und nannte sich „Boniface“. Oft ist der Redactionssecretär seit acht Tagen krank oder verreist; aber „seine Artikel“ fahren fort, die Börse zu beeinflussen oder eine Ministerkrise hervorzurufen.
[586] Die meisten großen Journale besitzen neben dem „Tartinier“ einen eignen Polemiker, dessen Aufgabe darin besteht, die Fehden mit den Herren Confratres der Presse auszufechten. Das journalistische Rothwälsch nennt diese professionirten Zänker „Engueuleurs“, d. h. „Fresser, Verschlinger“. Sie zeichnen sich durch eine Virtuosität im Erfinden klangvoller Prädicate aus. Nicht selten überschreitet ihr Stil die Grenzen des parlamentarisch Erlaubten.
Aus der beträchtlichen Zahl der übrigen Redacteure verdient zunächst der „Cuisinier“ hervorgehoben zu werden. Ihm liegt die eigentliche „Mache“ des Journals ob. Wie ein Koch die Speise, so setzt er die Zeitung aus den ihm gelieferten Ingredienzien zusammen. Er liest die einlaufenden Artikel, – „la copie“, wie der Kunstausdruck lautet, – und entscheidet über deren Aufnahme oder Vertagung. Er handhabt die Scheere behufs der Ausschneidung brauchbarer Aufsätze, Notizen etc., die er aus andern Journalen zu reproduciren wünscht. Er ordnet das Material nach äußeren und inneren Rücksichten und übt auf diese Weise einen unberechenbaren Einfluß auf die Physiognomie seines Blattes aus.
Eine wichtige Rolle spielen neuerdings die sogenannten „Echotiers“, die verpflichtet sind, allenthalben hinzuhorchen und ihrem Journale die neuesten, pikantesten Nachrichten namentlich auf nicht-politischem Gebiete zuzuführen. Man erfährt zum Beispiel, Michelet werde demnächst ein neues Buch veröffentlichen. Vierundzwanzig Stunden später muß der Echotier wissen, wie viel Honorar der Verleger bezahlt hat, wie viel Seiten das Werk umfassen wird, wovon es handelt, ob es auf Velin gedruckt ist, ob gleichzeitig eine englische Ausgabe erscheint etc. etc. Oder ein berühmter Componist, ein Künstler, ein Diplomat ist gestorben. Der Echotier wäre ein für alle Mal um seinen Ruf, wenn er nicht sofort die genauesten Einzelheiten über Stunde und Minute des Todes, über die begleitenden Umstände, über die letzten Worte des Sterbenden, über sein Testament und über seine Hinterlassenschaft beibringen könnte.
Verwandt mit dem Echotier ist der „Indiscreteur“. Er enthüllt die Familien- und sonstigen Privatverhältnisse bedeutender Persönlichkeiten. Er besucht Jules Favre, Fräulein Christine Nilsson, Herrn von Rémusat u. A., und berichtet in geistvollen Plaudereien, was er geschaut und vernommen: wie Jules Favre Toilette macht, wie die blonde Schwedin frühstückt, wie Rémusat sich den Bart pflegt und die Nägel schneidet. … Das Publicum ist für solche Mittheilungen stets außerordentlich dankbar.
Täglich an Bedeutung wächst auch die Rolle des „Canardiers“, des „Entenmachers“. Oft sind die Ereignisse, über die der „Cuisinier“ verfügt, so mager, daß diesem Uebelstande durch die Erfindung geeigneter Sujets nachgeholfen werden muß. Es ergeht alsdann die Weisung an den Canardier, eine politische, eine literarische und zwei „vermischte“ Thatsachen aus dem Aermel zu schütteln. Die politische Ente bezieht sich mit Vorliebe auf governementale Maßnahmen, die vom Publicum seit geraumer Zeit sehnsüchtig erwartet werden. Zum Beispiel: Der Vertreter Frankreichs bei irgend einem auswärtigen Cabinet gilt für unfähig; die öffentliche Meinung hat sich dringend für seine Beseitigung ausgesprochen. Mit kühnem Griffel versichert nun der Canardier, „man habe im gestrigen Ministerrate die Abberufung des Mr. So und So einstimmig beschlossen“. Die politische Ente geht natürlich durch alle in- und ausländischen Blätter und wird schließlich nicht selten zur Wahrheit, da man sich höheren Ortes scheut, die durch das falsche Gerücht hervorgerufene Befriedigung ohne Grund zu zerstören. Mancher Minister ist durch den Canardier gestürzt worden! –
Die literarische Ente liebt es, hervorragende Schriftsteller, Schauspieler, Dichter etc. als gefährlich krank, oder gar als gestorben auszuposaunen. Tags darauf erhält das Journal eine Zuschrift im Stile des Folgenden:
Herr Redacteur!
In der gestrigen Nummer Ihres Blattes findet sich eine Notiz, der zufolge ich von einem Schlagflusse getroffen worden sein soll. Ich begreife nicht, was diesen Irrthum veranlaßt haben mag, da ich mich seit zwei Monaten wohler als je fühle. Haben Sie die Güte, die fragliche Notiz durch Einrückung dieser Zeilen zu berichtigen. Genehmigen Sie etc. Victorien Sardou.
Die Unterschrift eines Victorien Sardou gereicht aber einem Journal zur Zierde, sie „macht sich gut“, wie die Redacteure sagen, und so hat der Canardier denn zwei Fliegen mit einer Klappe erlegt: das Publicum ist durch die falsche Nachricht erschüttert worden, und die Rubrik der „Correspondances“ enthält einen hochklingenden Namen!
Die „vermischte“ Ente ist unter allen die tollste. Keine Combination ist zu verrückt, zu wahnwitzig: der Canardier benutzt sie zu einem „Fait divers“. Im Nothfalle, das heißt, wenn die Unwahrscheinlichkeit die Polhöhe erreicht hat, läßt er sein Begebniß in Amerika spielen, und das Unmögliche wird wieder salonfähig. Es giebt „vermischte“ Enten, die von Zeit zu Zeit regelmäßig wiederkehren. Hierher gehören gewisse Dampfschiffabenteuer vom Mississippi, gewisse Extravaganzen spleenbehafteter Engländer und zahllose angebliche Erfindungen und Entdeckungen speculativer Köpfe, wie zum Beispiel die Kunst, Butter aus Themseschlamm, Brod aus menschlichen Skeleten oder Curaçao aus Lumpen zu verfertigen. Auch die famose russische Prinzessin mit dem Todtenkopfgesicht zählt in diese Kategorie. Der Canardier von Talent wird es indeß verschmähen, eine gebrauchte Platte zu neuen Abzügen zu benutzen. Er erfindet frei aus dem Stegreif, und je verwegener er die Farben aufträgt, um so besser!
Eine gesonderte Welt innerhalb des Journals bildet das Feuilleton, der „Raum unter dem Striche“, – auch „Rez-de-Chaussée“ geheißen. Keine Pariser Zeitung von Bedeutung kann heutzutage auf diese hochwichtige Rubrik verzichten. Der größere oder geringere Werth des Feuilletons wirkt oft entscheidend auf den materiellen Erfolg des Blattes. Als das „Journal des Débats“ die Sue’schen „Geheimnisse von Paris“ unter der Linie veröffentlichte, steigerte sich seine Auflage um das Dreifache. Der „Constitutionnel“ erhob sich von viertausend Exemplaren auf die Höhe von fünfundzwanzigtausend, als die ersten Capitel des „Ewigen Juden“ in seinem „Rez de-Chaussée“ erschienen waren. Wenn Francisque Sarcey eine theatralische Kritik losläßt, so verkauft der „Temps“ zweitausend Exemplare mehr, als unter gewöhnlichen Verhältnissen. Für diesmal fehlt uns der Raum, das Feuilleton und vieles Andere, was hierher gehören würde, auch nur flüchtig zu besprechen. Wenn man höheren Orts damit einverstanden ist, skizziren wir die unerledigten Capitel unseres Themas gelegentlich in einer zweiten Abhandlung.
Mit dem jetzt wieder deutsch gewordenen Elsaß ist ein Institut in deutschen Besitz gekommen, welches, was die Größe seiner Anlagen und die Großartigkeit seines Betriebes anbetrifft, einzig in seiner Art dasteht: es ist dies die Fischzuchtanstalt Hüningen.
Diese Anstalt, kaum eine Stunde von Basel und ebenso weit von der badischen Grenze entfernt, hart an dem großen Rhein-Rhonecanal gelegen, wurde vor zwanzig Jahren auf Anrathen des Professor Coste von der französischen Regierung angelegt. Nach und nach vergrößert ist sie heute die großartigste Anstalt der Welt in dieser Branche, und es dürfte unsere Leser wohl interessiren, etwas Näheres über dieselbe und ihren Betrieb zu erfahren, besonders deshalb, weil das Reichskanzleramt, in gerechter Würdigung der großen volkswirthschaftlichen Bedeutung dieses Instituts, sich entschlossen hat, den Betrieb fortzusetzen.
Auch die Erfindung dieser Fischzucht soll zuerst einem deutschen Kopf entsprungen sein: es wird von einem Lieutenant Jacobi erzählt, daß er sie schon vor etwa hundertundzwanzig Jahren praktisch geübt habe. Da er die Sache für sich betrieb und Wissenschaft und Presse sich nicht darum bekümmerten, so mußte ein armer Fischer in den Vogesen, Namens Remy, die Erfindung vor etwa fünfundzwanzig Jahren noch einmal machen. Da nahm aber der französische Professor Coste sich dieser „Fischzucht“ an und benutzte die Presse so nachhaltig für sie, daß endlich die französische Regierung nicht umhin konnte, zu hören und zu handeln.
[587] Es kann nicht unsere Absicht sein, hier eine genaue Schilderung der künstlichen Fischzucht zu geben, doch halten wir es für geboten, einige Bemerkungen über selbige voranzuschicken, damit auch der Laie zu beurtheilen vermag, daß die künstliche Fischzucht nicht etwa nur eine artige Spielerei, sondern eine Sache von höchster Wichtigkeit ist, ja, daß durch richtige Handhabung dieser Zucht der ganze Nationalwohlstand um ein Bedeutendes vermehrt werden kann. Gleichzeitig wird hierdurch die Bedeutung der Central-Anstalt Hüningen am besten illustrirt. Nur zu oft kommt es noch heute vor, daß selbst Gebildete keinen richtigen Einblick in das Wesen der Fischzucht haben, ja, es ist durchaus nicht selten, daß „künstliche Fischzucht“ und „künstliche Hühnerzucht“ für etwas sehr Aehnliches gehalten wird.
Der Name „künstliche Fischzucht“ ist durchaus unglücklich gewählt, denn etwas wirklich Künstliches ist bei dieser Zucht nicht, darf auch nicht dabei sein, wenn man den Endzweck der Fischzucht nicht aus den Augen verlieren will, nämlich möglichst billig und möglichst viel eßbare Fische zu erziehen. Wie der Landmann nicht von künstlicher Pferde- und Schafzucht spricht, so wäre es auch weit richtiger einfach den Ausdruck „Fischzucht“ zu gebrauchen. Die sogenannte künstliche Fischzucht ist nur eine genaue Nachahmung des natürlichen Processes, und je genauer wir uns der Natur anschließen, um so besser und sicherer sind die Erfolge.
Der Fisch beginnt zu einer bestimmte Zeit des Jahres eine Wanderung, um an einer geeigneten Stelle für seine Fortpflanzung zu sorgen. Bei einigen Fischen, wie beim Lachs, sind die Strecken, welche sie zu diesem Behufe durchwandern müssen, oft sehr bedeutend, andere begeben sich nur aus der Tiefe der Gewässer an die flachen Uferränder, um hier an Wasserpflanzen oder auf Kiesboden ihren Laich abzusetzen.
Betrachten wir nun einmal das Verfahren, welches die Forellenarten bei ihrem Laichgeschäfte beobachten, etwas genauer.
Im Spätherbste wandern sowohl Männchen wie Weibchen den Strom aufwärts gegen die Quelle hin, jedoch nicht unmittelbar bis an die Quelle, sondern gewöhnlich nur so weit, daß die Wasserwärme + 4 Grad Réaumur beträgt. Hier wühlt das Weibchen mit dem Schwanze eine Grube in den Kiesboden, welche bei größeren Lachsen wohl vier bis fünf Fuß lang ist. In diese Grube legt das Weibchen seine Eier ab, welche dann sofort durch ein Männchen, das seine Milch über selbige ergießt, befruchtet werden. Das Weibchen bedeckt hierauf die Eier wieder und kümmert sich ferner nicht mehr um dieselben. Der Embryo entwickelt sich in dem Ei mehr und mehr, und nach sechs bis acht Wochen schlüpft ein eigenthümliches Wesen aus, welches wohl keiner der Leser für einen jungen Fisch halten würde. Dieser junge Fisch besteht aus einem dünnen Faden, an welchem eigentlich nur die Augen bemerkbar sind; an der andern Seite dieses Fadens hängt ein birnenförmig oder kugelig gestalteter, unverhältnismäßig großer Beutel, der Dottersack oder die Dotterblase. Die Blase wird täglich kleiner und in demselben Verhältniß entwickelt sich der oben erwähnte Faden mehr und mehr zu einem Fischchen, bis nach wiederum sechs bis acht Wochen die Dotterblase völlig verschwunden und der junge Fisch ganz ausgebildet ist. In der ersten Zeit der Dottersackperiode ist das Fischlein beinahe ganz unbeweglich, das feine Häutchen, welches die Blase umschließt, ist überaus zart und kann durch die geringste Reibung verletzt werden, was jedes Mal unausbleiblich den Tod des Fischleins zur Folge hat. Während dieser ganzen Periode nimmt das Fischlein gar keine äußere Nahrung zu sich, die vorsorgliche Mutter Natur hat ihm in seinem natürliche Freßkober, der Dotterblase, hinlängliche Nahrung für mehrere Wochen mitgegeben. Ist das Fischchen nun erst so weit entwickelt, daß es sich selbst seine Nahrung sucht, dann ist es auch bereits so behende, so flink geworden, daß es den meisten Nachstellungen zu entgehen vermag; nur selten wird es jetzt noch einem Feinde gelingen, es zu erhaschen.
Wie viele Gefahren hat aber das Ei, der unvollkommene Fisch zu bestehen, bis er zu dieser Größe heranwuchs!
Gleich bei der Befruchtung geschieht es nicht selten, daß das Männchen nicht rechtzeitig auf der Laichstelle erscheint, dann führt oft die heftige Strömung die belebende Milch so schnell hinweg, daß nur äußerst wenig Eier damit in Berührung kommen und entwickelungsfähig werden. Die befruchteten Eier werden wiederum durch eine Unzahl von Feinden bedroht. Andere Forellen, ferner Grundeln, Kaulköpfe und Quappen verzehren die abgesetzten Eier in großer Menge; Enten, Gänse, Wasseramseln und Wasserstaare verzehren andere Tausende; Frösche und Salamander, Wasserkäfer und Käferlarven, Köcherfliegen- und Libellenlarven, verschiedene kleine Krebsarten vernichten nochmals Tausende; Wasserspitzmäuse und Wasserratten vertilgen oft ganze Bruten. Der gefährlichste Feind der Eier gehört jedoch nicht dem Thierreiche, sondern dem Pflanzenreiche an. Es ist dies ein Schimmelpilz, der Byssus, welcher sich auf einem verdorbenen, unbefruchtet gebliebenen Eie zuerst zeigt und oft in einigen Stunden sämmtliche in der Nähe befindlichen Eier mit seinen feinen Fäden überzieht und dadurch ihre Entwickelungsfähigkeit völlig zerstört. Sechs bis acht Wochen hindurch sind die Eier diesen zahlreichen Feinden ausgesetzt, und wie viele Tausende durch dieselben vernichtet werden müssen, ist wohl leicht einzusehen.
Aber auch nach dieser Zeit ist die Gefahr lange nicht vorüber, die ganz jungen, noch bedotterten Fische sind fast mehr Feinden ausgesetzt, als selbst die Eier. Noch können die jungen Fischlein sich kaum bewegen, in ganzen Haufen sitzen sie unter einem hohlliegenden Steine beisammen und werden so eine leichte Beute nicht nur aller oben erwähnten Feinde, sondern es treten deren jetzt noch eine ganze Menge anderer hinzu. Hechte, Barsche, selbst die niedlichen Karpfenarten verzehren eine Unzahl dieser hülflosen Thierchen, sogar die kleinen Stichlinge werden zu furchtbaren Räubern, indem sie durch wiederholte Bisse die zarte Dotterblase zerstören und dadurch das Fischlein tödten.
Da ist es wahrlich kein Wunder, wenn von tausend gelegten Eiern im Durchschnitt nur ein Fisch völlig entwickelt wird. Fügen wir jetzt noch hinzu, daß eine große Forelle selten mehr als zweitausend Eier enthält, wogegen der Karpfen, Schlei, Barsch und andere gewöhnliche Fische davon wohl eine halbe bis eine ganze Million enthalten, obgleich die ganze Entwickelungszeit kaum so viel Wochen wie bei den Forellen Monate dauert, so sieht wohl Jeder ein, von wie weittragender Wichtigkeit es sein muß, gerade den Eiern und ganz jungen Fischen der edlen Salmenarten Schutz angedeihen zu lassen.
Vergleichen wir nun mit diesem gewöhnlichen Vorgange das Verfahren bei der Fischzucht.
Man fängt die Forellen, wenn sie völlig laichreif sind; am besten ist es, sie von den Laichplätzen selbst zu entnehmen. Treten bei dem Weibchen, wenn man es beim Kopfe in die Höhe hebt, von selbst einige Eier und beim Männchen einige Tropfen Milch aus, so ist der Fisch laichreif.
Man hält jetzt den weiblichen Fisch über ein flaches Gefäß, in welchem ein wenig Wasser vorhanden ist. Die eigene Schwere der Eier und die Bewegungen, welche der Fisch macht, verursachen das Hervortreten der Eier, die in das Wasser des untergestellten Gefäßes fallen. Man kann auch noch durch ein ganz sanftes Streichen des Bauches das Hervortreten der Eier befördern, nur hüte man sich, irgend welche Gewalt anzuwenden. Völlig unrichtig ist es daher, zu sagen, man drückt oder preßt den Fischen die Eier aus. Alle Eier, welche nicht bei geringer Berührung von selbst austreten, sind noch nicht reif, noch nicht entwickelungsfähig. Zu gleicher Zeit hat ein Gehülfe den männlichen Fisch über das Gefäß gebracht und ihn veranlaßt, einige Tropfen Milch in dasselbe zu ergießen. Durch ein gelindes Schütteln des Gefäßes vermischt man die Milch innig mit dem Wasser, läßt das Gefäß einige Minuten ruhig stehen, und die Eier sind befruchtet und weiterer Entwickelung fähig.
Man sieht also, diese künstliche Befruchtung ist nur eine genaue Nachahmung des natürlichen Processes, einzig mit dem Unterschiede, daß man es dem Fische nicht überläßt, wohin er seine Eier absetzen will, sondern ihn nöthigt, dieselbe in einen bestimmten Raum abzulegen.
Diese so gewonnenen Eier, welche nur einen ganz kurzen Transport ohne Nachtheil ertragen, werden jetzt in einen künstlichen Bach gebracht, in welchem sie einige Wochen dem belebenden Einflusse des strömenden Wassers ausgesetzt werden; da der Fisch seine Eier bedeckt, so sorgt man bei der Ausbrütung auch dafür, daß die Eier stets im Dunkeln sind. Also wiederum nur eine Nachahmung des natürlichen Vorganges, doch mit dem Unterschiede, daß man die künstlichen Bäche so einrichtet, daß die Eier und später die junge Brut gegen ihre zahllosen Feinde geschützt sind.
Dies ist das Wichtigste der ganzen künstlichen Fischzucht.
[588] Die Anstalt Hüningen hat sich bisher nur den Schutz der Eier angelegen sein lassen, weil dies auch unstreitig der wichtigste Theil der Fischzucht, besonders für eine Centralanstalt, ist. Dem Schutze der jungen Fische hat sie weniger Aufmerksamkeit schenken können, einmal weil die meisten der hier zur Anbrütung gekommenen Eier zur Versendung bestimmt waren, dann auch weil die Lage der Anstalt für Aufzucht von Fischen nicht günstig ist. Die Wahl des Ortes kann sogar nur durch die vor zwanzig Jahren noch sehr geringe Kenntniß von den zur Fischzucht nothwendigen Bedingungen entschuldigt werden.
Zu der Anstalt gehört im Ganzen ein Territorium von etwa hundertfünfzig Morgen, auf welchem mehrere größere und kleinere Teiche, Bäche, zahlreiche Quellen, herrliche Parkanlagen und Gärten angelegt und die wahrhaft großartigen Anstaltsgebäude errichtet sind. Die Vorrichtungen für den Schutz der Eier sind sehr praktisch und über alle Begriffe großartig.
Zwei große Gebäude, das Mittelgebäude und die Bruthalle, ersteres hundertvierzig Fuß lang, fünfunddreißig Fuß breit, letzteres hundertachtzig Fuß lang, fünfunddreißig Fuß breit, sind dazu bestimmt, diese Eier aufzunehmen. Zahlreiche künstliche Bäche im Innern der Gebäude dienen dazu, die Eier so weit anzubrüten, daß dem Embryo auch ein weiter Transport nicht mehr schaden kann. Die Anbrütung geschieht durch Quellwasser, welches der Anstalt durch einen gemauerten Canal von einem Kilometer Länge zugeführt wird. Vier mächtige Turbinen, welche durch das Wasser des Rhein-Rhone-Canals getrieben werden, pumpen unausgesetzt das crystallhelle Wasser gegen zwanzig Fuß hoch auf sieben große Bassins. Von hier aus vertheilt sich das Wasser, wie in den Adern eines organischen Körpers, durch zahlreiche untereinander in Verbindung stehende Bleiröhren in alle drei Gebäude der Anstalt. Die Eier selbst werden auf Glasrosten dünn ausgebreitet; die Glasroste liegen theils in gemauerten Canälen, theils in Gefäßen von gebranntem Thon, theils auf mächtigen Bruttischen von vierzig Fuß Länge. Diese Glasroste bewirken, daß etwaige Schlammtheilchen, welche das scheinbar völlig klare Wasser dennoch mit sich führt, sich nicht auf die Eier, sondern auf den Boden der Gefäße, der Canäle und Bruttische niederschlagen, auch bewirken sie, daß das belebende Wasser nicht nur über die Eier hinweg, sondern auch unter den Eiern fortströmt. Durch zahlreiche Messingkrähne kann man das Wasser ganz nach Belieben reguliren, so daß es nur ganz unmerklich dahingleiten, aber auch lebhaft plätschernd davon eilen kann.
In den ersten Tagen bleiben die Eier in diesen künstlichen Bächen gänzlich unberührt, weil der junge Keim im Ei noch so zart ist, daß die geringste Berührung ihn sofort tödten würde. Nach einigen Tagen beginnt jedoch die Hauptthätigkeit.
Gegen die zahlreichen Feinde des Thierreichs sind die Eier in diesen künstlichen Bächen wohl geschützt, gegen den heimtückischen und gefährlichsten Feind der Fischeier hingegen, den Schimmelpilz, schützt kein Verschluß, kein feines Gitter, keine noch so sorgfältige Filtration. So sorgfältig man nämlich die Befruchtung vorgenommen, so große Vorsicht man auch während des Transportes angewendet, es finden sich dennoch nach einigen Tagen mehrere unbefruchtet gebliebene und verdorbene Eier. Diese Eier werden bald die Brutstätten des so verderblich auftretenden Byssus; würde jetzt nicht schleunigst abgeholfen werden, so wären nach wenigen Tagen sehr leicht sämmtliche Eier in dem kleinen künstlichen Bache wie mit Baumwolle überzogen und die ganze Brut unrettbar verloren. Darum sehen wir während der ganzen Brutperiode stets zahlreiche Arbeiter, oft zwanzig bis dreißig Mann, mit der Ueberwachung der Eier beschäftigt. Jedes verdorbene Ei, welches sich durch seine weißliche Färbung leicht erkennen läßt, wird mit einer Pincette sofort unbarmherzig entfernt, wobei man sich jedoch sehr hüten muß, die umliegenden Eier zu berühren.
Eine wahre Freude ist es jetzt, mit anzusehen, wie unter dem belebenden Einflusse des unaufhörlich rieselnden Wassers der [589] junge Embryo in den erbsengroßen, völlig durchscheinenden Eiern sich von Tag zu Tag mehr entwickelt; immer deutlicher werden die Bewegungen, und nach drei bis vier Wochen, je nach der Temperatur des Wassers, treten die Augen als zwei schwarze Pünktchen deutlich hervor. Jetzt ist der geeignete Zeitpunkt gekommen, die angebrüteten Eier zu versenden, denn jetzt ist der junge, noch im Ei befindliche Fisch bereits hinlänglich gekräftigt, um die Beschwerden eines weiten Transportes zu ertragen.
In ein kleines Kistchen wird eine Lage feinstes Moos gebracht, hierauf streut man sorgsam die angebrüteten Eier so aus, daß sie sich so wenig wie möglich berühren, hierauf kommt wieder
eine Schicht feinstes Moos und so fort, bis das Kistchen völlig gefüllt ist. Dieses wird durch einen Deckel verschlossen und kommt in eine größere Kiste, die Zwischenräume werden mit einem schlechten Wärmeleiter, gewöhnlich trockenes Moos oder Werg, ausgefüllt. Bei starkem Froste bedarf es wohl noch einer dritten Umhüllung.
In dieser Weise verpackt können die angebrüteten Eier, ohne Schaden zu nehmen, ganz gut einige hundert Meilen weit transportirt werden. Man hat es sogar ermöglicht, Lachseier von England aus nach dem fernen Australien zu senden, woselbst die Eier gut ankamen und sich vortrefflich entwickelten. Hunderte solcher Kisten, mit je drei- bis viertausend Eiern, werden oft im Winter an einem Tage an kleinere Fischzuchtanstalten gesendet. Für diese Kisten allein hat die Anstalt in manchen Jahren drei- bis viertausend Franken bezahlt.
Mit ganz geringen Kosten kann also in dieser Weise eine Fischgattung in Gegenden verpflanzt werden, wo sie bis dahin nicht vorhanden war. Wollte man eine solche Verpflanzung mit erwachsenen Fischen vornehmen, so würde ein derartiger Versuch Hunderte, ja Tausende von Thalern kosten und dennoch sehr zweifelhaft bleiben, weil alle edlen Fische einen weiten Transport nur sehr schwer ertragen.
Die Anstalt beschäftigt sich nur mit den edelsten aller Süßwasserfische, den Winterlaichfischen oder Salmoniden. Hierzu gehören der Lachs, die See- und Bachforelle, Lachsforelle, Salbling oder Ritter, die Fern oder das Felchen. In untergeordneter Weise werden noch angebrütet die Eier des Donaulachs oder Huchen und der Aesche. Die Eier der letztgenannten Fische werden im Frühjahr gewonnen; ein Transport solcher Eier ist auf weitere Strecken bei der wärmeren Jahreszeit nicht gut thunlich.
In letzterer Zeit hat man auch angefangen, Kreuzungen vorzunehmen, und Bastarde von Lachs und Forelle, Salbling und Forelle sind ganz vortrefflich gedeihende Fische.
Gegen zehn bis zwölf Millionen solcher Eier etc. repräsentiren ein Capital von vielen tausend Thalern. Theils ruhig [590] fließend, theils mit lebhaftem Geplätscher durchströmt das Quellwasser mehrere tausend Brutapparate, auf welchen während des ganzen Winters vier bis sechs Millionen Edelfischeier zur Entwickelung gebracht werden. Diese Eier werden der Anstalt durch mehrere Beamte, welche bei Beginn des Herbstes die ganze Schweiz und das südliche Deutschland bereisen, zugeführt. Eine Million Lachseier wiegt gegen fünf Centner, und hat einfach befruchtet einen Werth von circa achthundert, angebrütet hingegen von mindestens zweitausend Thalern.
Wie Bedeutendes die Anstalt durch das massenhafte Versenden angebrüteter Salmonideneier für die Hebung der Fischzucht geleistet, wird man erst so recht begreifen, wenn man hört, daß von den freigelegten Eiern kaum ein Procent zur Entwickelung kommt, wogegen die von hier versendeten angebrüteten Eier sämmtlich entwickelungsfähig waren. Und setzt man jetzt noch hinzu, daß ein Pfund Forellen- oder Salblingsfleisch in den Badeorten Süddeutschlands oft mit einem bis anderthalb Thaler bezahlt wird, so kann man den Segen, welchen diese Anstalt alljährlich ausgestreut hat, nur nach Hunderttausenden, ja Millionen von Thalern berechnen. Wenn diese Erfolge nicht immer erreicht wurden, so liegt dies einzig daran, daß die Fischzucht noch nicht allgemein genug bekannt ist und selten richtig ausgeübt wird.
Für den zweiten Theil der Fischzucht, „Schutz den jungen Fischen etc.“, hat die Anstalt weniger Beendigendes leisten können. Die Anstalt liegt in einer völligen Ebene, und so ist das Wasser des geringen Gefälles wegen für die meisten Salmoniden zu wenig lufthaltig. Die jetzige deutsche Verwaltung hofft zwar diesem Uebelstande hier und da abhelfen zu können, doch wird es immerhin rathsam sein, in nicht zu großer Entfernung von dieser Centralbrutanstalt eine besondere Musterzuchtanstalt zu gründen, damit der Besucher ein vollständiges Bild der Fischzucht erhält und die Anstalt ein großartiges Lehrinstitut werde.
Die Schätze, welche in unseren zahlreichen deutschen Flüssen, Bächen, Seen und Teichen noch ungeweckt schlummern, sind unberechenbar, besonders wenn durch ein gutes Schongesetz der Fischzucht zu Hülfe gekommen wird. Hoffen wir nun, daß bei uns in Deutschland durch die mächtige Anregung und Unterstützung, welche durch das jetzt deutsche Hüningen gegeben wird, bald an allen Orten Privat-Fischzuchtanstalten erstehen, und die edeln Fische, wie Lachse und Forellen, nicht mehr ein Leckerbissen für die Reichen allein, sondern ein allgemein beliebtes und billiges Volksnahrungsmittel werden.
Unweit des durch sein Franctireurswesen oder vielmehr Unwesen berüchtigten Städtchens Chaumont mußten die Quartiermacher der in den benachbarten Ortschaften untergebrachten Truppen sich in einem Centralorte sammeln, und wir ritten dann oft zu dreißig bis fünfzig, zuweilen noch durch leichte Cavallerie bedeckt, bis zum nächsten Centralort, das heißt bis zu einer Stelle, von wo aus jeder eine möglichst kurze Strecke bis zu seinem Abendquartier zurückzulegen hatte. Da ging es denn oft sehr lustig zu, es kreiste auf den Pferden die Cognacflasche, jeder wetteiferte mit dem Andern, ein möglichst solennes Frühstück aufweisen zu können, was mancher Gans und Ente das Leben kostete – Hühner waren bereits zu gemein. Selbst bis zum Champagner verstiegen wir uns. Ich hatte schon oft in dieser Gegend Champagner trinken hören, das heißt vom Champagnertrinken reden hören, da kommt eines Tages ein mir sehr zugethaner Wehrmann mit zwei Flaschen zu mir in’s Quartier und erzählt mit freudestrahlendem Antlitz, daß man soeben wieder einen Champagnerkeller entdeckt habe, er bringe mir hier nur ein bescheidenes Pröbchen, um ein für allemal meinen Zweifel zu beseitigen. Es war mir nämlich stets wunderbar gewesen, daß aller Champagner in ärmlichen Häusern gefunden wurde. Er schenkt den perlenden Wein in’s Glas; „sehen Sie, wie er moussirt!“ und ich sehe und trinke, was ich stets vermuthet, Cider, schlichten Apfelwein, ein allerdings sehr schätzbares Getränk, wenn man nichts anderes hat. Ich wollte dem Mann nicht wehe thun, lobte daher seinen Champagner, rieth ihm aber, von demselben aus Gesundheitsrücksichten nicht viel zu trinken. Mit besagtem Champagner hatte ich nun am folgenden Tage meine Feldflasche gefüllt und credenzte sie meinen Cameraden. Mein Getränk erntete allgemeinen Beifall, bis die Reihe des Trinkens an den Quartiermacher einer Proviantcolonne kam, der, indem er gleich nach dem ersten Schlucke den noch vorhandenen Rest fortgoß, mir erklärte, daß man bei der Proviantcolonne hinreichend Zeit und Gelegenheit habe, Weinstudien zu machen, und es daher unmöglich sei, ihm Cider als Champagner in seinen Gaumen einzuschmuggeln. Um mich übrigens wegen des Verlustes meines Ciderrestes zu entschädigen, holte er ein Paar Flaschen des edelsten Burgunders vor, die denn alsbald die Pferderunde begannen.
An diesem Tage sollte ich aber nicht nur Cider in Champagner umwandeln, ich hatte noch eine schwierigere und ernstere Aufgabe zu lösen.
Wir hatten uns bald nach allen Richtungen der Windrose zerstreut und ich ritt allein in Begleitung eines Obergefreiten auf ein etwa zehn Minuten vor mir liegendes Dorf, das Ziel unseres heutigen Marsches, los, als uns eine Cavalleriepatrouille begegnete und uns die Warnung gab, nicht zu Zweien in’s Dorf einzureiten, da am vorhergehenden Tage in einem sehr nahen Dörfchen ein Officier in Begleitung eines Unterofficiers meuchlings erschossen und die Stimmung in der ganzen Gegend eine äußerst gereizte sei. Wie sollten wir aber hier warten und der nach drei bis vier Stunden ankommenden Colonne mittheilen: „Ihr findet heute nichts vorbereitet, kein Quartier, kein Essen, auch ist weder Hafer noch Heu für Eure Pferde aufgebracht, weil wir Angst hatten vor dem Todtschießen.“ Hinein mußten wir, niederschießen lassen wollten wir uns nicht; wir hielten großen Kriegsrath und beschlossen nach kurzem Sinnen mit überwiegender Stimmenmehrheit, das Dorf auf allen Seiten anzugreifen und im Sturme zu nehmen. Kurz vor dem Dorfe gaben wir unseren Pferden die Sporen und ritten dann im schärfsten Carrière bis etwa zum fünften oder sechsten Hause; hier wendeten wir unsere Pferde und galoppirten jählings wieder zum Dorfe hinaus, trennten uns dann, indem mein Obergefreiter sich rechts wandte, ich aber die Richtung nach links einschlug. Unserem im Kriegsrath gefaßten Beschlusse gemäß führte jeder von uns an dem nun zunächst von ihm erreichten Dorfeingange das eben beschriebene Manoeuvre aus, um dann in der schärfsten Rittart den dem ersten Eingange entgegenliegenden Ausgang zu gewinnen. Nachdem wir nun auch von dieser vierten Seite uns den Einwohnern des Dorfes bemerkbar gemacht, hatten, zogen wir uns bis zum vordersten Hause der Straße zurück, stellten unsere Pferde unter und begaben uns nun in das Küche, Kammer und Stube auf’s Zweckmäßigste in Eins vereinigende einzige Zimmer des Hauses.
Es galt noch, der soeben vollzogenen gewaltsamen Einnahme des Ortes die moralische Eroberung hinzuzufügen. Unser Ein- und Ausreiten war stets mit solcher Geschwindigkeit ausgeführt worden, daß die Bewohner kaum die Fenster hatten gewinnen und sehen können, wie viele wir unser waren; sah man nun auch einen, respective zwei Mann zurückreiten, so konnte doch Niemand wissen, ob und wie viele Prussiens in das Innere des Dorfes geritten seien. Unser „Pisang“ (paysan), der es noch nicht einmal der Mühe werth hielt, bei unserm Eintritt in sein Zimmer sich zu erheben, und der deshalb auch sogleich das für den Franzosen stets tief empfindliche „pas poli“ von mir hören mußte, konnte natürlich noch keine Kenntniß davon haben, daß schon auf drei anderen Stellen des Dorfes Prussiens sich gezeigt hatten. Auf meine Bitte, er möge mir den Maire rufen, – es wäre ja zu gewagt gewesen, sich weiter in das Dorf hineinzubegeben – entgegnete er denn auch in höchst trockener Weise und mit ziemlich herausfordernder Miene: „mais non, je ne veux pas.“
Als ich jedoch in eben so ruhiger, aber bestimmter Weise ihm sagte: „Mein Herr! Wenn der Maire nicht binnen einer halben Stunde von jetzt ab hier sein wird, so werde ich meinen Leuten [591] Befehl geben, Ihr Haus anzuzünden, und Sie werden dann ein petit feu pour plaisir sehen können, wie es vor zwei Tagen in jenem Dorfe zu sehen war, wo ich mit den Lanciers zusammen war. Die Uhr ist jetzt ein und drei Viertel nach Mittag, thun Sie, was Sie wollen“. Indem ich mir dann, am Kamine Platz nehmend, ruhig meine Pfeife anzündete, mochte es dem Pisang trotz der Kälte am Kamin (es brannten oder vielmehr kohlten wie gewöhnlich nur zwei kreuzweise über einander gelegte Holzstücke) doch anfangen, etwas warm zu werden; er erhob sich, machte ein höchst einfältiges Gesicht und sprach vom Wetter, von der Kälte. „Nix comprah“ (comprends) lautete meine Antwort, er fragte, von wo wir kämen und wohin wir gingen. „Nix comprah.“ Da schien es ihm kalt oder heiß über den Rücken zu gehen, zumal ich schweigend meine Uhr aus der Tasche nahm und sie ebenso schweigend langsam einsteckte; er suchte schleunigst das Weite.
Natürlich beobachteten wir, während Madame auf Geheiß das Dejeuner servirte, sorgfältigst die Hofthüre. Kaum zwanzig Minuten waren vergangen, als unser liebenswürdiger Wirth mit dem Maire erschien, dessen erste Frage war, wie Viele wir im Dorfe seien. Ich sagte ihm, ich könne nicht wissen, ob schon von der andern Seite Mannschaften eingetroffen seien, und hörte nun, daß dies schon auf zwei andern Seiten der Fall sei; auch erbot sich der Maire, die Leute aufsuchen zu lassen, was ich jedoch mit dem Bemerken dankend ablehnte, daß die Uebrigen sich bei mir zu melden und von mir ihre Befehle zu empfangen hätten. Wir gingen nun, von dem Maire geleitet, in’s Dorf, um für unsere zwölf Officiere (wir hatten deren nur zwei) Quartiere zu suchen und gleichzeitig nach den Stallungen für unsere nahezu sechshundert Pferde, deren wir etwa einhundert und sechszig hatten, zu sehen. Da jedoch der Maire im Fortgehen mich forschend ansah und seine Frage nach dem Wieviel wiederholte, auch mit einem inzwischen eingetretenen, äußerst verdächtig aussehenden Domestiken Zeichen und leise Worte gewechselt wurden, so entgegnete ich: „Wir sind jedenfalls genug hier, um einen etwaigen Meuchelmord, wie er gestern wenige Minuten von hier verübt worden ist, gebührend strafen zu können. Sie werden an meiner Seite bleiben und sich jedes verdächtigen Zeichens enthalten; ein von anderer Seite gegen uns gerichteter Angriff ist Ihr Tod.“ Dabei nahm ich meinen ungeladenen Revolver zur Hand und ging schußbereit, wie ich es beim Ein- und Ausreiten gewesen war, mit ihm. Diesen Revolver führte ich stets bei mir, wenn eine Gefahr irgend denkbar war, aber stets war er ungeladen, und das aus folgenden drei Gründen: Erstens hätte der Schuß, wenn geladen gewesen wäre, einmal losgehen und Reiter oder Pferd treffen können; zweitens verstehe ich mich nicht auf Handfeuerwaffen, als echter Feldartillerist kann ich nur mit Kanonen schießen, und zwar nur mit ungezogenen, da ich vor Einführung der gezogenen Geschütze mein Dienstjahr absolvirte, aus welchem letztern Umstande unser Oberst die Folgerung zog, daß ich nicht Vicefeldwebel oder Officier werden könne, und daher alle betreffs meiner von meinem Commandeur gemachten Beförderungsvorschläge zurückwies, wiewohl fast jede Colonne einen Officier besaß, der nicht einmal ungezogener Artillerist, sondern Cavallerist gewesen war; drittens lud ich meinen Revolver nicht, weil nicht anzunehmen war, daß jemals ein Franzose auf den Verdacht kommen könne, der Revolver sei ungeladen.
Unsere Colonne kam, galt als sechshundert Mann stark und wurde dem entsprechend viermal so gut aufgenommen, als wenn ihre wahre Stärke bekannt gewesen wäre.
Am folgenden Morgen war mir als Begleiter statt des Obergefreiten ein ehemaliger Trainsoldat beigegeben, derselbe hatte unser Abenteuer natürlich schon Abends vom Obergefreiten gehört und meinte daher, als wir eine Weile unterwegs waren, in seiner gewöhnlichen sarkastischen Weise: „Lise ist heute stolz auf den kühnen Reiter, sie hält den Kopf so hübsch hoch.“ Meine Lise, das gute Pferd, trug sonst meist das edle Haupt ähnlich wie eine Kuh; Lise war offenbar nicht Linie, nicht einmal Landwehr, sondern wahrscheinlich Armeereserve; Lise war aus Oldenburg, und ihr Geburtsjahr fiel in die schönen Zeilen von anno olim, wo man noch einen Stellvertreter stellen konnte; doch war Lise ein treues Thier und von guter Ausdauer, sie hat den ganzen Feldzug hindurch auf all meinen Quer- und Irrfahrten mich getragen, daher ich ihren Hauptfehler stets durchgehen ließ.
Spät Abends am 19. August traf unser Quartiermacher, der damals Capitaine d’Armes war, im Bivouac ein, diesmal von Allen mit Jubel empfangen, denn er brachte ja eine Speise, die wir Alle fast nur noch vom Hörensagen kannten: er brachte uns Brod; und was bargen wohl die Fässer, die einen ganzen vierspännigen Leiterwagen in Anspruch nahmen?
„Aber woher so spät?“ hieß es von allen Seiten. „Man glaubte Sie schon gestern verloren; Sie müssen doch ganz nahe dem Schlachtfelde gewesen sein?“
„Freilich bin ich das; um ein Haar, so wäre ich gefangen gewesen oder hätte selbst an fünfzig Mann gefaßt.“
„Ja, ja,“ betheuerten Einige, die mit auf Requisition gewesen waren.
„Erzählen, erzählen!“
„Nun ja. Von der Schlacht gestern haben wir nichts bemerkt; daß überhaupt etwas vorgefallen war, erfuhren wir erst heute gegen Mittag, wo wir, beiläufig gesagt, gern etwas Warmes zu essen gehabt hätten. Bis gestern gegen fünf Uhr hatten wir trotz der größten Anstrengung nur erst einen Backofen mit etwa hundert Pfund Brod abgefangen, eine Kuh und ein paar Fässer Wein aufgetrieben. Als ich gerade mit dem Maire eines leidlich wohlhabenden Dorfes in Unterhandlung stand, da erschien zu meinem größten Schrecken ein Officier vom dritten Armeecorps mit dem Sanitätszeichen; nun war also auch hier nichts zu machen. (Für Verwundete und Kranke wird stets Alles mit Beschlag belegt, und nur mit Bewilligung der Sanitätsbehörde kann Anderen etwas verabfolgt werden, natürlich nur Gegenstände, deren die Sanität nicht bedarf oder wovon sie genügenden Ueberschuß besitzt.) In der That, der Officier untersagte mir jede Requisition in diesem Dorfe, und mehr noch, er nannte mir unter Vorzeigung einer Specialkarte noch eine Menge Dörfer, die er heute noch zu bereisen gedenke.
Doch ihn jammerten die Meinigen. Seit acht Tagen mindestens schon kein Brod, und die armen Pferde hatten schon einige Tage ihre ganze Einbildungskraft aufbieten müssen, um sich ihre zwölf Pfund Hafer vorzustellen, wenn sie vielleicht ein Viertel so viel von dem schlechten schwarzen Hafer aus der Umgegend erhielten. Der Officier empfand ein Rühren, er hatte soeben gute Geschäfte gemacht und versprach mir, redlich zu theilen, was wir im nächsten Dorfe fassen würden. So war uns denn geholfen.
Nachdem wir im nächsten Dorf gut eingeheimst und Pferde und Wagen zum Fortschaffen requirirt hatten, verfuhren wir uns gründlich, nahmen in Onville Nachtquartier und zogen heute früh von dannen. Da blitzen bald vor uns im Walde Waffen, wir sehen Uniformen; wahrhaftig es sind Franzosen! mindestens fünfzig Mann gegen uns Neun. Unser Entschluß ist bald gefaßt: ich reite mit dem Obergefreiten vor; die Franzosen werden aufgefordert, sich zu ergeben; im Weigerungsfalle soll gefeuert werden. Wir waren nämlich soeben um eine Waldecke gebogen, und der Feind konnte nicht wissen, was noch hinter uns war; flohen wir aber, so mußten wir unser Brod im Stiche lassen und vielleicht in Folge einer tückischen Kugel doch noch das Leben. Also vor in sausendem Galopp! Plötzlich hält mein Nebenmann sein Roß in demselben Augenblicke an, wo ich ein Gleiches thue; aber schon in demselben Moment geht es weiter bis auf etwa hundert Schritte vor den Feind. Nun wird die Aufforderung, sich zu ergeben, entgegengerufen, worauf unter schallendem Gelächter die Antwort erfolgt: ‚Mein Gott, wir sind ja Baiern!‘ Das war mir nun freilich nichts Neues, ich hatte es wohl bemerkt und darum mein Pferd parirt; als ich dann wieder losgaloppirte, geschah es nur des Scherzes wegen, um zu sehen, ob wohl mein Begleiter nach seinem guten Frühstück oder besser Frühtrunk die Baiern erkenne würde. Er seinerseits versicherte nun freilich, zu derselben Zeit dasselbe gedacht zu haben. So war denn für dieses Mal die Gelegenheit, einen Orden zu bekommen oder wegen Auszeichnung vor dem Feinde trotz meiner Unkenntniß des gezogenen Geschützes befördert zu werden, zu Wasser geworden.
Wir kamen über Trouville nach Jouonville. Dieses ganze Dorf war ein großes Lazareth. Hier und da war ein Haus niedergebrannt, eine Scheune zerstört, dort lag mitten auf der Straße ein bereits anrüchiger Pferdeleichnam. Ich war mit Peter etwa ein halbes Stündchen voraufgeritten, ein mächtiger Durst plagte mich; hier war aber wohl kein Wein mehr zu haben, und bald mußten ja die requirirten Fässer da sein. Bescheiden verlangte [592] ich daher nur einen Trunk Wasser; man wies mich überall ab mit dem Bedeuten, die Brunnen seien zerstört und verschüttet durch die Schlacht. Endlich trete ich noch einmal in ein Haus ein und fordere Wasser; der Pisang hat nichts, weiß auch nichts aufzutreiben. ‚Wir schmachten hier schon seit vierundzwanzig Stunden,‘ sagt einer der acht Verwundeten, die im Zimmer sind, ‚könnten wir nur so recht zugreifen. Der Kerl geht Tag und Nacht nicht von der Stelle dort; ich wette, unter ihm ist ein Brunnen.‘ Ich bemerkte unter dem Stuhle des Pisangs eine kleine Fallthür, eine Klappe; er mußte sich erheben, mußte die Klappe aufheben, und siehe da, der schönste Quell zeigte sich! Daß der Pisang meine Klinge zu fühlen bekam, versteht sich von selbst.
Ich suchte lange im Dorfe umher, bis ich in einem der Häuser einen schwerverwundeten Officier antraf; er war mit seiner Pflege ganz zufrieden, nur Wasser fehlte ihm, doch die Leute könnten keins schaffen, da die Brunnen zerstört seien. Ich theilte dem Officier mein Erlebniß mit, ließ ihm Wasser bringen und nahm mir dann in Ermangelung des Maire, der geflohen war, den Pfarrer vor, um ihm mitzutheilen, daß ich übermorgen das Dorf wieder passiren würde und daß im Falle der leisesten Klage von Seiten der Verwundeten kein Haus verschont werden würde. Hoffentlich haben die armen Verwundeten jetzt Wasser.
Da ich unser Bivouac nicht mehr allzu weit vermuthete und noch Zeit genug hatte, so beschloß ich, nach einem etwas links rückwärtsliegenden Dorfe hinüberzureiten, um wo möglich für die Verwundeten Wein zu schaffen. Um die Pferde nicht unnütz anzustrengen, ritt ich allein dahin. Ich fand ein wüstes Nest; die Einwohner kehrten zum Theil zurück und empfingen mich in eigenthümlicher Weise; sie schienen zu wissen, daß in nächster Nähe keine Prussiens waren; rosig gelaunt waren sie ob des Zustandes ihrer Wohnungen auch eben nicht; kurz die Situation war für mich bedenklich. Ich fragte daher sogleich, ob wohl sechshundert Pferde hier übernachten könnten. Das half. Wurden auch die Gesichter durch die angekündigten sechshundert Pferde, die übrigens nicht hätten untergebracht werden können, nicht freundlicher, schwand auch aus den Mienen nicht der finstere Trotz, so schwand doch das Unheimliche und Beängstigende. Ungehindert verließ ich das Dorf und erreichte bald wieder Jouonville, von wo ich jetzt komme.“
Vorstehendes Beruhigungsmittel französischer Dorfbewohnergemüther ist übrigens nicht nur von unserm Quartiermacher, sondern auch von verschiedenen einzelnen Reitern angewandt worden. So hatte sich einst während der Wintermonate ein Paroleschreiber in nächtlicher Stunde verirrt und zum Ueberfluß auch noch den Namen des Ortes (irre ich nicht, Villeromain), wo der Parolebefehl ausgegeben werden sollte, vergessen. Wohlgemuth stört er die Einwohnerschaft eines Dorfes, auf das er gerade stößt, aus dem Schlafe auf, fragt nach dem Namen des Dorfes, stellt sich dann sehr erfreut, sein Ziel gefunden zu haben, und dictirt achthundert Pferde. Man geräth ganz außer sich vor Schrecken; es ist unmöglich, so viel Pferde zu beherbergen, und fressen werden sie auch noch wollen und allein werden sie auch nicht kommen; es liegen doch in der Nähe noch so viele Dörfer. Der gestrenge Paroleschreiber bleibt unerbittlich.
Plötzlich hört er den Namen des Ortes nennen, den er sucht.
„Wohlan! Dort liegt unser Stab, vielleicht kann ich dort noch ein paar Hundert Pferde unterbringen; gebt mir einen wegkundigen Führer mit.“
Mit tausend Freuden thut man das, und der Paroleschreiber kommt nach Villeromain, ohne gefranctireurt zu sein.
„Notiren Sie den Vorfall,“ sagte der Quartiermacher einige Tage darauf zu mir. „Gestern Nacht in Ticourt habe ich bei einer anständig gesinnten Familie im Quartier gelegen, bei einer Wittwe Corbedaine.“
Madame Corbedaine ist die Schwägerin des Maire, der mich selbst ihr vorstellte und mit eigenthümlichem Lächeln dabei seiner reichlich zwanzigjährigen Nichte sagte: „pas marié“, in welchen Irrthum er wohl durch mein jugendliches Aussehen gerathen war; denn dieser Feldzug verjüngte Jeden, der kugelfest blieb, um fünf bis zehn Jahre. Mademoiselle zeigte mir ein freundliches Zimmer und fragte, was ich zu diniren wünschte und wann? Ich bestimmte nur das „Wann“, das „Was“ ihrem Tacte anheimstellend.
Ich sah mich nicht getäuscht. Bei meiner Rückkehr fand ich ein reichliches und gutes Mahl vor, nur der Wein fehlte. Du man gerade damit immer am freigebigsten ist, so setze ich in solchen Fällen stets voraus, daß wirklich kein Wein zu beschaffen ist, und lasse mich durch das Fehlen dieses Erheiterers nicht entheitern.
Nach Beendigung meiner Mahlzeit holte Madame einen wohlschmeckenden Pflaumenschnaps, der mich zu der Frage veranlaßte, ob man denn in Frankreich gar kein Pflaumenmus kenne.
„O gewiß! Wir haben selbst welches; lieben Sie es?“ entgegnete Mademoiselle.
„Eine Königreich für eine Musstulle!“
„Wenn Sie die Güte haben wollen, mir zu folgen, so können Sie sich einen der Töpfe auswählen.“
In der reichlich gefüllten Speisekammer erblickte ich eine ziemliche Anzahl von größeren und kleineren Töpfen, auf die Celestine hinwies. Nachdem ich einen von mittlerer Größe auserwählt hatte, zeigte mir Demoiselle noch andere nützliche und brauchbare Gegenstände, die ich jedoch dankend zurückwies. Ich sprach meine Verwunderung aus, daß sie es wage, mir so ohne Weiteres alle diese Kostbarkeiten, den Vorrat auf ein Jahr, zu zeigen.
„Von Ihnen, mein Herr, glaube ich nichts befürchten zu müssen, nicht jedem Soldaten würde ich dies Vertrauen schenken.“ (Ich habe vergessen, zu erwähnen, daß ich längst mein Verheirathetsein eingestanden hatte; ich muß diesen Umstand hervorheben, um kein falsches Licht auf das Vertrauen des jungen Mädchens fallen zu lassen. Ein junges Mädchen von zwanzig Jahren ist nämlich in Frankreich schon eine alte Jungfer und könnte also geneigt sein, einem unverheiratheten Manne, dessen bürgerliche Lebensstellung sie während der Unterhaltung erfahren, egoistischer Weise ein besonderes Vertrauen zu schenken.) „Uebrigens so leicht lasse ich mich durch nichts in Schrecken setzen. Im Anfange des Krieges hatten wir in unserem Hause einmal vierzig Cavalleristen, alle Gärten des Dorfes waren mit Pferden gefüllt. Meine Mutter war gerade bettlägerig, die verheirathete Schwester noch nicht hier, ich also mit meiner andern Schwester ganz allein. Wir fürchteten uns gar nicht, wir gaben, was wir hatten, Wein sechszig Liter. Einer der Reiter hatte etwas zu viel getrunken, er wollte mehr haben. Ich hielt es für besser, ihm keinen Wein mehr zu geben, sondern den geringen Rest zum Frühstück aufzusparen; ich sagte daher, ich könne ihm jetzt keinen Wein mehr geben. Da ging der Mann mit gezogenem Säbel auf mich los, ich sprang zur Seite, entriß ihm die Waffe und eilte dann zum Sergeanten, der den Mann beruhigte, von seiner Bestrafung aber auf meine Fürbitte abstand.“
Wir politisirten natürlich am Abend noch lange, wir blieben, obwohl unsere Ansichten stark von einander abwichen, sehr ruhig. Man war in diesem Hause eben nicht fanatisch; auch trug zu der Ruhe und guten Gesinnung wohl der Umstand bei, daß zwei Söhne der Frau Soldaten waren, einer stand in Paris, der andere in Metz. Seit dem Kriege war man ohne Nachrichten von den Söhnen.
Gestern Morgen verließ ich eine Stunde früher mein Bett, als nöthig war, um eine Stunde länger mit der gemüthlichen Familie plaudern zu können. Der Abschied wurde mir fast schwer.
J. G. in Wasselnheim. Glauben Sie ja, daß jede Stimme, jeder Wunsch, aus Elsaß-Lothringen von uns jetzt mehr beachtet wird, als das Gleiche aus den alten Reichstheilen; man möchte ja so gern alles Mögliche beitragen, um dem lieben Land und Volk den schweren Uebergang aus den alten zu den neuen Verhältnissen erleichtern zu helfen. Ob es aber so rasch gelingt, den Deutschen auch neue Bedürfnisse zu Gunsten eines gefährdeten elsässischen Industriezweigs beizubringen, ist freilich eine Frage. Ein Versuch ist aber zu wagen. Und so empfehlen wir denn unseren alten Landsleuten den Gebrauch der wirklich vortrefflichen Holzschuhe, deren Fabrikation in verschiedenen Gegenden des Elsaß, besonders in und um Wasselnheim den großen Theil der arbeitenden Classen beschäftigt, Allen, die in unseren langen Wintern an Fußkälte zu leiden, oder viel im Freien zu arbeiten haben. Vielleicht macht man aus Patriotismus eine Probe, die später den Füßen und der Gesundheit zu Gute kommt.
R. in B. Dazu kann Ihnen und vielleicht manchen Anderen Gelegenheit geboten werden. Zu einem Jagdausflug in die wildreichsten Gegenden Ostafrika’s, zu welchem Herr Dr. Alfr. Brehm in Berlin den Plan entworfen, werden noch ein oder mehrere Theilnehmer gesucht. Abreise von Kairo Mitte October 1871, Rückkehr Ende Februar 1872. Die Redaction der Gartenlaube ist gern erbötig, Näheres darüber mitzutheilen.