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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1870
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[725]

No. 44. 1870.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.


Aus eigener Kraft.
Von W. v. Hillern geb. Birch.
(Fortsetzung.)
28. Der Muthige.

„Jedem ward auf Erden sein Theil zugewiesen, mein Theil sind die Armen und Elenden!“ so schrieb Alfred an Feldheim. „Für sie will ich leben und weder rechts noch links schauen. Ich war thöricht, zu hoffen – und noch dazu auf solch’ ein Weib – ich der Krüppel. Wie konnte ich mich so verkennen, mich in die Reihen Derer stellen zu wollen, welche Ansprüche auf Liebe und Liebesglück machen können! Doch es sollte so sein. Ich verstehe den Willen der Vorsehung! Wen sie einreihen will in die große Armee, die da kämpfen soll für Menschenwohl und Menschenrecht, dem brennt sie den Stempel des Unglücks in das Herz; denn nur wer selbst den Schmerz gefühlt, kann wahrhaft mitleidig sein. Wäre ich glücklich – ich vergäße vielleicht Derer, die es nicht sind – so aber muß ich ihrer denken, denn ich habe nun nichts mehr als sie!

Was ich als Knabe von den Johannitern geträumt, worüber Du oft lächelnd den Kopf geschüttelt, als Mann mach’ ich es wahr, ich trete in das Heer der Barmherzigen ein, zwar nicht, wie ich als Knabe geglaubt, in der Uniform der Johanniter, sondern in ihrem Geiste. Ich werde dem Orden den Eid des Gehorsams nicht leisten, denn ich will und muß frei sein, ganz frei, und was ich tue, das will ich thun aus eigener Kraft, nicht auf Befehl und mit Hülfe Anderer. Aber wo unsere Wege uns zusammenführen, da werde ich mich ihm freiwillig gesellen in echter Brüderlichkeit. Da der Krieg mit Dänemark nun erklärt ist, habe ich mich den Johannitern als Arzt zur Verfügung gestellt, denn es wird an Aerzten fehlen, und ich will von nun an immer da sein, wo ich am nöthigsten bin. Solltest Du je im Leben meinen Aufenthalt nicht kennen, so suche mich, wo das meiste Elend ist – dort wirst Du mich finden. Ich habe, wie Du weißt, die Chirurgie und die Lazarethkrankheiten zu meinem besonderen Studium gemacht und glaube in einem Kriege gute Dienste thun zu können. Meine Verbindung mit den Johannitern wird mir die Macht geben, manche nothwendige Reform im Militär-Sanitätswesen einzuführen. Ich werde sobald als möglich in mein Vaterland zurückkehren und die fast erloschenen Beziehungen meiner Familie mit einflußreichen Kreisen wieder beleben. Jetzt hält mich nichts mehr hier, denn meine Mutter darf auch nicht bleiben. Sie muß den Winter in Italien zubringen, ich bin täglich mehr um sie besorgt.

O Freund, laß mich weinen! Der Sohn reißt das Herz nur blutend los von der Mutter! Und dennoch, wenn ich sehe, wie sie lächelnd leidet, wie sie den Tod als Friedens- und Sühnungsengel erwartet, dann versiecht die Thräne des eigenen Schmerzes und in stummer Ehrfurcht staune ich das Wunder an, wie eine göttliche Seele die irdische Hülle abstreift und sich zu ihrer wahren Gestalt entpuppt.“

Er stand, als er dies geschrieben, auf und trat an das Fenster, dasselbe, durch welches sein Vater am Todesmorgen nach der Sonne ausgeschaut, die sich nicht mehr zeigen wollte. Er bewohnte jetzt die Zimmer seines Vaters. Er lehnte den Kopf an die noch triefenden Scheiben und preßte die Hand auf sein vereinsamtes Herz. Zwei große Schmerzen wühlten in ihm, um die verlorene Liebe und um die sterbende Mutter. Aber er klagte nicht, der bescheidene Mann, der so viel gab und so wenig forderte. Er kämpfte schweigend das Weh hinunter und Alles, was ihm verloren war. Er hatte während des Schreibens den Regenbogen nicht gesehen, dessen Anblick Aenny so mächtig ergriffen hatte, jetzt war es trübe und todt ringsum. Weit draußen auf dem See trieb das verlassene herrenlose Boot, aus welchem sich Aenny zu Victor geflüchtet. Diesem folgte Alfred lange mit den Augen, wie es ziellos, steuerlos auf den Wellen schaukelte. Dann kehrte er zu seinem Briefe zurück.

„Was nun die Mißernte betrifft,“ schrieb er weiter, „so kann da nur eine durchgreifende Maßregel helfen. Ich mag es mir überlegen, wie ich will, wenn wir nicht mit großen Opfern für Saatfrüchte und Wintervorräthe sorgen, so gehen wir einer Hungersnoth entgegen. Ich bin entschlossen, mit dem Bau der Fabrik zu beginnen und zwar jetzt gleich ohne Aufschub, damit die Leute sich nicht daran gewöhnen, von Almosen zu leben. Sie müssen arbeiten für das, was sie bekommen, und es sich erst verdienen! Nichts demoralisirt das gemeine Volk mehr, als Almosen. Sie dürfen gar nicht erfahren, daß Geld oder Geldeswerth auf irgend eine andere Weise zu erlangen sei, als durch Arbeit, sonst legen sie die Hände in den Schooß und hoffen auf den lieben Gott! Mache vor der Hand zwanzigtausend Thaler flüssig und kaufe Getreide, damit bezahleu wir die Löhne. Geld würde jetzt gar nichts nützen, sie würden es weder zusammenschießen nochn sparen, um einen großen Vorrath anzuschaffen, sie würden es nur vertrinken. Wer nicht um Lebensmittel arbeiten will, der soll verhungern. Die Strafen für den Trunk müssen von jetzt an verschärft werden. Wer betrunken zum Bau kommt, wird heimgeschickt und erhält für den Tag keinen Arbeitslohn. Jetzt oder nie ist es möglich, mit Erfolg gegen den Branntwein zu kämpfen,

[726] wir müssen den Hunger als Gegengift gegen den Trunk anwenden und ich hoffe, Du wirst dies mit aller Strenge durchführen. Haben wir nur erst unsere Ortschaften auf eine höhere Stufe gebracht, dann können wir für diese unglückliche aufgegebene Provinz kämpfen und an dem Erfolge unserer Bestrebungen zeigen, was die Cultur über das verkommenste Volk vermag. Dann, Feldheim, ist auch Deine Aufgabe erfüllt, und Du sollst und mußt diesen Ort der Verbannung mit einem größeren Wirkungskreise vertauschen.

Daß Du die Berufung nach K… abgelehnt hast, um das mühselig begonnene Civilisationswerk auf meinen Gütern nicht im Stiche zu lassen, ist ein Opfer, für das Dich nichts entschädigen kann, als der Erfolg, auf den wir Beide hoffen. Ich denke, Deine früheren Besorgnisse, ich würde Dir durch unzeitige Weichherzigkeit die Erziehung dieses verwahrlosten Volkes erschweren, völlig widerlegt zu haben. Du siehst, meine oft beschrieene Sentimentalität erstreckt sich nicht auf meine Handlungen. In den nächsten Tagen schicke ich Dir die nöthigen Instructionen und Vollmachten zum Beginn der Erdarbeiten für den Bau. Ich berathe schon seit Wochen mit dem wackern Herrn Hösli den Plan. Wenn ich nur mehr Zeit hätte! Ich opferte gern die Nächte, aber einige Stunden Schlaf brauche ich – denn ich muß haushalten mit meinen geringen Kräften. Lebewohl für heute! Grüße die Tanten!

Ich bin neu gestärkt durch diese Zeilen an Dich, als hätte ich in Dein unergründliches Auge geblickt. O Freund, könnte ich heute in diese Augen sehen, die mir stets die ganze Welt schöner wiedergespiegelt! Ein Wort von Dir, ein Ton Deiner tiefen männlichen Stimme würde mich aufrichten in der höchsten Noth! Doch auch das darf nicht sein. Du bist nicht arm, nicht elend – und mein Theil sind ja nur die Armen und Elenden!

Stets der Deine
Alfred.“ 


Er siegelte den Brief[WS 1] nebst einem vorhergeschriebenen an den Kanzler der Johanniter und ging, die Briefe selbst zu besorgen. Im Vorüberschreiten fragte er den Diener, ob Victor noch nicht da sei. Er bekam den Bescheid, der Graf sei zu Hause gewesen, um sich umzukleiden, und dann wieder zu Hösli’s zurückgekehrt.

Alfred erbleichte, aber er sagte zu sich selbst: „Das ist ja natürlich!“ Als er aus dem Hause trat, begegnete ihm athemlos Frank’s Dienstmädchen.

„Herr Doctor, Sie möchten doch schnell zu uns hinüberkommen, unser Herr ist krank.“

„Frank?“

„Ja, ja, wir wissen gar nicht was ihm fehlt, die Frau ängstigt sich so sehr!“

„Ich komme gleich!“ sagte Alfred und schlug unverzüglich den Weg nach Frank’s Wohnung ein.

Indessen kehrte Victor in etwas beklommener Stimmung mit Anna in das Haus zurück; er hatte keine andere Wahl, als bei ihren Eltern unverzüglich um sie anzuhalten.

Herr Hösli kam soeben von seinem Geschäftsgange heim. „Nun, Herr Graf,“ rief er Victor entgegen, „Ihres Bleibens wird wohl nicht mehr lange hier sein. Die Abendzeitung bringt die Bestätigung unserer Befürchtungen … Man macht in Deutschland mobil gegen Dänemark. Auch Ihr Fürstenhaus wird in den Krieg verwickelt werden. Jetzt blüht Euer Weizen, Ihr Herren Soldaten!“

„Herr Hösli, ich habe mit Ihnen ein Wort allein zu sprechen,“ sagte Victor in vor Angst völlig feierlichem Tone. Er hätte sich lieber gleich den feindlichen Kanonen entgegengestürzt, als mit dem ‚zähen hochmüthigen Schweizer‘ solch eine entscheidende Sache ausgefochten.

Herr Hösli stutzte und streifte ihn mit einem unzufriedenen Blick. Dann öffnete er die Thür seines Zimmers und sagte kurz: „Treten Sie ein!“

Indessen flog Anna zur Mutter und legte eine Beichte ab.

„Das möchte Alles gut sein,“ sagte Frau Hösli, „wenn ich die Ueberzeugung hätte, daß Du diesen Mann wirklich liebst. Ich kann es mir aber nicht denken. Es ist seine glänzende Persönlichkeit, die Dich täuscht; und Du wirst sehr bald erkennen, wie wenig tieferer Gehalt darunter wohnt.“

Anna schüttelte den Kopf. „Er hat sein Leben für mich gewagt.“

„Er hat sich auf seine Kraft verlassen, von der er weiß, was er ihr zutrauen kann. Aber schau, Anna, es giebt Gefahren, denen man nicht mit der physischen Kraft begegnen kann, die einen festen männlichen Charakter fordern. Ich zweifle, ob er Dir da eine Stütze sein wird.“

Anna schwieg nachdenklich. Sie erinnerte sich an ein ähnliches Wort, das Alfred einst zu ihr gesagt hatte. Ach, hätte sie doch nur mit Alfred über das Alles sprechen können! Er war doch der Klügste und Gerechteste von Allen!

Eine peinliche halbe Stunde verging; endlich trat Herr Hösli mit Victor in das Zimmer. Herr Hösli war vollkommen ruhig. Eine Art überlegenen Humors spielte um den feinen Mund, und das echt schweizerische pfiffige Grübchen kam wieder recht zum Vorschein. Victor war sichtlich bewegt. Das stand ihm gut. Er war so schön, seine Haltung so männlich und edel, sein Gang so sicher und stolz, als er auf Frau Hösli zuschritt. Anna hing mit Bewunderung an der herrlichen Gestalt – ein so wundervolles Aeußere konnte nicht trügen! Er war sich seiner Vorzüge nur selbst nicht bewußt – sie wollte ihn erst erkennen lehren, wer und was er war. Ja, gewiß, es war ihr vorbehalten, ihn erst zu dem großen Manne zu machen, von dem sie geträumt.

„Haben Sie kein Wort für mich, gnädigste Frau?“ fragte Victor, nachdem er Frau Hösli’s volle weiße Hand geküßt, in einem der Situation angemessenen Pathos.

Sie schaute ihren Gatten mit einem bedeutsamen Blicke an. „Ich denke, Graf Victor, Ihr seid Beide noch so jung, daß sich da überhaupt nicht viel sagen läßt. In Euren Jahren kann man sich noch keine Rechenschaft über seine Gefühle geben, und es wäre nicht vernünftig, jetzt schon einen ernsten Beschluß zu fassen.“

Victor athmete bei dem leichten Tone der Frau Hösli unwillkürlich auf.

„Dasselbe habe ich dem Herrn Grafen auch zu bedenken gegeben,“ sagte Herr Hösli mit seinem schlauen Lächeln. „Ich habe ihm die Bedingung gestellt, daß er nach Ablauf des Krieges, den er natürlich ehrenhalber noch mitmachen muß, und nach erfolgter Mündigkeit den Dienst quittirt und in mein Geschäft eintritt. Sobald er das Handelsfach erlernt hat, werde ich ihm eine Commandite gründen, wo er es immer wünscht, damit er sich selbst etwas erwerben und auf eigenen Füßen stehen kann. Dies ist Alles, was ich meinem Herzblättli zu lieb thun kann. Bist Du damit zufrieden, mein Töchterchen?“

Anna sah in Victor’s verlegenes Gesicht. „Nein, bester Vater, das bin ich nicht. Victor kann kein Kaufmann werden, er ist gar nicht dazu geboren, und ich will auch keinen Kaufmann, sondern einen tapfern, ritterlichen Mann. Wenn Victor diese Bedingungen erfüllte, würde ich ihn verachten. Gelt, Victor, Du hast Nein gesagt?“

„Der Herr Graf wollen es überlegen!“ warf Herr Hösli ein. „Kommt Zeit, kommt Rath!“

„Nein, Victor, wie kannst Du das nur überlegen wollen! Wenn Du mich noch so lieb hast, das darfst Du nicht für mich thun. Du kannst den Dienst Deines Landes quittiren und einen andern nehmen, aber in ein Comptoir kannst Du Dich nicht um meinetwillen sperren lassen. Warum hattest Du nicht den Muth, das gleich offen zu sagen?“

„Mein Gott, Anna, ich fürchtete, Dich und Deinen Vater zu beleidigen!“

„Du fürchtest immer zu beleidigen. Aber wer’s Allen recht machen will, macht’s Keinem recht!“

Herr und Frau Hösli schauten sich verstohlen an.

„Theuerste Anna, Du bist unberechenbar! Man weiß nie, wie man mit Dir dran ist!“ fuhr Victor heraus.

„Ach, das ist nur der Beweis, wie wenig Du mich noch kennst,“ sagte Anna verdrießlich.

„Und wie nothwendig es ist, daß Ihr Euch erst kennen lernt, bevor Ihr Euch für’s Leben bindet!“ setzte Frau Hösli hinzu. „Ich trage auf Schluß der Debatte an, da ich es für zwecklos halte, eine in so weiter Ferne liegende Sache jetzt schon zu erörtern, dazu ist es in einem Jahre noch Zeit!“

Victor und Anna erwiderten nichts – sie waren es Beide zufrieden, daß die Angelegenheit von den Eltern nicht so ernst genommen wurde. Sie waren sich einander ferner gerückt als zuvor. Anna hatte, sie konnte es sich nicht leugnen, eine Enttäuschung erfahren, und Victor empfand eine heimliche Scheu vor [727] Anna’s energischem Wesen. Dabei hatte er weder den Muth, es mit dem Fürsten, noch mit seinem reichen Schwiegervater zu verderben. Er brauchte den Einen wie den Andern, denn er sehnte sich ebenso sehr nach Reichthum wie nach Ehren. Daß er eher sterben als ein Kaufmann werden würde, verstand sich bei ihm von selbst. Aber wozu sollte er jetzt schon eine Scene machen, da die Entscheidung so weit hinausgeschoben war? Die Freuden einer Brautschaft waren ihm ja nicht versagt, er durfte Anna „kennen lernen“, also im Hause ein- und ausgehen. Das war ihm vor der Hand genug. Nach dem Kriege, der ihm voraussichtlich ein bedeutendes Avancement eintrug, hoffte er dann schon aus einem andern Tone mit Herrn Hösli reden zu können.

Das allgemeine Schweigen wurde jetzt unterbrochen durch den Diener, welcher fragte, ob das „Obigässe“ angerichtet werden dürfe. Herr Hösli nickte, und Victor mußte gehen, da er „unhöflicher Weise“ nicht eingeladen wurde. Als er nach Hause kam, fand er Alfred, der eben erst von Frank zurückgekehrt war. Er vertraute ihm triumphirend an, daß er und Anna einig seien, und daß die Sache nur noch auf Wunsch der „Alten“ geheim bleiben müsse.

„Ich sah es lange kommen,“ sagte Alfred ruhig. „Mögest Du Dein Glück zu schätzen und zu verdienen wissen!“

„Zu verdienen?!“ wiederholte Victor. „Höre Freundchen, soll ich das als Tusch nehmen?“

„Nimm’s, wie Du willst!“ sagte Alfred ohne eine Miene zu verziehen und ging in sein Studirzimmer.

„Boshafte Memme!“ murmelte ihm Victor zwischen den Zähnen nach. Er hatte Alfred nie geliebt. Jetzt aber haßte er ihn, seit Anna den Jugendgefährten ihm in so empfindlicher Weise als Beispiel vorgehalten.

Der folgende Tag verging äußerlich heiter und ward nur durch Frank’s Krankheit getrübt. Aenny’s Stimmung wurde wieder günstiger für Victor, denn dieser entfaltete, nachdem die Sorgen um die nächste Zukunft von ihm genommen waren, seine ganze Liebenswürdigkeit. Solch’ ein leichtes tändelndes Verhältniß war „gerade seine Force“. Er zeigte darin alle Grazie und Ritterlichkeit, die ihm zu Gebote stand, und verfehlte damit seine Wirkung auf Anna’s empfängliche Phantasie nicht.

Am zweiten Tage machte Aenny mit Victor und mehreren ihrer Bekannten eine Partie auf den Uetli. Alfred betheiligte sich nicht. Anna hatte ihn noch nicht wiedergesehen und fand es natürlich, daß er sie jetzt vermied; ja sie war es zufrieden, wie gerne sie sich auch mit ihm ausgesprochen hätte - ihr bangte vor diesem Wiedersehen!

Eine schönere Gelegenheit, seine Vorzüge geltend zu machen, hätte Victor nicht finden können. Er übersprang Klüfte, erklomm steile Felsen, um für Anna eine Blume zu pflücken, ängstigte die Damen dadurch, daß er knapp am Rande eines Abgrundes hinschritt, und war schön und anmuthig wie ein junger Gott. Seine reine melodische Sprache, seine vornehm leichte Haltung stach allzusehr ab von dem steifen Wesen der Freunde Anna’s und sie wendete ihr Auge wie trunken von diesen zu ihm. Er gewann unermeßlich durch den Vergleich und seine zärtliche Aufmerksamkeit, die leise Vertraulichkeit, mit der er sie auszeichnete, machte sie in den Augen der Freudinnen gar zu beneidenswerth. Das war denn doch ein Mann, mit dem man Ehre einlegt. Und sie war glücklich, daß sie mit ihm in allen Dingen Schritt halten konnte. Man machte Wettläufe, in denen sie stets mit Victor siegte, man versuchte schroffe Spitzen zu erklettern, aber sie und Victor waren immer die Ersten und oft auch die Einzigen oben. Und wenn sie so allein mit ihm auf einem Felsen stand und der Höhenwind ihre Wangen roth peitschte und sie hinabsah auf die schwerfälligen „Philister“ da unten, dann meinte sie, die ganze weite schöne Erde, die sich im unermeßlichen Panorama zu ihren Füßen hinbreitete, sei nur für sie und Victor geschaffen, und sie drückte in kindlicher Begeisterung seine Hand: „Victor, wir gehören doch zusammen, Du und ich, wir sind die Herren der Welt und kein Anderer darf uns nahen!“

Endlich war der Gipfel des Berges erreicht, ein schroff hinausragender Felsgrat war noch zu erklimmen. Die Andern, müde gehetzt von Aenny’s rastlosem Laufen, blieben zurück, nur sie und Victor kamen hinauf.

„O, könnten wir Beide allein hier oben bleiben,“ rief sie, „da machten wir uns Kronen von Erika und blauen Genzianen, bildeten uns ein, wir seien Könige und hielten Hof mit unsern stummen gewaltigen Nachbarn da drüben. Weißt Du, Victor, wo die blaue Blume der Zufriedenheit blüht, welche die Dichter suchen?“

„Nein!“

„Aber schäm’ Dich – das nicht zu errathen! Auf den Gipfeln der Gebirge blühte sie, in dem reinen Athem der Höhen nahe dem Himmel! Kommt hier herauf, ihr Dichter, und ihr werdet sie finden.“ Sie pflückte eine Genziane und steckte sie Victor an die Brust: „Schau, da hast Du sie. Aber sie blüht nur hier oben; wer sie in’s Thal hinunter nimmt mit seiner bangen drückenden Luft, dem welkt sie schnell dahin, und deshalb meinen die im Thale unten, es sei eine Märchenblume, die nirgend mehr wachse. Bei uns aber hat sie jeder Hirte, ohne daß er weiß, wie kostbar und selten sie ist! – O sieh – nun kommen die Wolken und legen sich um unsern Thron. Schau, wie es treibt und wallt um uns her. Das sind die Schleier der Berggeister – sie wollen uns verstecken. – Immer mehr! Die Erde verschwindet unter uns – nur noch ein Stückchen vom See lugt heraus wie ein blaues Auge und da drüben im Sonnenstrahl das einsame Kirchlein mit dem blinkenden Thurmknopf. Nun ist auch das verschwunden – Alles zu! Da stehen wir über den Wolken – ‚Juhuu!‘“ schmetterte sie jodelnd hinaus und die Gesellschaft, welche weiter unten ihrer harrte, gab den Ruf verhallend durch das dichte Wolkentreiben zurück.

„Ich huldige Dir, Du wilde Bergkönigin!“ lachte Victor, welcher fühlte, daß er nun doch auch etwas Poetisches sagen müsse; „ich leiste Dir den Eid der Treue für’s Leben!“

„Für’s Leben?“ fragte Anna und eine holde Freude strahlte aus ihren Augen. „O, Du lachst – es ist Dir nicht ernst!“

„Lachst Du nicht auch?“ fragte Victor.

„Ja, wir wollen lustig sein. Immer, immer! Nicht wahr, wenn wir Mann und Frau sind, da turnen und reiten und tummeln wir uns das ganze Leben hindurch!“

„Ja, bis wir alt und kränklich werden!“

Anna sah Victor bedenklich an. „Alt und krank? Ah bah! Dann bringen wir uns einander um, aus Barmherzigkeit! Gelt – Alter und Hinfälligkeit lassen wir nicht über uns Herr werden! – Juhun!“

„Anna, komm nun herunter, die Sonne hat sich versteckt, wir wollen nach Hause!“ riefen die Freunde.

Anna wollte hinabeilen.

„Halt, wozu wären denn die Wolken da,“ rief Victor, „noch schnell einen Kuß.“

„Nein,“ sagte Anna streng. „Ich küsse Dich nicht eher, als bis ich gewiß weiß, daß Du mein Mann wirst!“

„Weißt Du denn das noch nicht?“

Anna sah Victor mit einem zweifelhaften Blick an und schüttelte den Kopf: „Nein, gewiß weiß ich es nicht!“

Und wie eine Gemse graciös und sicher sprang sie hinab, daß es aussah, als stürze sie sich in das weiße Wolkenmeer, welches gleich wieder über ihr zusammenschlug. –

Als Anna mit Victor nach Hause kam, empfing sie schon in der Hausflur der Diener mit einer Schreckensnachricht, die Anna tief erschütterte. Es hatte sich herausgestellt, daß Frank’s Uebel der erste Fall jener fürchterlichen asiatischen Krankheit war, die bis dahin ganz Europa mit Ausnahme der Schweiz heimgesucht hatte. Die Aerzte gaben keine Hoffnung mehr für ihn.

„Frank!“ schrie Anna im heftigsten Schmerz auf. „Frank soll sterben! Das kann nicht sein, das darf nicht sein! Komm, Victor, geh’ mit mir zu ihm auf der Stelle! Wir wollen sehen, ob wir nichts helfen können.“ Und sie ergriff Victor’s Hand, um ihn mit sich zu ziehen. Aber wie versteinert sah sie ihn an, als Victor sie zurückhielt.

„Theuerste Anna,“ rief er, „Du wirst Dich doch nicht einer so furchtbaren Ansteckung aussetzen wollen ohne Wissen und Erlaubniß Deiner Eltern?“

„Ich brauche ihre Erlaubniß nicht, denn ich würde mir’s doch nicht wehren lassen – sie möchten machen, was sie wollten.“

„Was fällt Dir ein? Geh’ zu Deiner Mutter hinauf und frage sie, ob sie einen solchen Leichtsinn billigen würde!“

„Einen Leichtsinn nennst Du das, wenn ich Frank nicht in der letzten Noth verlassen, seine arme Frau, seine Kinder trösten will?“ rief Anna außer sich.

„Aber bedenke doch, um solch’ einen Neger Dein köstliches Leben auf’s Spiel zu setzen!“

[728] „Um solch einen Neger?“ wiederholte Anna empört. „Hast Du vergessen, was dieser Neger für mich gethan hat? Hätte er nicht auch sagen können, als ich da oben hing in einer Angst, die kein Mensch mir nachfühlen kann: ‚Um solch ein Kind soll ich mein Leben wagen?‘ Und hätte mich herabstürzen lassen können, daß ich zerschmettert wäre? O, wenn Du wüßtest, wie mir war, als ich meine fast erlahmten Arme statt um den sinkenden Balken um diese treue schützende Brust schlang, Du würdest begreifen, daß ich ihm beistehen muß bis zum Tode, wie er mir beistand!“

„Anna!“ sagte Victor, sie in größter Unruhe umschlingend. „Anna, laß Dich beschwören, höre mich doch! Hast Du nicht auch gegen mich Pflichten, habe ich nicht dasselbe für Dich gethan wie Frank, nicht ebensoviel Recht an Dich wie er?“

„Nein, Victor, nein – ich bin nicht undankbar, aber das hast Du nicht. Du hast mich besitzen wollen, hast für das Leben, das Du wagtest, mein ganzes Leben eingefordert! Frank hat mich nicht für sich gerettet, hat mich nicht zum Lohn für seine That begehrt, ich war ihm nichts als ein Kind, das er auf den Armen getragen und behütet hatte wie ein treuer Diener. Er klebte sich für mich mit seinem Blute an die nackte Mauer an, vollbrachte, was kein anderer Mensch vollbrachte, und als er mich, den Preis seiner furchtbare That, errungen hatte, legte er mich meinen Eltern in die Arme und sagte: ‚Ich habe nur meine Schuldigkeit gethan!‘ O Victor, gegen diese bescheidene Größe kommst Du nicht auf! Du und Vater und Mutter, Ihr Alle fordert etwas von mir, macht ein Recht an mich geltend – er nur, er, der das Schwerste für mich gethan, erhebt keinen Anspruch an mich! Deshalb gebe ich ihm freiwillig, was er verdient, und was ich freiwillig geben kann, das gebe ich um so freudiger. Ach, daß ich Dir das erst Alles erklären muß, und derweil wir hier schwatzen, haucht die edle Seele vielleicht den letzten Athemzug aus. Komm, Victor, lieber Victor, laß uns eilen!“

„Wie – auch ich soll mitgehen? Willst Du auch mich der Ansteckung aussetzen?“

„Victor,“ rief Anna, „vor wenigen Tagen hast Du mit Wind und Wellen gekämpft, und jetzt fehlt Dir’s an Muth, eine Gefahr mit der zu theilen, für die Du sterben zu können schwurst.“

„Beste, ich will lieber mit den Elementen kämpfen als mit solch einer Krankheit, die fürchte ich mehr als Alles. Ich kann nun einmal nicht dafür, der Ekel ist unüberwindlich – ich würde sicher der Ansteckung erliegen! Wozu soll ich mich denn aussetzen?

Wenn ich Dir etwas nützen könnte, wäre es etwas Anderes; aber gegen Herrn Frank habe ich doch weiß Gott keine Pflichten, die mich vergessen machen dürften, daß ich einer alten Mutter einziger Sohn bin!“

Anna war bleich, ihre großen blauen Augen ruhten durchbohrend auf ihm. „Du bist doch ein Feigling!“ – Sie stieß seinen Arm von sich und ging. Er eilte ihr in größter Angst nach.

„Anna, Anna, höre mein letztes Wort! Wenn Du wirklich zu dem Mohren gehst, um Dir jene gräßliche Krankheit zu holen, dann sind wir Beide geschieden. Du hast die Wahl zwischen mir und dem Neger, – nun überlege, wen wirst Du wählen?!“

Anna maß Victor von Kopf bis Fuß mit einem unbeschreiblichen Ausdruck. „Frank!“ sagte sie mit so harter deutlicher Stimme, daß es durch die Hausflur wiederhallte.

Sie war verschwunden und Victor sah ihr wie vom Donner gerührt nach. Das hatte er nicht gedacht.

Athemlos erreichte Anna die Inspectorswohnung. „Lebt er noch?“ rief sie der Magd zu, die mit einem Bündel am Arme aus dem Hause lief.

„Ja – aber wie! Ich gehe fort, ich will’s nicht auch bekommen.“ Sie eilte von dannen.

Einsam und öde lag das sonst so freundliche Haus da. Weit und breit war kein Mensch mehr zu sehen; die Wohnung Franks war jetzt zu einem Schreckensort geworden, den alles Leben floh.

„Sie verlassen Dich Alle, armer Frank,“ rief es in Anna’s Herzen; „aber ich komme!“

Sie stürmte vorwärts und riß die Thür auf. Frank wand sich in den fürchterlichsten Krämpfen, seine Frau kniete am Boden neben ihm und weinte laut. Aber zu Häupten des Lagers saß still und ruhig ein treuer Pfleger, den nichts von dem Bette des Kranken schreckte.

„Frank, lieber Frank!“ rief Anna und warf sich in die Arme des Negers.

Da stieß Frank einen gellenden Freudenschrei aus. „Unser Kind, unser Kind kommt zu mir, jetzt kann ich besser sterben!“

„Frank,“ sagte Anna, „Du wirst nicht sterben, so lange der da“ – sie deutete auf Alfred – „bei Dir ist! Der wird Dir helfen, ich weiß es gewiß, denn der kann Alles!“

Und sie machte sich plötzlich von Frank los und trat zu Alfred. Sie sah ihn lange tief und innig an. „Gelt, Du wirst ihm helfen, Du treuer, muthiger Alfred!

(Fortsetzung folgt.)


Zuflucht unter der Erde.

Aus einem Briefe unseres Feldmalers F. W. Heine.
Courtry, gegen Ende September 1870.

Soeben komme ich von einer Streifpartie der ersten Compagnie des dreizehnten (königlich sächsischen) Jägerbataillons zurück, die mir doppelt unvergeßlich sein wird, weil sie uns nicht blos auf’s Wasser, sondern sogar unter die Erde, in ein ganz romantisches Höhlenleben führte. Von Letzterem habe ich in der Abbildung ein Stück darzustellen versucht.

Was zunächst die Wasserpartie betrifft, so erhielt am 19. September die genannte Jägercompagnie den Befehl, die Marne von Meaux aus in der Richtung nach Paris bis Pomponne nach Fahrzeugen abzusuchen und alles Aufgefundene dieser Art nach Pomponne zu transportiren. Der ganze Montag verging über dieser nicht ganz leichten Expedition, der ich mich natürlich sofort angeschlossen hatte, und es schien beinahe schon, als hätten wir einen vergeblichen Gang gemacht; aber noch am Abend glückte es uns, in der Nähe des Dörfchens Carnetin eine Baggermaschine und vier große mit Blech ausgeschlagene Kähne aufzuspüren, welche letzteren angebohrt und versenkt waren. Die Hebung dieser Schätze mußte auf den folgenden Tag verschoben werden. Am Dienstag früh Punkt halb Acht rückten wir zu diesem Behufe aus unserem Quartier Annet unter dem Commando des Hauptmanns Walde aus. Es war ein herrlicher Herbstmorgen, der für uns nicht unwesentlich noch dadurch verschönert wurde, daß auch der Marketenderwagen dem Zuge folgte. Die Hebungsarbeit ging gut von Statten. Bis Mittag waren zwei der Kähne flott; ein dritter, tiefer versunkener kostete mehr Anstrengung, wurde aber doch endlich mit kräftigem Zerren der Mannschaft an den Seilen und unter fröhlichem Gesange zu Tage gefördert. Der vierte, mit Kohlen beladene schwamm noch. Wir banden nun je zwei Stück zusammen, errichteten einen Mast auf jedem und konnten kurz nach drei Uhr unsere Fahrt stromabwärts auf dem herrlichen Flusse und bei schönstem Wetter beginnen. Wer von uns hätte sich’s vor wenigen Monaten etwa in Meißen an der Elbe, das Vielen der Dreizehner wohlbekannt ist, träumen lassen, daß wir so bald auf der Marne „bomätscheln“ würden! Zu den vielen gesprengten Brücken, die wir auf unserer Fahrt passirten, gehörten auch die beiden, den Lesern der Gartenlaube durch meine Abbildung (Nr. 42) bekannten im Städtchen Lagny, das wir gegen sechs Uhr Abends erreichten. Wir sahen noch die Wirkung der Brückensprengung an den Gebäuden des Städtchens; sämmtliche Fenster waren eingeschlagen und große Löcher und Sprünge in das Mauerwerk gerissen. Hier lag württembergische Infanterie als Besatzung, deren Regimentsmusik gerade einige schöne Märsche aufspielte. Unsere Durchfahrt zwischen den Trümmern der zweiten, steinernen Brücke habe ich in dem bezeichneten Bildchen gleich mit dargestellt; sie war nicht leicht, aber sie gelang; wir nahmen von Lagny noch ein fünftes Boot mit und landeten glücklich mit unserer Flotille in Pomponne, als die Nacht, und zwar eine prachtvolle Sternennacht, schon völlig eingebrochen war. Trotz alledem mußten wir nun wieder über Lagny zurück nach unserem Quartier Annet marschiren.

Schon auf dem Wege nach Lagny erfuhren wir von einigen Ulanen und Württembergern, daß sie einer Schaar Nationalgarden

[729]

In der Bauernhöhle bei Annet.
Nach der Natur aufgenommen von unserem Feldmaler F. W. Heine.

[730] auf den Fersen seien, und daß die Unsicherheit der Umgegend zur Vorsicht mahne. So wurden denn die üblichen Vorsichtsmaßregeln getroffen, und mit geladenen Büchsen ging’s weiter in die Nacht hinein. Wir stießen auf einen zweiten Zug Württemberger, welche von einer nächtlichen Recognoscirung mit Laternen uns entgegenkamen, und kurz darauf begegnete uns eine recht unheimliche, aber stark bewachte Gesellschaft. Es waren gefesselte Bauern, denen ein Haufen Weiber, Mädchen und Kinder nachlief und die man sämmtlich aus einem Neste aufgestöbert hatte, wo sie sich ohne Zweifel für völlig sicher gehalten hatten – in einer unterirdischen Höhle.

Da wir der Stelle nahe waren, so begab ich mich sofort mit einigen Anderen in diese interessante Unterwelt.

Die Entdeckung derselben war an diesem Tage (den 20. September) in folgender Weise gelungen. Die in ihrer Sicherheit übermüthigen Bauern hatten es nicht lassen können, auf vorüberreitende Ulanen zu feuern, und dadurch ihren Schlupfwinkel selbst verrathen. Zur Untersuchung einer verdächtigen Ziegelscheune war von den Württembergern auch die zweite Compagnie unseres dreizehnten Jägerbataillons mit herangezogen worden. Nach langem Suchen und vielen Hindernissen stießen sie auf einen vermauerten Eingang. Nachdem man ein Loch durchgebrochen, groß genug, um einen Menschen durchzulassen, wurden erst einige Schüsse in die Oeffnung abgefeuert, dann band man zwei Bauern, die mit den Waffen in der Hand gefangen worden waren, an eine Leine zusammen und stieß sie als Wegweiser in die unbekannte Gegend voraus, die Soldaten folgten Schritt vor Schritt mit Laternen und Lichtern. Und welch ein wunderbares Bild that sich da vor ihnen auf! In labyrinthartige Gänge vordringend, fanden sie dieselben förmlich vollgepfropft von Lebensmitteln und Hausrath von der erdenklichsten Mannigfaltigkeit. Vorräthe für Monate lagen hier durcheinander, und Leitern und neue Gänge führten zu immer weiteren Verstecken. Endlich gelangte man durch ein zweites Loch in einen größeren Raum, in welchem die Bewohnerschaft dieser Unterwelt, wohl über hundert Männer, Weiber und Kinder sich zurückgezogen hatten, die nun zitternd und bebend um ihr Leben schrieen und heulten. Das war die Gesellschaft gewesen, deren unheimliche Erscheinung uns droben begegnet war. Die ganze Höhle war leer von ihnen und Niemand zurückgeblieben als ein blinder Greis, dem man in seinem äußersten Winkel seine Ruhe vergönnte.

So fand ich die Höhle, als ich mit einigen Cameraden die Schwierigkeiten des Zuganges endlich überwunden hatte. Mit Windlichtern in der Hand durchmusterten wir nun die seltsame Bescheerung. Der Fels starrte an vielen Stellen hoch empor, vorsichtig mit Gebälke gestützt. Aber am Boden und an den Wänden, welches Durcheinander! Da lagen Massen von Kartoffeln, Gemüse aller Art, Mehlsäcke, Weinfässer, da meldeten Ziegen, Schafe, Kaninchen, Hühner und Enten ihre Anwesenheit, dazwischen Unmassen von Hausgeräthen und was eben der Mensch zu seiner Nothdurft braucht und die Eile der Flucht den Leuten in die Hände fallen ließ. Wie ruhig hätten diese Bauern mit den Ihrigen hier vielleicht den ganzen Krieg überdauern können, wenn sie sich nicht zu hinterlistigen Angriffen auf die „Preußen“ hätten verführen lassen! So ernteten sie den traurigen Lohn des Krieges, die bewaffneten Männer wurden erschossen, die unverdächtigen nebst Weibern und Kindern aber bald wieder freigegeben.

Ich brachte, einige Mehlsäcke als Bett und Decke benutzend, in Gesellschaft mehrerer Württemberger, unserer Jäger und des blinden Greises die Nacht in der Höhle zu und entwarf zum Andenken an sie das Bild derselben. Möge es Ihnen gefallen und dazu beitragen, die Leser der Gartenlaube recht innig das Glück empfinden zu lassen, den zahllosen Schrecknissen dieses Krieges so fern zu sein!


Im Hauptquartier des Prinzen Friedrich Karl.
Von unserem Berichterstatter Georg Horn.
Fünfter Brief. Im Schlosse von Corny.
(Schluß.)

Nachdem auf solche Weise die französischen Kanonen ihren Morgengruß von Metz herübergeschickt haben, greifen unsere Herren nach den Mützen, theils um sich in das Bureau zu begeben, theils um sich auf die vor den Fenstern bereits ungeduldig mit den Hufen scharrenden Pferde zu schwingen. Da öffnet sich abermals die Thür des Saales, ein dickes rothes Gesicht mit einem melirten Knebelbarte erscheint, und diesem vielversprechenden Kopfe, der mit einem Ausruf der Freude begrüßt wird, wälzt sich die entsprechende Figur in der Uniform eines Postschaffners nach. Es ist Wilke. Wer ist Wilke? Ich will lieber sagen, wer er war: Trompeter bei einem Husarenregimente, darum auch das volle Gesicht vom vielen Blasen, nicht etwa vom Trinken, obwohl sein Lieblingsausspruch ist: „Etwas zu trinken muß der Mensch immer haben!“ Aber das ist bei ihm nur Redensart. Wilke ist der nüchternste, zuverlässigste Mensch von der Welt und außerdem Postschaffner in Erfurt, jetzt Armee-Post-, fast hätte ich gesagt Götterbote. Vielen Menschen mag er das auch sein. Unter den Zeitungen, Briefschaften, die er jetzt austheilt, ist manch zierlich gefalteter Brief mit seiner zarter Aufschrift, und mancher derselben wird verstohlen an’s Herz gedrückt, dann aber geht es hinaus auf das schnaubende Roß, um Recognoscirungen zu unternehmen oder Befehle an die einzelnen Armeecorps zu überbringen.

Es ist Vormittag; in dem Schloßhofe kommen nach und nach die Ordonnanzen von den um Metz liegenden Armeecorps angeritten: Dragoner mit schwarzen, weißen oder pfirsichblüthenen Kragen und Aufschlägen; Husaren, blaue, braune, grüne, auch die von den Franzosen so gefürchteten Ulanen mit den flatternden Fähnlein. Die Söhne der weitest aneinanderliegenden Provinzen der preußischen Monarchie treffen auf diesem Hofe zusammen, die verschiedensten Dialekte sind zu hören, und auch ohne die Uniformen könnte man aus den einzelnen Erscheinungen die Nationaleigenthümlichkeiten der einzelnen Provinzen herausfinden, den compacten Märker ganz gut von dem behenden Rheinländer, den bedächtigen Westphalen von dem gewitzten Ostpreußen, den ruhigen Holsteiner von dem lebhaften Sachsen unterscheiden.

Die Stabsordonnanzen haben die schriftlichen Meldungen welche sie zu überbringen haben, aus ihren Taschen genommen und in das Bureau getragen; sie haben etwas Zeit, um sich von dem scharfen Ritte zu verschnaufen und sich etwas zu erzählen. Instinctmäßig werden ihre Geruchsnerven von einem Dufte angeregt, der dort aus den gegenüberliegenden Fenstern kommt – es ist die Küche, und in dem nämlichen Augenblicke, wo sie ihre Aufmerksamkeit diesen Fenstern zuwenden, erscheint in denselben das runde, blühende Gesicht einer Köchin, die in ihrer Geschäftigkeit doch noch Zeit findet, die reitenden Prussiens einer eingehenderen Ocularinspection zu unterwerfen. Beide Theile scheinen nicht unzufrieden mit einander zu sein. Die Köchin hat eine Eigenschaft, die sie mit den Fleischersfrauen theilt, blühenden Teint, hübsche Zähne, und das weiße coquette Mousselinhäubchen verkündet ihre Abkunft als Französin. „Ach, schmeckst du prächtig“ – das heißt jedenfalls der Braten – spricht es aus allen Mienen der Cavallerie; doch auch sie scheint ihrem allgemeinen Preußenhaß ganz wohl specielle Ausnahmen gestatten zu können – sie lacht recht coquett heraus, die schelmische Feindin; aber plötzlich schlägt sie die Augen nieder und ihre Mienen nehmen einen sehr züchtigen, sehr strengen Ausdruck an.

Ein spindeldürrer Mann in schwarzem bis auf die Füße reichenden Talar schlängelt sich über den Hof. Der Rheinländer salutirt vor ihm, die anderen evangelischen preußischen Landeskinder sehen ihm mit etwas befremdeten Blicken nach, besonders als er seinen Weg nach der Küche nimmt. Was hat der geistliche Herr hier zu thun? Jedenfalls nach dem Seelenheil seiner Pfarrkinder zu sehen; der Herr ist Monsieur le Curé, der Geistliche des Dorfes, und die Köchin, die junge wie die alte, welch letztere besser im Dunkeln bleibt, haben nicht etwa erst die Preußen mitgebracht, nein, sie wurden als Inventar des Schlosses von Corny vorgefunden, aber auch von den Preußen gleich in Thätigkeit gesetzt, und nun hält es natürlich der Herr Ortspfarrer für eine heilige Pflicht und Schuldigkeit, jeden Tag nachzusehen, nicht nur nach dem, was Alles auf die Tafel kommt, sondern auch und hauptsächlich darnach, ob die ihm anvertrauten Lämmer seiner Heerde noch nicht protestantisch [731] gemacht worden sind; denn diese Preußen haben nach Allem Appetit, auch nach Seelen.

Während dieses kleine Zwischenspiel auf dem Hofe vorgeht, herrscht in dem Bureau die Stille regster Thätigkeit. An einem großen runden Tische mundiren die Corpsschreiber die Befehle, die Berichte, die Ausarbeitungen die ihnen von einem in der Mitte der Dreißiger stehenden Manne in der Uniform der General-Stabsofficiere übergeben worden. Es ist der Major Schmidt. Ein geborener Kurhesse, früher auch in kurhessischen Diensten stehend, trat er nach dem Jahre 1866 in den preußischen großen Generalstab über, wo er wegen seiner ungewöhnlichen Fähigkeiten eine hervorragende Stellung erhielt. Er ist der Dirigent des Bureaus, an ihn gehen zunächst alle Meldungen, Depeschen, alle eingehenden Schriftstücke, und durch seine Hand und Direction ebenso wieder zurück. Für diese wichtige Stellung kommen ihm seine persönlichen Eigenschaften sehr zu statten, in denen sich geistige Klarheit und Schärfe mit der mildesten, liebenswürdigsten Form des Verkehrs vereinen. Major Schmidt hat eine Depesche erhalten – wahrscheinlich die Meldung eines commandirenden Generals über wahrgenommene Bewegungen des Feindes – er erbricht dieselbe, erhebt sich von seinem Sitze und geht damit in ein anstoßendes kleines Gemach, das Papier einem Herrn im Vollbarte überreichend, der in vollem Dienstanzug mit Schärpe und Säbel in reger Gedankenarbeit begriffen ist, denn darauf deutet der auf den Tisch und das Papier niedergebeugte Kopf, die eifrige Bewegung mit der Feder und der Umstand, daß er den Eintretenden nicht gleich bemerkt, bis dieser ihm die Depesche überreicht. Der betreffende Militär ist der Oberst v. Hertzberg, General-Quartiermeister der zweiten Armee, und der directe Vorgesetzte des Majors. In einem Garderegimente dienend, hatte sich v. Hertzberg große Verdienste um die Organisation des mecklenburgischen Contingents erworben, nahm 1864 im Hauptquartier des Prinzen Friedrich Karl eine wichtige Stellung ein und war bis zu diesem Kriege Generalstabschef des siebenten Armeecorps in Münster. Er liest mit Hülfe eines kleinen Augenglases das Schriftstück – er überliest es noch einmal und richtet gedankenvoll den Blick hinaus in das Grüne des Parkes. In seinen Zügen drückt sich lebhafte Spannung, geistige Schärfe und Subtilität aus – einige Momente des Nachdenkens und er ist mit sich über die Bedeutung der Depesche im Klaren, er theilte seine Ideen darüber in klarer Fassung und liebenswürdig verbindlicher Form dem Ueberbringer mit, der die Meinung seines Chefs zu theilen scheint.

Wir kehren in das Bureau zurück. Dort öffnete sich rasch die Thür – ein junger Mann in Generalstabsuniform, in der linken Hand den Säbel, in der rechten die Mütze haltend, erscheint, schreitet mit etwas hochgezogenen Schultern in langen, fast ungestümen Schritten durch das Bureau nach dem einzigen der leeren Arbeitstische, wirft sich ebenso rasch auf den Stuhl nieder, läßt den Säbel fallen und hat auch schon die Feder in der Hand; wie gejagt von Gedanken geht dieselbe über das Papier dahin – nur manchmal hält der Schreiber inne, rückt dann einige Male, die Blicke gedankenvoll hinaus in’s Freie richtend, mit dem Sessel, und dann geht der Gedankenflug auf dem Papier unaufhaltsam weiter. Menschen und Dinge scheinen für ihn nicht mehr da, nur die Sache lebt für ihn, die er unter den Händen hat. Mit derselben Verve, mit welcher er vielleicht eben einen gewagten Recognoscirungsritt gemacht hat, verfolgt er jetzt die feinsten Gedankencombinationen. Seine Gestalt ist in ihren Formen, ihren Bewegungen jugendlich, und doch sitzen auf den Schultern bereits die Achselstücke des Stabsofficiers; die hat sich dieser Kopf errungen, der in dem Ausdrucke geistiger Reife der Gestalt um zwanzig Jahre voraus ist. Die Lineamente dieses Kopfes sind scharf, fast nüchtern, aber wie Alles an dem seinem Taufscheine nach noch so jungen Manne bedeutend und außergewöhnlich ist, so gleitet auch der gewöhnliche Maßstab, ob jung oder alt, ob schön oder häßlich, an dem Ausdruck geistiger Energie und Schlagfertigkeit, an einem Zuge überraschender Unmittelbarkeit ab. Ich sprach eben vom Major Grafen Häfeler.

Eine neue Erscheinung lenkt unsere Aufmerksamkeit auf sich. Aus den Zimmern des Oberbefehlshabers, die unmittelbar mit dem Bureau in Verbindung stehen, trat eine hohe schlanke, schon durch ihre körperliche Größe und Haltung imponirende Persönlichkeit. Dieselbe trägt die preußische Generalsuniform und ist jedenfalls einer der an Jahren jüngsten preußischen Generale, vielleicht achtundvierzig Jahre alt. Mit leichtem elastischem Tritt nimmt er seinen Weg nach dem bereits erwähnten kleinen Gemach. Er kommt vom Vortrage beim Oberbefehlshaber – es ist der Chef des Generalstabes, der erste militärische Beirath des Höchstcommandirenden, der General v. Stiehle. Was man so die Carriere eines Militärs zu nennen pflegt, begann bei diesem Manne, der jetzt nach dem Urtheile aller Urtheilsfähigen eine der bedeutendsten Capacitäten der preußischen Armee ist, im Anfange der Sechsziger Jahre. Früher war er aus einem Linieninfanterieregimente in das topographische Bureau des großen Generalstabes gekommen, und hatte hier die alte schwere Laufbahn desselben durchgemacht. Schon damals wurden seine hervorragenden Fähigkeiten anerkannt; denn eine Anerkennung derselben war ein Commando als Adjutant bei dem Generalfeldmarschall v. Wrangel, welchem er auch während des Feldzugs 1864 in Schleswig beigegeben war.

Von da wurde er in einer Mission an den König gesandt; der Bericht, den er dem obersten Kriegsherrn über die Lage der Dinge im Norden, über gewisse Verhältnisse im Obercommando abstattete, war so entscheidend für seine Zukunft, daß der König ihn nach Beendigung des Feldzuges zum Flügeladjutanten ernannte und ihm den Adel verlieh. Für den zweiten Theil des Feldzuges in Schleswig war er im Generalstabe des Obercommandos der Alliirten bei dem Prinzen Friedrich Karl geblieben. Der klare durchgreifend logische Verstand, die feine geistige Combination, vor Allem das straffe soldatische Element, alle diese glänzenden Eigenschaften, die sich mit den elegantesten, mildesten und gewinnendsten Formen verbinden, hatten bereits Gelegenheit gefunden, sich durch die That zu bewähren; eine neue Seite seiner geistigen Begabung trat nach dem Kriege bei den Friedensverhandlungen in Wien, zu denen er beigezogen wurde, hervor, sein diplomatisches Talent. Den Feldzug 1866 machte er bei dem General von Herwarth mit; nach dem Kriege trat er in sein Verhältniß als Flügeladjutant des Königs zurück, später wurde er Commandeur des Königin-Augusta-Regimentes in Coblenz, darauf Abtheilungschef im großen Generalstabe; bei Uebernahme des Obercommandos wählte ihn Prinz Friedrich Karl zu seinem Generalstabschef; in Alzey erhielt v. Stiehle die Nachricht von seiner Beförderung zum General. Er tritt in dem kleinen Arbeitszimmer zu den beiden Stabsofficieren, man reicht ihm die Depesche, über seine Züge fliegt ein feines Lächeln und jener Ausdruck innerer Genugthuung über eine richtige Berechnung gewisser Bewegungen des Feindes und den glücklichen Erfolg der dagegen getroffenen Dispositionen.

Das sind die Männer, welche Prinz Friedrich Karl um sich versammelt hat; ein hochbegabter Mensch zeigt sich am deutlichsten in der Würdigung anderer bedeutender Menschen. Die Schlachten von Vionville oder Mars la Tour, von St. Privat waren Entscheidungsschlachten von erster Bedeutung, denn ohne sie wäre die französische Armee nicht getrennt worden, hätte sie sich gesammelt und aus Chalons sur Marne zurückgezogen, wäre kein Sedan möglich gewesen und wäre Paris auch nicht so schnell und unbedingt in den Bereich unserer militärischen Macht gekommen; die Kriegsgeschichte wird das noch klarer und überzeugender, als es der Tagesgeschichte möglich ist, zu Tage bringen. Wenn dem Oberfeldherrn allein die eiserne Consequenz, der beherrschende Ueberblick, die schlagfertige Dispositionsfähigkeit und die persönliche Bravour bleiben muß, so haben diese Männer mit und unter ihm die gewaltige Arbeit dieses Feldzuges der zweiten Armee gemacht, so wetteifern sie auch jetzt im Verein mit dem Höchstcommandirenden, eine Aufgabe vor und um Metz zu erfüllen, welche die nicht militärische Welt vielleicht für eine undankbare halten möchte. Wenn es auch einem so feurigen, thatenkräftigen und thatenschöpferischen Naturell, wie das des Höchstcommandirenden ist, gerade nicht sehr erwünscht sein muß, sechs Wochen mit einer so großen Armee vor einem Bollwerk wie Metz fest zu liegen, so lernt eben der preußische Soldat keine dankbare und keine undankbare Aufgabe, sondern nur die Pflicht.

In dem kleinen bereits geschilderten Vorgemach vor dem Eingange zu den Gemächern des Oberfeldherrn und zu dem Bureau treffen so im Laufe eines Tages die verschiedensten, die interessantesten Persönlichkeiten zusammen. Ein stattlicher Mann, mittlerer Größe, mit grauem Barte und Brille, kommt aus den Gemächern des Höchstcommandirenden. In seinem gleichmäßigen Gange, in dem ruhigem, sichern Ausdruck seiner Züge kündigt sich ein auf sicherer Grundlage beruhendes Dasein an. Sollte uns [732] nur der ungewohnte, feldmäßige Anzug täuschen – sollten wir den Mann nicht schon anderswo ebenfalls an einem bedeutsamen Orte in einem andern Kleide gesehen haben? Bei seinem Anblick kommt mir der Gedanke an Millionen – richtig, auf der Ministerbank im preußischen Abgeordnetenhause, im dunkelblauen Frack mit schwarzem Sammetkragen und goldenen Knöpfen, in der kleinen Wirklichen Geheimrathsuniform – es ist der frühere Finanzminister von Patow. Der Mann hat einen Zug mit Liebesgaben gebracht und dem Prinzen Friedrich Karl seine Aufwartung gemacht. Aus dem Bureau kommt zu gleicher Zeit ein Herr etwa in gleichem Alter mit dem früheren preußischen Finanzminister stehend, aber von sehr hervortretend französischem Ansehen. Beide haben vor Jahren zusammen in Beziehungen gestanden, nicht in persönlichen, wohl aber in öffentlichen, ohne daß sie sich jetzt erkennen. Der französisch Aussehende hat sicherlich sehr oft die Maßregeln des obersten Verwalters der preußischen Finanzen besprochen, und der Minister sich vielleicht manchmal über ihn geärgert; auch die „Independance Belge“ hat nicht immer den richtigen Maßstab für deutsche, specifisch preußische Verhältnisse, und der Mann, der aus dem Bureau gekommen, ist ihr Redacteur. Welche Zwecke er hier verfolgt hat? Ich weiß es nicht. Nach seiner mißvergnügten Miene aber scheint er sie nicht erreicht zu haben …

„Meine Herren, wo komme ich nach dem Bureau des Obercommandos?“

Berliner Laute, draußen vom Hofe her. Die Stimme ist mir bekannt. Ich kenne sie von einer Stätte, die mit dem Kriegsleben in gar keiner Beziehung steht, aus dem Berliner königlichen Schauspielhause, die Stimme eines mitfühlenden Trösters, wenn Einem ein Stück durchfiel, die Stimme aufrichtiger, freudiger Theilnahme, wenn man mit einer Bühnenarbeit Erfolg hatte – die Stimme des Secretärs in der Generalintendantur der königlichen Schauspiele in Berlin, des braven, trefflichen Woytasch. In der That – er ist es. Wie kommt Saul unter die Propheten? Wie kommt die Kunst unter die Kanonen? Antwort: Woytasch ist zum Verwalter des Depots des Centralvereins für freiwillige Krankenpflege ernannt. Er ist mit ungeheuren Vorräthen für Truppen und Spitäler eingerückt, und kommt, sich an betreffender Stelle zu melden.

„Seien Sie sehr willkommen, wenn Sie keine Charpie, keine Schlummerrollen und keine Tractätchen haben, wenn Sie dagegen Arzneien, Instrumente, Lazarethgegenstände, warme Kleider, Decken, wollene Strümpfe, Filzschuhe, Wein, Rum, Zucker, Chocolade, Thee, condensirte Milch, Bremer Zwieback (den vortrefflichsten von allen), wenn Sie Tabak, Cigarren, geistiges und materielles Licht, Stearin und Lecture bringen.“

Woytasch hat in seinem Depot in Novéant Alles, bis auf die schwedischen Schwefelhölzchen. Das Bedürfniß aber ist unerschöpflich, steigert sich mit jedem Tage, den wir weiter in die kalte Jahreszeit kommen. Unsere Truppen leiden keinen Hunger, haben auch sonst keinen Mangel an dem Nothwendigen; dafür sorgt der Staat, und die Intendantur als Verpflegungsbehörde hat Großes geleistet. Was aber bei den in’s Kolossale gehenden Verhältnissen nicht zu vermeiden ist, so sehr und eifrig auch an maßgebender Stelle dagegen angestrebt wird, und was für die Dauer eine Gefahr für die Gesundheit unserer Truppen wird, das ist das täglich wiederkehrende Einerlei der Nahrung. Hier ist die Stelle, wo die Liebesgabenthätigkeit mit dankessicherem Erfolge eingreifen und nachhelfen kann. Möge dieses Wort daheim in Deutschland eine Stätte finden, daß die Liebesquellen nicht versiechen. „Die Franzosen,“ sagte mir neulich in Nancy ein armer, alter Mann aus dem Elsaß, „haben das Herz in der Tasche und die Deutschen haben es auf der Hand.“ –

Dort drüben unter der herrlichen Gruppe alter, hoher Bäume steht eine Gruppe von männlichen Gestalten. Die Herren sind in Uniform, in derjenigen der preußischen Militärärzte. Sie umstehen einen mittelgroßen, schmächtigen Mann, die Züge des Kopfes desselben sind scharf geschnitten, das Gesicht von einem Barte umsäumt, unter der Brille hervor blitzen geistvolle, lebendige Augen, lebhaft, geistesbewegt scheint auch nach den Gesten des Sprechenden, nach der stummen Aufmerksamkeit, welche die Umstehenden ihm widmen, die Rede des körperlich unscheinbaren Mannes zu sein. Und trotzdem könnte man ihn doch nicht übersehen, wenn man ihn auch nie sprechen gehört hätte, wenn man auch nicht wüßte, wer er wäre. Wer von den Männern, die jetzt seiner Rede lauschen, wer von der jüngern, strebsamen medicinischen Welt hätte nicht zu seinen Füßen gesessen? Welcher Berliner kennte ihn nicht aus der Stadtverordnetenversammlung, welcher Preuße nicht aus dem Abgeordnetenhause, welcher Deutsche nicht aus dem Reichstage, den Professor Virchow? Was ihn, den Mann der Wissenschaft, hierher an den Centralpunkt des Kampfes von Metz führt? Zwischen ihm und diesem ist vielleicht keine so große Kluft, wie man meinen möchte. Er dort, wie die Leiter dieses Kampfes hier, sind die Kinder ihrer Zeit. Die modernen Strategen führen den Krieg wie eine Wissenschaft, und Virchow betrachtet die Wissenschaft hinwiederum als einen Kampf. Professor Virchow war übrigens gekommen, um aus den Spitälern um Metz einen Krankenzug nach Berlin zu führen.

So kommen und gehen hier Menschen, so berühren sich hier Dinge und Verhältnisse, so treffen hier die verschiedenartigsten Beziehungen zusammen. Dazwischen kommt wieder eine Patrouille von den Vorposten, die einen französischen Ueberläufer transportirt. Während dieser von dem betreffenden Generalstabsofficier verhört wird, und derselbe, wie Alle, aussagt, daß sie es in der Festung vor Hunger fast nicht mehr aushalten können, wirft die Patrouille einen forschenden bewundernden Blick in den Salon, der das Vorzimmer zu den Gemächern des Oberbefehlshabers bildet. Freilich sieht es da drinnen wohnlicher aus, als in den leeren öden, zerschossenen Räumen des Gehöftes, wo die Vorposten ihre Unterkunft haben, und wo die Patrouillen in Quartier liegen - da drinnen ist an den Wänden geschnitzte Holzarbeit, da sind hohe Spiegel, chinesische Vasen, Krystall-Lustres, in kostbaren Behältern frische Blumen - und doch, das Alles gäbe der Beschauer gerne hin, wenn er nur einmal wieder auf so einem molligen Sopha schlafen könnte, wie da drinnen eines steht in der hübschen Stube. Diese Stube ist freilich auch der Salon der Herrin dieses Schlosses. Es ist lange her, daß der arme Bursche in keinem Bette mehr gelegen hat; jede Nacht fast war seine Lagerstatt unter freiem Himmel im Bivouac, Regen und Sturm sangen ihm oft das Schlummerlied; wenn er ab und zu auf einem Bunde Stroh und in einer Scheune sein Nachtgebet halten konnte, das ward schon als ein hoher Festtag in diesem Feldzuge angesehen. Und nun erst so ein reich gepolstertes Sopha! Aus dem Salon tritt ein stattlicher Officier in Husarenuniform und spricht ihn an, fragt ihn nach seinem Regimente, Bataillon, nach seinem National, d. h. nach Heimath, Wohnort, Eltern. Die Fragen sind kurz, der Ton wohlwollend, der Gefragte trägt auf seiner Brust das eiserne Kreuz.

„Für welchen Tag haben Sie das?“

„Für den 18. August. Oben bei St. Privat haute Seine königliche Hoheit Prinz Friedrich Karl die Franzosen, unten bei Gravelotte General von Steinmetz, und Seine Majestät der König commandirte die Schlacht. Unser Lieutenant war gefallen – ich habe den Zug geführt.“

Der Officier spricht noch einige freundlich anerkennende Worte mit dem Unterofficier und geht dann weiter über den Hof nach dem Parke zu.

„Camerad,“ wendet sich der Angeredete zu der Stabswache, „kann man da nicht wo hineinkieken, damit man doch bei der Gelegenheit Seine königliche Hoheit den Prinzen zu sehen bekommt?

„Der Prinz hat ja eben mit Dir gesprochen.“

„I – wo? Nee! Das wäre er gewesen? Warum hat er Einem denn das nicht gesagt, damit man ihn mit dem nöthigen Respect angesehen hätte? Der Officier sollte unser Feldherr gewesen sein? Nee! Der spricht ja wie jedes andere Menschenkind.“

„Soll er etwa in Shrapnels reden?“ versetzt der Soldat der Stabswache.

„Hurrje! Wenn ich das nach Hause schreibe! Na, Lieseken, jetzt mußt Du mir noch einmal so gut sein, und wenn nun der Alte nicht will, dann will ich ihm den Standpunkt klar machen, was es heißt: Einer vom eisernen Kreuz – von dem soll er sich ein Kreuzdonnerwetter besehen –“

„Unterofficier!“

„Befehlen, Herr Hauptmann?“

„Der Franzose wird nach der Wache am Ende des Dorfes gebracht.“

„Zu Befehl, Herr Hauptmann! Allons – vorwärts, oller Junge, spute Dir – en avant Franzosenkopp.“

So geht die Patrouille wieder ab, und der schwarze, pfiffige [733] Franzmann, er ist ein Artillerist, macht ein ganz vergnügtes Gesicht, als er sieht, daß er denselben Weg, den er gekommen ist, nicht zurückgebracht wird, sondern nach Deutschland zu, da bekanntlich Deserteure nicht ausgeliefert werden. Der Aufenthalt in einer deutschen Festung muß ihm angenehmer erscheinen, als Metz; dort bekommt er zu essen, und in Metz war Schmalhans Küchenmeister.

„Zwei Worte inhaltsschwer“ gehen alltäglich von diesem unserem Centralpunkte aus, und an diesen zwei Worten mag der Laie am besten erkennen, was militärische Organisation bedeutet. Gegen zwei Uhr Mittags kommen jüngere verschiedenen Regimentern angehörende Cavallerieofficiere in den Hof geritten. Es sind die Ordonnanzofficiere der rund um Metz liegenden Armeecorps. Sie sitzen ab und begeben sich in das Bureau, dort empfangen sie von jenem Stabsofficier in Dragoneruniform, es ist der Adjutant des Obercommandos Major von Niesewandt, die Tagesbefehle, er giebt auch die erwähnten zwei oder auch drei Worte aus, ein zusammengesetztes oder zwei kurze, die Losung und dazu einen Namen, das Feldgeschrei. Mit Einbruch der Dunkelheit geht dieses Erkennungszeichen, ob Freund oder Feind in der Nacht den Posten nahe, durch die ganze um Metz liegende Armee und wehe dem, der nach sieben Uhr von einem Spaziergange über die Posten hinaus, in seinen Wohnort zurückkehrend, dasselbe nicht zu nennen weiß! Er hat die angenehme Aussicht, diesem bis zur Ablösung des Postens höchst unfreiwillige Gesellschaft zu leisten, oder gar eine blaue Bohne zu erhalten, wenn er nichtsdestoweniger weiterzugehen sich unterfangen sollte.


In den Parallelen einer belagerten Festung.
Von Friedrich Gerstäcker.

Die Leser der Gartenlaube haben gewiß so viel von den Parallelen vor Straßburg, von Glacis, innerer Enceinte, Couronnement, Ravelins, Bastionen, Courtinen, und wie die technischen Ausdrücke praktischer Militärs heißen gehört, daß ihnen als Laien

Gezogene Riesenmörser vor Straßburg.
Nach der Natur aufgenommen am 28. September von R. Heck.

Geschoß 154 Pfund – 10 Pfund Sprengladung. – Gesammtgewicht 164 Pfund. – Pulverladung des Rohrs 8 Pfund. – Sichere Treffweite 4500 Schritt. – Rohrgewicht 6384 Pfund. – Lafette 6 Centner.

der Kopf geschwindelt hat. Ich möchte deshalb ebenfalls als Laie versuchen, ihnen mit kurzen Worten einen Ueberblick solcher Belagerungsarbeiten zu geben, ohne dabei einen für sie unverständlichen Ausdruck zu gebrauchen.

Um an eine Festung hinanzukommen, ohne zu schwer durch die Geschütze derselben wie durch die Flintenkugeln belästigt und geschädigt zu werden, graben sich die Belagerer tiefe Gänge aus, in deren Schutz sie dann allmählich näher rücken, bis ihre Belagerungsgeschütze Bresche, das heißt eine weite Oeffnung, in die Wälle geschossen haben und ein Sturm dann aus unmittelbarer Nähe gewagt werden kann. Das ist der eigentliche Sinn und Zweck der Belagerungsarbeiten. Die Ausführung geschieht sodann folgendermaßen.

Zuerst wird die so oft genannte „erste Parallele“ ausgeworfen, und zwar ein etwa vier bis fünf Fuß tiefer Graben, der mit dem von den Festungswerken beschriebenen Bogen parallel läuft, indem er sie in einem Halbkreis umzieht. Die Erde wirft man natürlich nach der Seite der Festung aus, und dadurch bildet sich eine feste Umwallung, die bei neun bis zehn Fuß Höhe die dahinter befindlichen Soldaten vollkommen gegen jedes Gewehrfeuer, wie auch Geschosse schützt, so lange diese nicht von oben herunter in die Gräben einschlagen.

Hier in der ersten Parallele werden nun schon schwere Geschütze aufgestellt, und es gilt jetzt eine zweite, der Festung näher liegende Parallele herzustellen, das heißt vielleicht hundert Schritte weiter vorzurücken und doch dabei geschützt zu bleiben.

Darin liegt nun die Hauptschwierigkeit, denn die aus der ersten Parallele herauslaufenden Gräben, die sich der Festung jetzt nähern, müssen so eingeschnitten werden, daß man sie von den Wällen aus nicht beschießen kann, also entweder, wenn das Terrain günstig ist, in schräger und dann wieder scharf einbiegender Richtung, wie ein Schiff auf offener See bei ungünstiger Brise gegen den Wind an lavirt, oder auch in ganz kurzen Zickzacks, um dem Gegner so wenig als möglich offenen Graben zu zeigen, bis man die Stelle erreicht, wo die zweite Parallele ausgeworfen werden soll. Dann beginnt der Halbkreisbogen von Neuem; Geschütze [734] werden wieder, sobald er vollendet ist, unter Deckung darin aufgestellt und man ist dem Feinde so viel näher gerückt.

Die zweite Parallele ist natürlich entsprechend kürzer als die erste, die dritte wird noch kürzer. Vor Straßburg waren drei Parallelen und eine halbe Parallele eingegraben, wodurch man sich unmittelbar und mit im Verhältniß nur geringen Verlusten vor den eigentlichen Festungswerken und zwar den vorgeschobenen, in spitzen Winkeln auslaufenden Lünetten 52 und 53 gegenüber befand. Diese waren durch einen breiten Wassergraben geschützt, aber das half ihnen nichts. Der Tapferkeit unserer Truppen, wie unseren ausgezeichneten Ingenieuren gelang es, auch diese Schwierigkeit zu überwinden. Unsere vortreffliche Artillerie räumte die Lünetten, eine Tonnenbrücke wurde mit steter Lebensgefahr der Betheiligten übergeschoben, und jetzt hatten sich die deutschen Truppen in die Festung selber eingebohrt.

Doch alle diese Arbeiten und Kämpfe sind schon, besonders in der „Kölnischen Zeitung“, so ausführlich und von so kundiger Hand beschrieben, daß ich selber nicht wagen möchte, daran zu gehen. Es lag das auch von vornherein nicht in meiner Absicht, und nur den letzten Abend vor der Uebergabe von Straßburg möchte ich den Lesern schildern, den ich selber in den Parallelen verbrachte.

Schon am Nachmittag verließ ich das dicht bei diesen liegende Schiltigheim in Begleitung eines höheren Officiers, der so freundlich war, mich herumzuführen; aber es bedurfte dazu auch noch der ausdrücklichen und schriftlichen Erlaubniß des Obercommandos, die ich mir aber schon an dem Morgen in Mundolsheim selber eingeholt hatte.

Unmittelbar an der von Schiltigheim nach Straßburg und an dem Kirchhof St. Helena vorüberführenden Chaussee begann die erste Parallele; man trat wenigstens hier in dieselbe ein; aber schon lange vorher waren hinter Erdwällen die schweren Belagerungsgeschütze aufgestellt, die wenigstens von Zeit zu Zeit Tag und Nacht hindurch ihre tödtlichen und schmetternden Geschosse gegen die Steinwälle der armen Stadt warfen und die Belagerten dadurch keine Stunde zu Ruhe kommen ließen.

Anfangs, wenn man die Parallele betritt, findet man sich dem Anschein nach allerdings nur in einem ziemlich schmalen Graben, der aus der bedrohten Seite den hohen Wall zeigt, während er fast wie zwecklos von Militär besetzt gehalten wird; aber bald öffnet sich dem Fremden ein ganzes Labyrinth von kleinen hier und dort hin führenden, aber stets gegen das feindliche Feuer so viel wie möglich geschützten Gängen, in denen man sich ohne Führer gar nicht oder doch nur sehr schwer zurechtfinden würde. Man hat dabei auch gar keine Ahnung, wie ausgedehnt diese merkwürdigen Arbeiten den Boden durchziehen, denn sie sollen, wenn die einzelnen Kreuz- und Quergräben gestreckt auslägen, eine Strecke von über sechs deutschen Meilen einnehmen.

Zwischen der ersten und zweiten Parallele liegt die sogenannte Kirchhofscommunication, die sich schräg in die zweite Parallele einzieht, und als ersten Gruß donnerte, anscheinend dicht über uns, ein schweres Geschütz und sandte seinen Granatenwurf der Stadt hinüber. Und wie das knallte, Schlag auf Schlag jetzt, als vor uns die Wallbüchsen, von tüchtigen Schützen bedient, sich auf eine Privatconversation mit den einzelnen Gegnern einließen! Aber vor der Hand nahm dieser Graben vor allen anderen meine Aufmerksamkeit in Anspruch, denn gerade er bot einen gar eigenthümlichen wilden Anblick. Er durchschneidet nämlich vorn den in einem spitzen Dreieck angelegten und eigentlich dicht bei Straßburg angelegten Kirchhof St. Helena, und sonderbar unheimlich sieht es aus, daß sich die Lebenden hier mitten zwischen die Todten hineingewühlt haben, um sich gerade gegen den Tod zu schützen.

Der spitze Winkel des Kirchhofs zeigt nach Straßburg zu und ist durch den quer hindurchführenden Laufgraben durchschnitten. Die Kreuze und steinernen Denkmäler, die im Wege standen, mußten natürlich beseitigt werden; auch einzelne Särge fand man, die aber weiter zurück wieder eingegraben wurden. Doch auch den Belagerten konnten diese Arbeiten nicht entgehen; ihr Feuer richtete sich eine Zeitlang besonders gegen diese offenliegende Höhe – und nicht ganz ohne Erfolg. Eine Menge der noch stehenden Kreuze und Denkmäler zeigen die Spuren dawidergeschlagener Kugeln deutlich genug; einzelne sind zerbrochen oder zerstört, andere total niedergeworfen. Aber was thut das? Mitten hinein in die heilige Stätte der Todten hat sich das rüstige Menschenvolk gebohrt, mitten hindurch, nur um neues Futter für den alten Platz zu bekommen.

Die Aussicht von dem ziemlich hoch liegenden Kirchhof nach Straßburg zu war wunderschön, aber nur ein klein wenig gefährlich, denn man stand dort vollkommen offen und nahe genug zu den feindlichen Wällen, um sich noch im vollen Bereiche ihrer Chassepots zu befinden, mit deren Kugeln sie, wie bekannt, keineswegs haushälterisch umgehen. Es ist aber eine wunderliche Thatsache, daß man sich sehr rasch an deren Pfeifen gewöhnt und bald genug wenig mehr darauf achtet. Scharfschützen haben die Franzosen da drüben nicht, und der, auf den sie wirklich zielen, ist bei dem Schuß viel sicherer als die Nachbarschaft. Ich nahm mir denn auch völlig Zeit, die vor mir liegende Stadt in aller Ruhe mit meinem Doppelglas abzuäugen, und verfolgte dann meinen Weg im Zickzack den Parallelen nachgehend, bis wir uns den letztgenommenen Lünetten 52 und 53 näherten.

Ueberall verdeckt, standen hier Geschütze, die schon ihre Schuldigkeit gethan, aber immer noch beschäftigt waren, die mächtigen Festungsmauern vor uns in Bresche zu legen. Strenge Befehle waren dabei gegeben, nicht mehr muthwillig auf die Stadt oder auf den überdies schon etwas beschädigten Münster zu feuern; aber es ist das mit den Artilleristen eine eigene Sache, und sie sind noch dazu nur äußerst schwer – ja oft gar nicht – zu controliren.

Als wir Toul, das auch eine sehr hübsche Kathedrale besitzt, gleich nach der Uebergabe betraten, begegneten wir einem jungen Unterofficier der Artillerie, dessen Gesicht vor Freude und Stolz glühte, denn seine Kanone hatte ebenfalls mit dazu beigetragen, die Stadt zu so rascher Uebergabe zu zwingen. Mein Begleiter damals – ein Artilleriehauptmann – unterhielt sich eine kleine Weile mit ihm und lobte ihr Schießen, denn die Festungswerke in Toul hatten wir schon umgangen und dort die Genauigkeit bewundert, mit welcher die Truppen ihre Kartätschen auf die einzelnen Geschütze des Feindes dirigirt hatten.

„Ihr habt vortrefflich geschossen, Leute!“

„Ja,“ sagte der Unterofficier und seine Augen leuchteten, „aber wir haben auch gute Geschütze – die Kathedrale habe ich auf den Punkt getroffen, wohin ich zielte.“

„So? Aber soviel ich weiß, ist Euch doch verboten gewesen, gerade auf die Kathedrale zu schießen.“

„Hm – ja,“ sagte der junge Mann und wurde, halb verlegen, doch ein wenig roth; „aber man will doch auch manchmal sehen, wohin man trifft und ob man seiner Kugel sicher ist.“

Es ist eben nicht anders. Die Artilleristen betrachten derartige hervorragende und leicht erkennbare Punkte als Probescheiben nach denen sie, ohne sich etwas Uebles dabei zu denken, dann und wann eine Kugel absenden, und man darf da nicht gleich von Vandalismus reden. Nach dem Münster in Straßburg mußte übrigens schon deshalb einige Male gefeuert werden, weil sich der Feind da oben ein ganz bequemes Observatorium eingerichtet hatte, von dem er die angelegten Laufgräben wie die Arbeiten darin beobachte, also auch schwer gefährden konnte, und Menschenleben hat dieser traurige Krieg schon leider zu viel gekostet.

Der Münster ist allerdings in etwas beschädigt worden, aber nicht so viel, als daß es jetzt nicht mit leichter Mühe und deutschen Kräften wieder hergestellt werden könnte, und wo es galt, die viel werthvolleren Menschenleben zu schützen, konnten ein paar Verzierungen an einem noch so alten, ehrwürdigen Bauwerk wahrlich nicht in Betracht kommen.

Jetzt erreichten wir den Graben vor Zweiundfünfzig und Dreiundfünfzig, der damals mit so ausgezeichneter Bravour, alle Schwierigkeiten und Gefahren überwindend, genommen war, und hier einen insofern etwas gefährdeten Punkt, als die weite offene und nicht ganz verdeckte Fläche dem Feinde einen trefflichen Zielpunkt geboten hätte. Die Gefahr war allerdings dadurch etwas gemindert, daß unsere Truppen eine rohe Schutzwand von einfachen Brettern errichtet hatten. Diese hielten nun allerdings die Chassepotkugeln nicht ab, durchzudringen und Schaden genug dahinter anzurichten, aber sie verdeckten doch wenigstens die sich dort hin und her bewegenden Gruppen und Gestalten, und nur die Warnung: „Wir müssen hier ein wenig schneller gehen“ machte mich auf den exponirten Platz aufmerksam.

Und hier, nachdem wir die Stelle überschritten, begann das eigentliche Leben der Laufgräben in aller seiner Romantik und [735] auch Gefahr. Piff – paff – knallten die Schüsse aller Orten und Enden, und als ich aufsah, ragten von jedem erhöhten Punkt aus die Zündnadelflinten mit aufgesteckten Bajonneten oder die Wallbüchsen heraus, Tod und Verderben Jedem bringend, der sich da drüben über den Wällen zeigte.

Es war ein malerischer Anblick. Ueberall an den neun und oft zehn Fuß hohen Erdwällen hingen die Schützen, Fußhalt suchend, wo sie ihn eben finden konnten. Der obere Rand solcher Stellen war dann mit Sandsäcken gedeckt, das heißt kleine Sandsäcke, etwa zwei Fuß lang und im Verhältniß dick, waren dort so zusammengelegt, daß sie oben auf dem aufgeworfenen Damme eine Art von Schießscharte bildeten, um den dahinter lagernden Posten soviel als möglich gegen die Kugeln der Chassepots zu schützen. Durch die gelassene Oeffnung aber hatten unsere deutschen Soldaten ihre Gewehre gesteckt und lagen dort im Anschlag, bis sie den Kopf eines Feindes über den Schanzen dort drüben erkennen konnten. Sie dachten gar nicht daran, einen Schuß ohne Ziel abzugeben, während die Franzosen dagegen förmliche Bleiminen in endlosen Salven herüberschickten. Es ist wahr, dann und wann trafen sie allerdings einen der Unseren, aber doch nie eher, als bis sie sein Gewicht in Eisen oder Blei herübergesandt.

Besonders gefährlich in diesem kleinen Vorpostenkriege waren übrigens die Wallbüchsen, nach einer ganz eigenen Construction. Es sind Büchsen mit einem Laufe wie unsere sogenannten Standbüchsen, die eine Kugel wie ein in die Länge gezogenes Ei von über vier Loth schossen, statt des Kolbens aber eine wie ausgebogene Feder hatten, die, elastisch, gegen die Schulter gelehnt wurde, und dadurch den Rückschlag bedeutend mildern mußte.

Gerade vor uns lag einer der Schützen im Anschlag, und sein blitzendes Auge, der scharfspähende Blick verrieth, daß er da drüben einen Feind erspäht und auf dem Korn habe. Jetzt eine rasche, aber leise Bewegung – die ganze Gestalt blieb einen Moment wie aus Stein gehauen – ein Blitz plötzlich – ein Schlag und ein triumphirendes Lächeln glitt über die sonnengebrannten Züge des Mannes.

„Trefft Ihr denn auch manchmal?“ frug den Einen mein freundlicher Führer, der Oberstlieutenant von der Osten-Sacken.

„Ei gewiß,“ lachte der Mann, „vorhin zeigte sich so eine Rothhose ganz keck oben auf dem Wall, der habe ich aber gleich eins hinübergeschickt, daß sie vornüber herunterkugelte.“

Wenn der Feind die fast fünflöthige Kugel bekommen hatte, war’s kein Wunder.

Wir waren durch ein bombenfestes Mauerwerk, die frühere Lünette der Straßburger Befestigungswerke, geschritten und erreichten den Wall, als ein Soldat auf den Oberstlieutenant zugestürzt kam und ihm meldete, es hätten sich da drüben auf dem Walle französische Soldaten gezeigt. und gewinkt, als ob sie herüber zu uns kommen wollten. Ein Unterofficier mit zwei Mann sei dann hinübergesprungen, um sie in einem Nachen zu holen. Da hätten sie Feuer vom Feinde bekommen, zwei von ihnen wären nicht mehr zu sehen und lägen wohl da drüben todt oder verwundet, Einer aber sei da hinüber in den sogenannten „todten Winkel“ geflohen und halte sich jetzt verdeckt. Was jetzt thun? sie holen oder bis Dunkelwerden liegen lassen?

Der Oberstlieutenant war unschlüssig. Er konnte keine Leute dazu commandiren, ihr eigenes Leben auf’s Spiel zu setzen, um zwei vielleicht schon tödtlich verwundete Cameraden hereinzuschaffen.

„Wir werden bis Abend warten müssen,“ sagte er, und es fehlte allerdings kaum noch eine Stunde daran; „denn wenn die Canaillen da draußen wieder Feuer geben, büßen wir noch mehr Leute ein und erreichen unsern Zweck dann gar nicht.“

Wir Alle waren an der Verschanzung hinausgesprungen und entdeckten jetzt in dem einen und gegen die Kugeln des Feindes vor der Hand allerdings geschützten Winkel die Gestalt des einen Soldaten, der sich aber auch zurückzog und hinter einem Erdaufwurfe verschwand. Sicher war er aber dort auch nicht, denn um die Laufgräben und deren Schutz zu erreichen, mußte er erst wieder über den hohen Wall, wo er den Kugeln völlig preisgegeben blieb.

Peinliche Minuten vergingen. Von den Verwundeten ließ sich nichts erkennen. Sie waren entweder in den Graben gerollt oder hatten dessen momentane Deckung selber gesucht. Der Vorschlag wurde gemacht, unter dem Schutze der weißen Flagge mit dem rothen Kreuze die Gefallenen hereinzuholen, aber würden die Feinde diese respectiren? – gingen doch Gerüchte genug, daß sie sogar auf Ambulancen und Verwundete geschossen, und war es glaublich, daß sie sich hier würden eine Gelegenheit entgehen lassen, ihre Kugeln auf die abzufeuern, die ihnen noch vor Minuten kaum mit der gefährlichen Zündnadel gegenüber gestanden? Der Oberstlieutenant mochte die Verantwortung nicht übernehmen, als plötzlich der Eine von den Dreien, der Unterofficier, der sich mit einem kecken Entschlusse über den Wall geschwungen, in den Trancheen erschien und jetzt bestimmt erklärte, er wolle wieder hinausgehen und die Cameraden holen, denn er denke gar nicht daran, sie im Stiche zu lassen. Einer der anderen Soldaten, ein Mann von etwa vierundzwanzig Jahren, der sich schon oft durch kühne Streiche ausgezeichnet haben soll, erbot sich augenblicklich, ihn zu begleiten, und eine weiße Flagge wurde rasch herbeigeschafft, um der kühnen That den einzigen Schutz zu geben, den man ihr für den Augenblick geben konnte.

Aber „Feuer einstellen auf der ganzen Linie“ lief jetzt der rasch gegebene Befehl entlang. Den Nächststehenden konnte er auch mitgetheilt werden, doch in diesem Gewirr von Schanzen war es nicht möglich, die ganze im Zickzack liegende Linie mit dem bekannt zu machen, was im Werke war. Einzelne Schüsse fielen noch von da und dort; der wackere Unterofficier und sein Begleiter, deren Namen aber von dem Commandirenden notirt wurden, ließen sich selbst dadurch nicht aufhalten Die weiße Flagge mit dem rothen Kreuze hoch in der Hand sprangen sie hinaus – der nächste Augenblick konnte eine tödtliche Salve auf sie lenken, und nicht einmal ihre Gewehre hatten sie mitgenommen aber sie zögerten auch keinen Moment und eilten unerschrocken der Stelle zu, wo sie die Verwundeten wußten.

Es waren peinliche Minuten. Von dem Walle aus konnten wir jetzt wohl noch die auswehende Fahne, aber Nichts von den Leuten selber bemerken die sich unbeschützt dem Feinde gegenüber befanden doch von drüben kam kein Schuß – die Fahne mit dem rothen Kreuze wurde vom Feinde geachtet, und etwa zehn Minuten später erreichten die unerschrockenen wackeren Männer mit den Geretteten wieder den Schutz der Brustwehren Dadurch schien aber eine Art von Waffenstillstand zwischen diesen beiden feindlichen Posten eingetreten zu sein. Es war als ob die Unserigen sich scheuten, wieder auf Leute zu schießen, die eben noch erst ihre Cameraden geschont hatten, und auch von drüben fiel, so lange ich mich dort befand, kein Schuß – das menschliche Gefühl hatte für den Augenblick die Oberhand gewonnen.

Die Nachbarschanze übrigens, die von der kleinen Zwischenscene Nichts gesehen, ließ sich in ihrem Feuern nicht stören

Bei uns war es still geworden – auf einer Bahre trugen die Pioniere die Verwundeten vorüber, und einen scheuen Blick warf die Besatzung auf die Getroffenen, wie sich der kleine Zug langsam durch die Schanzgräben wand. Konnte ja doch auch schon in der nächsten Stunde, ja im nächsten Augenblick, ihr Loos das nämliche sein.

Diese Tragbahren sind überhaupt ein sehr fatales memento mori in den Schanzen denn sie lehnen überall, da man nie wissen kann, wann oder wo sie gebraucht werden. Hier draußen kann der Tod jeden Einzelnen im Nu abrufen. Keiner ist sicher, denn wenn man sich auch nothdürftig gegen Chassepotkugeln schützen kann, eine Granate oder ein Bombensplitter schleudert ihre eisernen Bruchtheile überall hin und in jeden Winkel.

Arme Teufel, wie blaß und still sie aussahen, als sie da vorübergetragen wurden und nun das aufregende Leben in den Schanzen, mit dem Schmerzenslager im Lazareth vertauschen mußten – und doch verdankten sie es jetzt gerade dem Feinde, daß sie nicht gezwungen waren, noch Stunden lang da draußen zu liegen, und rasch an einen Ort geschafft werden konnten, an dem sie wenigstens jede nöthige Pflege fanden.

Es ist viel darüber geschrieben, daß die Franzosen die Sanitätsflagge nicht respectirten und oft sogar auf Ambulancen und Verbandplätze gefeuert hätten, aber ich kann mir nicht denken, daß es absichtlich geschehen sein soll. Thatsache ist allerdings, daß viele französische Soldaten die Bedeutung der Flagge mit dem rothen Kreuz gar nicht kannten, und hier tragen die Führer der französischen Armeen die Schuld, aber daß eine Verletzung der Genfer Convention absichtlich und mit bösem Willen begangen wäre, ist doch wohl noch nirgends constatirt worden, und wird es auch hoffentlich nicht.

Wir wandten uns der nächsten Schanze zu, von wo man [736] Straßburg, und besonders den Münster, ganz deutlich vor sich hatte, und hier wurde wieder von beiden Seiten scharf herüber und hinüber geschossen. Die Sandsäcke dienen da zu Observationsplätzen, schützen aber auch nicht in allen Fällen, denn auf diese Entfernung schlägt eine Chassepotkugel, wenn sie den Sack nicht gerade im Centrum trifft, ebenfalls durch. So war am vorigen Tage ein Soldat gerade vor die Stirn getroffen, und zwar hatte die Kugel erst den Sandsack etwas tief, durchbohrt und dann den Mützenschirm getroffen, dadurch aber glücklicher Weise nur noch Kraft genug behalten, den Getroffenen hintenüber zu werfen, der diesmal mit einem Tag Kopfschmerzen davon kam.

Welch ein eigenthümlicher Anblick das war, sich so dicht, ja fast unmittelbar vor der belagerten Stadt zu wissen, während die schweren Sprenggeschosse über unseren Köpfen hin- und herflogen, und Wallbüchsen- wie Zündnadelkugeln die Privatconversation zwischen den feindlichen Posten unterhielten! Und da drüben die

Die Lunetten 52 und 53 vor Straßburg.
Nach der Natur vom Thurm des Münsters aus aufgenommen von R. Heck.

I Erster Wall. – II Zweiter Wall. – III Steinthor. – IV Steinstraße. – V Klosterweg (Verbindung des zweiten Walls mit Lunette 53) – Nr. 52 und 53 Die beiden Lunetten. – VI Dritter (äußerster) Wall. – VII Dritte Parallele. – VIII Zweite Parallele. – IX Erste Parallele. – 17 Laufgräben. – X Verbindungsgruben zwischen Schiltigheim und Königshofen. – XI Rotunde der Eisenbahn. – XII Schiltigheim. – XIII Nonnenkloster, Sanitätsspital. – XIV Kirchhof St. Helena. – XV Landstraße nach Hagenau. – XVI Bahn nach Paris.

belagerte Stadt! Der Münster lag so nahe, daß ihn jede Zündnadelkugel mit Bequemlichkeit hätte erreichen, ja einen bestimmten Punkt hätte treffen können – die beschädigten Stellen an der äußern Steinhauerarbeit waren deutlich sichtbar, aus dem Dachstuhl ragten nur noch einzelne Sparren empor –, und die Häuser dazwischen! – Großer Gott! da sah man freilich nur noch einzelne ausgebrannte Mauern stehen, Schutthaufen und Ueberreste friedlicher Gebäude, die Spuren von Fenstern, welche den Platz anzeigten, wo früher glückliche friedliche Menschen gewohnt.

Festungen! – Es hatte früher und in vergangenen Jahrhunderten einen Sinn, als friedlicher Bürger in eine Festung zu ziehen, um gegen die Vorfahren unserer „edeln Geschlechter“ geschützt zu sein, die als Raubritter die Welt durchzogen und besonders die Landstraßen unsicher machten. Damals und mit den schlechten und einfachen Geschützen bot eine starke Mauer hinlänglichen Schutz gegen die herumlungernden hochadeligen Wegelagerer, und der Kaufmann wußte in solchen befestigten Plätzen seine Güter sicher und unangreifbar. Wie aber hat sich das schon in jetziger Zeit geändert, und wie wird es sich noch ändern, wo man auf gar nichts weiter sinnt, als die Mordwerkzeuge und Geschütze derartig zu verbessern, daß ein Widerstand dagegen fast gar nicht mehr möglich ist! Ich gebe zu, daß es für die Besatzung einer Festung in Friedenszeiten außerordentlich angenehm ist, Theater, geselligen Verkehr, Bibliotheken, Kunstschätze, zoologische Gärten und alle dergleichen Dinge, die der Bürgerstand anschafft und unterhält, haben und benutzen zu können, aber wer schützt das Alles bei einem ausbrechenden Kriege und bei einer Belagerung? Kein Mensch. Die Vergnügungsorte und schattigen Spaziergänge werden erbarmungslos rasirt, die Gebäude den feindlichen Bomben und Granaten preisgegeben, und die Privathäuser, Theater, Bibliotheken, Clubs und sonstige Vergnügungs- und Erholungsorte, wenn irgend möglich, von dem Feind in Brand oder in Trümmer geschossen.

Nein! – Ich gebe zu, daß Festungen als Waffenplätze und Depôts von Munition und Lebensmitteln noch ebenso nöthig sind als in früheren Jahrhunderten, aber dann soll man auch nur rein militärische Stationen aus ihnen machen, und kein friedlicher Bürger hat unter den jetzigen Verhältnissen etwas in ihren Mauern zu thun oder zu suchen. Langweilt sich die Besatzung in der Zwischenzeit, so ist das ihre Sache, aber mit der Verbesserung, ja man könnte sagen der Vervollkommnung der Geschütze und Mordgeschosse handelt eine Regierung wahrhaft gewissenlos, wenn sie den ruhigen Bürger zwischen ihre Geschütze einkeilt, und von ihm verlangt, seinen Wohnort an solchen gefährdeten Stellen zu nehmen. Nehmen wir Köln! Die ganze deutsche Nation hat beigesteuert, um den prachtvollen und herrlichen Dom aufzubauen, und denken wir uns, daß ein französisches Heer gegen die alte Stadt vorgedrungen wäre und sie beschossen hätte. Der Commandant würde so wenig an eine Uebergabe gedacht haben, wie Bazaine in Metz daran denkt, oder wie Uhrich, der Commandant

[737] 

Das Steinthor in Straßburg, am Tage der Uebergabe.
Nach der Natur aufgenommen von R. Heck.

[738] von Straßburg, daran dachte, und wie wäre dies Kunstwerk, das dem ganzen Deutschland gehört, dann von französischen Kugeln mißhandelt und zerstückelt worden! Nein, die Verhältnisse haben sich in jetziger Zeit total geändert – Festungen sind nicht mehr das, was sie sein sollen, und für was sie von Anfang an bestimmt waren, denn man kann sie wohl noch eine Zeit lang vertheidigen, aber ihre Insassen nicht mehr schützen. Müssen Festungen bestehen – und daran zweifelt Niemand –, dann soll man sie abgesondert von friedlichen Wohnungen anlegen. Der Commandant wird dann auch nie in die peinliche Lage kommen, zwischen seiner Pflicht und seinem menschlichen Gefühl zu schwanken – er darf seine Mauern bis auf den letzten.Stein vertheidigen, ohne daß das Wimmern von Frauen und Kindern zu ihm dringt, und selbst die Vertheidiger entmannt. In früheren Jahrhunderten genügte, wie gesagt, eine starke Mauer, um einen Platz fest zu machen und den damals unvollkommenen Geschützen Trotz zu bieten; jetzt ist das nicht mehr der Fall. Unsere Geschütze werfen Kugeln und Sprenggeschosse in ganz unglaubliche Entfernungen, ja werden noch immer verbessert, so daß der frühere Schutz, den die Festungen gewährten, in das gerade Gegentheil umgeschlagen ist. Bei jedem ausbrechenden Kriege sind gerade die in einer Festung Wohnenden am allermeisten gefährdet, und wir werden es in allernächster Zeit in Frankreich erleben, daß Paris z. B. keine größere Thorheit begehen konnte, als sich mit Forts und Wällen zu umgeben.

Wir befanden uns hier am äußersten Ende der auf dieser Stelle ausgeführten Gräben, und ich konnte dort genau beobachten, wie sich die Leute immer weiter in den Boden hineinwühlten, um der bedrohten Stadt näher und näher zu rücken. Der Laufgraben zog sich nach links in die Höhe und auf offenen und hohen Boden hinaus, aber gebückt standen hier zwei Mann mit Schaufeln, gruben aus Leibeskräften, und warfen dann die Erde stets rechts hinauf, wodurch sie mit jedem Spatenstich die Grube tiefer machten und den Wall zugleich erhöhten. Allerdings entgingen diese vorgeschobenen Arbeitspunkte dem Feinde nicht, und er richtete mit Vorliebe sein Chassepotfeuer darauf, aber es zeigte sich auch kein Kopf über der Umwallung, und langsam doch sicher rückten die Erdarbeiten solcher Art vor.

Von diesen Vorschanzen aus hatte man übrigens einen vortrefflichen Ueberblick über Straßburg, aber es war ein weit mehr wehmüthiges als erhebendes Gefühl, die arme mißhandelte Stadt da drüben zu beobachten. Ununterbrochen zischten dabei die Bomben und Granaten hinüber und zeigten durch den aufsteigenden Dampf und Staub, wie sicher sie gezielt gewesen und wie unfehlbar sie stets explodirten. Uebrigens unterhielt der Feind, hinten von seinen Wällen vor, auch ein sehr lebhaftes Feuer gerade auf diesen Punkt, ohne daß er jedoch vielen Schaden angerichtet hätte. Einzelne Verwundungen kamen aber trotzdem vor, und wirklich sicher durfte man sich nirgends fühlen.

Eine Stunde hatten wir etwa an diesen Stellen zugebracht, und ich konnte mich in der Zeit wahrlich nicht satt sehen an den malerischen Gestalten unserer wackeren Soldaten, wie sie da, jeden Punkt an der schrägen Wand benutzend um ihr Gewehr aufzulegen, hingen, und nie auf das Gerathewohl ihren Schuß hinausfeuerten, wie es die Franzosen unausgesetzt thaten, sondern immer erst ihr Ziel zu fassen suchten. Als wir zurückgingen und dicht vor den Lunetten den durch die Planke nur scheinbar geschützten Graben wieder passirten, lag Blut im Weg.

„Ist Jemand getroffen?“

„Mann durch den Kopf geschossen – haben ihn eben weggetragen!“ und mahnend zischten dabei ein paar Chassepotkugeln über unsere Köpfe weg.

Jetzt wurde die Ablösung vorgenommen. Die jetzige Wache hatte vierundzwanzig Stunden in den Laufgräben zugebracht und zog sich nun an den neu Einrückenden hin durch die engen Gänge hinaus, um einen wenigstens etwas sicherern Posten zu beziehen. Die Geschütze donnerten dabei ununterbrochen fort, und unaufhörlich rasselten Bomben hoch durch die Luft den schon zusammengeschossenen Mauerwerken zu. So lange es dabei hell war, gehörte ein gutes Auge dazu, den matten Nebelstreifen zu erkennen, den sie da oben am blauen Himmel zogen, aber die Sonne neigte sich mehr und mehr zum Horizont, und ich war fest entschlossen, den Abend hier in den Laufgräben abzuwarten; Bis dahin war auch aus Straßburg selber heraus wenig mit schwerem Geschütz gefeuert worden. Es schien fast, als ob sie dort nicht so sehr mit schwerer Munition versehen wären. Wie es aber dunkel wurde, begann von dort das Feuer, und der Grund wurde mir bald erklärt. In der Dunkelheit versahen unsere Truppen nämlich ihre Geschütze mit Munition – Wagen auf Wagen folgte dabei der Chaussee, und auf den jetzt trockenen und harten Wegen hörte man das Rasseln derselben auf weite Entfernung. Die Wagen fuhren aber auch in scharfem Trab, denn sie wußten recht gut, daß die Belagerten sofort ihr Feuer darauf richteten, und daß die Führer der Transporte die Zeit abzukürzen wünschten, in der sie sich auf der offenen, den Kugeln völlig ausgesetzten Landstraße befanden, läßt sich denken – und jetzt wurde der Anblick wahrhaft wundervoll. Nicht mehr ungesehen sausten die Bomben, mit einem Geräusch, das fast selber einem rollenden Wagen glich, durch die Luft, sondern der glühende Zünder daran bezeichnete die Bahn, die sie nahmen, mit einem Feuerstreif, und zugleich konnte man dabei deutlich die wirbelnde Drehung erkennen. Sie kamen aus jenen furchtbaren Geschützen, den gezogenen Mörsern, von denen zwei – ich glaube die ersten, die je bei einer Belagerung verwandt wurden – in Gebrauch waren.

Und wie das jetzt knatterte, knallte, zischte und brummte! Chassepotkugeln machten ein Geräusch, als ob man sich vor einem Bienenschwarm befände, und es verging sicher keine Minute, in der man nicht acht oder zehn vorüber pfeifen hörte. Gingen sie ziemlich hoch, so verrieth ein länger anhaltendes Pfeifen die Bahn, die sie nahmen; fuhren sie dicht und unmittelbar über die Wallgräben fort, so war es mit einem kurzen, scharfen „sst“ abgethan. Zu verführerisch blieb es dabei, dem Flug, den die feuerausstrahlenden Bomben nahmen, mit den Augen zu folgen und zu beobachten, wo sie einschlugen, aber man mußte zu diesem Zweck den vollen Kopf über der Brustwehr zeigen, und Obrist-Lieutenant v. Osten-Sacken wollte endlich nicht mehr dulden, daß ich oben blieb.

Shrapnels und Granaten kreuzten sich dabei unaufhörlich, aber das unheimlichste Geräusch von Allem machten die zurückfahrenden Bombensplitter, die, an dem Wall zersprungen, theilweise wieder über die Laufgräben sausten. Es war ein tief brummender, modulirender Schall, wie gerade der Wind in die ungleichen Stücken griff, diese aber wurden um so gefährlicher, als die von ihnen genommene Richtung unberechenbar blieb. Seitwärts, schräg, gerade zurück dröhnten sie, bald da, bald dorthin, und wo sie dann zufällig einschlagen, bereiten sie unrettbar Verderben.

Die Besatzung der Laufgräben selber durfte sich aber nicht unnöthiger Weise exponiren, obgleich sie sich lange an das Kugelpfeifen gewöhnt hatte und es wenig genug beachtete. Nur ein Doppelposten stand an jeder vorspringenden Ecke, den Kopf, so gut es eben gehen wollte, durch Sandsäcke geschützt, und wachsam umherspähend, ob der Feind nicht doch etwa, im Dunkel der Nacht, einen Ausfall versuchen sollte. Er hätte, wenigstens wenn er unbemerkt ankam, bösen Schaden anrichten können. Die Belagerten schienen aber doch zu etwas Derartigem die Lust verloren zu haben und nicht daran zu denken, ihre wenn auch zerschossenen Mauern zu verlassen. Das Feuer von der Stadt aus wurde allerdings, je deutlicher das Rollen der Munitionscolonnen gehört werden konnte, desto heftiger, und die Chassepot-Schützen hatten – wie das ja auch schon selbst im offenen Feld beobachtet ist – Körbe mit Patronen neben sich stehen, in die sie nur zum Laden hineingriffen, um die ganze Nachbarschaft mit Blei zu bestreuen. Es ist unglaublich, welch’ rasende Munition die Franzosen in diesem Krieg vergeudet haben.

Unter dem Kugelpfeifen hatten wir es uns indessen ganz gemüthlich gemacht, und zwar vor einer Ecke, in welcher starke Balken einen ziemlich engen Schlafraum überdeckten und ihn dadurch wenigstens gegen ausschlagende Granaten oder Bombensplitter schützten. Einer vollen Bombe würden sie jedoch kaum gewachsen gewesen sein. Hier tranken wir vor allen Dingen einen heißen Kaffee, den der Bursche des Obristlieutenants gebracht, verzehrten ein delicates kaltes Huhn, und setzten dann einen tüchtigen Cognac darauf. Die Herren lebten hier überhaupt gar nicht schlecht, da ihnen Deutschland so nahe lag, und sie von dort rascher und leichter mit Vorräthen versehen werden konnten, als die armen Teufel, die weit ab in ihren oft versteckten und zerstreuten Bivouacs lagen. Und wie schmeckte das, während uns Freund wie Feind dabei mit einem brillanten Feuerwerk versorgte! Es ist wahr, die Unterhaltung stockte manchmal, wenn ein grober Bombensplitter mit dumpfem Baßton angebrummt kam, und man lauschte dann wohl vorsichtig [739] für etwa zehn Secunden der Richtung, die er nahm, und ob er nicht gekommen sei, gerade hier einzuschlagen – aber der war auch im Nu vergessen, und auf das Pfeifen der Chassepotkugeln achtete Niemand mehr. Sie kamen zu dick und verloren dadurch an Interesse.

Die Unterhaltung drehte sich allerdings ausschließlich um die Gegenwart, also die Belagerung der Stadt – aber auch hier hörte ich die Behauptung, der ich schon bei vielen anderen Ingenieurofficieren begegnet war, daß sich die Veste höchstens noch fünf Tage – wenn so lange – halten könne. Man hatte vor einigen Tagen zufällig vor Nr. 52 eine Schleuße entdeckt und war, ohne einen Augenblick zu versäumen, darangegangen, sie zu unterminiren; denn so nahe standen wir schon dem Feinde, daß man sich ihm auf andere Weise nicht nähern konnte. Diese Schleuße sollte am nächsten Mittag gesprengt werden und man hoffte, dadurch das Wasser in dem letzten Festungsgraben so zu verringern, daß ein Sturm nachher gewagt werden konnte. Niemand dachte natürlich daran, wie schon wahrscheinlich in diesem nämlichen Augenblick in Straßburg selber die Uebergabe, die am nächsten Abend denn auch wirklich stattfand, discutirt wurde.

Und wie das nun, während wir so in unserer Deckung saßen und plauderten, prasselte und krachte, wie das knallte, blitzte und zischte und durch die Luft flog in sausendem Feuerbogen; aber deshalb schmeckt der Cognac nicht schlechter. Ja – es war möglich, daß im nächsten Moment schon eine ungeschickte Granate oder Bombe mitten zwischen uns hineinschlug und Tod und Verderben rings verbreitete, aber vor der Hand gingen die Geschosse noch alle über uns hin, oder trafen auch wohl hie und da mit dumpfem Schall die weiche Erde der Außenwerke – und jetzt hatten es die Leute auch hier, wenn nicht gerade Einer von einer Kugel getroffen wurde, verhältnißmäßig gut, denn die schon länger anhaltende Trockenheit bot ihnen wenigstens eine trockene Bahn und ein eben solches Lager. Furchtbar aber soll der Aufenthalt in diesen Gräben gewesen sein, als der Regen noch unablässig herabströmte und den ganzen Boden in einen flüssigen Schlamm verwandelte, in dem man, bis an die Kniee einsinkend, herumwaten mußte. Noch jetzt gab es Stellen in den Laufgräben, wo man auf der elastischen, oben aber trocken und hart gewordenen Kruste fühlte, daß man auf weichem Schlamm ging, und ganz entsetzlich muß in dieser nassen Zeit der Aufenthalt hier gewesen sein, denn an ein Ausweichen oder Umgehen der Schmutzstellen war ja nicht zu denken.

Es war spät am Abend, als ich die Parallelen wieder verließ, aber ein Soldat mußte mich durch das Labyrinth derselben hindurchführen, wenn ich nicht lange Stunden brauchen wollte, mich hinauszufinden. Für Schrecken durfte übrigens Niemand empfindlich sein, der hier hindurch ging, denn ein paar Mal geschah es, daß ein Geschütz, von unten verdeckt und deshalb nicht sichtbar, ganz plötzlich und unmittelbar über unseren Köpfen abgefeuert wurde – aber man gewöhnt sich ja an Alles, warum nicht auch an das Knallen!

Sobald ich die Chaussee endlich erreichte, bekam ich wieder einen ziemlichen Ueberblick über Straßburg – rechts davon glühte noch ein Brand aus einem der Dörfer, den ich schon am vorigen Abend bemerkt hatte, und deutlich ließ sich auch von den Wällen das da und dort aufblitzende Geschützfeuer erkennen. Sicher war man auch hier keineswegs, denn Bomben und Granaten hatten schon häufig das noch vor mir liegende Schiltigheim erreicht, und auf der Chaussee selber wäre ich beinahe gefallen, weil ich in ein von einer Bombe aufgewühltes Loch gerieth.

Die ganze Nacht hindurch feuerten noch unsere, wie die feindlichen Geschütze mit vollem Ingrimm gegeneinander, als ob die Festung an gar keine Uebergabe denke, und doch wehte am nächsten Nachmittag um fünf Uhr schon die weiße Fahne vom alten Münster, und Straßburg – war wieder eine deutsche Stadt!


Blätter und Blüthen.

Am Ziel. Straßburg war unser! Am 27. September Abends hatte sich die Festung übergeben und schon der Morgen des nächsten Tages fand mich in den Parallelen, die so wacker und brav gegen die Wälle vor ihnen gearbeitet hatten. Wie die Mannschaft, so hatten auch die vortrefflichen Geschütze ihre ganze Schuldigkeit gethan, und jetzt, da das lange ersehnte Ziel erreicht war, umgaben mich, wenn ich zu einer Batterie trat, die braven Kanoniere und erzählten leuchtenden Auges von dem, was ihre ehernen Pflegebefohlenen geleistet. Sie hatten fast durchweg Blumensträuße in die Zündlöcher der Geschütze gesteckt; die Wachen trugen oben in den Mündungen der Gewehrläufe Sträuße; ja bei den ebenfalls blumengeschmückten Riesenmörsern, welche Sprenggranaten von hundertvierundsechszig Pfund schießen, versicherte mich der Obergefreite, indem er das blanke Ungestüm hätschelte und streichelte, die Kugeln seien so sanft dahin geflogen „wie eine Taube“. Eine schöne Taube das!

Wie vollendet gut übrigens die deutschen Geschütze bedient worden sind, mag von hundert Beispielen hier nur eins bezeugen.

In einer württembergischen Vierundzwanzigpfünderbatterie in der ersten Parallele bei Schiltigheim standen am Morgen des 27. September mehrere höhere preußische Officiere und sprachen ohne Rückhalt ihre volle Anerkennung über die Raschheit und Genauigkeit der Schüssse aus, durch welche eine gegenüberliegende französische Batterie zum Schweigen gebracht worden war. In dem Augenblicke sah einer der Herren durch sein Glas, daß auf dem Festungswalle der Versuch gemacht wurde, eine neue Kanone anstatt der zerschmetterten aufzufahren. Der Oberfeuerwerker sah seinen Hauptmann an, dieser nickte lächelnd, die Officiere legten sich mit ihren Gläsern in die Luken, nach zwei Secunden krachte der Schuß, und Kanone und Bedeckungsmannschaft auf dem jenseitigen Walle kollerten übereinander und verstummten für immer.

Aus dem Labyrinth der im Zickzack die drei Parallelen verbindenden Laufgräben gelangte ich zu den nun berühmt gewordenen Lünetten 53 und 52; beide Werke sind zwei bewaffneten Riesenfäusten vergleichbar, welche von den zwei inneren Hauptwällen aus dem Angreifer entgegengestreckt worden waren. Die Kraft und die Fülle der deutschen Kugeln hatten aber die Steinwehren dieser Vorwerke zu Mehl zerrieben und ihre Bewohner völlig daraus vertrieben. Ein paar Arme voll Sandsäcke in den Canal geworfen, bildeten nebst den Trümmern einer Mine bei Lünette 53 die Brücke; eine Reihe leerer Fässer mit aufgelegten Brettern bei Nr. 52; im Laufschritt hinüber, die Erde durchwühlt, die Angriffsseite umgestülpt gegen die zwei inneren Wälle, eine ganze Reihe von kleinen Mörsern neben- und übereinander hier aufgepflanzt: und am andern Morgen spieen die deutschen Siebenpfünder ihren Eisenhagel den Feinden zu, und über sie weg krachten aus den Batterien der ersten Parallele die brescheschießenden Kugeln.

Eine etwas mühsame Wanderung über die Trümmer der Lünetten brachte mich auf den zweiten Wall, dicht vor das Steinthor, d. h. an die Stelle, welche die Spitze des von den drei hintereinander liegenden Parallelen gebildeten Angriffskeils gewesen war. Beim Zeichnen dieses interessanten Punktes hatte ich eine Masse von Zuschauern mir gegenüber, meistens Rothhosen. Ein Hornsignal rief sie aber bald ab, wenige Zeit nachher erschienen Pickelhauben auf den Wällen und für die seitherigen Vertheidiger derselben hatte nun die schwerste Stunde geschlagen, die der Waffenstreckung.

Roth schien die Sonne durch den immer noch qualmenden Staub, welchen der fast drei Stunden dauernde Zug der Gefangenen aufgewühlt hatte, da kehrte ich noch einmal zurück zu den Laufgräben und ging im ersten derselben bis hinüber nach Königshofen, wo die beiden Riesenmörser standen, die zwei „Oberhochzeitbitter des Herrn v. Werder bei der Jungfrau Straßburg“, wie sie scherzweise in der Batterie genannt wurden. Ich wollte das Conterfei dieser beiden im Skizzenbuch für die Leserwelt der Gartenlaube haben – da sind sie. Die fröhlichen Kanoniere hatten von einem benachbarten, in Trümmer geschossenen Hause eine blaue Tafel mit weißer Schrift herübergeholt und an der Pulver- und Kugelkammer aufgehängt; „Niederlage von Feuerspritzen“ stand deutsch und französisch auf derselben.

Am nächsten Tage gelang es mir, im „rothen Haus“ am Kleberplatz ein hübsch gelegenes Zimmer, allerdings mit zerschmetterten Scheiben, zu bekommen; als ich gegen Abend ein wenig von den außerordentlichen Eindrücken, die ich im Laufe des Tages empfangen, dort ruhen wollte und vor das Fenster trat, winkte die über das Häusermeer aufragende Münsterpyramide, überglänzt vom röthlichen Abendsonnengolde, so einladend zu mir herüber, daß ich sogleich wieder aufsprang und eine Viertelstunde später auf der Plattform der Münsterterrasse stand; noch rosiger und luftiger glänzte aber dort die herrliche Pyramide, ich mußte hinauf und stieg und schraubte mich durch die engen Wendeltreppchen bis zur oberen Krone; dort lag ein besonders hübsch gemeißeltes Stück des rothen Sandsteines, aus welchem die Kirche gehauen ist, und dicht daneben eine halbe deutsche Zwölfpfündergranate. Ueber dem Eisenleiterchen am Thurmschluß angekommen und durch eine Lücke zum Kreuz mich hinausbiegend, erkannte ich sogleich die Herkunft dieser beider Stücke: Ein französischer Officier hatte, scheint es, während der Belagerung die Thurmspitze ebenfalls erstiegen, um hier nach den Arbeiten der Belagerer auszuschauen; er war aber bemerkt worden, eine deutsche Granate nahm den vierhundertfünfunddreißig Fuß hohen Flug und traf so sicher, daß sie die Hälfte des Kreuzstammes durchschlug, an den Querast desselben prallte, das äußerste Ende desselben abschlug und nun ruhig auf der obersten Krone am Fuße des Kreuzsockels liegen blieb. Der Officier mag die Ueberzeugung mit sich genommen haben, daß man auch in den höchsten Regionen jetzt nimmer sicher sei bei Spionierdiensten, welche gegen Deutschland gerichtet sind; ich aber nahm die Granathälfte und das Kreuzstück, sauber in meinen Plaid gewickelt, mit fort, nachdem ich noch oben die Zeichnung der beiden Lünetten und Wälle bei dem Steinthor gemacht, und mit meinem Taschenmesser ein Stück der weißen Uebergabsfahne wegannectirt hatte.

Am dritte Tage nach der Uebergabe hatte Straßburg schon wieder beinahe sein gewöhnliches Ansehen; die Menschenmenge fluthete auf und ab, alle Läden waren offen, nur hin und wieder huschte noch scheu ein französisches Blaßgesicht mit dunkeln Augen und Haaren (selbst Damen [740] zeigen einen bläulichen Anflug auf der Oberlippe) durch die Straßen, den Stammesgenossen rasch ein paar Worte zuflüsternd. Dagegen strömten schaarenweise zu den paar offenen Thoren die „Schlachtenbummler“ herein und füllten die Gasthöfe, Straßen und Plätze. Da schüttelte ich den Belagerungsstaub von den Füßen und schritt frischauf wieder der Heimath zu.

Robert Heck. 


Bitte eines Todten. Auf dem Verbandplatze zwischen St. Marie und St. Privat, dem Schlachtfelde vom 18. August, fand man ein mit Bleistift und mit festen Zügen beschriebenes Briefcouvert. Auf der einen Vorderseite steht:

„Wer Du auch bist, Freund oder Feind, befördere diesen Brief an seine Adresse. Sollte ich meinen Ring noch haben, so sende ihn an die Adresse ‚Fräulein Anna Thielebein‘. Mein Geld im Brodbeutel wird Dich entschädigen. Drum erfülle die letzte Bitte eines Todten.

Julius Zieger.“ 

Auf der Rückseite des Couverts steht dieselbe Bitte in französischer Sprache.

Der Finder und Einsender dieses Couverts, Herr C. Bamberg, stud. math. und derzeit Mitglied der freiwilligen Sanitätscolonne des Grafen Solms-Sonnenwalde, fügt hinzu: „Ich suchte nach dem bezeichneten Briefe, doch ohne Erfolg, der Wind muß diese Papiere auf dem Schlachtfelde verweht haben. Betreten war die Stelle noch nicht von Anderen, denn wir brachten dort etwa sechszig Schwerwundeten die erste Hülfe. Sollten Brief und Ring nicht an die Adresse gelangt sein, so möge den Angehörigen des wackeren Gefallenen wenigstens der Trost nicht entgehen, daß seine Gedanken vor dem Scheiden noch bei den Lieben in der Heimath weilten.“

Das Couvert bewahrt die Redaction der Gartenlaube auf, bis die Angehörigen des Gefallenen gefunden sind und dieses letzte Andenken an einen lieben Todten in Anspruch nehmen.




Die Waisen des Krieges. Aus Linz an der Donau wird die Redaction der „Gartenlaube“ durch einen Brief erfreut, dessen wesentlicher Inhalt hier eine Stelle finden muß, weil er ein Beispiel giebt, welches zur weitesten Nachfolge auffordern sollte. Er lautet:

„Ich bin in guter Stellung, vermögend und glücklich verheirathet, aber unsere Ehe ist kinderlos. Der furchtbare Krieg der Gegenwart macht gewiß recht viele gute arme deutsche Kinder zu unglücklichen Waisen. Möchten Sie mir wohl den Weg angeben, wie ich zu einem solchen verwaisten Kinde kommen kann? Wir wünschten ein Mädchen von protestantischen Eltern und im Alter von einem bis drei Jahren an Kindesstatt anzunehmen und seine Zukunft zu sichern.“

Das ist’s, – ein einfacher Wunsch in so bescheidenen Worten. Aber welche Freuden, welches Glück, welche Seligkeit schließt seine Erfüllung ein! Giebt es etwas Schöneres auf der Welt, als die Entwickelung eines Kindes zu beobachten durch all die Stufen, die Geist und Herz vom ersten Erwachen bis zur Erhebung zum selbstständigen Menschen gehen! Sollte man es für möglich halten, daß es Tausende von vermögenden kinderlosen Gatten giebt, die, und leider meist aus Bequemlichkeit, ihre Zärtlichkeit lieber – einem Hunde als einem armen Kinde zuwenden? Mögen denn „die Waisen des Krieges“ an solche Herzen pochen und in ihnen das Verlangen nach den süßen Aeußerungen kindlicher Liebe und Freude wecken! Wir sind schon heute überzeugt, daß dieses eine Beispiel uns noch viele andere Aufträge desselben Inhalts zuführen wird.

Aber welchen Rath geben wir dem braven Mann in Linz? – Am besten ist’s, das Kindchen, mit dem man sein häusliches Leben schmücken will, mit eigenen Augen zu wählen. Waisenhäuser sind in allen Hauptstädten zu finden. Hätte ich einen solchen Wunsch nöthig, so würde ich jetzt nach Straßburg eilen und dort mir das liebe Wesen suchen, um sein reines Herzchen so deutsch und glücklich zu machen, als nur möglich ist.



Neueste Helenamedaille. Einen Schatten in das sonst so helle Bild unserer Zeit wirft die kindische Hätschelei, welche Personen in Kleidern der sogenannten gebildeteren Gesellschaft sich mit den gefangenen Franzosen auf deutschen Bahnhöfen und auch in den Lazarethen herausnehmen. Oft entspringt solche Ungebühr nur aus der läppischen Lust, sein Bischen Französisch einmal an den Mann zu bringen; schlimmer steht’s damit, wenn sich unpatriotischer Sinn absichtlich in solcher Franzosenverehrung äußert. Uebrigens trägt an solchen Auftritten die rücksichtsvolle Scheu vor energischem Handeln auf Seiten des „Publicums“ die Hauptschuld. Man entferne solche Personen einfach vom Schauplatz ihrer Huldigungen, oder, will der Volkswitz dabei thätig sein, so zeichne er sie durch Anhängen der Helenamedaille aus, deren eigentliche Bedeutung so ist: Der erste Napoleon hat bekanntlich seine meisten Siege nur durch die Deutschen und Polen in seinem Heere, sein vorzüglichstes Kanonenfutter, gewonnen. Am russischen Feldzuge allein nahmen über zweihunderttausend Deutsche Theil. Ebendeshalb entgegnete er damals einem Russen, der die drohenden Verluste in diesem Feldzuge an französischen Menschenleben ihm vorstellte, mit dem Nachweis, daß seine Verluste nicht gar so groß seien, denn, sagt er: „Si vous (die Russen) perdez cinq Russes, je ne perds qu’un Français et quatre cochons.“ Zu Deutsch: „Wenn Ihr fünf Russen verliert, so verliere ich nur einen Franzosen und vier Schweine.“ – So bezeichnete er seine nichtfranzösischen Hülfstruppen, also vor Allen – die Deutschen, und darnach ist die eigentliche Bedeutung der Helenamedaille zu verstehen.



Zwei Preisfragen. Ein Herr Pastor Fr. Haeger in Slate bei Parchim erläßt am 5. October des Jahres – nicht 1770, sondern 1870 – in den „Mecklenburger Anzeigen“ einen Aufruf für Reflectanten auf die Lehrerstelle einer ritterschaftlichen Schule und fügt diesem die Bemerkung hinzu: „Der Gutsherr wird nichts dagegen einzuwenden haben, wenn der Lehrer seine Mußestunden durch Betreibung eines passenden Handwerks ausfüllt.“

Preisfrage: 1) Wer von Beiden leistet in der Entwürdigung des Lehrerstandes und Erniedrigung der Volksbildung das Größere: der Herr Ritter, welcher der deutschen Gegenwart diesen Hohn bietet, oder der Herr Pastor, welcher ihn gut heißt?

Und 2) welche öffentliche Auszeichnung haben Beide sich damit verdient?



Für die Verwundeten und die Frauen und Kinder unserer unbemittelten Wehrleute

gingen ferner ein: Dritter Beitrag der Redaction der Gartenlaube 100 Thlr.; Theilweiser Ertrag eines Kirchenconcerts des Riedel’schen Vereins in Leipzig 200 Thlr.; E. v. Krausch auf Saußen (bei Riga) 100 Thlr.; von fünf Deutschen in Jekaterinodar im Kaukasus 50 Rubel S.; Arthur Steiger in Birsula (bei Odessa) mit einer liebenswürdigen begeisterten Zuschrift 50 Rubel S.; Geh. Hofrath und Ritter Dr. v. Hartmann in Teofilpol 50 Rubel S.; von einem Russisch-Deutschen in Knaginin 10 Rubel S.; Hattendorff in Kertsch (Asow’sches Meer) 5 Rubel S.; Dr. Schulten in Gau-Odernheim (Rheinhessen) 100 fl. rh.; Schick in N. 5 Thlr.; F. M. „Zur Erinnerung an die Bekanntschaft eines liebenswürdigen Mädchens“ 5 Thlr.; Akademischer Scatabend in Düben 1 Thlr.; Malwine H. in Petersburg 3 Thlr.; Montagsgesellschaft in Regis 10 Thlr.; Fr. in Stz. 5 Thlr.; von einigen deutschen Landsleuten in Wasquehal, Lille und Roubaix 38 Thlr. 4 Ngr.; R. in Z. 1 Thlr.; Fortanier in Ploen 2 Thlr.; A. Schönfelder in Zawodrie 1 Thlr.; Gesellschaft „Gemüthlichkeit“ in Brüssel 30 Thlr.; Collectirt bei einer Hochzeit durch C. R. 2 Thlr.; elfte und zwölfte Sammlung des Personals von Schelter und Giesecke 52 Thlr. 10 Ngr.; F. B. und O. R. W., dritter monatlicher Beitrag 2 Thlr.; Frühstück am 2. October bei Kaltschmidt: für die Locke eines blonden Jünglings 5 Thlr. und für andere Kleinigkeiten 2 Thlr.; Ertrag eines in Saupsdorf vom Gesangverein veranstalteten Concerts, durch J. G. Hencke 17 Thlr.; achte und neunte Sammlung der Klinkhardt’schen Druckerei 12 Thlr. 21 Ngr.; B. M. in Holland 1 Thlr.; zehnter und zwölfter Wochenbeitrag der Drugulin’schen Druckerei 5 Thlr.; Kinder de Camerecq in Arnheim 11 Thlr. 15 Ngr.; Turnverein in Markneukirchen 10 Thlr.; Colporteur Friedrich in Grünhain, Reinertrag verkaufter Kriegslieder 3 Thlr. 12½ Ngr.; von den vereinigten technischen Lehranstalten in Chemnitz, durch J. Schneider 60 Thlr.

Aus Eisenach gingen uns unterm 6. October 8 Thlr. ohne Bezeichnung des Zweckes zu. Auch für unsere Sammlung??


Aus Oesterreich an weiteren Gaben: Familie Tetzner in Görkau und Marienthal 60 fl.; Fritz und Friedrich in Eperies (Ungarn) 10 fl.; Johannes Götzger in Wien 10 fl.; zweite Sendung aus Bistritz in Siebenbürgen 334 fl., 1 Napoleond’or und 1 Duc.; abermals durch Dr. A. Dürrnberger in Linz 173 Thlr. 11 Ngr.; Heinrich, Carl und Adolph in Reichenberg nach einer heitern Stunde in ernster Stimmung 10 fl.; Ernst Pfeilsticher in Arad 25 fl.; zweite Sendung der drei ehemaligen Studenten der Universität Leipzig aus dem Repser Kirchenbezirk in Siebenbürgen 24 fl.; die sächsischen Studenten Augsb. Conf. in Schäßburg 40 fl.; von einer deutschen Frau in Prag, Wirthschaftsersparnisse, 5 fl.; Sammlung unter den deutschen Bürgern von Großschenk 37 fl., mit dem Motto: „Vergleiche Deine Lage mit der Lage der durch den Krieg Verunglückten, so wirst Du fühlen, wie wenig Du durch die Gabe entbehrst, welche Du ihnen darreichst“; ein junges Mädchen aus Oesterreichisch-Schlesien 1 Thlr.; von zwei Fritzen aus Siebenbürgen 10 fl.; Ertrag eines von dem Männergesang- und Turnverein in Marburg (Steiermark) veranstalteten Concerts 587 fl.; Sendung durch Herrn J. Gött, Redacteur der Kronstädter Zeitung 700 fl., 1 Napoleond’or und 1 Kronenthaler, und zwar vom Lesekränzchen einiger deutschen protestantischen Frauen 27 fl., von der Neustädter Partie 46 fl., J. Orendi 4 fl., von den sächsischen evangelischen Lehrern 46 fl., von den evangelischen Schülern: 1. Untergymasialclasse 6 fl. 42 kr., 4. Untergymmasialclasse 4 fl., 2. Realclasse 10 fl. 71 kr., 3. Gymnasialclasse 4 fl., 1. Realclasse 10 fl. 85 kr., 3. Gymnasialclasse 4 fl. 55 kr., 4. Volksschule, Hauptclasse 5 fl. 12 kr., 2. Volksschule 5 fl. 64 kr., 2. Untergymasialclasse 1 fl., 4. Volksschule, Parallelclasse 6 fl. 84 kr., 3. Realclasse 3 fl. 27 kr., von den Studirenden des evangel. Gymnasiums 10 fl. 54 kr., von den zwei Vorlesungen der Gymnasiallehrer Neugeboren und Korodi 20 fl. 77 kr., vom Kronstädter Männergesangverein unter unentgeltlicher Mitwirkung der städtischen Capelle veranstaltete Concerte 161 fl. 62 kr., vom Kronstädter sächsischen Turnverein 100 fl., von den deutschen Bürgern der Marktgemeinde Rosenau 65 fl. 31 kr., Joseph Trausch, Magistrats-Secretär 10 fl., königl. Rath v. Pleckersfeld 5 fl., Dr. Karl v. Greißing 4 fl., Michael Scherz, Tuchmacher 5 fl., Karl Lamberger, Riemer 2 fl., Schreiber, Wollspeculant 2 fl., von zwei Schwestern, Kl. S. und Ad. S. 4 fl., August Schwarz, Sparcassenverwalter 5 fl., Stadtprediger Karl Fischer 3 fl., Franz Schmidt 4 fl., Daniel Gräf 2 fl., Anton Hedwig 60 kr., Theresia Litsken 1 Kronenthaler, P. D. 1 fl., Johann Sander 1 fl., Adolph Riemer, Senator 5 fl.

Die Redaction. 

Größere Geschäfte gehen bereits mit dem trefflichen Beispiele vor, Wochensammlungen zu veranstalten. Mag der Beitrag des einzelnen Arbeiters noch so gering sein, die Masse erzielt immer etwas, und die Bestimmtheit solcher Einnahmen verleiht ihnen doppelten Werth. Sollten nicht Vorsteher, Directoren, Factoren solcher Geschäfte durch ganz Deutschland es sich zur Ehrenpflicht machen, derlei Wochensammlungen einzuführen? Die Arbeiter werden nirgends dagegen sein, ja, sie werden’s ihnen danken, eine solche Bethätigung der Vaterlandsliebe ihnen ermöglicht zu haben und die Gartenlaube wird stets dankbar quittiren.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Orief