Die Gartenlaube (1869)/Heft 31
[481]
No. 31. | 1869. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen.
Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
„Das deutsche Volk soll seinen Humboldt feiern, wie es seinen Schiller gefeiert hat!“ – so lautet die Mahnung von Volksmännern und Patrioten dies- und jenseits des Oceans.
Wenn zu einer solchen Feier nur Diejenigen berufen sein sollten, welche es dem Glück ihrer Erziehung und Bildung verdanken, daß sie den großen Naturforscher, Schriftsteller und Mann vollkommen zu würdigen vermögen, weil sie am Geist seiner Werke den ihren erheben konnten: so würde die Zahl der berechtigten Festbegeher freilich unter den Millionen des deutschen Volks eine beschämend kleine sein. Denn gehören nicht zu diesem deutschen Volke auch jene Millionen, welche hier in der Dorf-, dort in der städtischen Volksschule nicht weniger deutscher Länder so verwahrlost geblieben sind in derjenigen Kunde, welche jedem Menschen die nächste sein sollte, in der Naturkunde, daß ihnen während ihrer ganzen Schulzeit vielleicht niemals der Name „Humboldt“ zu Ohren gekommen? Und zählen nach Millionen nicht auch Diejenigen, welche später bei aller Lern- und Strebelust gezwungen waren in der harten Arbeit und Sorge für den Leib den Geist so darben zu lassen, daß für sie „Humboldt“ noch heute nicht mehr ist, als eines Namens Klang? –
Aber gerade um dieser Millionen willen dürfen die anderen, alle an Humboldt’s Geist Erstarkten und Erhobenen, nicht ruhen und rasten, durch Rede, Lehre und Schrift in allem Volke mit dem Namen Humboldt den Gedanken der Befreiung von Unwissenheit, Aberglauben und jener geistigen Beschränktheit zu verbinden, welche die stärkste Quelle ewiger Niedrigkeit und Armuth ist. Es gilt, den Kampf aufzunehmen und zu einem allgemeinen zu machen gegen alle jene Hunderttausende von Frömmlingen, Blind- und Starrgläubigen, von Herrschsüchtigen um jeden Preis, von Leuten der Regulative und Encykliken, welche Alle in den Naturwissenschaften ihre Todfeinde wittern und vor Humboldt, als vor dem Obersten derselben, wie vor ihrem leibhaftigen Teufel schaudern!
Das sei uns übergenug der dringendsten Veranlassung, diese Humboldt-Feier durchzusetzen, nur das verleiht ihr eine Bedeutung höchsten Ranges, einer neuen reformatorischen, einer wahrhaft erlösenden That!
Ja, tretet zur großen Humboldtfeier zusammen, deutsche Väter und Mütter, überall, aber mit dem festen Entschluß, für Eure Kinder Das zu erringen, was dem ganzen Volke Noth thut: den naturwissenschaftlichen Volksunterricht bis zur letzten Dorfschule hinab! Denn mit den Naturwissenschaften zieht ein frischerer, gesunderer Geist in die Schulen ein und dringt einst aus der Schule in das Leben der Familie, der Gemeinde und des Staats.
Feiert Humboldt, wie Ihr Schiller gefeiert habt, mit allem Stolz einer nationalen Ehre; aber laßt es nicht bei Festrede und Festmahl, auch nicht bei einem Humboldt-Monument und nicht bei einer Humboldt-Stiftung bewenden: benutzt das der Erinnerung an den großen Mann geweihte Fest selbst, um die Hand zu erheben zu der That: Humboldt als Schüler nicht weniger zuzuführen als das ganze deutsche Volk! Legt Hand an’s Werk durch Aufstellung und Unterzeichnung von Petitionen und Adressen an Reichs- und Landtage, durch Gründung von Volksschul- und von Humboldt-Vereinen, durch Unterstützung der freisinnigen Schulpresse und durch strenge Auswahl künftiger Volksvertreter in dieser Richtung – und arbeite Jeder nach seinen Kräften im Haus der Schule vor, so muß Eltern- und Kindesliebe im Verein mit der Vaterlands- und Freiheitsliebe das Ziel erreichen und sein Segen sich erfüllen!
Schon in wenigen Jahren, bei beharrlichem und furchtlosem Streben, werden die Blicke von Alt und Jung sich erweitern nach den Höhen und in die Tiefen! Blume und Stein am Wege, der Sturm der Lüfte, die Sterne des Himmels, Alles, dem Auge jetzt noch gleichgültig oder fremd, oder etwas Getrenntes, gewinnt plötzlich Leben und tritt uns als durch gemeinsame Gesetze im Universum Verbundenes entgegen, wenn wir’s an Humboldt’s Hand aufsuchen und betrachten; ja, wir erkennen, wenn es uns erst vergönnt war, bis zum Verständniß des reichsten Buchs der Gegenwart, der Schatzkammer der Gesammtwissenschaft der Natur, seines „Kosmos“, vorgedrungen zu sein, mit dem Gefühle beseligenden Glücks in den Naturwissenschaften eine feste, reine Grundlage sittlicher Bildung und den stärksten Hebel geistiger Befreiung des Volks! Denn dies Volk wird vor Allem den allwaltenden Gesetzen der Natur lauschen, und es wird mit Entsetzen, aber auch mit männlichen Entschlüssen gewahren, was Alles in den Gesetzen der Natur, die Gott uns zum Muster gegeben für unsere Einrichtungen, so ganz anders steht, als in denen der Menschen! –
Diese Erkenntniß, durch Humboldt geweckt, erhebt ihn in des deutschen Volkes Geist zur Höhe eines Weltreformators, welcher, abermals durch unsere Nation, die Menschheit eine Stufe näher zu dem dereinstigen freien Menschenthum hinanführt.
Und so mögen die Deutschen aller Welt neben dem zehnten November 1859 auch den vierzehnten September 1869 zum großen Nationalfesttag erheben, – der Gegenwart zur Mahnung und der Zukunft zum Heil!
Leipzig, im Juli 1869. Die Redaction der „Gartenlaube“.
[482]
Von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)
Das tageshell erleuchtete Vestibüle war leer. Die Dienerschaft war im Tanzsaal beschäftigt, aus welchem die rauschende Ballmusik herniederscholl. … Gisela schlüpfte ungesehen in’s Freie. Die kleinen Kiesel zu ihren Füßen funkelten in dem Lichtstrom, der droben durch die Scheiben quoll und die Fensterkreuze in riesigen Formen über den Kiesplatz warf.
Rasch über den weiten hellen Platz eilend, bog die junge Dame in die nächste Allee ein – aber auch sofort fuhr sie mit einem lauten Aufschrei zurück – eine Gestalt trat hinter dem ersten Baum hervor.
„Ich bin es, Gräfin,“ sagte der Portugiese in tiefen, bebenden Lauten.
Gisela, die angstvoll nach dem Schlosse zu geflohen war, kehrte sofort zurück, während der Portugiese den Schatten der Allee verließ und heraus auf den Kiesplatz trat.
Das blendende Kerzenlicht der Kronleuchter floß hernieder über sein unbedecktes Haupt und ließ jeden Zug des schönen Gesichts scharf hervortreten – auf der Stirne lag der rothe Streifen, die Augen aber brannten in freudiger Ueberraschung und unverhohlener Gluth.
„Ich habe hier gewartet, um Sie in den Wagen steigen zu sehen,“ sagte er – es klang, als werde diese gedämpfte Stimme erstickt durch das stürmische Klopfen des Herzens.
„Das Pfarrhaus ist nicht weit – bis dahin brauche ich keinen Wagen, und einer Bittenden ziemt es auch, zu Fuße zu kommen,“ versetzte das junge Mädchen sanft, fast demüthig. „Ich habe gebrochen mit der Sphäre, in der ich geboren und erzogen bin – ich lasse Alles dort zurück,“ – sie deutete nach dem Schlosse – „was noch vor wenigen Tagen mit dem Namen der Gräfin Sturm identisch war: die gestohlene Erbschaft, den Geburtshochmuth und alle jene sogenannten Vorrechte, welche eine egoistische Kaste an sich gerissen hat. … O mein Herr, ich habe einen schaudernden Blick gethan in jene Sphäre, die sich durch Mauern und Wälle hochmüthig isolirt von der übrigen Menschheit! Ich bin bis dahin der kindischen Meinung gewesen, diese Mauern seien da, um das Reine vom Unreinen, die Tugend vom Verbrechen zu scheiden, und nun sehe ich, daß das Verbrechen draußen unter den Verachteten nicht heimischer sein kann, als hinter diesen Mauern – ich mußte mich noch vor wenigen Augenblicken überzeugen, daß man, statt den Adel doppelt dafür zu strafen, weil er nicht adelig ist, selbst wieder zum Betrug greift, um die Flecken der Ehrlosigkeit vor dem richtenden Auge der Welt zu verdecken. … Ich flüchte zu den Menschen, die wahrhaft Menschen sind – ich suche ein Asyl im Pfarrhause.“
„Darf ich Sie hinüberführen?“ fragte er mit verschleierter Stimme.
Sie streckte ihm ohne Zögern die Rechte entgegen.
„Ja – an Ihrer Hand will ich in das neue Leben eintreten,“ sagte sie mit einem strahlenden Lächeln.
Da stand er, genau wie am Abgrund der Steinbrüche. Er hob die Hand nicht, und der rothe Streifen, der erloschen war, flammte auf’s Neue über die Stirne hin.
„Gräfin, ich erinnere Sie an einen dunklen Moment in Ihrer Kindheit, an jene Mißhandlung, infolge deren Sie krank und elend und um alles Glück der Kinderjahre betrogen wurden,“ sagte er dumpf. „War es nicht dort“ – er zeigte nach einer Stelle des Kiesplatzes, welche von dem aus dem Vestibüle strömenden Lichtquell förmlich überschüttet wurde – „wo der Grausame, der Jähzornige, den armen, kleinen Kindeskörper unbarmherzig schüttelte und von sich stieß?“
Gisela’s bleiche Wangen wurden noch weißer.
„Mein Herr, ich habe Ihnen gesagt, daß diese Erinnerung begraben sei mit –“
„Mit ihm, mit jenem Unglücklichen, der noch in derselben Nacht umgekommen ist, nicht wahr, Gräfin? unterbrach er sie. „Er ist nicht ertrunken – sein Bruder rettete ihn, um unmittelbar darauf selbst in den Wellen unterzugehen!“ – Jetzt hob er langsam seine Rechte. – „Das ist die Hand, die Sie gemißhandelt hat, Gräfin Sturm! Ich bin jener Berthold Ehrhardt, jener muthmaßliche Brandstifter, der vermessene Demokrat, der Seiner Excellenz so schlimme Dinge gesagt' –“
Er hielt inne und stand vor ihr, athemlos, mit gesenkter Stirne, als erwarte er einen Richterspruch, der ihn zu Boden schmettern müsse.
„Mein Herr,“ sagte das junge Mädchen tieferschüttert – nie wohl hatte die süße Stimme so hold tröstend und seelenvoll geklungen – „Sie haben mir neulich selbst gesagt: ,Wer weiß, vielleicht litt seine Seele tausend Schmerzen!’ Und der Fürst machte Ihnen vorhin den Vorwurf, Sie haßten den Adel – Sie haben damals jedenfalls traurigen Grund genug gehabt, eine Vertreterin der verhaßten Kaste – wenn auch wohl in jenem Augenblick die unschuldigste – von sich zu stoßen.“
„Darf ich Ihnen den Grund mittheilen?“ fragte er aufathmend.
Sie neigte bejahend das Haupt, und Beide traten in die dunkle Allee zurück. Und er erzählte ihr mit schmerzlich vibrirender Stimme die Leidensgeschichte seines ertrunkenen Bruders und schilderte den namenlosen Jammer, mit welchem er an der Seite des schmählich Verrathenen durch das Schloß und diese Alleen geschritten. Er zeigte dem lautlos schweigenden Mädchen den hoch in die dunklen Lüfte hineinragenden Felsenvorsprung, auf welchem einst das edelste Herz seinen letzten furchtbaren Kampf durchgerungen … die Nacht war sternenklar geworden – die gewaltigen Umrisse der weißen, nackten Felsenbrust dämmerten durch das Dunkel, und hoch über ihr funkelten die Millionen Silberflitter, mit denen die Nacht ihre Schleppe bestreut. … Und er erzählte weiter, wie er flüchtig geworden, den heißen Rachedurst im Herzen wie er aber auch in rastloser Thätigkeit Schätze um Schätze aufgespeichert habe, um seinem vergötterten Bruder ein würdiges Denkmal setzen zu können – ein Denkmal, bestehend im Ankauf des vernachlässigten Hüttenwerkes und in der Schöpfung der Neuenfelder Colonie, wie sie jetzt bestehe. … Und während er sprach, bald in leidenschaftlich aufbrausenden Tönen, bald mit dem halbverbissenen Ausdruck unsäglicher, jahrelang getragener und verschwiegener Leiden, schmetterten die Jubelaccorde aus dem Ballsaale herüber, und auf der seitwärts sich hinstreckenden, halbbeleuchteten Rasenfläche kreisten und jagten die Schatten der tanzenden Paare. … Drüben aber zwischen den dämmernden Bosquets sprangen die Fontainen, geisterhaft angestrahlt von dem Feenglanz der Säle – und wenn die gellenden Trompeten für einen Moment schwiegen, da flüsterten und murmelten sie in die Erzählung hinein, als wüßten sie noch, wie jener tiefernste Mann mit der vom Tod bezeichneten Stirne zum letzten Mal an ihnen vorübergeschritten.
Und als der tieferregte Mann endlich schwieg, da nahmen zwei weiche, kleine Hände seine herunterhängende Rechte und hielten sie mit schüchternem Drucke fest.
„Gräfin, Sie verabscheuen diese Hand nicht?“
„Nein – wie könnte ich?“ stammelte sie mit halbgebrochener Stimme. „Trösten und beruhigen möchte ich Sie mit aller Ueberzeugungskraft, die einer menschlichen Stimme möglich ist –“
Er hielt ihre Hände fest und zog das Mädchen stürmisch hinaus auf den Rasenplatz – der Kerzenschein fiel hell auf ihr Gesicht und ließ die halbverhaltenen Thränen in den braunen Augen funkeln.
„Erinnern Sie sich der Worte, die Sie mir heute nachgerufen, als ich meinte, für immer von Ihnen zu gehen,“ stieß er in namenloser Aufregung hervor und preßte die schlanken bebenden Hände an seine Brust.
Sie schwieg und strebte mit tiefgesenktem Kopf, ihre Hände frei zu machen – sie wollte offenbar das von flammender Röche übergossene Antlitz hinter ihnen verbergen.
„,Ich will mit Ihnen sterben, wenn es sein muß!’“ – flüsterte er ihr in’s Ohr. – „War es nicht so? … Gisela, dieser Ruf galt dem Portugiesen mit dem hochtönenden Namen – der aber ist versunken für immer in dem Augenblick, wo sich seine Mission erfüllt hat“ – seine Stimme wurde klanglos, denn [483] das Mädchen hatte jetzt, heftig den Kopf schüttelnd, in der That die Hände losgerungen – „vor Ihnen steht der schlichte Deutsche mit dem einfachen Namen, den er nie wieder ablegen wird –“
„Und zu ihm sage ich“ – unterbrach sie ihn mit fester Stimme und hob die Augen voll unsäglicher Liebe zu ihm empor – „nicht sterben will ich, Berthold Ehrhardt; aber leben, leben will ich – für Sie!“
Noch hielt der Mann an sich.
„Wissen Sie auch, was Sie da aussprechen, Gisela? … Nein, Sie können es unmöglich in seinem ganzen Umfang begreifen, denn Sie sind zu unerfahren in Welt und Leben! Ich will es Ihnen sagen. … Sie geben mir mit diesen wenigen Worten das Recht, Sie einst in Wirklichkeit als mein ausschließliches Eigenthum für Zeit und Ewigkeit in mein einsames Haus tragen zu dürfen. … Und ich darf dabei eine meiner Schwächen nicht verhehlen – ich würde Sie unerbittlich festhalten in dieser Einsamkeit, aus Furcht, es könnte ein fremder Blick auf Sie fallen. … Ich weiß es, ich würde ein grausamer Egoist sein, ich würde von Ihnen verlangen, nur für mich zu leben – ich würde nicht eines dieser goldenen Haare von fremder Hand berühren lassen – ich würde jeden Ihrer Pulsschläge mit eifersüchtigem Auge bewachen. … Und für Alles, was Sie zu ertragen hätten, bliebe Ihnen kein anderer Ersatz, als das Bewußtsein, einem einzigen leidenschaftlichen Herzen das Paradies auf Erden zu erschließen, einem Manne –“
„Dem einzigen Manne, den ich liebe,“ fiel sie ihm mit glückseligem Lächeln in’s Wort. „Hörten Sie nicht, wie ich dem Fürsten erklärte, daß mir mein Lebensweg bereits klar und bestimmt vorgezeichnet sei? Es ist der Weg, den ich einzig und allein an Ihrer starken Hand gehen will. … Schließen Sie mich ein in die Einsamkeit – ich weiß nur ein Glück, das ich mir wünsche: Sie zu trösten und durch meine Liebe und Hingebung mit Ihrer traurigen Vergangenheit zu versöhnen. … Nehmen Sie mich hin – ich bin Ihr Eigenthum!“
Und er hatte sie bereits hingenommen. Er hielt sie mit dem rechten Arm umschlungen und drückte mit der zitternden linken Hand ihr Köpfchen an seine breite, gewaltige Brust, in leidenschaftlicher Gluth, aber doch sanft und sacht, wie man ein zartes, zerbrechliches Vögelchen liebkost.
„Ich gehe mit Ihnen, wohin Sie wollen,“ flüsterte sie, während die heißen, zuckenden Lippen, die sie schon einmal auf der Hand gefühlt, die leuchtende Mädchenstirn berührten. „Ich gehe mit Ihnen auch dahin, wo Sie mit dem Tiger kämpfen –“
„Nein, nein!“ ,stammelte er. „Wie möchte ich meine weiße Blume, meine zarte, schlanke Birke, dem kühlen, deutschen Wald entreißen? … Ach, Gisela, Du bist unwiderruflich mein!“ rief er in ausbrechendem Jubel. – „Und nun sollen auch nicht einmal Deine kleinen Füße den Boden mehr berühren, dem ich Dich für immer entführe!“
Er hob sie plötzlich mit gewaltigen Armen empor, drückte sie fest an seine heftig athmende Brust und stürmte mit ihr durch die Alleen zum Schloßthor hinaus, dessen Flügel schmetternd hinter ihnen wieder zusammenfielen.
Bald darauf stand Gisela allein an der Thür des Pfarrhauses, während der Portugiese seitwärts verharrte und das Mädchen mit seinem Auge behütete, bis es Einlaß gefunden.
Es war bereits späte Nachtzeit; aber im Wohnzimmer der Pfarre brannte noch Licht. Gisela klopfte, und fast unmittelbar darauf wurde die Hausthür geöffnet. Die junge Dame winkte noch einmal mit der Hand in das Dunkel zurück, dann trat sie in hie Hausflur und stand vor der Pfarrerin, die, eine Lampe in der Hand, wie versteinert in das Gesicht des späten Gastes blickte.
„Frau Pfarrerin,“ sagte die junge Gräfin sanft bittend, und ergriff die Hand der Frau, „Sie haben auf der Waldwiese von der Liebe gesprochen, die das Christenthum zu allererst predige – an diese Liebe wende ich mich und bitte Sie inständigst um ein Asyl in Ihrem Hause.“
Die Pfarrerin setzte die Lampe rasch auf einen niedrigen Schrank, der in der Hausflur stand, nahm beide Hände des jungen Mädchens zwischen die ihrigen und sah ihr mit ihrem scharfen, klugen Blick tief in die Augen.
„Das soll Ihnen werden, liebe Gräfin,“ sagte sie ernst und kräftig betheuernd. „Sie sollen in meinem Haus und in meinem Herzen einen Platz finden wie mein eigen Kind. … Aber was muß geschehen sein, daß –“
„Es ist schweres Unrecht geschehen, Frau Pfarrerin,“ unterbrach sie Gisela. „Lang verschwiegene Sünden und Verbrechen sind an das Tageslicht gekommen … ich weiß jetzt, daß ich während meines ganzen jungen Lebens mit beiden Füßen auf einem Abgrund voll Verderbniß und heimtückischer Anschläge gestanden habe. … Ich will reine Luft athmen, ich will das Schlimme, das mir noch anhaftet aus meinem bisherigen Leben, hier abstreifen – Sie haben ein großes Herz voll warmer, mütterlicher Liebe und einen starken, furchtlosen Geist – ich weiß es und habe Sie lieb gehabt, seit ich Sie so muthig vor dem Minister stehen sah. … Sie sollen mich belehren und leiten und vorbereiten zu einem hohen, heiligen Beruf. … Muß ich Ihnen erst alle die schauerlichen Entdeckungen mittheilen, um deren willen ich das weiße Schloß verlassen habe, um es nie wieder zu betreten?“
„Ach was, liebe Gräfin, das brauche ich nicht zu wissen, müßte auch lügen, wenn ich sagen wollte, ich guckte gern hinter die Ränke und Schwänke der hohen Herren – man kömmt selten mit heiler Haut und Seele wieder davon. … Mir genügt, daß Sie Schutz in meinem Hause suchen. … Armes Kindchen, es muß schon hageldick gekommen sein, um solch’ ein unschuldiges Gemüth aus seiner Harmlosigkeit aufzurütteln! …Und nun kommen Sie“ – sie schlang ihren Arm um Gisela’s Schultern, während der Humor aus ihren klaren, blauen Augen sprühte – „freilich habe ich ein großes mütterliches Herz; stecken doch acht liebe Blondköpfe drin, und wo die hausen, da findet sich auch ein trauliches Plätzchen für Sie. … Macht die Thür weit auf, ihr Mädchen!“ rief sie mit strahlendem Gesicht nach der Wohnstube hinüber, wo die Thür ein wenig klaffte und hie und da ein neugierig herauslauschendes Näschen und ein blonder Scheitel sichtbar wurden. – „Es ist so Etwas wie das Christkindchen über Nacht in unser Haus gekommen … ihr habt es immer schon von ferne gern gehabt, nun dürft ihr’s euch auch in der Nähe besehen!“
Die Thür wurde weit zurückgeschlagen – an der Schwelle standen schüchtern und verschämt drei Mädchengestalten – aus den „kleinen wilden Panduren“ waren schöne, kräftige Blondinen geworden.
„Das ist meine Aelteste,“ sagte die Pfarrerin nicht ohne mütterlichen Stolz und deutete auf die mittlere der drei Gestalten, ein hochgewachsenes Mädchen mit ernsten, nachdenklichen Zügen. „Dem Vater seine kleine Gelehrte, sein Famulus bei seinen astronomischen Studien – sie hat viel lernen müssen, weit mehr als diese zwei wilden Hummeln da, und hat auch einen hohen, heiligen Beruf vor sich – sie wird Vorsteherin und Pflegerin im Neuenfelder Erziehungshause – gelt, meine Alte?“ Sie strich über das dicke, schlicht zurückgeschlagene Haar der Tochter, und diese ergriff die liebkosende mütterliche Hand und küßte sie.
„Und das sind unsere zwei Hauskobolde,“ fuhr die Pfarrerin fort, die beiden Mädchen vorstellend, die zu Seiten der älteren Schwester standen, wie die strotzenden Knospen um die voll aufblühende Rose. „Sie haben nichts als Schnurren und Schnaken im Kopf, finden des Lachens und Kicherns kein Ende, und wenn ich’s litte, da spielten sie am liebsten noch mit der Puppe.“
Die Mädchen lachten lustig auf, während aus den Augen der Pfarrerin die Mutterlust strahlte.
„Wollt Ihr meine Schwestern sein?“ fragte Gisela und bot ihnen die Hand.
Ein schüchternes „Ja“ kam von allen Lippen, aber der Händedruck wurde herzlich erwidert.
„Und nun hurtig, hurtig, macht das Eckstübchen zurecht!“ gebot die Mutter.
Die Mädchen ergriffen einen Schlüsselbund und flogen zur Thür hinaus.
„Sie sind heute außer Rand und Band,“ lachte die Pfarrerin. „Da sehen Sie – morgen giebt es eine Ueberraschung; mein Mann feiert seinen zweiundfünfzigsten Geburtstag; deshalb sind wir, ganz gegen die strenge Hausordnung, auch noch nicht zu Bett.“
Nahe an einem der Fenster stand ein weißgedeckter Tisch; er war mit Guirlanden besteckt; auf seiner Platte lag inmitten verschiedener [484] gestickter und gehäkelter Kleinigkeiten ein sehr werthvolles astronomisches Werk.
„Das haben meine Mädchen mit Handarbeiten verdient,“ sagte die Pfarrerin, auf die Bücher zeigend. „Und die hat unser Wildfang, das Röschen, mit seinen kleinen widerspenstigen Fingern gestrickt,“ fügte sie laut auflachend hinzu und ließ ein Paar großer derber Strümpfe in der Luft baumeln. „Das hat manche heiße Stunde gekostet; aber nun ist sie glückselig, und selbst in ihr Gebet heute Abend schlichen sich die glücklich fertig gebrachten ,himmellangen’ Strümpfe ein.“
Sie öffnete geräuschlos eine Thür und ließ das Lampenlicht in den dunklen Raum fallen.
„Da liegt mein Nesthäkchen,“ flüsterte sie – wie bebte und schmolz diese kräftige Stimme in weicher Zärtlichkeit! – „Was nur das kleine Ding morgen sagen wird, wenn sie ihre liebe Gräfin im Pfarrhause sieht!“ meinte sie leise in sich hineinlachend.
Das blonde Köpfchen des Kindes ruhte im süßen, tiefen Schlaf auf dem Kissen, und die langen Zöpfe fielen über den Bettrand hinab.
Eine himmlische Ruhe überkam das junge Mädchen in diesem Hause. … Eben noch mit Grausen in den plötzlich geöffneten Abgrund der Verworfenheit blickend, über den sie blinden Auges so lange hingewandelt war, erschien ihr diese Häuslichkeit wie ein Tempel, ruhend, auf den Säulen wahrer Tugend und durchweht von echt gottseligem Frieden.
Und die stattliche, kräftige Frau, die da neben ihr stand, dieses Bild der Standhaftigkeit und unerschrockenen Gesinnungstreue, mit wie viel feinem Tact versuchte sie die sichtbare Aufregung der Geflüchteten zu dämpfen, sie abzuziehen von den Ereignissen, die sie fortgetrieben aus dem sogenannten Vaterhause, indem sie sie in die harmlosen Freuden ihrer Häuslichkeit ohne Weiteres einführte! … Es fiel ihr nicht ein, sich zu fragen: was werden die „hohen Herren“ dazu meinen, daß du Eine ihres Gleichen in ihrer Abtrünnigkeit bestärkst? Wird dir der Schutz, den du ihr gewährst, nicht theuer zu stehen kommen? Sie wollte im Augenblick nicht einmal wissen, zu welch’ hohem und heiligem Beruf sie die junge Gräfin vorbereiten solle – das mußte sich ja Alles finden! Sie forschte nicht, sie fragte nicht, sie wollte nur Eins für’s Erste: beruhigen und das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigen.
Welches Gottvertrauen aber, welche moralische Stärke mußte der ganzen Familie innewohnen! … Binnen Kurzem sollte sie aus diesem Hause vertrieben werden – es war ein tiefschmerzliches Ereigniß, das sie betroffen, und doch hatte es das glückliche Zusammenleben nicht zu stören, die harmlosen Familienfreuden nicht zu verscheuchen vermocht.
Nach zwölf Jahren zum ersten Mal wieder stieg Gisela an der Hand der Pfarrerin die Treppe hinauf, welche die stolze Jutta von Zweiflingen an jenem verhängnißvollen Weihnachtsabend auf Nimmerwiederkehr hinabgeschritten war. … Das junge Mädchen hatte noch eine dunkle Erinnerung von jenem Vorfall; sie erkannte auch den großen Vorsaal wieder, der damals so naß gewesen war, und wo ihr die großen, harten Sandbrocken um die ängstlich ausweichenden, feinbeschuhten Füßchen gekollert waren.
Und da that sich das Eckstübchen mit seinen zwei Fenstern und dem lustig trommelnden Windöfchen vor ihr auf! – Das Eckstübchen, das Frau von Herbeck einen unwürdigen Kerker für „die herrliche Jutta“ genannt, und in welchem die stolze Zweiflingen den ersten Träumen des Verrathes und der Treulosigkeit sich hingegeben hatte …
Die prachtvollen Palissander-Möbel mit dem aprikosenfarbenen Seidendamastbezug standen freilich nicht mehr an den Wänden, und das Mädchenportrait im weißen Atlasgewande mit dem Granatblüthenstrauß im Haar hing jetzt im Ministerhôtel zu A. und beschloß neben dem Bild des letzten, schönen, unglücklichen Zweiflingen die lange, stolze Ahnenreihe der schönen Excellenz.
Dafür sahen nun die kräftigen Züge Luther’s von der helltapezirten Wand des Stübchens nieder, und wenn auch nur wenige altmodische Möbel umherstanden, so waren sie doch sauber und einladend. Auf Tisch und Commode lagen Servietten und bunte Decken, und das Bett in der Ecke, so ein echtes, hochaufschwellendes thüringer Pfarrhaus-Bett, leuchtete in blendender Frische.
Gisela trat an eines der Eckfenster und öffnete es, während die Pfarrerin noch einmal hinausging. … Die wonnig-laue Nachtluft zog herein und flüsterte in dem Laub des Birnbaumes, der mit seinem längsten Ast an die Scheiben klopfte.
Mit dem Nachtwind flogen einzelne verlorene Trompetenstöße herüber – dort drüben tanzten sie noch und wußten nicht, daß unter ihren Füßen ein Pulverfaß lag, daß mit jeder Secunde der Funke näher heranflog, der jählings die ganze stolze und jubelnde Herrlichkeit zerstörend in die Lüfte schleudern würde.
Das junge Mädchen bog sich weit hinaus und sah nach der dunklen, bergaufsteigenden Masse, deren gewaltige, kühngeschwungene Contouren sich dämmernd vom strahlenden Nachthimmel abhoben – es war das Stück Bergwald, welches das altersgraue, grünumsponnene Waldhaus in sich einschloß.
Der majestätische Mann, an dessen Herzen sie geruht, hatte ihr beim Scheiden zugeflüstert, er werde sein Haus heute Nacht nicht mehr betreten – es sei zu eng für sein Glück. Er wolle auf der Wiese vor dem Waldhause auf- und abwandeln, und die Fontaine solle ihm vorplaudern von dem Mädchen im blauen Gewande, mit dem blonden Haar, das vor noch ganz kurzer Zeit als unnahbare Gräfin Sturm neben ihr gestanden und die weißen Hände in ihren silbernen Sprühregen gehalten habe. … Er wolle dort geflissentlich noch einmal alle Schmerzen der Entsagung, die er durchlitten, an sich vorüberziehen lassen, um dann der Morgensonne doppelt entgegenzujubeln, die ihm die Stunde bringe, in welcher er sein Glück wieder in die Arme nehmen dürfe. …
Die Pfarrerin trat wieder ein und brachte ein Glas Wasser, das sie mit Himbeersaft gemischt hatte.
„Ach was – jetzt sehen wir nicht mehr nach dem weißen Schlosse hinüber!“ schalt sie und schloß ohne Weiteres das Fenster. „Jetzt muß das Kindchen schlafen, vorher aber diesen guten, frischen Himbeersaft trinken – der verscheucht alle bösen Träume, und morgen – morgen ist Alles wieder gut!“
Diese einfachen Worte, die nur eine Mutterstimme so süß beschwichtigend aussprechen kann, fielen wie erlösend auf das heiß klopfende Herz des jungen Mädchens. Sie warf sich ungestüm an die Brust der großen, starken Frau, schlang die Arme um ihren Hals und brach in einen Thränenstrom aus.
„Nun, nun, Herzchen,“ beruhigte die Pfarrerin. „Freilich, schaden kann’s nicht – weinen Sie sich nur recht von Herzen aus, das wäscht alle schlimmen Eindrücke weg. … Aber dann sind Sie mir guten Muthes – das bitte ich mir aus! … Sie sind ja bei Pfarrers, und da darf Ihnen kein Härchen gekrümmt werden, und wenn zehn Excellenzen kommen und drohen sollten.“
Die gute, prächtige Frau! … Sie hatte einen klaren, durchdringenden Verstand und ein scharfes, kluges Auge; aber das erkannte sie doch nicht, daß die Thränen des tieferregten Mädchens – die ersten Wonnethränen der jungen Braut waren …
Aus der Wandermappe der Gartenlaube.
Unter den Alpenhäuptern des Berner Oberlandes ist mein Liebling das Wetterhorn. Mit ihm ist’s nicht wie so oft mit andern Schönheiten, die nur auf einer Seite schön sind oder nur aus einer gewissen Entfernung einen Schimmer von Schönheit haben, näher besehen all’ den guten Schein verlieren. Das Wetterhorn ist immer schön, wirklich schön, von welcher Seite wir uns ihm nahen mögen. Uebersteigen wir von Meiringen her die „große Scheidegg“ nach Grindelwald, so bietet es gleich im Rosenlaui durch die Wettertannen hindurch mit seinem großen Felsgestell und seiner kühnen Gletscherspitze ein Bild voll kecker Frische, das vielen Malern schon die prächtigsten Skizzen geliefert hat. Ersteigen wir weiterhin den Kamm der Scheidegg, dann starren zu unsrer Linken die gewaltigen Felswände, mehrere tausend Fuß senkrecht aufsteigend. Oben über die schroffen Wände strecken sich zwei Gletscherzungen
[485] [486] aus verborgenem Kessel hervor, die von Zeit zu Zeit in wundervollen Staublauinen, die „Wetterlauine“ und die „Gutzlauine“ genannt, ins Thal niederdonnern, sich brechen auf den Felssätzen und in Staub gelöst weithin die grüne Trift bedecken. Glücklich der Wanderer, der von fern das schöne Schauspiel sich ansehn oder – ist er g’rad’ unterwegs – bei Zeiten sich bergen kann hinter schützendem Felsblock. Nicht so ging’s vor etwa acht Jahren zwei deutschen Touristen; sie wurden aus dem in tief herabhängenden Nebeln verborgenen Horn arg überrascht von der übeln Bescheerung. Der Eine der Beiden, dem Führer auf dem Fuße folgend, rettete sich mit diesem hinter ein Felsstück, der Andere, zu weit vorausgeeilt, wurde von der Lawine überrascht und für einige Tage lazarethfähig zugerichtet.
Unser Bild aber stellt das Wetterhorn dar auf dem nächsten Wege von Interlaken nach Grindelwald. Wir verlassen Interlaken, freuen uns im Vorbeigehen der wunderschönen Parkanlagen, welche hinter dem großen Hotel von Jungfrauenblick sich fast ganz um den Kleinen Rugen herumziehen, und bedauern die Reisenden, welche so selten dieses frische, bunte Frühlingsgewand anlacht. Es ist wirklich merkwürdig, daß immer noch die Meinung vorherrscht, es werde hier erst im Juni Frühling und schön. Wohl sind die Gebirge selber, die Wengernalp, die Scheidegg etc. oft erst im Juni gangbar, oft aber auch schon im Mai. Für die Thäler aber ist auch hier entschieden der Monat Mai
„… der warme Kuß,
Den der Himmel giebt der Erde,
Daß sie jetzo seine Braut,
künftig eine Mutter werde.“
Geht doch selbst die Alpfahrt mit dem Vieh meist schon im Mai vor sich, nur die höhern und rauhern Alpen werden Anfang oder Mitte Juni von den Heerden bezogen. – Also
"Der Mai ist gekommen,
Die Bäume schlagen aus,“
so sing’ ich dem alten Liebling und wandre vorbei an Rugen und der malerischen Ruine Uspunnen, Angesichts der Jungfrau, die mit ihrem ebenbürtigen Hofstaat, Mönch und Eiger, die Krone der Landschaft ist. Nach dreiviertel Stunden beim Dörfchen Wilderswyl Schwenkung links; ihre Majestäten ziehen sich zurück hinter die massigen Vorberge, die mehr und mehr uns einfließen; rechts die altberühmte Sulegg, links die „schynige Platte“, gerade vor uns der neue Emporkömmling, „der Männlichen“, der Ansprüche erhebt auf dem Titel einer „Durchlaucht“ oder wenigstens „Excellenz“. Er excellirt auch wirklich mit seiner Aussicht, welche derjenigen der weltberühmten Wengernalp entschieden überlegen ist. Auch auf dem „Männlichen“, von Grindelwald in vier Stunden leicht ersteigbar, steht jetzt ein bescheidenes Gasthaus.
Doch ob dieser Höhen wollen wir den Vordergrund, die nächste Umgebung nicht verachten. Brausend wälzt sich und stürzt die Lütschine durch ihr rauhes Bett, das malerisch unregelmäßig von schwarzen Tannen umsäumt ist; sie plaudert mit ihnen bald kosend und freundlich, bald treibt sie Muthwillen in wilden Sprüngen und reißt in ungestümer Liebe wohl auch das Nächste mit sich hin, wenn im Frühjahr das Hochwasser aus den Bergen ihre Leidenschaft stachelt. Und siehe, auf einmal, während wir noch mit der Lütschine phantasiren, steht unversehens wieder ein neues Bild vor uns: zwischen dem Stock des Männlichen und dem ihm links gegenüberliegenden langgezogenen wilden Gebirgsgrat, der das Faulhorn uns verdeckt, zieht ein enges Thal sich aufwärts, das Lütschenthal, und im Hintergrund steht als Schluß des Gemäldes das Wetterhorn groß und schön und freundlich, wie wenn es blos dazu geschaffen worden wäre, hier einer Gebirgslandschaft die Krone der Vollendung zu geben, wie die Jungfrau derjenigen von Interlaken sie giebt.
Bald überschreiten wir bei Zweilütschinen den Lauterbrunner Arm dieses Flusses und marschiren dem Lütschenthal zu.
Nun beginnt auch das Steigen. Es ist keine „schöne Gegend“, das Lütschenthal. Arm – das ist sein Charakter. Doch nicht gleichgültig für Besseres ist der Sinn seiner Bewohner; das beweist das neue Schulhaus, das aus Holz gebaut mit seinen grünen Fensterladen gar freundlich inmitten der armem Häuschen steht. Ueberschauen wir aber das Thal, lieber Wanderer, und uns gelüstet schwerlich darnach hier zu weilen. Wohl ist noch mild die Luft und läßt mancherlei schmackhafte Frucht zur Reife gedeihen; wohl entbehrt das Thal nicht eines gewissen romantischen Zaubers; aber Leben und Eigenthum eines großen Theils seiner Bewohner sind in beständiger Gefahr; die Steinhaufen und Trümmermassen überall sind sprechende Zeugen davon. Der Geologe redet gelassen von der Verwitterung der Gebirge; weniger gelassen denkt daran der Lütschenthaler; ihm drohen beständige Erdrutsche, ihm droht ein gewaltiger Bergsturz. Des Oeftern schon, zumal in den zwei letzten Jahren, haben links hoch oben in der Steinwelt der Sägistelhörner Felsstücke sich gelöst und sind in Trümmern zu Thal gefahren, wie geschleudert von wachender Hand, haben starre Bäume geknickt, als wären’s dünne Stäblein, haben Scheunen zerschlagen, Häuser bedroht, und hinter ihnen her kam, von Regen und Schnee erweicht und gelöst, die scheußliche Erd- und Steinmasse, der große Heerhaufe, gegen den kein Widerstand möglich, fegte ohne Erbarmen weg, was im Wege war, spurlos, überdeckte schöne Matten mit Graus; aus dem wüsten Chaos strecken erstorbene Fruchtbäume ihre abgemagerten Arme gen Himmel, klagend und bittend, nicht mehr für sich, aber für’s arme Thal: „Herr, laß es genug sein.“ Und immer noch drohet der Berg. Es grenzt an’s Wunderbare, daß kein Menschenleben zu beklagen ist, wie wenn das entfesselte Wachen der grausen Elemente auch gezügelt, geleitet, gelenkt worden wäre durch eine mächtige, den Menschen freundliche Hand.
Zur Beruhigung der Wanderer ist die alte Straße, die in halsbrechender Steigung mitten durch das gefährliche Revier sich zog, endlich aufgegeben, und die neue Straße, außer aller Gefahr, schlängelt sich, viermal die Lütschine überbrückend, in leichter Steigung bergan und bietet neben manchem malerischen Punkt einen Ueberblick über das ganze Feld der Zerstörung. Noch eine schöne Windung der Straße, und wir steigen nach Burglauenen auf, dem kleinen Dörfchen auf dem Schutt, der das alte „Schillingsdorf“ deckt. Hier aber ist der Ort, wo wir still stehen und das Auge an dem großen Naturbilde erquicken wollen, an welches unsere Illustration uns und alle die Glücklichen erinnern will, die sich dieses Anblicks erfreuten.
Im Vordergrund die Felsstücke, die zu Tausenden da liegen, sind Zeugen der alten Katastrophe. Der „Flechtenstein“ heißt ein solcher Block noch heute im Volksmunde, weil er im Sturz ein liebliches Mädchen erfaßte und unter seinem zermalmenden Gewicht begraben hat, so daß nur die Haarzöpfe, „Flechten“ in der Landessprache, drunter hervorschauten, den suchenden Eltern ein schreckliches Zeichen von ihres Kindes Loos. Links auf strebt das Burghorn, oder schlechtweg „die Burg“, die im Sturze das an ihrem Fuß liegende Dörfchen begraben (daher der Name „Burglauenen“); rechts der Höhenzug des Männlichen, und den Schlußstein bildet wieder, nun schon nahe in der Fülle seiner Pracht, das Wetterhorn und mit ihm, durch die schönsten Gletschermassen verbunden, des „Berglistocks“ selbige Kuppe.
Während der Stunde Wegs, die bis in’s Dorf Grindelwald noch zurückzulegen ist, enthüllen sich immer mehr die Schönheiten dieses großartigen Bergthales, unstreitig eines der schönsten der ganzen Alpenwelt; der kühne Riese Schreckhorn zunächst erhebt sein stolzes Haupt, und um seinen Fuß gewunden tritt auch der „untere Grindelwaldgletscher“ mehr und mehr vor, dann des Eigers gewaltige Wand, neben ihm sind auf einige Augenblicke auch die Spitzen der Jungfrau und des Silberhorns sichtbar, und zwischen Eiger und Schreckhorn tritt zuletzt auch der glänzende Wall der Viescherhörner hervor.
Aber über Alles schön, je länger man’s vor Augen hat, ist doch immer im Morgenlicht und im Abendglanz, wenn Gewitterwolken an ihm hängen und wenn leichtdurchsichtige Nebelstreifen daran hinziehen, oder wenn das feine Mondlicht es umzittert, das Wetterhorn. Den Grindelwaldnern ist es „das Horn par excellence“, und mit vollem Recht ist es das edle Ziel so vieler rüstiger Bergsteiger. Die Ersteigung desselben gewährt so viel Reiz, Abwechslung und Poesie, wie die vielleicht keines anderen Berges. Vom Fuß des oberen Gletschers aus wird erst auf der Nordseite des Berges im Zickzack angestiegen, dann bei der „Enge“ auf dessen Westseite eingelenkt, eine Zeitlang fast ebenen Wegs parallel mit dem oberen Gletscher spaziert, später um den in den Gletscher abfallenden Grat wieder links gekehrt, und so – von Grindelwald aus in fünf Stunden – erreichen wir den „Gleckstein“, circa siebentausend Fuß über dem Meer, das gewöhnliche Nachtquartier der Besteiger, für sich schon eines Besuches werth. Rings die Wetterhörner, der Berglistock, das [487] Lauteraarjoch. Die Schreckhörner und der Mettenberg bilden den großen Kranz, der uns einschließt, und unsere Herberge ist eine Höhle, gebildet durch zwei gewaltige Felsblöcke, die sich so aneinander lehnen, daß unter ihnen ein freier Raum bleibt. Die nächste Umgebung ist ein rauhes Trümmerfeld. Es ist eine großartige Einsamkeit hier oben mit ihrer erhabenen Stille. Außer einigen hirtenlosen Schafen, die im weiten Revier da spärliche Weide suchen, weilt nur die flüchtige Gemse hier, und selten läßt eine Flühelerche ihren kurzen Ruf hören.
Solche Orte bevölkert der Mensch gern mit seiner Phantasie. So ist denn auch der Gleckstein und seine Umgebung der Hauptwohnsitz der lieblichen Bergmännchen, der Zwerge, die als Ueberlieferung aus der guten alten Zeit in Grindelwald noch leben. Viel wird noch erzählt, was sie Gutes den Menschen gethan. Aber der letzteren Uebermuth hat sie verjagt. Einmal nämlich erhitzt ein junger Schlingel mit Feuer einen Stein, auf dem die Zwerge der Ruhe zu pflegen gewohnt waren und da nun einer derselben arglos darauf sich niederließ und jämmerlich verbrannte, da erkannten sie, daß ihre Zeit vorbei sei, und verschwunden sind sie seither. Doch meine ich, sie können ihren alten Lieblingsort nicht ganz lassen, und wessen Sinn und Geist auch in der Natur dort oben etwas zwischen den Zeilen zu lesen versteht, dem sind auch die Berggeisterchen nicht fremd. Ja, es ist erstaunlich, was dieser „Gleckstein“ Alles weiß, wie viel dort die Zwerge uns erzählen könnten! Und die Spitze des Wetterhorns, die vom Gleckstein hinweg in fünf Stunden gewonnen wird, wie herrlich lohnt sie wieder das kühne Wagen das edle Müh’n!
Doch für heute – bleiben wir im Thale, nähren uns redlich und erquicken uns ruhig an dem schönen Bilde, das uns unverblaßt in Auge und Herzen stehen bleibt in seiner milden Majestät!
Haar - Messen und Zopfabschneider.
„Mit der – Mode kämpfen Götter selbst vergebens“, so ließe sich das bekannte Dichterwort variiren, um eine Wahrheit auszudrücken die man geradezu als absolute bezeichnen könnte, wenn uns endlichen Menschen überhaupt eine solche vergönnt wäre. Was ist in den letzten drei, vier Jahren nicht Alles gesprochen und geschrieben, gepredigt, gewitzelt und gespottet worden, um die abscheulichen Anhänge zu beseitigen, welche jetzt bald als ungeheuere Knäuel und Klumpen, bald in Form von Zotteln und Roßschweifen die Köpfe unserer modischen Damen entstellen! Aesthetiker und Moralisten, Aerzte und Pädagogen sind mit schwerem und leichtem Geschütz dagegen zu Felde gezogen man hat grauenhafte Geschichten erzählt von Zöpfen, die, um dem Begehr zu genügen, unsere Friseure den Leichen abschneiden; man hat das Ungeziefer der Gregarinen entdeckt und losgelassen; ein Oberhirt der Kirche hat erst unlängst erklärt, daß er seine Hand nicht segnend auf die Scheitel junger Damen legen werde, welche in dem geborgten Hauptüberschwange vor ihm erschienen – doch was hat dies Alles gefruchtet? Ist darum nur ein einziger Chignon, eine einzige falsche Locke á la repentir, cachefolie, tête-et-pointe, Alexandria und wie man die Unholde sonst noch hochtrabend getauft hat, weniger getragen worden? Im Gegentheil, der Haarhandel florirt mehr denn je, und seine feineren Waarensorten werden mit immer enormeren Preisen bezahlt. Einer der ersten Pariser Haarhändler findet Abnehmerinnen, die ihm seine berühmten hochblonden Chignons – blonde ardente nennt sie die Mode – mit Freuden für fünfzehnhundert Franken abkaufen, obschon Nachahmungen derselben in Seide in allen Posamentierläden um neunzig Centimes zu erhalten sind.
Bekanntlich ist Frankreich der Hauptstapelplatz des falschen Haares, nach England allein geht jährlich für nahe an siebenzigtausend Pfund Sterling, und die Ausfuhr nach Deutschland wird kaum eine geringere sein. In Frankreich aber ist es wiederum die Bretagne, welche dem Pariser Markt das größte Quantum an Menschenhaaren liefert. „Seit der römischen Invasion,“ schreibt Chateaubriand in seinen Memoiren, „haben die gallischen Weiber ihre Locken verkauft, um andere minder bevorzugte Scheitel damit zu schmücken, und noch heut zu Tage entäußern sich meine bretonischen Landsmänninnen dieser Zier, um an gewissen Markttagen buntseidene Tücher dafür einzutauschen.“
Eine solche weit und breit berühmte Haarmesse findet alljährlich am vierten September unweit des durch den erwähnten Schriftsteller und Staatsmann dem Dunkel entrissenen Schlosses Combourg auf einer großen Wiese statt. Es ist dies ein Volksfest für die ganze Gegend, eine Art Zigeunerleben mit allen möglichen Habseligkeiten, Trödeleien und Ergötzlichkeiten, wie sie bei derlei Gelegenheiten wohl auch bei uns in Deutschland an der Tagesordnung sind. Umsonst aber – erzählt der Gewährsmann, dem wir die nachfolgenden Einzelheiten verdanken – umsonst sah ich mich nach den indischen Foulards um, gegen welche, nach Chateaubriand’s Aufzeichnungen, die jungen Bretoninnen den Reichthum opfern sollten, den ihnen eine gütige Natur verliehen, ebenso vergeblich nach den Anstalten, das Opfer in’s Werk zu richten. Endlich ganz draußen am Saume der Zelte und Buden bemerkte ich unter. einer Gruppe alter, weitschattender Walnußbäume, gewissermaßen im Verborgenen, als handele es sich um heimlich abzuthuende Verrichtungen, einige mit Planen bedeckte Karren. Sie waren voller kleiner Pakete und Bündel, ihre Gabeldeichseln zur Erde gekehrt, und ihre mageren Gäule, an die Radspeichen gebunden, ließen sich das Gras umher wohl schmecken. Ich ging auf einen der Karren zu; sein Eigenthümer, ein untersetzter, kräftiger kleiner Mann von etwa vierzig Jahren, halb Bauer, halb Roßtäuscher, wie es schien, saß auf der Deichsel mit einem Pack buntbedruckter Kattuntücher vor sich. Etwas vom Schelm lag in dem Zwinkern seiner frechen Augen, als er eines der Bündel aufschnürte und ein halb Dutzend grellfarbige Tücher eines nach dem andern langsam herauszog, um sie, unter höchst beredter Anpreisung jeder einzelnen Schönheit seiner Waaren, einer alten Bauerfrau zu zeigen, welche ein ungefähr zwölfjähriges baarfüßiges Mädchen an der Hand hatte. Die Haube oder Catiole war dem Kinde abgenommen, damit man das prachtvolle Haar besser sehen konnte, das in üppigen Wellen ihm bis auf die Brust herabfloß. Wie ich an die Leute herangekommen war, hörte der Mann mit einmal in seinen Demonstrationen auf; die Worte der Frau aber konnte ich noch vernehmen.
„Ein Tuch ist nicht genug für eine solche Menge Haar,“ sagte sie.
Das Mädchen selbst schien in der Sache keine Stimme zu haben; es begnügte sich, die vor ihm entfalteten glänzenden Schätze mit lüsternen Augen zu betrachten.
„Wahrhaftig in Gott,“ erwiderte nach einer Pause der Händler in sanften, schmeichelndem Tone, „ich kann nicht mehr geben, sonst muß ich einbüßen bei dem Geschäft; ich habe schon mehr schwarzes Haar, als ich brauche. Heut zu Tage zieht nur blondes Haar, aber ich habe Euch nun einmal ein Tuch versprochen, und Ihr sollt’s haben. Ich halte mein Gebot, und Ihr wißt mich zu finden, wenn Ihr’s Euch überlegt habt.“
Die Alte entgegnete nichts mehr, sondern half der Kleinen das Haar wieder aufbinden und unter der weiten Catiole verbergen. Darauf gingen Beide hinweg, kamen jedoch nach wenigen Augenblicken wieder, um die Bedingungen des Händlers zu acceptiren, welcher ohne weitere Umschweife zum Werke schritt. Er setzte sich auf einen dreibeinigen Stuhl und klemmte sein Opfer, dem das Haar lang herunter hing, fest zwischen seine Kniee. In seiner Hand befand sich eine riesige offene Scheere, welche er dem Kinde dicht auf den Kopf preßte.
„Monsieur,“ jammerte es, „Sie thun mir weh, und bitte, bitte, schneiden Sie mir nicht Alles ab, lassen Sie mir wenigstens eine einzige Locke, daß ich meinen Kamm feststecken kann.“
Der Mann blieb indeß taub gegen derlei Anliegens mit wenigen Schnitten seines grausamen Instrumentes war der Kopf des armen Mädchens fast ganz kahl geschoren. Dann rollte er die Haarsträhne zusammen, band sie mit einem Knoten zu und steckte sie in einen Sack, während die Beraubte sich einen Augenblick instinctiv nach dem Kopfe griff und hierauf die von dem Händler angerichtete Verwüstung schleunigst unter der Haube versteckte. Sobald dies geschehen, suchte sich das alte Weib das [488] bunteste aus dem ausgebreiteten halben Dutzend Tüchern aus und verschwand mit ihrer Enkelin im Marktgedränge.
Man hat behaupten wollen, die jungen Mädchen der Bretagne und Auvergne gäben blos in Fällen äußerster Noth und Bedrängniß ihr Kopfhaar preis, das ist aber vollkommen unwahr. In der Bretagne besteht dieser Handel schon seit dem Alterthum und ist so zu sagen der Bevölkerung in’s Blut übergegangen. Die dort landesübliche Coiffüre der Mädchen und Frauen läßt das Fehlen der Flechten nicht bemerken, allein selbst wenn dem so wäre, so würde deshalb doch kein Mensch das unglückliche geschorene Lamm für geringer oder minder schön halten. In Mont-Lucon hinwider verkaufen die Bräute ihr Haar, mit Zustimmung ihrer künftigen Gatten, um sich aus dem Erlös ein Ausstattungsstück beschaffen zu können, und selbst vermögliche Pächters- und Gutsbesitzersfrauen entäußern sich gelegentlich ihrer Haare, wenn sie sich anders nicht irgend ein erwünschtes Kleidungs- oder Putzstück erzeugen können.
Das Haar der Bretoninnen ist seiner Weichheit und Schönheit wegen ganz besonders geschätzt, deswegen entfalten die Händler ihre verführerischen Waaren dort nicht blos auf Märkten und bei sonstigen allgemeinen Festen; Jahr aus Jahr ein vielmehr ziehen Hausirer mit bunten Baumwoll- und Seidentüchern von Dorf zu Dorf und verlocken Hunderte von Bauernmädchen, die sie unterwegs treffen, gegen ein paar elende rothe oder gelbe Lappen, welche manchmal keinen Franken werth sind, ihr schönes blondes oder schwarzes Haar zu opfern. In den Städten wissen die Friseure den jungen Mädchen zu Gemüthe zu führen, daß sie das Pfund langer Nackenhaare mit zwanzig Franken bezahlen – das ist der Marktpreis durch die ganze nördliche Bretagne – allein da hier weibliche Arbeit sich schon besser verwerthet als auf dem Lande, so machen sie mit ihren Offerten kein erhebliches Geschäft und dies in der Regel blos mit Mädchen, denen aus Krankheitsursachen das Haar auszugehen beginnt und die, einmal zu dem Verluste verdammt, lieber ihre fünfzehn Franken noch dafür mitnehmen. Der durchschnittliche Werth eines Kopfs voller Haare ist zehn Franken, denn der reichste Haarwuchs mit Strähnen, welche bis über die Taille hinabreichen, wiegt selten das Pfund, das den ersehnten Napoleon einträgt. Vor Jahren, ehe das heutige Eisenbahnnetz existirte, konnte der Haarhausirer auch in den französischen Städten seine Herrlichkeiten, Tücher, Bänder, Mützen, Ohrringe und andern wohlfeilen Tand an den Mann oder vielmehr an das Weib bringen, heut zu Tage aber wissen die jungen Mädchen und deren Angehörige besser, welcher Reichthum ihnen in den Locken ihres Kopfes wächst, so daß der Händler mit baarem Gelde bei der Hand sein muß, wenn er eine erkleckliche Ernte halten will.
In der Auvergne treibt der Haarkäufer sein Geschäft noch öffentlicher. Auf jedem Jahrmarkte, bei jedem ländlichen Feste, namentlich auf den Märkten von Ambert, St. Anthème, Arlant, Olliargues und Riom, erscheint er mit seinem Cabriolet und schlägt seine Bude auf, von der eine stattliche tricolore Flagge weht, nicht wie in der Bretagne abseit des eigentlichen Marktgewühls, sondern mitten in der Reihe von Butter- und Eier-, von Gemüse- und Obstständen. In Issingeaux präsentirt er sich überaus malerisch; er steht auf einem niedrigen Gerüste vor seiner aus Segeltuch und ein paar Bretern erbauten Bude und ladet, die Hemdärmel bis zu den Schultern aufgestreift, mit der Stentorstimme eines Meßrecommandeurs Mädchen und Frauen ein, heraufzukommen und ihr Haar sehen zu lassen. Um ihn herum ist ein buntes Gedränge von Männern und Weibern in Holzschuhen die Frauen in kurzen Röcken und grellfarbigen Hauben oder breitrandigen Strohhüten, die Männer in apfelgrünen Tuchjacken und ungeheuren Filzhüten.
Eines nach dem anderen steigen nun die Mädchen auf die Bühne, setzen ihre Mützen ab, binden ihre Flechten auf und stellen ihren Reichthum vor Aller Augen zur Schau. Der Haarkäufer unterwirft denselben einer sehr genauen handgreiflichen Untersuchung und thut sein Gebot, und sobald man handelseinig geworden, schlüpft das Mädchen in die Bude hinein. In Zeit von fünf Minuten hat der Gehülfe des Händlers die Dirne rattenkahl geschnitten, und unter dem Jauchzen und Gelächter des umstehenden Publicums rennt sie davon. Diese Demonstration hindert indeß nicht im Mindesten, daß nicht nach und nach fast alle die versammelten Schönen ihrem Beispiel folgen. Ab und zu geschieht es jedoch, daß die anwesenden jungen Männer, welche den Haarkäufer nicht eben mit freundlichem Auge ansehen, über ihn herfallen, wenn er sich mit den eroberten Schätzen entfernen will. Zwar rettet ihn meistens die Schnelligkeit seines Pferdes vor der drohenden Plünderung, Schmutz, Steine, faule Eier und aller mögliche Unrath aber, dessen man habhaft werden kann, regnet auf das Dach seines Cabriolets nieder, bis er aus dem Bereiche der aufgeregten Jünglinge ist und nun ruhig einem anderen Dorfe zufährt, wo er morgen seine Rolle von Neuem und in der Regel mit dem gleichen Erfolge spielt.
Hat der Händler seine Tour in den Provinzen beendet, so schafft er seine Waare nach Paris oder einer anderen großen Stadt Frankreichs, wo er sie, je nach der Qualität zum Preise von zwanzig bis hundert Franken das Pfund, an die großen Coiffeurs und Haargeschäfte verkauft, die sie, nach gehöriger Zubereitung, zu Chignons, Locken, Flechten, Zöpfen und dergleichen verarbeiten. Bei dem neulichen Besuche eines dieser Etablissements fand ich die vier Wände des Verkaufslocals von der Diele bis zur Decke rundum mit Regalen versehen, auf denen Chignon über Chignon aufgestapelt waren, Chignons von allen Sorten und Farben, vom tiefsten Blauschwarz bis zum zartesten Blond. Immer je sechs waren zu einem Paket vereinigt, da ein halbes Dutzend die kleinste Quantität ist, welche das Haus, das sich mit dem Detailgeschäft nicht befaßt, abgiebt. Eine Anzahl von Gehülfen führten die Aufträge aus, welche von den Kunden entweder persönlich ertheilt wurden oder diesen Morgen mit der Post von den verschiedenen Reisenden der Firma eingelaufen waren. In dem anstoßenden Magazine lag das Rohmaterial in großen Haufen auf dem Fußboden daneben saßen wohl einige dreißig junge Mädchen, welche die Chignons der Zukunft fortirten und abwogen; je nach der Beschaffenheit wurden mehr oder weniger Grammes auf den Chignon gerechnet. Der ganze Ort duftete nach Haar. in allen Kästen, in Cartonschachteln und Schubladen lag Haar, Haar hing von der Decke herab und Haar klebte an den Wänden, Haar war auf Tischen und Stühlen, ja selbst im Tintenfaße, und Haar wirbelte in der Luft umher, so daß man bei jeder Bewegung, die man machte, die Gegenwart desselben sehr empfindlich inne ward.
Die gewöhnlichste Sorte Haar, so erfuhr ich, geht in großen Säcken ein, von denen jeder ungefähr zweihundert Pfund schwer ist. Zunächst kommt es nun zur gründlichen Wäsche in siedendes Wasser, um alles Fett und andere Unreinigkeiten los zu werden, darnach bringt man es in ein Sodabad und läßt es sorgfältig trocknen. Hierauf werden die verschiedenen Flechten nach Länge und Nuancen oberflächlich sortirt, wonach die Operation beginnt, die mit dem technischen Ausdruck „éveinage“ bezeichnet wird. Diese Procedur besteht darin, daß man aus jeder einzelnen Flechte die größeren Locken ausscheidet, die in der Farbenschattirung nicht ganz genau mit einander übereinstimmen. Weiter folgt die recarrage, das heißt die Egalisirung der oberen Enden jeder Flechte, und dann eine zweite und scrupulösere Sortirung. Nunmehr wird es zu Bündeln von je zehn bis zwölf Pfund arrangirt, nun in dieser Form eine neue Reihe von Manipulationen zu durchlaufen.
Zuvörderst nehmen die Arbeiter Hände voll davon heraus und bepudern es durch und durch mit Mehl; darauf wird es auf eisernen Krämpeln energisch durchgekämmt, die sich zu immer größerer Feinheit abstufen, bis endlich mit einem nochmaligen Durchkämmen auf einer Hechel von höchster Zartheit die Vorbereitung des Haares vollendet ist. Jetzt erst beginnt die Herstellung der Chignons und falschen Locken, und zwar derart, daß man Haare von der gleichen Nuance und möglichst der nämlichen Länge in gewissen Proportionen zusammen macht. Um einen großen Chignon herzustellen, braucht man oftmals das Product von nicht weniger als dreißig Frauenköpfen.
Der Chef des Etablissements versicherte mir übrigens – und zur Beruhigung meiner Leserinnen säume ich nicht dies mitzutheilen – daß alle Erzählungen von aus Leichenhaaren verfertigten Chignons in das Bereich der Fabel gehörten. „Das auf diesem Wege erlangte Haar wäre viel zu spröde, um in die geeignete Form gelockt oder geflochten werden zu können, und von Gregarinen, die in russischen Chignons vorkommen mögen, habe ich in Frankreich auch kein einziges beglaubigtes Beispiel gehört. Nicht eine Locke russischen Haares geht nach Frankreich – außer aus [489] den Köpfen moskowitischer Damen. Dagegen erhalten wir über Marseille eine ansehnliche Menge Haar aus Italien, hauptsächlich aus Sizilien, Neapel und dem Kirchenstaate – Sie wissen jedenfalls die Geschichte von der jungen Römerin, die ihr Haar verkaufte, um dem Papste einen Zuaven zu stellen – und ein mäßiges Ouantum aus Oesterreich, Belgien und Spanien, das Gros unserer Zufuhr aber liefert uns immer Frankreich selbst, insbesondere die Bretagne, Auvergne, Artois und Normandie, auch, doch in geringerer Masse, Languedoc, Limousin, Poiton und Bourbonnais. Das bretagnische Haar schätzen wir als das werthvollste von allem wegen seiner unvergleichlichen Feinheit, sodann weil die Bauernmädchen es gerade während der wichtigsten Periode seines Wachsthums beständig mit einer Haube schützen, weil es niemals gekräuselt, sondern einfach aufgebunden wird und weil es kaum je mit dem Kamm Bekanntschaft macht. Noch über diesem bretonischen Haar aber, freilich kommt es in seiner ganzen Schönheit nur selten vor, steht das echte blonde deutsche Haar. Aus ihm machen wir die Chignons von jener Schattirung, die man ,Engelsblond' nennt und mit den höchsten Preisen bezahlt.“
Die langen Haare, welche sich die Pariser Damen tagtäglich auskämmen und die allmorgentlich auf die Kehrichthaufen in den Straßen geworfen werden, haken die Chissonniers sorgsam aus dem Unrathchaos heraus und verkaufen sie an die Friseurs zur Anfertigung der têtes-et-pointes d. h. jenes billigen Gelocks oder Büschels, zu dem man nicht Haare von gleicher Länge und Sorte braucht. Nichts, was in dies Haardepartement schlägt, scheint sonach verloren zu gehen; das Haar von schlechter Nuance wird gefärbt, meistens schwarz, und selbst die kleinen Scheerenabfälle finden zu Puppenperrücken und puppenchignons ihre gute Verwendung.
Der obenangeführte Preis von fünfzehnhundert Franken für einen Chignon ist übrigens, wie man sich denken kann, nur ein Ausnahmepreis, welchen die ganz besondere Farbe des Haars, nämlich ein heller Goldschein, sodann seine ungewöhnliche Länge von nahezu drei und einem halben Fuß und seine Masse und Feinheit bedingte. Um diesen Wunderchignon zu erzeugen, mußte das Haar aus einem ungeheuern Vorrath von mehreren hundert Pfund Schwere mit der peinlichsten Sorgfalt ausgelesen werden. Im Allgemeinen kostet augenblicklich ein Chignon besserer Art und von nicht ungewöhnlicher Farbe etwa zweihundertundfünfzig Franken – also noch immer ein kleines Capital für eine widerliche Verhunzung des menschlichen Körpers! – während gewöhnlichere Qualitäten um zwölf bis siebenzig Franken zu haben sind.
Wir Alle wissen, daß das Tragen von falschem Haar schon lange vor unserer christlichen Zeitrechnung im Gebrauche war, mit dem Chignon als solchem, d. h. unter diesem Namen, aber wurde die Welt erst beglückt, als die Coiffeure selbst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Aufnahme kamen und bald in Paris allein zu dem stattlichen Heere von zwölfhundert Mann anwuchsen. Die Coiffeure sind auch die unseligen Erfinder der heutigen gräulichen Kopfauswüchse unserer Damen, sie und ihre salbenduftenden Herren Collegen in und außer Frankreich haben einzig und allein ein Interesse an dem Fortbestehen der unsinnigen und unappetitlichen Mode, von der zu emancipiren jede saubere deutsche Frau und jedes saubere deutsche Mädchen sich zur Ehrensache machen sollte. Die Gründung eines „Antichignon-Vereins“ wäre wahrhaftig kein unwürdiges Thema für den nächsten deutschen Frauentag, und wir wollen es hiermit ihm nachdrücklich an’s Herz gelegt haben.
Der Freischütz.
Ich beschäftige mich eben mit dem Studium der Biographie Karl Maria’s von Weber.[1] Der Verfasser und Herausgeber derselben, des Verewigten ältester Sohn, Max Maria von Weber, hat dem deutschen Volke in ihr nicht blos ein treues Conterfei seines großen Vaters, ein lebensvolles Bild des Menschen und Künstlers Weber, des nationalsten und volkstümlichsten aller deutschen Tondichter gezeichnet, sondern er entrollt uns in dieser Biographie daneben auch ein Stück Cultur- und Zeitgeschichte, die das Buch als eine doppelt beachtend und dankenswerte Gabe erscheinen läßt und ihm auch nach dieser Seite hin einen ebenso hohen als unvergänglichen Werth sichert. Ich habe darum auch sehr bewußt absichtlich gesagt: ich beschäftige mich mit dem Studium der Biographie Weber’s, denn ein solches Buch darf man nicht einfach blos lesen, wie man etwa hundert andre Bücher liest, ein solches Buch muß man studiren. Ueber seinem Studium werden Erinnerungen mannigfacher Art in mir wach. Zwei davon, die den Freischütz betreffen und deren eine meinen Kinder- und Jünglingsjahren, die andre meinem Gauklerleben angehört, will ich hier mittheilen.
Am 18. Juni 1821 war unter dem begeisterten Zujauchzen fast der gesamten Bevölkerung in Berlin der Freischütz zum ersten Mal in Scene gegangen von dort aus dann seinen Siegesflug über die Theater Deutschlands nehmend. Daß kleinere und kleine Bühnen, besonders Wanderbühnen sich seiner erst nach zwei, drei Jahren bemächtigen konnten, ist in Betracht der damaligen Vermittlungsverhältnisse sehr erklärlich. Somit war es sicher in gewissem Sinne ein Zeichen bedeutender Thatkraft und schön nationalen Strebens, wenn z. B. ein Wanderbühnen-Director, wie Brökelmann (mehr noch als ihm selbst ist eigentlich seiner ebenso liebenswürdigen als feingebildeten und künstlerisch hervorragenden Gattin, Julia Brökelmann, das Verdienst zu vindiciren!) der doch immer nur verhältnißmäßig sehr mittlere Städte wie Stralsund, Greifswald, Anklam etc. besuchte, schon im Winter 1822 seinen Theaterorten den Freischütz brachte.
Die Melodien der Oper waren allerdings schon gleich nach ihrer Aufführung in Berlin und Hamburg im ganzen Norden Deutschlands bekannt geworden. Reisende, namentlich Handlungsreisende, mehr oder weniger gesangeskundig, Alle aber geschworene Freischützenthusiasten trugen die originellen, und deshalb leicht behaltbaren Weisen des Trinklieds Caspar´s, des Jungfernkranzes, des Jäger- und Spottchores, der Arie des Max: „Durch die Wälder, durch die Auen“, bis tief in die Abgelegenheit der kleinsten Städtchen. Der Freischütz war ein Epoche machendes Ereigniß, das die Theilnahme aller Schichten der bürgerlichen Gesellschaft gleich gewaltig in Mitleidenschaft zog.
Auch in meiner Vaterstadt, einem saubern, behäbigen und wohlhabenden Landstädtchen Mecklenburgs, spielten alle Claviere, die vorhanden waren. nur die Melodien des Freischütz, sangen begeisterungsvoll alle jungen Mädchen mit und ohne Stimme – die schwärmerischen und sentimentalen. „Wie nahte mir der Schlummer“ – und: „Und ob die Wolke sie verhülle“ – die mehr keck, leichtblütig und heiter temperamentirten. „Kommt ein schlanker Bursche gegangen“ – während die Herren Primaner des Gymnasii sich entschieden an des Kaspar famoses Trinklied hielten, unglücklich liebende Handlungsdiener aber das klagende Recitativ des Max aus der Flöte in die Nacht hinausbliesen, Handwerker und Mägde dagegen dem Jägerchore und dem Jungferkranz den Vorzug gaben.
Auch hier also Freischützenthusiasmns im höchsten Grade, der nahezu fieberhaft und bedenklich wurde, als sich plötzlich die Nachricht verbreitete. „Brokelmann ist mit seiner Gesellschaft in Anklam und giebt den Freischütz.“
Den mercantilen und sonstigen Verkehr zwischen meinem Heimathstädtchen und der schifffahrttreibenden nachbarlichen preußischen Handelsstadt Anklam, dessen Handel damals weitaus bedeutender war als heute, vermittelten außer der Post, die wöchentlich einmal cursirte, auf irreguläre Weise die Kornwagen der um mein Städtchen liegenden Landgüter, die im Winter in Anklam ihrer Felder eingeheimsten goldnen Segen in gemünzten Segen des Bergbaues um setzten; auf reguläre Weise jahraus, jahrein aber ein heimischer Frachtfuhrmann der, je nach Bedürfnis wöchentlich ein- auch zweimal mit seinem starken Biergespann den im Sommer theilweise mahlend sandigen theilweise fettlehmigen im Sonnenbrand dann starrend holperig trocknenden, im Herbst und Frühling [490] dagegen überall fast grundlosen Landweg befuhr und zu jeder Reise, trotz kaum mehr als drei Meilen betragender Entfernung, hin und zurück seine ausgeschlagenen drei Tage brauchte. Dieser Frachtfuhrmann nun auch hatte die erwähnte aufregende Nachricht mitgebracht, leider aber vergessen, sich nach den Tagen der Aufführung zu erkunden.
Ein vorzugsweise freischützbegeisterter erbgesessener Patriciersohn erklärte sich aber sofort bereit, nach Anklam hinüberzureiten und genaueste Nachricht heimzubringen. Seine Rückkehr konnte erst spät in der Nacht erfolgen, da es so fest stand wie das Amen in der Kirche, daß, wurde an diesem Abende der Freischütz in Anklam wiederum aufgeführt, der begeisterte Bote auch durch die Schrecknisse eines Heimritts in rabenschwarzer Nacht auf entsetzlichem Wege und obendrein durch nicht ganz geheuren meilenlangen Forst sich nicht würde zurückhalten lassen, die Vorstellung zu genießen. Hunderte von Leuten aller Stände blieben über Nacht auf, den Gesandten zu erwarten. Mehr als fünfzig Männer und Frauen, jung und alt, harrten seiner in Gemeinschaft in einem Patricierhaus, das gastfrei den Freischützenthusiasten, an deren Spitze es selbst stand, seine Räume geöffnet hatte. Sogar der Kastengeist, der nirgends schroffer hervortritt als in kleinen Städten, besonders in alten mit ausgedehnter Autonomie, verkroch sich vor der allgemeien Begeisterung, wenn er auch spottlächelnd aus seinem Winkel herausschielte und auf seine Zeit mit Ruhe wartete, von der er sicher wußte, daß sie wieder kommen mußte. Heute Nacht freilich war er machtlos. Die Gesellschaft, so bunt gemischt sie war, vereinte ein und dasselbe Gefühl, und das ließ sie für den Augenblick alle Standesunterschiede vergessen.
Gegen fünf Uhr Morgens endlich sprengte auf schweißtriefendem schäumenden Gaul, mit den unsaubern Bestandtheilen der Landstraße, Lehm und feuchtem Sand, vom Kopf bis zur Zehe, Mantel, Hut und Reitstiefel bedeckt, der Delegat vor die Pforte des Patricierhauses, schon gefolgt von allen den Aufgebliebenen, die in der Straße wohnten, in die er einritt, und die der Hufschlag seines Pferdes hinter ihm her gelockt hatte, wie die Pfeife des Rattenfängers von Hameln.
„Ich habe den Freischütz gehört und gesehen,“ meldete den stumm Lauschenden der Heimgekehrte. „Ihn Euch zu beschreiben – dazu fehlt mir nichts weiter als Alles! Seine Schönheit, sein wunderbarer Reiz sind eben unbeschreibbar. Für morgen Abend sind alle Plätze schon verkauft, aber für übermorgen und den Sonntag habe ich noch je dreißig Plätze glücklich erstritten. Hier sind die Billets.“
Für beide Tage begann nun ein Rüsten von Kleidern, Rossen und Wagen, das die ganze Stadt in Aufruhr setzte. An guten Pferden fehlte es nicht, wohl aber an Chaisewagen. Man behalf sich indessen so gut es eben ging, nahm auch zu strohausgeflochtenen Leiterwagen seine Zuflucht, und an beiden Tagen Morgens früh um vier Uhr setzte sich die Karawane in Bewegung.
Und glücklich waren auch diese Freischützpilger heimgekehrt – entzückt, verzückt, in förmlichem Begeisterungstaumel ob des gehörten und geschauten Schönen und Wunderbaren; ihre Erzählungen und Berichte machten in den Anderen, die für diesmal, gezwungen von der bitteren Notwendigkeit, noch hatten zurückbleiben müssen, die schon an und für sich so mächtige Begierde, auch selbst zu hören und zu schauen, noch reger, und eine neue Karawane sammelte sich und begann sich zu rüsten. Da, o herbes Geschick! brachte der Postillon statt der erhofften Billets die Trauerbotschaft. „Brökelmann verläßt schon morgen Anklam, um in Stralsund seine Winterstation zu machen.“ Wie ein kältender Regen fiel diese Nachricht auf die von Erwartung flammenden Gemüther. Obgleich ein einmal machtvoll angefachtes Gefühl des Enthusiasmus für gleichviel welche Sache in kleinen Städten mit seinem einfachen täglichen Kreislauf viel länger anhält, viel nachhaltiger in seinen Wirkungen ist, als in großen Städten, wo die Ereignisse sich häufen und Eins schnell das Andere verdrängt, so mußte doch auch hier die immense Sensation, die der Freischütz so allgemein hervorgerufen, naturgemäß nach und nach sich verringern, zumal da das Begeisterungsfeuer ohne Nahrung blieb, denn von all’ den kleinen reisenden Schauspielertruppen, die im Laufe der kommenden Jahre das Städtchen heimsuchten, brachte keine den Freischütz. –
Mehr als fünfzehn Jahre waren nach dem eben Erzählten in’s Land gegangen. In meinem guten Heimathstädtchen hatte sich wenig verändert während dieses Zeitraums, desto mehr freilich ich mich selbst. Ich war aus einem Jungen in angehenden Flegeljahren ein junger Mann geworden, der, außer den Schul- und Collegienbänken, auch schon manche Erfahrungen hinter sich hatte, die man nur im Strom der Welt immer und überall erwerben wird, besonders wenn man seine Wirbel und Schnellen nicht scheut. Die Irrpfade des Gauklerlebens hatte ich indessen noch nicht beschritten.
Es war im Frühling des Jahres 1838, – ich saß gerade gemächlich wieder einmal auf der heimischen Scholle – als die Seiltänzertruppe Jean Weitzmann’s in mein Städtchen einzog. Der Vater der Weitzmanns, die noch heute in zwei selbstständig umherziehenden, aller Orten wohlbekannten Seiltänzerfamilien floriren, war, trügen mich meine Nachrichten nicht, bis an’s Ende der zwanziger Jahre der Führer und das Haupt einer Kunstreiter- und Seiltänzertruppe, die in Oldenburg und Holstein ihr Wesen trieb. Bei ihm, Weitzmann dem Vater, hat auch Renz, dem die Gartenlaube ja früher einmal den Titel „König der Kunstreiter“ beilegte, seine Lehrjahre durchgemacht. Ich selbst sah Renz noch bei der Truppe von Brilloff und Brandt auf dem Drahtseil mit jenem kühnen Schwung der Begeisterung arbeiten, die ihm im Sattel noch heute eigen ist.
Die Weitzmanns, von denen ich hier spreche, producirten am Tage auf dem Marktplatz meines Städtchens ihre Seiltänzerkünste und gaben Abends in einem Saal dramatische Vorstellungen. In ersteren Productionen leisteten sie Vorzügliches, machten ihre Sachen mit einer liebenswürdigen Grazie und Anmuth und obendrein mit einer Decenz, die um so achtungswerther erschien, je seltener sie sonst die Begleiterin derartiger Darstellungen zu sein pflegt. Der familienhafte Charakter der Truppe machte seine Wirkung auch auf ihre öffentlichen Schaustellungen geltend; die Weitzmanns waren und sind in ihrer Art das, was zu ihrer Zeit die weitberühmten Tänzerfamilien der Chiarinis und Cafortis waren.
Bezüglich ihrer Kunst der Menschendarstellung leisteten sie in kleinen Kotzebue’schen und anderen Stücken mehr, als viele andere wohlorganisirte Schauspielertruppen, die sich nur ausschließlich mit Menschendarstellung befassen, sehr häufig zu leisten pflegen. Man sah es der Art und Weise ihrer ganzen Darstellungen an, daß die Kinder des Kunstreiterprincipals Weitzmann bis zu emem gewissen Grade auch eine Erziehung und Bildung genossen hatten, die nicht blos das Handwerk im Auge gehabt hatte.
Dies Alles nun, war es auch schon ein Erhebliches mehr, als der gewöhnliche Habitus sonstiger Banquisten, wäre doch immerhin noch nichts so Besonderes gewesen, daß es mich berechtigte, ihrer hier zu erwähnen, aber wir Alle im Städtchen waren überrascht, auf’s Höchste erstaunt, als es eines Tages lautete: „Die Weitzmanns geben den Freischütz.“ Alte Erinnerungen rief dieser Name bei Hunderten auf’s Lebhafteste wiederum wach, die einstige Freischützbegeisterung schien wieder neu zum Leben erweckt, nur machten sich mannigfache Zweifel geltend, ob diese Leutchen im Stande sein würden, der Oper auch nur annähernd gerecht zu werden.
Der Tag der ersten Vorstellung kam. Der ziemlich große Saal, in welchem die Bühne aufgerichtet war, füllte sich im Umsehen bis zum Erdrücken, und erwartungsvoll harrten Alle dem Beginn. Unseres alten Stadtkunstpfeifers Capelle war zwar nicht besser, aber auch nicht schlechter, als die Capellen der Kunstpfeifer kleiner Landstädte in der Regel zu sein pflegen. Jean Weitzmann selbst, der handlich Geige strich und etwas zu dirigiren verstand, hatte die Oper mit der Capelle einstudirt, der alte Kunstpfeifer sammt seinen Gesellen und Lehrbuben gaben sich die möglichste Mühe, zahlreiche Proben waren gehalten worden - die Execution der Ouverture schon befriedigte die Musikverständigen und selbst die, welche damals die Oper in Anklam mit Brökelmann’s trefflicher eigenen Capelle gehört und mit einer gelinden Voreingenommenheit gegen die hiesige Darstellung in den Saal gekommen waren.
Jean Weitzmann, mit einem sehr kräftigen und ausgiebigen, wenn selbstverständlich auch nur durchaus naturalistischen Baß begabt, sang den Kaspar, sein jüngerer Bruder Robert mit einer ansprechenden, weichen Tenorstimme den Max; den Kilian ein Herr Julius, der in seinem charakteristischen Costüm und mit seiner [491] kurzen, untersetzten, gedrungenen Figur (er war eigentlich seines Zeichens ein Athlet, der mit eisernen Kanonenkugeln und Centnergewichten Fangball spielte!) den auf seinen Sieg über den Jäger eitlen Bauernschützenkönig mit einer prächtigen Draftit zu verkörpern wußte. Francisca Weitzmann sang die Agathe, ihre jüngere Schwester Louise das Aennchen. Zum Brautjungfernchor hatten sich stimmbegabte Dilettantinnen genug gefunden, und den Jägerchor verstärkten sangeskundige junge Männer des Städtchens mit bestem Willen.
Wie oft ich auch schon vorher und später dann noch die Oper an großen Hofbühnen von Künstlern gehört, niemals doch bin ich weder vorher, noch nachher so innig befriedigt von dannen gegangen, als von der Freischützvorstellung der Seiltänzer Weitzmann. Auch das Costüm, welches die Seiltänzer für ihre Freischützdarstellung sich erdacht, paßte für den Wald und für den Charakter der Zeit weit besser, als das für die erste Aufführung in Berlin hergestellte, wo noch heute – es müßte denn in den letzten Jahren geändert sein, woran ich zweifle! – die Jagdgesellen im Freischütz im wilden, feuchten Forst in einem veritablen Tänzercostüm, in beknopftem und belitztem Wamms, grünen Tricots, befranzten Schnürstiefelchen und zierlichen Hütchen umherlaufen. –
Wiederum waren viele Jahre nach dem eben Geschilderten in’s Zeitenmeer hinabgeflossen. Ich war längst unter die Gaukler und Vagabunden gegangen und hatte unterschiedlicher Herren Länder und mancherlei Leute Gesichter gesehen. Tief aus Ungarn heraufkommend, wo ich zuletzt bei dem verunglückten Sommertheaterunternehmen des ehemaligen Balletmeisters N. (Clara Heinefetrer’s Mann) in O. engagirt gewesen war und des Unternehmers totalen Schiffbruch nolens volens hatte theilen müssen, wanderte ich eines kalten Spätherbstabends müde, frierend, hungrig und durstig und ohne die geringste landesübliche Münze in der Tasche, in ein kleines Nest in der Kurmark ein, wo eine kleine Bande Menschendarsteller gerade hausen sollte. Erfahren hatte ich diese Nachricht in der, einige Meilen von dem Nest entfernt, an der Eisenstraße liegenden größeren Stadt F., bis wohin zur Schienenfahrt meine Baarschaft, erworben durch Gastspiele den weiten langen Weg herauf an allen Orten, wo nur eine reisende Truppe mir aufstieß, noch bis auf den Pfennig gereicht hatte.
Mein gesammtes Hab und Gut bestand in dem Anzug auf dem Leibe, etlicher Wäsche, einem Paar seidener schwarzer Tricots und dem Schminkzeug im Wanderranzen, dem Wanderstab in der Hand und dem Capital, das ich an Rollen im Kopfe hatte, auf das mir aber keine Wirthin auch nur ein Glas Bier verabreichte. Als ich einwanderte in das offene Städtchen, war’s schon finster, und bei dem kältenden Regen, der fein aber dicht herabfiel, waren die Straßen menschenleer, so daß ich erst in ein Haus treten mußte, um das Theaterlocal zu erfragen. Auskunft zwar ward mir zu Theil, wenn auch unfreundlich genug gegeben. War ich doch in der preußischen Mark, wo die Leute im Allgemeinen schon nicht allzuhöflich gegen den Fremden sind, insbesondere aber nicht in kleinen Nestern gegen einen regennassen Menschen, der, die halbe Landstraße an seinen defecten Stiefeln tragend, Abends an die Thüren pocht und nach den Komödianten fragt.
Man hatte mir das Schützenhaus, das am Marktplatz liegen sollte, als Theaterlocal genannt. Ich fand es schließlich, fand auch den Director der Truppe und diese selbst. Es war Vorstellung angesetzt für den Abend, war auch bereits halb acht Uhr vorbei, aber noch keine erbarmungsreiche Publicumsseele hatte ein einziges Viergroschenstück gebracht, trotzdem der Director, von sämmtlichen Gliedern seiner Truppe, zwei Damen und zwei Herren, umgeben, erwartungsvoll bereits anderthalb Stunden an der Casse saß, wenn man einen mit Billets gefüllten Kasten, von Münze indeß so leer wie meine Tasche dazumal, Casse nennen will.
Hier war die eigene Noth so groß, wie sie nur sein konnte. Dennoch wurde der einwandernde College freundlich empfangen und willkommen geheißen, ihm auch, nachdem endlich zwei bedauernstwerthe Jungen ihr Opfer in die Casse gelegt, und in das einstweilen noch stockdunkle Parterre gewiesen waren (Licht konnte erst geholt werden, wenn Geld da war!), ein Schnaps (der Leser verzeihe die Namenkündung eines so unästhetischen, plebejischen Getränks, aber – oportet ist ein Bretnagel!) credenzt und ein Butterbrod gastlich geboten, auch Obdach für die Nacht selbstverständlich zugesagt.
Schon seit sechs Wochen war die Truppe im Oertchen; das Geschäft war von Anfang an schlecht gewesen, seit vierzehn Tagen bereits ging es gar nicht mehr, und sie konnten nicht fort, die Armen, weil sie schuldenbelastet fest saßen, und doch ihre einzige fernere Rettung, das Handwerkszeug, nicht den Gläubigern im Stiche lassen mochten.
„Drei gute, volle Häuser nur!“ seufzte der Director und gab den drängenden Jungen Billets mit der Vertröstung auf morgen, womit sie, verblüfft, sich beschwichtigen ließen. „Drei gute, volle Häuser nur, und wir wären ’rausgerissen, könnten wenigstens fort! Aber womit diese vollen Häuser machen? Nichts mehr will ziehen! Könnt’ aus der Erde ich mir volle Häuser stampfen, mir wüchsen Thaler auf der flachen Hand! Gebt mir nicht einen Menschen, ewige Götter, nein! gebt mir jeden Abend hundert, und ich bin ein glücklicher Mann!“
„Lassen Sie uns“ – ich betrachtete mich natürlich sogleich als der Ihre, – Noth eint schnell! – „den Freischütz geben; wenn Sie ihn haben, der Samiel hilft vielleicht auch uns!“ sagte ich, mehr in einem Anflug jenes Galgenhumors, der, sobald man auf der Spitze des Pechs angekommen ist, mit Entsetzen Scherz treibt, als im Ernst.
„Den Freischütz?! Mensch! Der Gedanke entquoll keiner irdischen Brust! Ein Gott gab ihn Dir, und dem Himmel sei Dank und der heiligen Jungfrau! ich hab’ ihn, und er wird uns ’rausreißen! Wie ist’s nur möglich, daß mir, daß uns das nicht längst eingefallen!“ Er schlug sich vor die Stirn und schloß einen Augenblick gedankenvoll die Augen. Dann breitete er seine Arme aus und sprach im Ton eines zärtlichen Vaters, der den reuigen Sohn an sein Herz zieht. „An meine Brust, theurer College! Sie sind unser Retter!“
Der Schauspieler der Wandertruppen, zumal das Bühnenkind, überträgt auch sein theatralisches Pathos, seine Rollenreminiscenzen, immer und überll mit in’s gewöhnliche Leben, in die alltägliche Unterhaltung. Er kann einmal nicht anders, es klebt ihm an unwillkürlich, auch da, wo er’s selbst mitunter gern vermeiden möchte. Und erklärlich und begreiflich ist das, wenn man einesteils den engen Gesichtskreis in’s Auge faßt, den der Wanderkomödiant gewöhnlichen Schlages, und wiederum besonders das Theaterkind, nur den seinen nennt und auch nur nennen kann, anderntheils die Gewöhnung seines Handwerks, immer nur mit den Gedanken Anderer zu denken, in Betracht zieht, welche Gewöhnnung ihn sehr schnell unfähig macht, überhaupt selbstständig zu denken, ihn sogar verlernen läßt, einen eignen, ihm individuell zugehörigen Sprachton zu haben. Daher das Pathos auch beim Fordern eines Butterbrodes. Er spricht immer „Rolle“. Uebrigens – womit ich indessen weder einen unehrerbietigen Vergleich aufgestellt, noch etwas Unziemliches gegen die Hirtenwürde gesagt haben will! – es geht vielen Ehren-Pastoren auch nicht anders!
Aus dem Wust der Bücherkiste wurden die Partitur, die Stimmen und die Rollen des „Freischütz“ allsogleich hervorgesucht und die Besetzung sofort noch bestimmt. Der Künstler, der den Max singen sollte, ein langer hagerer Mensch mit spärlich fahlblondem Haar, war ein wenig musikalisch, strich die Geige und übernahm die Einstudirung. Wie wir den Freischütz mit vier Männern und zwei Damen besetzten? O, mein theurer Leser! das Wort „unmöglich“ steht auch, wie’s nicht im Lexicon des großen Corsen stand, nicht in dem reisender dramatischer Künstlertruppen! Herr M. sang den Max, Herr B. den Kaspar und den Eremiten, ich den Kilian und den Ottokar, der Director den Kuno, dann spielte er den Samiel, donnerte, blitzte, besorgte die Irrlichter, das wilde Heer (das Hundegebell machten die Damen!), die feuerspeiende Wildsau, rasselte mit Ketten, knallte mit einer Peitsche etc., und agirte dann wiederum den Erbförster Kuno. Den Bauernchor sangen Alle mit auf offner Scene, wobei Agathe und Aennchen einstweilen noch als Bäuerinnen mitwirkten. Den Brautkranz brachte Aennchen allein (Dilettantinnen waren wegen Mangels an weißen Kleidern nicht zu haben gewesen!) und sang die Soli des Brautliedes; Agathe auf der Scene, ein wenig abgewandt vom Publicum, und wir Männer hinter den Coulissen sangen den Chor mit. Den Jägerchor konnten wir Vier, da wir Alle zugleich auf der Scene waren, ja vortrefflich singen, die Damen halfen von hinter der Scene verstärken, und einige kunstsinnige Maurereleven paradirten zur Belebung des Tableaus als Begleiter des Fürsten und als Jäger stumm im Hintergrunde. [492] Das Orchester bestand aus vier Mann, die sich in Violine, Contrebaß, Clarinette und Tenorhorn theilten.
Die Vorstellung des Freischütz ging vor sich und der Saal war am ersten Abend – ziemlich besetzt, am zweiten Abend – voll bis auf den letzten Platz! und als wir, die Citrone auszupressen bis auf den letzten Tropfen, noch eine dritte Wiederholung wagten, wiederum noch so angefüllt, daß wir durch die Gesammteinnahme uns als „’rausgerissen“ betrachten durften. Denn, nachdem der Director und die Mitglieder ihre Hauswirthe, der erstere, als contrahirt habendes Haupt, auch den Localwirth und den Fuhrmann, der uns fortschaffen sollte und, gegen Vorausbezahlung, menschenfreundlichst auch wollte, bezahlt hatten, konnten wir Jeder, o Freischützsegen! noch einen baaren Einstrich von zwölf Silbergroschen machen! Ich weiß es noch, als wär’s gestern geschehen, und niemals an Leben hat mir etwas so viel Freude gemacht, als diese wenigen – sage ich: Freischützgroschen!
Wie über alle Beschreibung elend und jammervoll diese Freischützvorstellung gewesen sein muß, kann der Leser selbst ermessen, ebenso aber auch, wie zauberhaft, wie packend, gewaltig und fesselnd die Macht seiner Melodien selbst bei elendester Ausführung überall noch auf die Gemüther ihre Wirkung auszuüben vermag.
Diese zwar schon alte Wahrheit wiederum auf’s Neue zu erhärten, das ist der einzige Zweck dieser kleinen Skizze und darin möge sie selbst ihre Rechtfertigung finden.
Vor dem Ausbruch des Vulcans.
Viel Schweiß der Edlen ist an die Aufdeckung jenes Alterthums verwendet worden, welches man das classische nennt. Ein eigener Zweig am Baum der Wissenschaft bildete sich ausschließlich für die Erforschung des Schriftthums der Griechen und Römer, und doch konnte man blos Sonntagsgestalten der Poesie und Geschichtschreibung an’s Licht ziehen, während der Mensch und die Gesellschaft des Alltags, das Werkeltagstreiben im Haus und Garten, auf Straße, Markt und auf der Reise nicht bis zum klaren Bild an uns herantrat. Das Epos der Gegenwart, der Roman, welcher das reinste Spiegelbild des Lebens und Treibens vom Innersten bis zum Aeußersten darstellt, war den Alten fremd. – Da nahm sich die Natur der Sache an. Gerade zur günstigsten Zeit, nahe am Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus, wo der raffinirteste Sinnengenuß herrschte, wo Sclaverei und Gladiatorenthum für „Brod und Spiele“ in der Arena sorgten, während in den kühlen, blumendurchdufteten Räumen des gebildeten Hauses die Poesie der Griechen zur Lyra erklang, in dieser Zeit der schroffsten Gegensätze im öffentlichen und geheimen Leben deckte ein furchtbares Naturereigniß plötzlich zwei der blühendsten Städte des italienischen Großgriechenlandes, Herculanum und Pompeji, für siebenzehnhundert Jahre mit einem licht- und luftdichten Grabtuch von verbranntem Gestein und Asche zu.
Dornröschens Zauberschloß ist ein Kinderspiel der Phantasie neben der ungeheuren Wahrheit dieser Thatsache. Zwei volkreiche und lebenslustige Städte werden ohne irgendwelche Vorahnung, ohne jede Andeutung des Bevorstehenden im Verlauf weniger Stunden so vollständig den Augen der Welt entrückt, die Stätte selbst entschwindet so völlig aus dem Gedächtniß der nachkommenden Geschlechter, daß nach mehr als anderthalbtausend Jahren eine förmliche Entdeckung derselben nothwendig ist. – Für die damaligen Umwohner des Vesuv war ja dieser Berg noch nicht der feuerige Warner. Kein offener Krater zeigte die Werkstatt des Vulcan an, Gesträuch überwucherte die Thalmulde des Berghauptes, keine Geschichtsrolle berichtete irgendwann von einem Ausbruch des Vesuv, und nur seine Gestalt und die Lava der Wände zeugten für das, was er einst gewesen; der Vesuv galt für einen längst für immer erloschenen Vulcan.
Zwar ist die Unheimlichkeit seiner Nachbarschaft etwa sechszehn Jahre vor der entsetzlichen Katastrophe durch ein heftiges Erdbeben bemerklich gemacht worden, das in Herculanum und Pompeji viele Gebäude zerstörte; aber sechszehn Jahre sind eine lange Zeit und längst war von jener Verwüstung die letzte Spur verwischt. Dieses ganz Unvorbereitete der gräßlichen Erscheinung, das alles Leben zweier Städte wie mit einem Schlage erstarren machte, wird uns immer tief in die Seele greifen; es ist das Erschütternde, aber ihm verdanken wir auch das außerordentlich Belehrende eines Ganges in den wieder aufgegrabenen Straßen jener „mumisirten“ Städte, wie Goethe sie nennt. Wir sehen an hundert Beispielen, wie die Menschen bald mitten in der Arbeit, bald mitten im Vergnügen von dem Unglück überrascht worden sind. Dort die halbfertigen Säulen auf dem Forum; sie sollten nie fertig werden. Wo sind die Werkleute geblieben? Im Backofen liegt das fertige Brod; der Bäcker kam nicht wieder, es heraus zu langen; das geschah erst eintausendsechshundertsiebenzig Jahre später durch einen ganz anderen Mann. Wollen wir nicht in die Wohngemächer und Gesellschaftssäle der Vornehmen und in die Putzzimmer der Frauen blicken? Alles, was ein Roman aus jenen Tagen uns geschildert haben würde, das sehen wir mit eigenen Augen, und Formen und Farben sind so wohl und frisch erhalten, als wäre das Alles gestern erst angeschafft. „Diese Zimmer, Gänge und Galerieen,“ so erzählt Goethe von seinem Besuch in Pompeji, „auf’s Heiterste gemalt, die Wandflächen einförmig, in der Mitte ein ausführliches Gemälde, jetzt meist ausgebrochen, an Kanten und Enden leichte und geschmackvolle Arabesken, aus welchen sich auch wohl niedliche Kinder- und Nymphengestalten entwickeln, wenn an einer anderen Stelle aus mächtigen Blumengewinden wilde und zahme Thiere hervordringen. Und so deutete der jetzige ganz wüste Zustand einer erst durch Stein- und Aschenregen bedeckten, dann aber durch die Aufgrabenden geplünderten Stadt auf eine Kunst- und Bilderlust eines ganzen Volkes, von der jetzt der eifrigste Liebhaber weder Begriff, noch Gefühl, noch Bedürfniß hat.“
Unseren Lesern haben wir schon im Jahrgang 1856 der „Gartenlaube“ Gelegenheit gegeben, im Geiste durch die Straßen der aufgegrabenen Stadt zu lustwandeln, indem wir ihnen Overbeck’s „Vogelansicht von Pompeji“ in einem großen Holzschnitte mittheilten; und noch 1861 ließen wir sie einen Blick auf die Ausgrabungsarbeiten selbst thun. Die Artikel zu beiden Bildern behandeln alles Wissensnothwendige über den Gegenstand in geschichtlicher und naturgeschichtlicher Beziehung so ausführlich, daß wir darauf zurückverweisen müssen, um uns ausschließlich unserem heutigen Bilde zuzuwenden.
Bekanntlich hat der englische Schriftsteller E. L. Bulwer seinen Besuch in der wieder erstehenden Stadt dazu benutzt, den Roman, den wir aus jener alten Zeit vermißt, noch nachträglich zu liefern in seiner berühmten Erzählung: „Die letzten Tage von Pompeji“; wir verdanken eine in manchen Stellen sinnreich verbesserte deutsche Bearbeitung dieses Romans unserem Friedrich Förster. Dieses Buch leitete den Künstler,[2] als er in diesem Bilde uns den schönsten, reinsten Lebensgenuß auf unheildrohendem Hintergrunde darstellte.
„Die letzten Tage von Pompeji“ führen uns das bunte, bewegungsreiche Leben einer üppigen Stadt vor, in welcher der kaiserknechtische Römer-Hochmuth über den Griechen-Unterthanen herrscht, der Grieche durch Vermögen und Geist dominirt und einheimische und fremde Priesterlist über Alle siegt, bis mit dem allgemeinen Verhängniß auch ihr „letzter Tag“ kommt.
Für diejenigen unserer Leser, welchen der Bulwer’sche Roman noch fremd ist, setzen wir die Fabel desselben in aller Kürze hieher. – Ein junger wohlhabender Grieche, Glaukus, hat sich in Pompeji niedergelassen und verführt mit jungen Römern, Schmarotzern, Spielern und Schöngeistern, das Leben der vornehmen Gesellschaft jener Tage, bis durch die Liebe zu der schönen und reichen Griechin Ione sein besseres Selbst sich aufrafft. Ione
[493][494] und ihr Bruder Apaecides stehen unter dem Einfluß eines ägyptischen Isispriesters Arbaces, welcher den Bruder in den Isisdienst und in den Pfuhl der Unsittlichkeit verlockt, um die Schwester selbst um so leichter ganz für sich zu gewinnen. Dem eifersüchtigen schuldvocken Arbaces gegenüber steht die blinde Sängerin Nydia, eine griechische Sclavin, die sterblich in Glaukus verliebt ist und von diesem der Ione zum Geschenk gemacht, d. h. zur Gesellschafterin gegeben wird. Trotz ihrer Leidenschaft rettet sie die Ione aus der höchsten Gefahr, von Arbaces mit Gewalt verführt zu werden.
Am Tage nach diesem Schrecken ist es, wo wir die Liebenden und die Retterin das bekränzte Fahrzeug besteigen sehen. Damals lag die Stadt noch am Meere und der Sarnus, der jetzt als träger Bach dahin schleicht, trug als stattlicher Fluß Schiffe auf seinem Rücken. Auf dem Sarnus fuhr das Boot hinaus auf die See, und da finden wir die von einem freundlichen Geschick so eng Verbundenen in seliger Selbstvergessenheit, während sich über dem Vesuv am Himmel schon die schwarzen Rauchwolken zusammenballen, die am kommenden Tag Pompeji’s Leichentuch werden sollten. Glaukus und Ione lauschen, Hand in Hand, dem Gesang der blinden Nydia, die ihre Liebespein still im Herzen trägt. Auch am andern Ende des Bootes ist Einer, der sich nichts um das Drohen des Himmels bekümmert: der ägyptische Sclave, welcher in sich versunken das Ruder führt. Nur der Knabe und der Neger richten ihr Augenmerk der Wolke zu, die sie anstaunen, fast freudig, wie eine Abwechselung am ewig klaren Himmel.
Wir wollen das Schicksal der Liebenden gar auserzählen. Apaecides schließt sich der damals im Stillen aufblühenden Secte der Nazarener, den Christen an und bedroht den Arbaces mit der Enthüllung seines Trugs und seiner Schande. Dafür ermordet ihn dieser und weiß zugleich den Glaukus als den Mörder hinzustellen, der nun zur Strafe in die Arena geschleppt wird, um im Kampf mit einem Löwen zu enden. Abermals ist die blinde Nydia die Retterin aus der äußersten Gefahr; sie führt Zeugen der Mordthat des Arbaces herbei, der nun vom blutgierigen Volk der Arena als Kämpfer mit dem Löwen verlangt wird. Ehe aber dieser Kampf beginnt, brechen die Wetter der Tiefe und der Wolken über alles Nachbarland des Vesuv aus, und in tödtlicher Hast flüchtet alles, was Leben hat und retten will, aus der wankenden Stadt dem Meere zu, selbst die Löwen und Tiger der Arena, in Todesfurcht nun friedlich und scheu. Auf dieser Flucht wird Arbaces von einer niederstürzenden Göttersäule erschlagen. In der Schilderung der Katastrophe hält Bulwer sich an Plinius den Jüngern. Auch die Phantasie der Dichter und der Maler hat die Scenen dieses Untergangs zu verewigen gesucht, aber einer solchen Wirklichkeit gegenüber erlahmen Pinsel und Griffel.
Am Morgen nach dem Tage dieses finsteren Gerichts steuerte ein Schiff von Italiens Küste ab den griechischen Gestaden zu. Glaukus, Ione und Nydia entflohen den römischen Erdbeben und Lastern, um ihr Glück in der schönen Heimath zu suchen. Todtmüde von den Aufregungen der jüngsten Vergangenheit ruhen die Liebenden im Schlummer; nur Nydia wacht bei der Qual ihrer eifersüchtigen, hoffnungslosen Liebe, und still macht sie ein Ende. Sie küßt den Geliebten auf die Stirn und gleitet sanft hinab in die Arme des heiligen Meeres. Glaukus und Ione schlossen sich in Athen der ersten Christengemeinde an und waren glücklich in ihrem Glauben und in ihrer Liebe.
So hat denn unser Bild uns mit Hülfe der Dichtung zu einem Stück Geschichte voll Lebenswahrheit geführt. Wer heute nach Pompeji kommt, findet einen reizenden Genuß darin, mit den Gestalten jener Erzählung die Straßen und Arenen, Plätze und Tempel, Höfe und Gärten zu bevölkern; Bilder und Geräthe rühren von der Menschen Hand her, die hier daheim waren, und so kann der Geist hier bewirken, was anderswo die Natur vollbringt: er läßt neues Leben blühen aus den Ruinen.
Verlassen und Verloren.
„Und trotz all’ Eurer Teufeleien und Eures Löwengebrülls seid Ihr nun doch geschlagen!“ erwiderte Marcelline dem General Duvignot.
„Wir werden schon Revanche nehmen! Aber ich sehe da Häuser,“ unterbrach sich der General, auf die Mühle und das Forsthaus deutend. „Ob das Goschenwald ist? Lassen Sie sehen,“ wandte er sich zum Adjutanten.
Der Adjutant reichte ihm die Karte; während er darauf suchte, sprengten ein paar seiner Reiter sowohl nach der Mühle als dem Forsthause hinüber. Aber trotz des Gerassels, das ihre an die Thüren pochenden Säbelscheiden machten, öffnete sich keine dieser Thüren. Das Mühlenrad stand still, kein Rauch kräuselte sich über den Essen. Die Müllersleute sowohl wie Frau Margarethe im Forsthause mit ihrem kleinen Schützling mußten sich geflüchtet haben.
„Die Wohnungen scheinen verlassen,“ sagte Duvignot – „auch ist die Entfernung von der Heerstraße nicht groß genug, als daß dies Goschenwald sein könnte … nur weiter, weiter!“
Das Geschwader setzte sich trotz des steinigen und steiler werdenden schmalen Weges in Trab – die Spitze der Truppe hatte nach einer Viertelstunde die Höhe erreicht, auf der man in das enge Bergthal niederschaute, das von Haus Goschenwald beherrscht wurde. Bald nachher wurde auch dieses letztere sichtbar.
„Ah, das sieht ja vollständig gastlich und einladend aus, dieser alte Edelhof; die Essen rauchen … man ist eben beschäftigt, Ihnen eine Suppe zu kochen, Marcelline – ich bin glücklich, Sie in ein solches Quartier senden zu können.“
„Aber, Duvignot, wie kann ich denn jetzt …“
„Sie müssen sich darein fügen, meine Theure – es geht nicht anders. Während ich mich links durchzuschlagen suche, um die freie Heerstraße wiederzugewinnen und ohne Aufenthalt an mein Ziel zu kommen, müssen Sie sich dort oben Ruhe gönnen. Unsere Truppen werden die Wege für Sie bald frei gemacht und gesäubert haben. Aber mich können Sie nicht weiter begleiten. Mein Gott, wenn Sie mir vor Erschöpfung ohnmächtig, wenn Sie mir krank würden, was dann? Dürfte ich mich Ihretwegen aufhalten? Und könnte ich Sie doch verlassen, verlassen unter freiem Himmel, in der Nacht, die herannaht? Seien Sie vernünftig, Marcelline – ich flehe Sie darum an!“
„Mein Gott, wenn es sein muß, so bin ich ja bereit,“ sagte die Dame resignirt; „welche Mannschaft werden Sie mir zu meinem Schutze lassen?“
„Die ganze Schwadron, wenn Sie wollen, ich werde nur ein Dutzend Chasseurs zu meiner Begleitung bei mir behalten. Dubois, zählen Sie so viel Mann, die bei uns bleiben, ab! Sie, Capitain Lesaillier,“ wendete er sich an einen andern Officier, „bleiben mit Ihrer Schwadron als Escorte der Dame.“
Das Dutzend Reiter wurde vorcommandirt, und Duvignot nahm Abschied von seiner Begleiterin.
„Adieu,“ rief er, die Hand, welche sie ihm reichte, ergreifend und an seine Lippen ziehend. „Ich werde Ihnen in Frankfurt Quartier machen. Ich werde Sorge tragen, daß im Hause Ihres Mannes Alles zu Ihrem Empfange in Bereitschaft ist – Adieu, meine Theure – Lesaillier, Sie werden das Vertrauen, das ich in Sie setze, indem ich Madame Ihrem Schutze übergebe, rechtfertigen!“
„Seien Sie überzeugt davon, mein General,“ antwortete militärisch salutirend der Officier der Schwadron.
„Also noch einmal Adieu, Marcelline, ich lasse Sie in guter Hut!“ rief der General aus, legte die Hand an den Hut und spornte sein Pferd an, um dem Wege zu folgen, der vor ihm in’s Thal niederlief und dann sich links am Fuße der Höhe hielt.
Die Frauen mit ihrer Escorte schlugen den Weg ein, der, sich rechts abzweigend, auf halber Berghöhe geradezu auf Haus Goschenwald führte.
[495] Die Dame, welche der General Marcelline genannt hatte, sank, nachdem er sich von ihr getrennt, wie gebrochen vor Müdigkeit in ihren Sattel zusammen Die andere, ihre Zofe, musterte mit scheuem und mattem Blicke den alten Edelhof vor ihr.
„Werden wir da nun zu Rast und Ruhe kommen?“ rief sie aus.
„Wir wollen es hoffen,“ sagte ihre Herrin mit einem Seufzer … „und wenn wir es auch nicht hoffen dürfen, es ist doch besser so, daß wir den General haben vorausziehen lassen.“
„Besser? Den General, der unser bester Schutz war?“
„Ja, besser … was würde man in Frankfurt gesagt haben, wenn ich an der Seite Duvignot’s da eingezogen wäre!“
Sie sagte dies in deutscher Sprache, um nur von der Zofe verstanden zu werden, während die bisherige Unterredung in französischer geführt war.
„Ah bah,“ entgegnete die Zofe ein wenig verdrießlich; sie war nicht in der Stimmung, sich viel Mühe zu geben, um ihre Gedanken zu verbergen … „was würde man gesagt haben! Ich denke, die Verwunderung wäre so groß nicht gewesen. Und zudem wären wir in der Morgenfrühe hingekommen, wo Niemand unsern schönen Triumpheinzug beobachtet hätte. Und endlich wird man in Frankfurt jetzt an Anderes zu denken haben, als an die Rückkehr der Frau Schöffin!“
„Das ist mein Trost freilich auch,“ antwortete die Frau Schöffin. „Wie sagte der General, daß dies Haus heiße? Goschenwald?“
„In der That, ich glaube so war es.“
„Goschenwald!“ wiederholte Frau Marcelline nachsinnend … „ich habe den Namen schon gehört. Ja, ja, es ist richtig … Goschenwald – das muß einem entfernten Verwandten meines Mannes … von seiner ersten Frau her … gehören … einem Reichshofrath in Wien … mein Mann muß sogar einmal dort gewesen sein, ich erinnere mich, daß er davon geredet hat … also dies ist es? Nun, es sieht verlassen und friedlich genug aus, um uns ein ruhiges Nachtquartier zu verheißen!“
Sie waren auf dem Hofe von Haus Goschenwald angekommen – die Truppe hielt, der commandirende Officier glitt rasch aus seinem Sattel, um Frau Marcelline Stallmeisterdienst beim Absteigen zu leisten, und bald nachher waren die beiden Frauen unter dem schützenden Dache untergebracht, wo sich der Schösser und Frau Afra mit einiger widerwilligen Höflichkeit herbeiließen, die Wünsche der Fremden anzuhören und dabei ihr Entsetzen über solche unerwartete Einquartierung nicht gar zu laut an den Tag zu legen.
Der Trupp Chasseurs – es mochten ihrer etwa hundert bis hundertzwanzig sein – legte unterdeß auf die Stallungen Beschlag, um darin einen Theil der Pferde unterzubringen, und bereitete sich vor, mit dem Rest auf dem Hofe des Gebäudes zu campiren.
„Gieb Acht darauf, daß die Leute sich nicht zerstreuen und auf ihrer Hut bleiben,“ sagte der Capitain Lesaillier dabei zu seinem Wachtmeister – „unsere Cameraden da unten werden das Gesindel, das sie attakirt, hoffentlich bald auseinandergesprengt haben – aber just dann könnten wir zerstreute Trupps davon hier auf den Hals bekommen; laß deshalb nicht absatteln und stelle einen Posten in gehöriger Entfernung vom Hofe auf. Duvignot hätte etwas Besseres thun können, als seine Weibsleute in diesem heillosen Rückzug mitzuschleppen und just uns zur Sauvegarde seiner Liebschaften zu machen – Gott verdamme sie!“
„Wär’ mir auch lieb, wir wären aus diesen vermaledeiten Defiléen heraus, Capitain,“ sagte der Wachtmeister; „ist einmal das Wunder passirt, daß uns diese Hunde von Weißröcken geschlagen haben, so kann auch das zweite Wunder passiren, daß sie einmal wissen, wie man einem geschlagenen Feind auf dem Nacken sitzt; und kommen die uns auch noch auf den Hals, so wird die Suppe gut!“
„Das würde sie freilich, alter Grognard,“ fiel der Capitain ein; „aber da ist nichts zu fürchten; sie werden nach ihren Anstrengungen einige Tage zum Ausschlafen nöthig haben; sorg’ dafür, daß die Pferde eine gute Streu bekommen und daß nicht zu früh getränkt wird!“
Etwa eine Stunde vor der Ankunft der Frau Marcelline und ihrer Schutzwache auf Goschenwald hatte Benedicte in wachsender Aufregung das Haus verlassen. Der Lärm des Kampfes, der deutlich in das Thal herüberklang, die Kanonenschläge nicht allein, sondern von Zeit zu Zeit auch das Rollen von Kleingewehrfeuer, dessen Schall die Windströmung gedämpft herübertrug, hatten sie nicht ruhen lassen. Und wie dieser Lärm sie entsetzte, so peinigte sie die Erinnerung an die Scene mit Wilderich, welche sie auf’s Tiefste erschüttert hatte; jedes seiner wilden leidenschaftlichen Worte klang in ihrer Seele wider – sie hatten da einen vollständigen Aufruhr hervorgerufen, vermehrt und in’s Unerträgliche gesteigert durch die Angst um ihn, die seitdem hinzugekommen – jeder Schuß, den sie aus der Ferne herüberhallen hörte, ging ihr in’s Herz, es war ihr, als müsse die Kugel, die da geschleudert wurde, die sein, welche sein warmes männliches Herz treffe … in dieser Angst um ihn ging aller Stolz, alles Gefühl des Verletzenden, das seine rasche und verwegene Werbung um ihre Liebe sonst hätte erwecken können, verloren; sie dachte nur an Alles das, was sein Wesen Gewinnendes, sein Wort, seine Gluth, seine Kühnheit Bezwingendes für sie gehabt; sie dachte an das Schreckliche, das sein Tod für sie haben würde … und für sie ja nicht allein, auch für das Kind, von dem ihr der Schösser gesprochen, das Kind, an das sie so viel denken müssen … mit der Spannung, die ein Geheimniß in uns erweckt … mit Unruhe und einer gewissen Beklemmung, und doch auch einer vollen inneren Zuversicht auf die Wahrheit dessen, was er zu ihr gesprochen – lag es in ihrem Herzen, oder lag es in seinem offenen Antlitze, seinem hellen Blicke, die Offenbarung, daß dieser Mann nicht täuschen könne?
Sie dachte an das Kind, als ob es etwas ihr Nahestehendes sei, etwas, für das ihr die Sorge bleibe, wenn sein Beschützer in diesem verwegenen Kampfe falle, dessen Widerhall an ihr Ohr schlug.
So hatte sie Haus Goschenwald verlassen. Eine Magd hatte ihr unten in der Halle des Hauses zugerufen, ob sie sie begleiten wolle, hinaus auf eine Höhe, von welcher man durch einen Bergeinschnitt weit hinab in das Thal blicken könne, durch welches die Straße ziehe und der Rückzug der Feinde gehe – zwei andre Mägde wären schon vorauf dahin; Benedicte hatte sich eifrig angeschlossen und durch eine Hinterthür, durch den Garten des Edelhofes, der an der hintern Seite sich an die Bergwand legte, dann über einen sandigen Fußweg war sie eine Viertelstunde weit der Magd gefolgt bis zu einem alten Steinkreuz, an dem mehrere Wege auseinanderliefen. Der eine führte als wenig begangener steiler Fußsteig rechts zu der Höhe hinan, auf der die verheißene Aussicht sich bieten sollte. Der andere lief mehr links in die nordöstliche Thalecke hinein, wo ein an dieser Stelle sichtbar werdender Einschnitt in die Bergwände, die das kleine Thal umgaben, einen Ausgang in die dahinter liegenden Waldthäler zu öffnen schien. In der That führte dieser Weg, wenn man seinen Windungen durch mehrere kleine Waldthäler folgte, auf die von uns erwähnte zweite, über Lohr aus Aschaffenburg laufende Spessartstraße.
Vom Steinkreuz ab westlich senkte er sich abwärts, um unter Goschenwald her durch den Grund des Thales zu laufen, in der Richtung nach Westen, in welcher wir den General Duvignot sich einen Ausweg aus dem Thale suchen sahen.
Benedicte nahm, als sie an dem alten Steinkreuz angekommen war, einen Trupp von bewaffneten Männern wahr, welcher aus dem erwähnten Bergeinschnitt von Nordosten her auf sie zugetrabt kam und dessen vorderster sie, als sie sich rasch entfernen wollte, anrief.
Der Reiter waren sechs – zwei ritten vorauf, die vier andern in einer Gruppe zusammen. Zwei von diesen letztern trugen leichte weiße Staubmäntel über hechtgrauen Uniformen und rothen Beinkleidern – die andern waren in weißen Röcken, nur die voransprengenden trugen die dunkelblauen Uniformen ungarischer Husaren.
So wenig sich Benedicte darauf verstand, erkannte sie doch sofort, daß sie österreichische Officiere vor sich hatte, wie es schien, Stabsofficiere.
Sie blieb an dem Steinkreuz stehen und war bald von ihnen umgeben.
„Demoiselle,“ sagte einer der Männer in der hechtgrauen [496] Uniform mit einem sehr wohllautenden Organ und einer freundlichen Betonung, die mit dem langen, ernsten Gesichte des noch jungen Mannes im Contraste stand, „Sie werden die Güte haben uns einige Auskunft zu geben; zuerst, ist das dort Haus Goschenwald?“
„Es heißt so!“ antwortete das junge Mädchen unter heftigem Herzklopfen und in einer Verwirrung, welche ihr unmöglich machte, sich zu besinnen, woher ihr das Gesicht mit der ungewöhnlich hohen Stirn, den gedehnten Zügen, der stark ausgebildeten Unterlippe und dem langen Kinn bekannt sei, wo sie es gesehen haben könne.
Der junge Mann nickte mit dem Kopfe und sagte:
„Ich danke Ihnen. Ist der Hof besetzt?“
„Nein, er ist ohne Vertheidiger.“
„Ich meine, ob Franzosen da sind, oder ob sie dort waren?“
„Franzosen? Nein!“
„Wie weit sind wir hier von der Heerstraße, über welche der Rückzug der Franzosen sich bewegt?“
„Etwa dreiviertel Stunde.“
„Führt von dem Hofe Goschenwald eine so breite Straße hinab nach dieser Heerstraße, daß eine geschlossene Colonne – Sie verstehen mich: ein Bataillon – ein Regiment darauf marschiren könnte? Würde man Artillerie dahin bringen können?“
„Es führt ein Weg, der befahren werden kann, von Haus Goschenwald nach der Heerstraße; er führt von Goschenwald links über eine Einsattelung, dann durch eine Schlucht an einer Mühle vorüber.“ …
„Und er kann befahren werden?“
„In der That, aber wohl nur mühsam; er ist sehr schlecht zu gehen, ich kann nicht darüber urtheilen, ob Geschütze …“
„Ich danke Ihnen,“ sagte der junge Stabsofficier noch einmal, und dann sich zu dem andern Officier in der hechtgrauen Uniform wendend, fuhr er leiser redend fort:
„Wir wollen Strassoldo mit seiner Batterie bis auf weiteren Befehl stehen bleiben lassen, aber die zwei Bataillone Abpfaltern und eine Compagnie Kaiserjäger sollen vorgehen – die Kaiserjäger als Tête natürlich; ich will auf dem Hofe da vor uns die Meldungen erwarten; wenn sie an der Heerstraße angekommen sind und da in die Verfolgung eingreifen, soll es mir sofort gemeldet werden, wir wollen dann sehen, wie viel Mannschaft wir nachrücken lassen können.“ …
„So sprengen Sie zurück, Muga,“ wandte sich der zweite Hechtgraue, ein schon älterer Herr mit ergrauendem Haar, an einen der beiden andern Officiere, „Sie haben die Befehle gehört?“
„Zu Befehl, Excellenz,“ sagte dieser, die Hand am Schirm der Feldmütze; dann warf er sein Pferd herum, spornte es und sprengte auf dem Wege, den er gekommen, zurück.
„Sie, Bubna, bleiben hier zurück,“ wandte sich der junge Mann mit dem langen Gesichte jetzt an den Dritten seiner Begleitung, „um den Marsch zu dirigiren, wenn die Truppen kommen … da links hinein, nicht wahr?“ richtete er wieder seine Fragen an Benedicte.
„Die Truppen müssen diesem Fahrweg in’s Thal hinein folgen; dann, wo drüben eine Allee von Eichen, die auf Haus Goschenwald zuläuft, endet, wirft sich der Weg linkshin über die Einsattelung und steigt an der andern Seite wieder durch die Mühlenschlucht bis zu der Heerstraße hinab, auf der jetzt gekämpft wird.“
„Haben Sie es gehört, Bubna? Halten Sie eine der Ordonnanzen hier bei sich, damit Sie mir die Meldung machen lassen können, wenn die Leute da sind; lassen Sie sie ihren Marsch beeilen, wie es nur immer möglich ist; untersuchen Sie dann, ob sich Geschütze daher führen lassen, und sorgen dafür, daß ich sofort Nachricht erhalte, falls es möglich ist, Artillerie fortzubringen.“
Der junge Mann nickte dem zurückbleibenden Officier einen Gruß zu und wandte sich dann wieder an Benedicte.
„Jetzt, Demoiselle,“ sagte er, „haben Sie die Güte, uns zu führen … wir wollen die Gastfreundschaft des Edelhofs da vor uns unterdeß in Anspruch nehmen … können wir auf diesem Fußpfade hingelangen … und,“ setzte er lächelnd hinzu, „werden sie da einen frischen Trunk Steinweins oder nur frischer Milch für ein paar müde, durstige Soldaten haben?“
„O gewiß, gewiß!“ rief Benedicte lebhaft aus, „ich bin sicher, daß Soldaten, welche diese Uniform tragen, mit Freuden da empfangen werden; folgen Sie nur, dieser Fußpfad führt in der geradesten Richtung dahin.“ …
„So kommen Sie, Sztarrai,“ rief der junge Mann seinem Cameraden zu.
Ein Beileidsschreiben. Vor einigen Wochen empfing ein österreichischer Schriftsteller von einem der Thüringischen Fürsten einen Orden
und vierzehn Tage später das nachfolgende Condolenzschreiben, das wir
mit Weglassung aller Namen unseren Lesern mittheilen. Es lautet:
„Wenn wir uns Ihnen heute in ernster Stunde nahen, verehrter Herr und Freund, so geschieht es nicht etwa allein, um Ihnen unser herzliches Mitgefühl und Beileid zu bezeigen, sondern auch zu versuchen, Ihnen in dem schweren und schmerzlichen Fall, der Sie betroffen, Trost einzusprechen.
Noch klammern wir uns allerdings an eine schwache Hoffnung: die Nachricht stand blos in einer Illustrirten Zeitung, und die Möglichkeit liegt vor, daß sie nur ein falsches Gerücht gewesen. Sie wissen ja selber am besten, daß sich im Glück Niemand um den Andern bekümmert, Unglücksfälle aber immer gleich und ausführlich gemeldet und verbreitet werden.
Sollte es aber doch wahr sein, sollten Sie wirklich, wie uns versichert wird, den
erhalten haben, dann freilich ist Hülfe nicht mehr möglich, und nehmen Sie in dem Fall hier wenigstens den warmen Händedruck treuer, mitfühlender Freunde.
Wir waren so glücklich in W–, lebten so sorglos und vergnügt in den Tag hinein – Alle mit reinem Herzen und Knopfloch, und hofften auch, daß wir uns dereinst so wiederfinden sollten: – es hat nicht sein sollen! – Aber erinnern Sie sich, daß wir Sie gewarnt. Wir haben es Ihnen vorhergesagt: nach dem Toast war er unvermeidlich! – „Man sagt, er wollte sterben.“
Es ist freilich ein schlechter Trost, wenn ich nur den Arm breche und ein Freund nennt es noch ein Glück und erzählt mir einen Fall, wo ein Bekannter von ihm den Hals gebrochen hat – aber selbst ein schlechter Trost ist besser als gar keiner, und wir verweisen Sie deshalb auf B– A–, dem – schon vor längerer Zeit sogar – der Piepvogel letzter Classe versetzt wurde, ohne daß er körperlich darunter gelitten hätte.
Je kleiner der Vogel aber, desto kleiner auch das Leid, und mit Ihrer gesunden Constitution ist es ja doch möglich, daß Sie es überstehen werden – nur hüten Sie sich vor Hofluft und zu leichter Kleidung – wie Frack und Glacéhandschuhe, denn solche Anfälle wiederholen sich manchmal und sind dann um so gefährlicher. Ja, wir kennen Beispiele, wo Menschen einen solchen Ausschlag über die ganze Brust und selbst an den Hals bekommen haben.
Aber das Unglück ist einmal geschehen; so tragen Sie es denn männlich (mit oder ohne Stern, wie Sie wollen – mit sieht aber hübscher aus) und seien Sie versichert, daß Ihnen aller Orten Freunde leben, die sich zwar nicht in eine solche Lage hineindenken können, aber doch recht gut begreifen und mit Ihnen fühlen, wie Ihnen jetzt etwa zu Muthe ist.
Damit zeichnen wir uns, verehrter Herr, als Ihre treuen und tief mit Ihnen empfindenden Freunde
G. D. und D.“
Sollte vielleicht Gerstäcker der Verfasser des Briefes sein? Einige
Wendungen lassen es fast vermuthen.
Bock’s ganz vortreffliches Schulbuch „Bau, Leben und Pflege des menschlichen Körpers in Wort und Bild“ ist soeben in vierter Auflage erschienen. In nur wenigen Monaten sind dreißigtausend Exemplare dieses von der Kritik und allen Schulvorständen mit großer Anerkennung aufgenommenen schön illustrirten Buches verbreitet worden, und mit jedem Monat mehrt sich die Zahl der Schulen, welche das instructive Werk als Lehrmittel einführen. Augenblicklich ist dasselbe in nachfolgenden Schulen angenommen: Memmingen, Dresden, Meißen, Coburg, Döbeln, Zürich, Chemnitz, Grimma, Eichstätt, Annaberg, Sondershausen, Wunsiedel, Gleiwitz, Halle, Breslau, Köthen, Schwabach, Leipzig, Langensalza, Coblenz, Freiberg, Frankenberg, Frankfurt a. O., Berlin, Burgdorf, Gmünd, Glauchau, Görlitz, Harburg, Magdeburg, Nürnberg, Plauen, Regensburg, Stettin, Trier, Wien, Bunzlau, Löbau, Aarau, Kufstein.
Das Buch ist zugleich ein buchhändlerisches Unicum. Trotzdem dasselbe binnen weniger Monate in der enormen Auflage von 30,000 Exemplaren verbreitet wurde und der Verfasser im Interesse einer billigen Herstellung keinen Groschen Honorar annahm, so hat doch die Verlagshandlung nicht nur keinen Gewinn erzielt, sondern nach Abschluß noch 33 Thlr. 10 Ngr. Verlust gehabt. Der fabelhaft billige Schulpreis und die mancherlei Umarbeitungen welche den Satz vertheuerten, ließen trotz des großen Absatzes einen bessern Erfolg nicht erreichen, ganz abgesehen davon, daß von vornherein weder vom Verfasser, noch vom Verleger damit eine Speculation beabsichtigt wurde.
- ↑ Karl Maria von Weber. Ein Lebensbild von Max Maria von Weber. 3 Bde. Leipzig. Ernst Keil
- ↑ Roland Risse in Düsseldorf, ein Mann in dem glücklichen Alter von vierunddreißig Jahren, hat den Portraitmaler Karl Sohn und die Akademie-Directoren Schadow und Bendemann zu Lehrern gehabt und in München, Dresden, Berlin, Belgien, Holland und Paris alte und neue Kunst studirt. Gemalt hat er zuerst eine Reihe biblischer Bilder, auch ein größeres Frescobild im Auftrag des Kunstvereins für das Rheinland und Westphalen; mehrere deutsche Märchen, dann „Johanna Sebus ihre Mutter aus der Wassersnoth rettend“, eines der vielen Düsseldorfer Gemälde, welche in der letzten Zeit nach Amerika gekommen sind.