Die Gartenlaube (1868)/Heft 9
[129]
No. 9. | 1868. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Unser Schauplatz ist eine große Bauernschaft, wohl eine kleine Stunde lang. Es gehören zwei Rittergüter dazu, die an den entgegengesetzten Enden liegen, Haus Stromeck, das einer verwittweten Frau von Thorbach gehört, und Haus Mechtelbeck, dessen Besitzer in der nächsten Provincialhauptstadt als Officier lebt und sehr selten nach seinem Eigen zu schauen kommt. Dann gehören sehr große Bauernhöfe dazu und viele kleinere, ganze Erben und halbe Erben und Kotten.
Zu den größten zählt der Herbothof; der Bauer darauf hat ihn vor Jahren gekauft, er schreibt sich seitdem Hendrick Herbot, geborener Schulte Willhering. Er ist ein rascher, etwas hitziger Mann, auch wohl ein wenig zäh und gerieben, aber nicht störrischer und hartköpfiger, als es einem richtigen Bauer zukommt.
Und ein glücklicher Mann muß Bauer Herbot sein. Sein Haus steht, wie es allein gescheidt und vernünftig ist, mitten in seinem Besitzthum. Vor den Seitenthüren liegen links der Garten und rechts der Obstgarten mit Gaden und Backhaus darin; er hat beide Gärten sich just so groß abzäunen können, wie ihm irgend beliebt hat; hinter dem Hause ist der Bleichplatz am Bache, und jenseits des Baches liegen die Wiesen, und im Kranz darum herum die Holzung. Vor der Niederthür aber erstreckt sich das weite Feld für Sommer- und Winterfrucht, ein guter, gemischter Boden, der eine Mittelsorte Weizen, in nicht zu trockenen Jahren dagegen vortrefflichen Roggen trägt.
Erzählt man dem Bauer Herbot, daß nach altdeutschem Gesetz des Hofbesitzers Recht an die Mark so weit gehe, wie er den Hammer schleudern könne, so muß er herzlich lachen … er müßte zwanzig Mal den Hammer schleudern, um an seine nächste Grenze zu kommen.
An der langen Tenne sind die Viehstände rechts und links mit wohlgenährtem Rindvieh besetzt; in der wie eine Halle großen Küche glänzt das Geschirr und hängen an den Wihmbalken die reichen Wintervorräthe, und so viel ist gewiß, die alten Classiker, welche das Glück des Landmanns gepriesen haben, hätten in der Küche des Herbotbauern nur aufzuschauen brauchen, um vom Werth ihrer Philosophie durchdrungen zu werden.
Wer jedoch nicht ganz davon durchdrungen schien, das war der Bauer selbst, so schön auch eben gerade sein ländliches Heim dalag, denn eine warme, dem Westen sich zuneigende Nachmittagssonne strahlte zwischen goldumsäumten Wolken hindurch auf sein dunkles, altes Strohdach, und indem sie die Laubpartien der weitgeästeten Eichenwipfel, welche es umschatteten, auf’s Malerischste hervortreten ließ, schien sie sein Haus vergolden, es ihm in seinem ganzen Glanze zeigen zu wollen. Man konnte in der That nichts Idyllischeres, nichts, was mehr von einer stillen und friedenathmenden Poesie umwoben wäre, sehen, als dies einsam in seiner Eichen Mitte daliegende Bauernhaus.
Bauer Herbot aber war trotz dem allen offenbar nicht glücklich. Was ist dem Menschen Poesie, Idylle, malerische Laubpartie und wechselndes Spiel der Sonnenstrahlen – wenn er Verdruß hat, Verdruß mit seinen Mägden, Verdruß mit seinen Knechten, Verdruß mit seiner Tochter und einen besondern, nicht so laut wie die übrigen Verdrüsse ausgesprochenen, scheu im Herzen steckenden Verdruß noch obendrein!
„Du weißt nun einmal mit dem Volk nicht umzugehen,“ sagte der Bauer zu seiner Tochter, die neben ihm auf der Bank hinter dem Hause saß, wo man über den Bach hinweg auf die Wiesen und den Kranz von Gehölz blickte, der sie umgab; „Du weißt sie nicht in Respect zu halten! Die Knechte lachen über das, was Du sagst, und die Mägde thun, was sie wollen!“
Wenn man das junge Mädchen neben ihm ansah, so mußte man Bauer Herbot Recht geben. Sie hatte eine so feine Gestalt, hatte, trotzdem daß sie eine Landschönheit war, Farben, so klar und hell wie Milch und Blut. Ihre Augen waren blau und es lag etwas von rührender Harmlosigkeit darin, etwas Sanftes, Ernstes, Gutes … gewiß, sie verdiente die Vorwürfe, die Bauer Herbot ihr machte. Ein rohes Dienstbotenvolk in Ordnung zu halten und sich bei widerspenstigen Mägden in Respect zu setzen, verstand sie nicht.
„Auch ist es ein Elend,“ fuhr der Bauer fort, „daß Du niemals mehr als ein Ding im Kopfe halten kannst. Wenn ich Dir sage: geh’, laß heute Nachmittag den Hanf aufreißen, gut, so wird der Hanf aufgerissen, aber Du denkst nicht daran, daß Du um vier Uhr nach Hause kommen mußt, weil der Wagen von der Mühle kommt und Du ihm die Säcke mit Korn aufladen lassen mußt. Wer soll es anders thun? Du weißt, daß ich mit dem Großknecht beim Grummet bin … doch Du steckst bis über die Ohren im Hanffeld und denkst an die übrige Welt nicht mehr.“
„Ach ja, Ihr habt Recht, Vater,“ sagte das junge Mädchen mit einem tiefen Seufzer.
„Ich hätte Dich nicht auf ein Jahr zu der gnädigen Frau gehen lassen sollen,“ fuhr der Vater fort. „Du bist seitdem nichts mehr nutz für eine ordentliche Bauernwirthschaft; seit Deine Mutter todt ist, geht Alles den Krebsgang auf dem Hof und ich habe Verdruß über Verdruß. Wird auch wohl nicht besser werden für’s Erste!“
[130] Das junge Mädchen faltete mit einem zweiten Seufzer ihre Hände im Schooße.
„Vater,“ sagte sie, „ich wollte Euch gern sagen: ich will mich bessern. Aber was hälf’s, ich fühle es ja selber, daß ich mich nicht bessern kann, so gern ich’s möchte. Ich habe keinen Kopf dazu! Seht, wenn Ihr mir sagt: geh’ den Nachmittag mit den Mägden in’s Feld und sieh’, daß der Hanf aufgerissen wird, so bin ich so eifrig dabei und denke nur darauf, daß wir auch bis zum Abend mit der Arbeit fertig werden und daß jede von den Mägden ihr gleiches Theil thut und daß die einzelnen Bündel ordentlich aufgebunden werden, daß ich darüber den Müllerwagen vergesse – und hernach erst fällt’s mir mit Schrecken ein. Und wenn ich in der Milchkammer sehe, die Kathrine hat wieder vergessen, eine von den Schüsseln abzurahmen oder hat nach dem letzten Buttern die Quirle nicht ordentlich ausgewaschen, dann ärgere ich mich wohl über die Kathrine und dann gelobe ich mir, ihr recht tüchtig den Kopf zu waschen, aber wenn dann die Kathrine wirklich vor mir steht und sieht so ruhig und wohl zufrieden mit sich aus, als ob sie Alles auf’s Beste gethan hätte, dann hab’ ich gar den Muth nicht mehr, ihr etwas Schlimmes zu sagen, und wenn ich mich recht zusammennehme und ihr sage, es sei doch sehr unrecht, so nachlässig zu sein, so zuckt sie mit den Schultern und geht fort, ohne sich darum zu kümmern!“
Bauer Herbot zuckte auch mit den Schultern.
„Und das wundert Dich dann wohl noch, daß sich aus solchen Worten das wüste Volk nichts macht?“
„Es wundert mich gar nicht, um so weniger, als sie ja sehen, daß ich auch oft genug etwas vergesse und genug von Euch gescholten werde!“
Herbot schwieg und warf heftig die Asche aus seiner eben ausgegangenen Pfeife.
„Vater,“ sagte das junge Mädchen sanft nach einer Pause.
„Was ist, Marianne?“
„Ihr solltet Euch entschließen … zu dem, was Ihr doch einmal thun müßt! Es geht ja nicht anders, es muß aus den Hof eine tüchtige junge Frau kommen, die’s besser anzufassen versteht, als ich. Ihr seid ja noch in den besten Jahren, und wenn Ihr auch nicht der Bauer vom Herbothof wäret, ich glaube, die Anna nähm’ Euch doch!“
Herbot nickte nachdenklich mit dem Kopfe.
„Die Anna nähm’ mich schon,“ sagte er, „die Anna ist ein wackeres und rühriges Mädchen, das mir besser gefällt, als jede andere in der Bauernschaft. Aber …“
Bauer Herbot murmelte etwas zwischen den Zähnen; er beschäftigte sich damit, den Tabaksbeutel hervorzuziehen und seine Pfeife neu zu stopfen.
„Aber?“ fragte Marianne.
„Nun, was brauch’ ich Dir’s zu verschweigen! Die Anna ist viel zu gescheidt, in ein Haus zu ziehen, worin eine Tochter ist, beinah eben so alt wie sie. Sie hat’s nicht nöthig, das!“
„Hat sie Euch das gesagt?“ fragte Marianne, die Farbe wechselnd.
Bauer Herbot gab keine Antwort auf diese Frage.
Eine stumme Pause folgte.
„Du lieber Gott,“ hob Marianne mit einem schweren Seufzer wieder an, „ich komme mit der Zeit ja auch wohl noch unter die Haube!“
„Es hat nicht den Anschein,“ versetzte unmuthig der Bauer. „Freier hast Du genug! Der junge Rasselsberg und der Schulzensohn vom Erdmannshof und der Anerbe vom Wallfurth’s Colonat – sie alle sind Deinetwegen hier gewesen … aber Du hast ihnen Allen schnippisch die Wege gewiesen, und wenn nicht auf den Herbothof ein Prinz mit vier Pferden gefahren kommt, so wird wohl nie, etwas daraus werden … Und so muß ich mich drein geben; was ist mit einem verdrehten Weiberkopf anzufangen? Das kommt dabei heraus, wenn man seine Kinder mit vornehmen Leuten in die Stadt ziehen läßt … Zierpuppen werden sie, denen nichts mehr gut genug ist! Deine gnädige Frau hat’s Dich wohl gelehrt? Die weiß ja auch nicht, was sie will, und wen sie mag; ihr Mann ist schon seit drei Jahren todt und nun ist ihr Vater obendrein gestorben und es thäte bitter Noth, daß sie einen ordentlichen Mann nähme, der nach dem Ihrigen schaute und es bei einander hielte … aber es sei ihr keiner gut genug, sagen die Leute, sie führt sie alle am Narrenseile und …“
„Ach, Vater, was wißt Ihr davon, daß Ihr den Leuten solch’ verkehrtes Zeug nachredet. Die Frau von Thorbach ist die bravste Frau aus der Welt …“
„Wenn sie nicht auch eine Zierpuppe wäre, just wie Du, hätte sie längst Einen gefunden, der ihr gut genug gewesen wäre!“
„Eine Zierpuppe ist sie nicht, das ist bös, daß Ihr das sagt, und wenn sie die Männer, die um sie freien – es kommen ihrer freilich schon genug – nicht mag, so hat sie ihre Gründe …“
„Gründe … möcht’ wissen, was für Gründe das sein sollten …“
„Die Gründe,“ rief Marianne, in der Vertheidigung der gnädigen Frau immer hitziger werdend, aus, „die sind, daß sie Einen gern hat und alle Andern nicht mag, und ich denk’, das ist ganz allein ihre Sache und geht Niemand etwas an.“
„Nun, weshalb nimmt sie denn den Einen nicht? Uns geht’s freilich nicht an, aber das Schloßwesen geht’s an, das verkommt ohne ordentlichen Herrn.“
„Der Eine, den sie mag, der mag sie nicht; der kümmert sich gar nicht um sie, oder hat wohl einen Haß auf sie geworfen, ich weiß es nicht … ich weiß nur, daß es ein seltsamer Mensch sein muß … eine so schöne und so gute junge Frau …“
„Das müßt freilich ein seltsamer Mensch sein, der das Schloß Stromeck nicht nähme, wenn er’s bekommen könnt’. Das ist ja Alles dummer Schnack!“
„Es ist kein Schnack, sie hat’s mir einmal selber gesagt, Herr von Mechtelbeck stiere sie immer von Weitem an, als ob sie ein wildes Thier wäre, und wiche ihr doch aus und spreche nie ein Wort zu ihr … ich hab’s wohl gemerkt, weshalb sie so zornig dabei war …“
„Der Rittmeister von Mechtelbeck? Der wär’s?“ fragte Herbot, „das ist wunderlich! Zwischen denen von Stromeck und den Mechtelbecks hat, so lang ich denken kann, niemals große Freundschaft bestanden. Nun, sie mögen das unter sich ausmachen und mir kann’s einerlei sein, ob die gnädige Frau einen Mann nimmt oder nicht nimmt. Bei Dir aber ist mir’s nicht einerlei, und weshalb mir’s nicht einerlei ist, das hab’ ich Dir just gesagt, und ich sag’ Dir auch, daß ich die Ziererei müde bin. Die Anna hat am Ende auch nicht Lust, ewig zu warten, bis Dir’s mal einfällt …“
„O sorgt Euch nicht!“ fiel Marianne gereizt und mit schwer verwundetem Herzen ein, in das die egoistischen Worte ihres Vaters wie Stacheln drangen. „Ich werde mich ja schon verheirathen. Ihr mögt’s der Anna nur sagen,“ setzte sie mit vor schmerzlicher Erregung zitternder Lippe hinzu.
„Und wer ist’s denn, den Du nehmen willst?“ fragte der Bauer begierig aufhorchend, „ist’s der Raffelsberg oder der Erdmann, oder der …?“
„Muß es denn just Einer von den Dreien sein?“ fragte Marianne mit einem tiefschmerzlichen Seufzer.
„Es hat sonst Keiner um Dich gefreit, so viel ich weiß … aber hör’, es kommt mir just so vor, als sei’s nur leeres Gered’, was Du daher machst … damit komm’ ich nicht weiter – werd’ mich auch hüten, der Anna davon zu sagen … ich kenne Dich!“
„Mein Gott, nein, es ist kein leeres Gered’, ich werde ja heirathen, ganz gewiß werd’ ich’s; ich kann doch nicht mehr thun, als es Euch sagen!“
„Dann komm’ auch heraus mit der Sprache und sag’ ehrlich, wer’s ist! So lang Du das nicht thust, glaub’ ich Dir nichts. Mit Deinem ,Ich werd’ heirathen’ laß ich mich nicht zum Besten halten … Nun, wirst Du endlich reden?“
„Muß ich denn durchaus Einen nennen … nun in Gottes Namen denn, wenn Ihr gar nicht anders Ruhe bekommt der …“
Marianne stockte eine Weile, preßte die Hände in ihrem Schooße zusammen und sagte mit zornigem Tone:
„Der Friedrich, der bei den Soldaten in der Stadt, ist’s, den ich nehme.“
„Was? Der Friedrich?“ rief Herbot mit dem Tone einer ganz außerordentlichen Verwunderung. „Der?“
Marianne schwieg, zu Boden blickend, während ihr Thränen des Zorns in die Wimpern traten.
„Aber der ist ja seit Jahren nicht mehr hier im Dorfe gewesen,“ sagte Herbot jetzt, „seit vielen Jahren …“
„Ich habe ihn gesehen, als ich bei der gnädigen Frau in [131] der Stadt war,“ antwortete Marianne sich abwendend und kaum verständlich.
„Und hast ihm dort das Jawort gegeben?“
Marianne war in Beziehung auf den Bräutigam auffallend lakonisch. Sie nickte nur mit dem Kopfe.
„Und kann der denn heirathen?“ fragte Herbot weiter.
„Er wird nächstens … ich weiß nicht, wie man’s nennt – aber er wird etwas … und dann kann er’s.“
„Bald?“
„Ich denke, bald.“
Bauer Herbot schüttelte den Kopf. Unter anderen Umständen hätte ihm ein solches Geständniß nicht gemacht werden dürfen … Der Friedrich, von dem man gar nicht wußte, woher er stammte, der Unterofficier bei der Artillerie war … und eine Tochter vom Herbothofe … es wäre ihm wahrhaftig nicht eingefallen, dazu seinen Segen zu geben! Aber wenn er an die Anna dachte … und wenn es wahr war, daß der Friedrich nächstens höher hinauf komme, und ein ansehnliches Kindestheil bekam die Marianne ja mit, daran sollte es nicht fehlen – und eine ordentliche Bauernfrau wurde sie ja ohnehin nie – viel besser paßte sie in die Stadt …
Bauer Herbot schmauchte sehr heftig dicke Wolken aus seinem gebräunten Maserkopf; er schwieg, aber in seinen Zügen lag keine Unzufriedenheit mit dem, was er gehört hatte.
Nach einer Weile erhob er sich. Als Marianne dies sah, sprang sie mit einer eigenthümlichen Erregung in die Höhe, und ihre Hand auf des Vaters Arm legend, rief sie aus:
„Aber, Vater, Ihr sagt das Niemand, Niemand in der Welt, hört Ihr?“
„Niemand in der Welt?“
„Nun ja, Eurer Anna mögt Ihr’s sagen … aber sonst darf es Niemand auf Erden erfahren, versprecht mir das, gelobt es mir heilig, ich verlange es von Euch.“
Herbot schüttelte den Kopf.
„Und weshalb denn nicht? Wenn’s mir recht ist…“
„Nein, nein, nein,“ rief Marianne in größter Bewegung ans, „es darf es Niemand erfahren, ich hab’ es Euch gesagt, und Ihr wißt auch wozu, aber keiner Menschenseele weiter dürft Ihr’s sagen, ich will es nun einmal nicht – noch nicht!“
„Sieh, sieh, sieh!“ sagte Herbot sie verwundert anschauend, „Du geräthst ja vollständig in Eifer dabei … kannst Du auch zornig werden? Nun meinethalb – ich will Dir den Gefallen für’s Erste gerne thun; so etwas muß ja doch auch überlegt werden … und darum sei ruhig!“
Damit wandte sich der Herbotbauer und ging in’s Haus. Eine Weile nachher sah ihn Marianne aus der Niederthür herauskommen und über den Hof gehen, dem Schlage zu, jenseits dessen der Fahrweg durch’s Kornfeld lief. Sie wußte, wohin er ging.
Er aber wußte nicht, was in seiner Tochter vorging. Sonst hätte er vielleicht den Weg nicht gemacht. Er konnte die leis geflüsterten Worte ihres Selbstgesprächs nicht verstehen, sonst hätte der Herbotbauer sich am späten Abend wohl nicht mehr in Unkosten gesetzt und den dunkelblauen Sonntagsrock angelegt, und statt des alten Maserkopfs die schöne, mit dickem Silber beschlagene Meerschaumpfeife genommen, deren Spitze und silberne Kettchen jetzt, wie er eilig an den Kornfeldern Herschritt, zu seiner Rocktasche herausblickten.
Mariannens Selbstgespräch aber lautete: „Gott verzeih’ mir die Lüge … aber ich konnte ja nicht anders! Er soll ruhig sein, der Vater und seine Anna! Ich will ja schon Einen nehmen! Entweder den Rasselsberger oder den Erdmann oder den Wallfurth, oder wer sonst noch kommen mag! … Ich will’s, ich will’s, ja, ja, ja, ich will’s, ich werde ja den Tod nicht gleich davon haben! Und damit ich nur Ruhe bekam und die Zeit, mich zu besinnen, mußt ich ja Einen nennen! Der Friedrich ist meilenweit und kommt nie in’s Dorf zurück. Er denkt nicht an’s Dorf und weiß nicht, daß auf dem Herbothof ein Mädchen, das Marianne heißt, lebt; dem schadet’s nichts, daß ich gelogen habe.
Ach, das Heirathen! Es ist doch was Schreckliches darum! Wenn’s nur nicht in der Welt wär’! Der ganze Athem geht mir aus, so oft ich daran denk“. Und weshalb muß es denn sein?!“ Marianne schüttelte zu Boden blickend traurig mit dem Kopf; dann stand sie auf und ging in’s Haus.
Herbot ließ heute Abend sehr lange auf seine Rückkehr warten.
Es ward halb Elf, bis er nach Hause kam.
Marianne war noch auf, während alles Gesinde längst zur Ruhe gegangen. Sie saß hinter einem Buche am Tische in der Küche, die kleine Oellampe vor sich, aber lesen konnte sie nicht, sie hatte kein einziges Blatt in dem Geschichtenbuche, das vor ihr lag, gewendet. Wär’s nur nicht Sonntag gewesen, sie hätte das Spinnrad nehmen können und ihre Gedanken in die gelben Fäden einspinnen; so aber flogen sie ihr wirr und rebellisch alle durch und um den Kopf, und die Schwere, die ihr auf der Brust lag, wehrte allen Schlaf von ihr ab, sie hatte keinen Moment die Lider geschlossen.
Endlich hörte sie draußen den Hofhund anschlagen und des Vaters Anruf, worauf das Thier schwieg und nur mit seiner Kette klirrte; dann ging die Thür auf und der Vater trat ein.
„Nun, Schatz, wie geht Dir’s? Bist noch auf?“ sagte er und schlug Marianne wie in einem sehr ungewohnten Anfall von Zärtlichkeit auf die Schulter. Sein Gesicht war sehr geröthet, oder war das blos Wirkung des rothen Scheins, den die kleine Lampe warf?
„Ihr bleibt lange, Vater,“ sagt Marianne, die sich seiner Zärtlichkeit mit einem unbehaglichen Gefühl entzog, „habt Ihr so viel mit der Anna zu sprechen gehabt?“
„Mit der Anna,“ versetzte er lachend und mit ungewöhnlicher Lebhaftigkeit, indem er dabei höchst schlau die Augen zusammenkneifend Marianne anblinzelte. „Mit der Anna nicht! Da braucht’s nicht viel Ueberlegung. Sie hat schon lang gewußt, was sie wollte, sobald Du nur erst wüßtest, was Du wolltest.“
„Und mit wem habt Ihr denn sonst zu reden gehabt … Vater, Ihr wart doch nicht …“
Der Herbot blinzelte sie wieder außerordentlich fröhlich und schlau an.
„Im Wirthshause?“ lachte er hell auf, „Du meinst, ich war im Wirthshause … nein, ich war nicht im Wirthshaus, hatte mehr zu thun, ich war beim Doctor.“
„Beim Doctor?“
„Ja, beim Advocaten.“
„Beim Advocaten!“ sagte mit niedergeschlagendem Tone Marianne; „schon heut? Ihr habt’s eilig!“
Sie wandte sich rasch ab, um ihrem Vater eine zweite Lampe anzuzünden.
„Laßt uns zu Bette gehen!“ sagte sie tonlos.
„Und willst Du nicht hören, was der Doctor gesagt hat?“
„Was versteh’ ich davon?“ entgegnete Marianne, „ich denk’, Ihr werdet mir mein Kindestheil schon geben, ohne daß ich mich drum kümmere … Eifer, damit in’s Reine zu kommen, zeigt Ihr ja genug!“
„Ja, ja, wir werden schon damit in’s Reine kommen!“ lachte der Herbotbauer wieder laut und fröhlich auf. Marianne wußte wirklich nicht, was der Vater hatte; war es denn möglich, daß er so froh war und so hastig, sein Kind von sich zu entfernen? Hatte er denn für nichts Anderes in der Welt mehr Sinn und Gefühl als für die Anna?
Marianne traten zwei Thränen in die Augen; sie ging, als des Vaters Lampe brannte, mit einem „gute Nacht!“ in die Kammer.
„Sie läuft fort und will nichts davon hören,“ sagte Herbot ihr nachblickend, „nun, es mag am Ende auch besser sein, daß sie nicht eher davon hört, als bis Alles in Ordnung und Klarheit ist mit dem Glückspilz, dem verwetterten Burschen, dem Friedrich … sie würd’s ja am Ende auch gar nicht glauben, wie ich’s auch nicht glauben wollte, anfangs! Aber wahr ist’s doch, und jetzt, wo der alte Fuchs von Advocat mir Alles auseinander gesetzt hat, will ich Stein und Bein darauf schwören, daß es wahr ist … nur wunderlich, daß es nicht eher zu Tage gekommen! … Freilich, der Friedrich war ein armes Blut; wer kümmert sich um den? Jetzt, wo der Herbotbauer sich der Sache annimmt, bekommt sie ein anderes Aussehen, und wenn er die Marianne nimmt, dann wird er ihr bischen Abfindung und Aussteuer gar nicht wollen … der … aber wenn er nur Farbe bekennt, und sie nimmt! Wenn er sie nur nimmt!“
Mit diesem Ausruf des Zweifels, der plötzlich seine erhöhte Stimmung ein wenig zu dämpfen schien, begab sich der Herbotbauer endlich in seine Kammer.
[132] Als Marianne am andern Morgen mit der Großmagd in der Milchkammer stand, um mit ihr den Rahm von den Milchschüsseln abzunehmen, sagte die Letztere flüsternd:
„Ist’s denn wahr, Marianne, bist versprochen, mit, des alten Schulmeisters Friedrich, der bei den Soldaten ist?“
Marianne ließ vor Schreck den Holzlöffel in die Milch fallen.
„Um Gottes willen,“ rief sie tief aufathmend aus – „wie kommst’ darauf?“
„Ich denk’ doch nicht, daß Du’s ableugnen willst,“ versetzte schnippisch das Mädchen.
„Davon ist ja keine Silbe wahr,“ eiferte Marianne weiter, „ich denk’ nicht an den Friedrich, ich kenne ihn ja gar nicht!“
„Als Du in der Stadt warst, bei der gnädigen Frau, hast ihn schon kennen lernen … genau genug, scheint’s!“ gab die Katharine zur Antwort.
„Aber ich will nicht selig werden, wenn …“
„Pfui, verschwöre Dich doch nicht so arg,“ rief jetzt die Großmagd zornig aus …. „Dein Vater selber hat’s mir ja heute Morgen gesagt, im Geheimen, hat er gesagt, und ich sollt’s nicht weiter sagen, noch nicht, aber …“
„O mein Gott, der Vater, der Vater … er macht mich unglücklich!“ seufzte Marianne ganz zerschmettert. „- Nun weiß es in zwei Tagen die ganze Bauernschaft … und nun brauchte nur noch der Friedrich einmal zum Unglück in die Gegend heimzukommen … ich wär’ geschändet für mein Leben lang!“
Um sich von ihrem Schrecken zu erholen, setzte sie sich auf einen Holzschemel, der in der Milchkammer stand. Und dann sprang sie auf; sie eilte hinaus, sie wollte zum Vater und ihm seine Wortlosigkeit vorhalten, und ihm rund heraus sagen, daß …
„Der Vater ist auf’s Veen gefahren,“ sagte ihr der Knecht, der in der Küche am Heerdfeuer stand und der zweiten Magd half, den schweren Kessel mit dem Viehfutter vom Feuer abzunehmen.
Auch das noch! – Er war fort; auf dem stundenweiten Wege in’s Veen begegnete ihm wer weiß noch wer von seinen Bekannten, dem er’s in der Freude seines Herzens, daß nun nichts mehr zwischen ihm und seiner Anna stehe, ebenfalls als strenges Geheimniß anvertraute … und dem Advocaten, zu dem er gestern Abend schon geeilt war, mit ihm wegen der Abschließung Rath zu pflegen, hatte er’s sicher auch schon anvertraut …
Marianne fühlte sich entsetzlich unglücklich, sie war empört wider den Vater, geängstigt wegen der Folgen, zornig auf sich selbst, daß sie sich gestern von ihrem tief verletzten Gefühl so weit hinreißen lassen, und endlich sich völlig klar darüber, daß ihr nichts Anderes übrig bleibe, als sich öffentlich und vor aller Welt in kürzester Zeit entweder mit dem Raffelsberger oder dem Erdmann oder dem Wallfurth zu verloben, mochten sie immerhin alle Drei ihr gleich unausstehlich sein.
Für’s Erste konnte sie nichts thun, als in die Milchkammer gehen und zu der Großmagd sagen:
„Hör’, Katharine, mit dem, was der Vater redete ist’s nichts, ich sag’ Dir’s! Der Vater hat seine Gründe, warum er’s sagt, aber ich hab’ die meinigen, daß ich’s abred’. Willst zu mir halten und Jedem, der davon anfangen sollt’, sagen, es sei leer Geschwätz, so schenke ich Dir ein neues Fürtuch, zu Jacobi, wenn Markt ist.“
„Ich kann schon schweigen und will auch sagen, was Du willst, Marianne,“ versetzte die Großmagd; „mir ist’s eins … hab’ mich gleich gewundert, daß ein so feines, sauberes Mädchen, wie Du bist, und dazu des Herbotbauers Tochter, solch’ einen Findling nehmen möcht’!“
„Einen Findling? Der Friedrich?“
„Und das weißt Du nicht?“
„Hab’s nie gehört!“
„Gewiß ist’s so – das ist gar kein Geheimniß im Dorf. Niemand weiß, von welchem Baum er gefallen ist. Auch nicht, aus welcher Gegend er stammt, wenn er auch hier im Dorfe erzogen ist, bei dem alten Schulmeister, weißt, der vor Jahren gestorben ist.“
„Nun ja, das weiß ich; ich habe geglaubt, wie alle Welt, er sei des Schulmeisters Sohn.“
„Der alte Schulmeister hatte nicht so viel, ihn immer so sauber zu kleiden und dann auf die Unterofficiersschule nach Jülich zu schicken. Das muß anders woher gekommen sein!“
„Nun, uns geht’s nicht an,“ sagte Marianne gleichgültig. „Denk’ daran, daß ich Dein Wort hab’!“
Mariannens Sorge um das, was sie gethan, würde noch um Vieles erschwert worden sein, wenn sie den Inhalt des Gesprächs gekannt hätte, das ihr Vater am Abend vorher mit dem Advocaten geführt hatte.
(Fortsetzung folgt.)
Der Lehrer eines großen Schülers.
An der Nordseite des prächtigen Augustusplatzes in Leipzig erhebt sich, wetteifernd mit den vornehmsten Theatergebäuden Deutschlands, das der Thalia und Melpomene gewidmete imposante neue Haus, und der Platz hat damit den schönsten Abschluß gefunden. Das betriebsame Menschengewühl, das ihn während der Messen erfüllt, empfängt aus den bedeutenden Umgebungen gleichsam die höhere Deutung, daß die Handelsstadt auch den höchsten Interessen der Menschheit auf die würdigste Weise dient. Die Hallen der Künste, der Wissenschaften, wie der Industrie bilden hier den erhabenen Rahmen um den bunten Markt.
Am 28. Januar d. Js. wurde das neue Theater eröffnet und glanzvoll eingeweiht durch Goethe’s Iphigenie auf Tauris, das edelste Drama des großen Deutschen, der vor hundert Jahren als Student in Leipzig den regsten Antheil an den bildenden Künsten nahm, wie an der dramatischen Kunst, ihren Jüngern und sogar am decorativen Theil der Bretter, welche die Welt bedeuten. So sehen wir ihn auf unserer von Künstlerhand ausgeführten Abbildung an der Seite seines Lehrers Oeser, der für das damals neuerbaute Theaterhaus den berühmten Vorhang malt.
Im Anfange seines siebenzehnten Lebensjahres (1765) reiste Goethe bekanntlich aus Frankfurt a. M. nach Leipzig. Für die durch das Ranstädter Thor eintreffenden freien Reichsstädter war der nahe dem Thore in der großen Fleischergasse gelegene Gasthof „zur Stadt Frankfurt“ das allgemeine Absteigequartier, wo auch Goethe den Leipziger Boden zuerst betreten und vermuthlich Nachtruhe nach glücklich überstandenen Reisegefahren gefunden hatte. Seine Wohnung aber, nahm er in der großen Feuerkugel in einem nach dem Hofe zu gelegenen Zimmer, das jetzt durch eine Gedenktafel bezeichnet ist. Die Gartenlaube hat bereits in einem frühern Artikel (Jahrg. 1865, Nr. 47) das Studenten- und Liebesleben des großen Dichters geschildert, es bleibt uns also nur übrig auch der künstlerischen Einflüsse zu gedenken, die auf die Bildung des jungen Poeten so ungemein bedeutend und bestimmend wirkten.
Unter den nachhaltigen Einwirkungen, welche das von Goethe vielgeliebte, hochgepriesene Leipzig auf ihn gehabt hat, sind unstreitig die wichtigsten: daß er sich hier von seinem Brodstudium, der Jurisprudenz, entschieden lossagte, dagegen, von seiner Bestimmung zur Poesie durchglüht, die Bahn zu seiner künftigen Größe betrat; ferner, daß sich hier die ersten Spuren finden, einer Neigung für die bildenden Künste nachzuhängen, ja diese zu erlernen und zu üben unter Anleitung des sinnreichen Oeser, der ihm das Geheimniß der Alten erschloß und ihn lehrte, das Ideal des Schönen sei Einfalt und Stille.
Adam Friedrich Oeser ein geborener Preßburger, bildete sich auf der Wiener Malerakademie in seiner Kunst, außerdem bei Raphael Donner auch zum Bildhauer aus. Später wirkte er als Professor an der Akademie in Dresden. Von seiner Wohnung, Frauengasse, Ritschel’s Haus, vier Treppen hoch, hatte ihm Joh. Winckelmann aus Stendal (gegen dritthalb Thaler wöchentlichen Zins) ein Zimmer abgemiethet, und der große Archäolog erkannte später in seinen Werken und Briefen dankbar den außerordentlichen Einfluß an, den sein einziger Freund Oeser auf die Ausbildung seines künstlerischen Sinnes durch Unterweisung im Zeichnen, durch Lehren und Unterredungen gehabt habe. Wie Oeser namentlich in allegorischen Darstellungen seine Neigung
[133][134] und Stärke zu erkennen gab, so hatte er sicher auch an Winckelmann’s Schrift „Versuch einer Allegorie, besonders für die Kunst“ wesentlichen Antheil. Zwei Jahre vor Goethe’s Ankunft in Leipzig endlich war Oeser dem durch Hagedorn und Weiße vermittelten Rufe als Professor der allgemeine Kunstakademie nach Leipzig gefolgt und sah sich hier bald zugleich als Director der Zeichenakademie und als Maler hochgefeiert. Sein heiteres und lakonisches, derbes und doch gewandtes Wesen, vor Allem aber sein reicher Geist hatten den jungen Goethe, welcher Privatunterricht im Zeichnen bei ihm nahm, gleich beim ersten Begegnen sehr angezogen. Die Akademie, wie die Wohnung des Directors, befanden sich in der durch Mauern, Wälle und Gräben befestigten Pleißenburg. Im hohen Alter erinnert sich der Dichter noch genau der Oertlichkeit, weil sie ihm wundersam, ahnungsvoll und reizend war, weil er in ihr die bedeutendsten Anregungen empfangen hatte. Die heitere Wendeltreppe, die hellen, geräumigen Säle, der dunkele Gang mit dem Kornboden, die Wohnung mit den Bildern, Büchern, Kunst- und Naturaliensammlungen, die eleganten, doch einfachen Möbeln und Portefeuilles – Alles wird uns mit der bekannten plastischen Erzählungsgabe in „Wahrheit und Dichtung“ dargestellt.
Unter den Mitschülern Goethe’s, deren dieser in späteren Briefen oft grüßend gedenkt, waren auch der nachmalige Staatskanzler von Hardenberg, von Lieven und Gröning; von anderen Freunden, die im gastfreien Hause des jovialen Meisters fleißig verkehrten, sind besonders Weiße, Huber und Kreuchauff zu nennen. Die Seele der Gesellschaft aber war die aufgeweckte älteste Tochter Oeser’s, Friederike, der muthwillige Liebling des Vaters, wie der Kunstfreunde, die dann im Sommer auf dem freundlichen Landsitze des Meisters in Dölitz zu ungezwungener Heiterkeit zusammenkamen. Hier wandelte über die anmuthigen Pleißenwiesen, durch Feld und Wald auch der junge Goethe an der Seite des Mädchens, hörte gern auf ihr gesundes Urtheil und unterwarf ihm, dem bald strengen, bald neckischen, seine eigenen Dichtungen. Die Freundin war die Vertraute der Schwärmereien und Launen, mit denen er das geliebte Käthchen der Schönkopf’schen Weinstube feierte und heimsuchte. Zu Friederiken floh er, um sein Herz zu erleichtern und zu befreien, wenn ihn Liebe und Eifersucht quälten, aber auch ihr unbarmherziges Gelächter erging über ihn, als er an einem tödtlichen Lungenübel zu leiden glaubte. Sie curirte gründlich die eingebildete Krankheit und verstand es vortrefflich, dem verzagenden Freunde den Kopf zurecht zu setzen. Später, nach seiner ihm so schwer gewordenen Abreise, fühlte er sich unglücklich, beklagte sich über die Frankfurter Schönen in einem langen poetischen Briefe an Friederike und schildert diese darin am besten selbst:
„Du lieber Gott! an Munterkeit ist hie
An Einsicht und an Witz Dir keine Einz’ge gleich,
Und Deiner Stimme Harmonie
Wie käme die heraus in's Reich!
Und in der Loge noch, mit diesem selt'nen Zug
So aufgeweckt und doch so klug,
Ja, darauf kann ich warten! …
Ja, denken müßt Ihr oft an mich, das sage
Wenn Ihr auf Euerm Landgut seid,
Dem Ort, der mir so manche Plage
Gemacht, dem Ort, der mich so sehr erfreut.
Doch Du verstehst mich nicht, ich will es Dir erklären,
Die Lieder, die ich Dir gegeben, die gehören
Als wahres Eigenthum dem schönen Ort und Dir …
Am Tage sang ich diese Lieder,
Am Abend ging ich wieder heim,
Den guten und den schlechten Rei.“
Die echten Stimmungslieder, welche er hier erwähnt, sind höchst merkwürdig als die ersten Drucke von Gedichten Goethe’s. Sie erschienen 1770 in Leipzig bei Bernh. Christoph Breitkopf und Sohn ohne seinen Namen, unter dem Titel: „Neue Lieder in Melodien gesetzt von Bernh. Theodor Breitkopf“. Handschriftlich, vom Drucke abweichend, mit der Widmung an Friederike Oeser, werden sie in der bekannten einzigen Goethe-Bibliothek in Leipzig aufbewahrt. Gedruckt erschienen sie ohne diese Widmung, vermuthlich weil freie Stellen der Lieder der mädchenhaften Kritik anstößig erschienen waren. Das zwanzigste, letzte, Lied „Zueignung“ beginnt:
„Da sind sie nun! Da habt ihr sie!
Die Lieder ohne Kunst und Müh’
Am Rand des Bachs entsprungen.
Verliebt, und jung, und voll Gefühl
Trieb ich der Jugend altes Spiel,
Und hab’ sie so gesungen.“
Poetische Huldigungen an die Sängerin Corona Schröter und die Schauspielerin Karoline Schulze sind mit unter die ersten Dichtungen zu zählen, welche Goethe nach genußreichen Theaterabenden durch die Leipziger Presse veröffentlichte; endlich gehören auch seine ersten Lustspiele „die Laune des Verliebten“, in der siedenden Leidenschaft zu Käthchen Schönkopf entstanden, und „die Mitschuldigen“ derselben Periode an.
Seit Gottsched und die Neuberin den Grund zur künstlerischen Entwickelung der deutschen Schaubühne ebenfalls in Leipzig gelegt hatten, stand das Schauspiel besonders in den sechsziger Jahren unter Koch’s tüchtiger Leitung in hoher Blüthe. Unter diesen Umständen nahm Goethe großes Interesse an der Bühne, wie noch besonders am neuen Theaterbau, der sich auf der Ranstädter Bastei erhob und eben seiner Vollendung nahe war. Oeser’s gute Rathschläge in Sachen des Geschmacks wurden wohl dabei benutzt; einige Decorationen, und vor Allem der berühmt gewordene Bühnenvorhang, waren seiner Künstlerhand übertragen worden. Dem alten Grundsätze des Simonides, daß die Malerei eine stumme Dichtkunst sei, standen Winckelmann und namentlich Oeser nicht fern, es konnte also der Vorhang nichts Anderes als erdichtete Bilder haben, er konnte nur eine große Allegorie sein, was er denn auch der Composition nach war. Zwei Säulengänge umschlossen den runden Vorhof des Tempels der Wahrheit, mit der unverhüllten Göttin. Bronzene Statuen des Sophokles und Aristophanes schmückten vorn den Eingang zum Vorhofe. An der Statue des ersteren legte Melpomene, die tragische Muse, einen Kranz nieder; Aristophanes – auf unserm Holzschnitte sichtbar – wurde von Thalia, der heiteren Muse, mit Blumengehängen umwunden, Terpsichore und scherzende Liebesgötter waren ihr dabei behülflich, Zwischen Gruppen, von anderen alten und neueren Dichtern gebildet, schritt Shakespeare, – nach der Idee des Malers – unbekümmert um die großen Vorbilder, ohne Vorgänger und Nachfolger, auf seine eigene Hand der Unsterblichkeit, dem Tempel, entgegen. In den Wolken aber thronten die Grazien, von denen zahlreiche ungeflügelte Genien den Dichtern Lorbeerkränze herabbrachten.
Die Malerwerkstatt war auf dem Boden des Theaterhauses eingerichtet, wo der Meister Besuche von Künstlern und Freunden empfing. Häufig fand sich der junge Wolfgang da ein, das fortschreitende Kunstwerk bewundernd, und es war eben ein glücklicher Tag, da Oeser von Freund Wieland die ersten Aushängebogen des Musarion empfangen hatte und sie dem strebenden Schüler mittheilte, der darin die Antike neu lebendig wiederzusehen glaubte und mit Begeisterung das Werk dem arbeitenden Maler vorlas, wie einen solchen Moment unser Bild darstellt. Unter dem Eindruck geistreicher Unterhaltung war endlich der Vorhang vollendet worden und fand, eine Zierde des neuen Hauses, die Bewunderung von Leipzigern und Fremden bei der im October 1766 mit Schlegel’s „Hermann“ erfolgenden Eröffnung.
Die Theilnahme des Publicums war eine außerordentliche. Der Unternehmer Koch machte jetzt, sowie in der Folge mit den beliebten Operetten des Kinderfreundes Chr. Felix Weiße, zu denen Adam Hiller die angenehme Musik componirte, glänzende Geschäfte, bis er zwei Jahre später dem Rufe nach Weimar folgte, von wo er dann nur zu den Messen nach Leipzig kam.
Zahlreiche anderweitige Werke Oeser’s bestanden in Bildern für die Kirche, in Deckengemälden für die öffentlichen und die Säle der reichen Privatleute, endlich in Zeichnungen zu Kupfern und Vignetten für Bücher. Nicht in großen klaren Contouren, sondern mehr in vertriebenen Umrißlinien, nicht in die Tiefe, sondern mehr in Flächen leicht und licht arbeitete er seine besonders in weiblichen und Kinderfiguren reizvollen Bilder, die vom Zeitgeschmack hochgeschätzt wurden. Sein Schwiegersohn Geyser, wie auch Stock, verstanden trefflich nach seinen Zeichnungen in Kupfer zu stechen. Bei Letzterem versuchte sich auch Goethe im Aetzen und Radiren. Zu dem fleißigen, närrischen Kupferstecher mit den munteren Kindern Minna und Dora, in die Mansarde des neuen silbernen Bären Breitkopf’s, kam der kunstliebende Student oft [135] und gern. Beiläufig bemerkt, saßen in demselben denkwürdigen Zimmer fünfzehn Jahre später Körner und Huber bei den Mädchen, um mit ihnen zusammen jene enthusiastische Anerkennung an Schiller nach Mannheim ergehen zu lassen, die vom größten Einfluß auf Schiller’s Lebensgang war. Dora wurde eine geschickte Kupferstechern, Minna aber bekanntlich Körner’s Frau und die Mutter des Dichters und Helden Theodor.
In der Kunstschule Oeser’s verbreitete sich dessen eigene leidenschaftliche Verehrung für Winckelmann; die Schüler erachteten es für kein geringes Glück, bei ihrem Lehrer aus derselben Quelle zu trinken, aus der Winckelmann seinen Durst gestillt hatte. Dessen Schriften über Kunst und Alterthum würden fleißig studirt, und mit Jubel vernahm man die Kunde, daß der große Forscher auf seiner Rückkehr von Rom den Freund Oeser besuchen werde, der dem nahenden Zeitpunkt mit exaltirter Freude entgegensah. Da, wie ein Donnerschlag aus heiterem Himmel, fiel die Nachricht von der Ermordung Winckelmann’s zu Triest mitten in den Kreis seiner gläubigen Verehrer, und Jammer und Wehklagen herrschten nun im bestürzten Hause.
Als Goethe Leipzig verlassen hatte, blieb er mit Oeser in dankbarster hingebendster Liebe durch dauernden Briefwechsel verbunden. Von Weimar aus veranlaßte er die angenehmsten persönlichen Beziehungen Oeser’s zum dortigen Hofe, an dem der Maler ein oft und gern gesehener Gast war. Im Jahre 1799 starb der allgemein verehrte Meister.
So viel zur Erläuterung der Künstlerwerkstatt, von der Goethe sagt, daß sie den Dichter mehr entwickelte als der Hörsaal des Weltweisen. In der That hatte ja der anregende Maler dem jungen Dichter die Erkenntniß des Schönen, die Kunst, besonders die Kunst des Alterthums, eröffnet und damit ohne Zweifel auch den Grund gelegt zu der bewunderungswürdigen Plastik in den Dichtungen wie in der Prosa Goethe’s. Brachte dieser auch eine andere höhere Kunstanschauung aus Italien mit, den gesegneten Einfluß des alten Lehrers und ihn selbst hielt er stets in Ehren. Oeser aber hatte mit seinem in der Kunst aufgegangenen Menschenleben der Welt genug gethan; denn der große Frankfurter, wie der Weise aus Stendal, der Schöpfer einer Kunsttheorie für alle Zeiten, hatten bei ihm aus einer Quelle geschöpft.
Der Pfadfinder im Hochgebirge.
Unter den verschiedenen Racen und Spielarten des Hundegeschlechts erwarb sich keine ein so ungetheiltes Interesse und eine so tiefe Sympathie, wie die Bernhardinerhunde. Das mächtige, starkknochige Thier mit dem intelligenten Kopfe und den frommen, milden Augen muß auch dem geschworenen Hundefeinde Zuneigung einflößen. Unauslöschlich ist aber der Eindruck, den diese Hunde in der Seele des Wanderers zurücklassen, der sie am Schauplatze ihres segensreichen Wirkens, auf dem großen St. Bernhardsberge, kennen lernte. Auf beschwerlichen Saumpfaden kam er hinaufgestiegen, an schwindligen Abgründen vorüber, bei der grausigen Morgue vorbei; immer höher gelangte er hinauf in diese Felseneinöde der Hochgebirgswelt, wo alles organische Leben aufzuhören scheint, unersteigbar schien die Höhe, unerreichbar das gastfreundliche Dach des Hospizes; ein Gefühl der Verlassenheit, der menschlichen Schwäche, wie es so oft auch den Lebensfrohen bei der einsamen Wanderung in den Hochalpen befällt, drückt seine Seele nieder. Siehe da, auf einmal, nach einer raschen Wendung des Weges, liegt das stattliche Kloster vor seinem Blicke und gleichzeitig springt ihm ein halbes Dutzend der riesigen Rüden entgegen, mit lautem, fröhlichem Gebell; sie begrüßen ihn wie einen alten Bekannten, zeigen ihm wedelnd und kläffend den Weg und geleiten ihn bis an die Thür des Hauses.
Aber auch diejenigen, welche den „Mons Jovis“ nie bestiegen, haben schon von den liebenswürdigen Hunden, den eigentlichen Pfadfindern des romantischen Bergpasses, gelesen, ohne welche derselbe während des größten Theils des Jahres ungangbar wäre. Und jeder Gebildete hat schon von Barry sprechen hören, dem berühmtesten dieser eigenthümlichen Geschöpfe, der während zwölf Jahren auf dem Hospize wirkte, als der Liebling der Mönche und als Lebensretter zahreicher Verunglückter. Obschon er vor mehr als fünfzig Jahren als Invalid in’s Thal heruntergesandt wurde, ist er im Hospiz noch immer in treuer Erinnerung. Unter den ausgestopften Thieren des naturhistorischen Museums von Bern ist Barry der Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit. Und wie er durch seine Leistungen im Dienste der Menschheit und seine wunderbare Intelligenz sich auszeichnete, so müssen wir ihn auch als den reinsten Vertreter des Racentypus betrachten und jeden zweifelhaften Bernhardiner nach den Merkmalen beurtheilen, welche er mit Barry gemein hat.
So sehr nun auch die Bernhardinerhunde das Interesse und dem Dank der Menschen beanspruchen dürfen, so ist doch die Kenntniß über Racencharakter, Geschichte und Leistungen derselben noch sehr mangelhaft. Die Kunst und die Romantik haben überflüssigerweise die Thaten der braven Thiere bis in’s Fabelhafte ausgemalt, die Reisehandbücher eine Menge von flagranten Unwahrheiten unter das Publicum gebracht. Selbst was Friedrich von Tschudi in seinem classischen Buche „das Thierleben der Alpenwelt“ über die Bernharderhunde schreibt, enthält verschiedene Unrichtigkeiten. Von Zeit zu Zeit brachten die Zeitungen die Nachricht, die Race im Hochgebirge sei ausgestorben oder am Aussterben. So hieß es im Jahre 1812, daß bei einem furchtbaren Schneesturm sämmtliche Weibchen beim Aufspüren Verunglückter zu Grunde gegangen seien. Tschudi läßt in seinem genannten Buche, dreißig Jahre später, die Race noch bestehen, aber sehr gefährdet sein, da das einzige Weibchen regelmäßig todte Junge werfe. Später las man denn auch, daß die Mönche Neufundländer zum Dienste abgerichtet haben, die sich vortrefflich bewähren. Dagegen brachten fremde Touristen sehr häufig Hunde mit nach Hause, die sie auf dem Gotthard, in Airolo oder im Wallis gekauft hatten und die eine auffallende Aehnlichkeit mit den echten Bernhardinern darboten. Vor etwa zehn Jahren wollte ein Herr Essig in Leonberg (Würtemberg) durch verschiedene Kreuzungen die alte Race erzeugt haben. Ein Paar seiner Leonbergerhunde wurden dem Hospiz geschenkt und sollten die Stammeltern einer neuen Generation werden. Endlich stellte ein Herr Schumacher-Bachler in Holligen bei Bern im Jahre 1867 an der Weltausstellung in Paris Bernhardiner aus, die den einzigen ersten Preis errangen. Eine Urkunde des Priors vom St. Bernhardhospiz erklärte die Thiere, welche die frappanteste Aehnlichkeit mit Barry im Museum zu Bern haben, für echte Hunde der „Race dite du grand St. Bernhard“. Bei den vielen Widersprüchen in diesen Angaben und bei dem naturwissenschaftlichen und reinmenschlichen Interesse, das der Gegenstand verdient, dürften vielleicht ein paar aufklärende actenmäßige Mittheilungen über diese Frage den Lesern der Gartenlaube willkommen sein.
Bekanntlich sind die Bernhardinerhunde keine ursprüngliche Race. Ihre Entstehung reicht vielleicht bis in’s vierzehnte Jahrhundert zurück. Durch was für Kreuzungen sie entstanden ist, kann durch positive Thatsachen oder vorhandene Ueberlieferungen nicht historisch sicher ermittelt werden. Die frommen Augustiner Chorherren führten über diese Angelegenheit nicht Stammregister, wie die Emire über ihre edlen Pferde, und wenn sie es auch gethan hätten – durch wiederholte Feuersbrünste hat das Kloster sein ganzes werthvolles Archiv eingebüßt. Es scheint, daß man ursprünglich im Hospize auf alle großen Hunde Jagd machte, deren man habhaft werden konnte, ohne Rücksicht auf Race, und daß aus der Kreuzung der verschiedenen Thiere im Laufe der Jahrhunderte Barry und Genossen hervorging. Eine weitverbreitete Ansicht nimmt an, daß das Stammelternpaar der Bernhardiner eine dänische Dogge und ein Walliser Schäferhund gewesen sei; die letzteren langhaarigen Thiere sollen ursprünglich aus den Pyrenäen stammen und finden sich weitverbreitet im Canton Wallis. Für diese Annahme spricht nicht nur der ganze Habitus der Barryrace, sondern auch namentlich die Thatsache, daß bei den verschiedenen Meuten noch jetzt von Zeit zu Zeit bald mehr die Eigenschaften des Stammvaters, bald mehr die Eigenschaften der Ahnmutter zu Tage treten, wie das ja immer mit solchen Kreuzungsproducten zu geschehen pflegt. So sind z. B. zum Dienste auf dem Hospize
[136] nur Hunde mit kurzer Behaarung zu verwenden (wie sie auch Barry besaß), weil im zottigen Vließ der Schnee sich zu sehr ansammeln und das Thier zu Boden drücken würde. Nun erscheinen aber immer bei einzelnen Jungen solche lange Zottenhaare, die an die Pyrenäenschäferhunde erinnern, und diese Thiere werden, als dienstuntauglich, verkauft oder an Gönner des Hospizes verschenkt. Hieraus ergiebt sich auch die Unrichtigkeit der Behauptung, daß je Neufundländer als Stellvertreter der echten Bernhardiner verwendet worden seien.
Als Racenmerkmale Barry’s und seiner ebenbürtigen Nachkommen im Besitze des Herrn Schumacher fallen vor Allem der große Kopf, der breite Nacken, die bedeutende Dimension des Brustkorbs und die weiten Rippen auf. Es giebt gewiß Hundearten, welche an Höhe der Rückenlinie die Bernhardiner übertreffen, in den obigen Merkmalen aber dürften diese unerreicht sein. Der Kopf hat namentlich bedeutende Dimensionen in der Achse zwischen den Schläfenbeinen, verschmälert sich zierlich nach vorn und endet in eine ungespaltene Nase, die in der Form zwischen der Schnauze des Hühnerhundes und der Nase der dänischen Dogge die Mitte hält. Die Haare des Körpers sind kurz und rauh; unter dieser oberen Schichte zeigt sich aber eine tiefer gelegene, mehr flaumartige, was die Hundekenner die doppelte Behaarung nennen, eine Eigenthümlichkeit, die sich sonst besonders bei den Pelzthieren des hohen Nordens findet. Charakteristisch ist auch der Schweif von Barry; die Haare desselben sind etwas länger als diejenige des Körpers, ohne daß aber die Ruthe zum Federschweif wird. Das Thier trägt den Schweif immer zu Boden gesenkt und nur das untere Drittel erhebt sich geringelt nach oben. Diese eigenthümliche Formation findet man schon bei Jungen von zwei bis drei Monaten. Die Farbe der Thiere ist vorwiegend weiß; am Rücken, an den Flanken, dem Kreuze, auf der Stirn und den Ohren finden sich aber große lohbraune, mit Schwarz gesprenkelte Flecken. Die Hinterfüße sind doppelsporig. Die Weibchen sind auffallend zart und fein gebaut, und ein neun Monate altes Männchen ist bereits weit größer, stärker und kräftiger, als die erwachsene Hündin. Im Charakter sind die Bernhardiner edel, stolz, großmüthig, wie die meisten großen Hunde, auffallend ernst und bedächtig, ihrem Herrn ausschließlich ergeben und gleichgültig für fremde Liebkosungen. Zur Brunstzeit werden sie auf dem Hospiz nicht selten störrisch, bekämpfen und beißen sich gefährlich, und nicht selten büßt der Unterliegende mit dem Leben.
Daß die Bernhardinerrace auf dem Hospiz je ausgestorben sei, beruht auf Täuschung und irrigen Angaben. Selbst wenn die tragische Geschichte vom Tode sämmtlicher Weibchen wahr gewesen wäre, so hätte dies die Fortexistenz der Race nicht in Frage gestellt, da eine Anzahl Hunde in Martigny und Line andere auf dem Hospize des Simplon, das ebenfalls den Augustinern angehört, gehalten werden. Unzweifelhaft ist dagegen, daß die Race auf dem großen Sanct Bernhard einer Degeneration entgegenging, sowohl was die körperlichen, als die geistigen Eigenschaften betraf; die Jahrhunderte lange Vermischung verwandtschaftlichen Blutes konnte nicht ohne nachteilige Folgen sein. Schon lange hatte man auf dem Hospiz keine Thiere von der hübschen Zeichnung Barry’s, sondern entweder ausschließlich weiße oder einfarbig dunkelbraune Thiere, deren Kopf plumper, massiver geworden war. Für ihren Dienst dagegen waren sie vortrefflich brauchbar.
Die sogenannten Leonbergerhunde kennt Referent nicht aus eigener Anschauung: Gewährsmänner, welche Exemplare dieser Hunde gesehen haben, streiten ihnen alle Verwandtschaft mit den Bernhardinern ab. Im günstigsten Falle wären sie Bernhardiner in partibus infidelium, indem das zur Zeit dem Kloster geschenkte Paar sich nicht fortpflanzte, zu Grunde ging und also keine Dienste leistete.
Herr Schumacher, Gutsbesitzer bei Bern, der von jeher ein großer Hundefreund gewesen war, beschäftigte sich schon seit dreizehn Jahren mit der Züchtung von Bernhardinerhunden. Nach dem Grundsatz der Inzucht verfahrend und immer Barry als reinsten Racentypus betrachtend, wählte er zur Fortpflanzung immer solche Individuen, die an Gestalt, Größe und Farbe dem großen Ahnhund am ähnlichsten waren. So gelangte er vor ungefähr zwei Jahren zu Thieren, welche an Reinheit der Race den Hunden auf dem Hospiz weit überlegen waren und wie Doppelgänger des alten Barry aussahen. Ein prächtiges Paar dieser Thiere machte er im Jahre 1866 dem Kloster zum Geschenke und brachte sie selbst in die Priorei von Martigny, im Kanton Wallis, wo die ältern Conventualen des Hospizes sich aufzuhalten pflegen. Der älteste der frommen Väter, der Barry noch gekannt und verpflegt hatte, wurde beim Anblick der neuen Ankömmlings zu Thränen gerührt. „Mein Gott, das ist ja der alte Barry!“ rief er aus und freute sich, daß der alte verloren gegangene Typus wieder gefunden war. Das Männchen jenes Paares, gleichfalls Barry genannt, wurde, als es fünf Viertel Jahre alt geworden war, zum Dienste auf dem Hospize verwandt, entwickelte ausgezeichnete Eigenschaften und galt nun als der beste Hund des Klosters. Die Thiere haben sich seither vermehrt und die Jungen sollen allen Anforderungen entsprechen. Damit ist die herrliche Race wieder in ein neues Stadium getreten, durch frisches Blut verjüngt und ihre Zukunft ist gesichert. Bei der letztjährigen großen Ausstellung in Paris hatte Herr Schumacher ein Paar seither gezüchteter Bernhardiner ausgestellt und erhielt für dieselben den ersten Preis. Trotz der seltenen Schönheit dieser Thiere wäre ihnen vielleicht diese Auszeichnung nicht zu Theil geworden, hätte nicht ein Document des hochw. Herrn I. G. Rochernaire, Priors auf dem Hospiz des großen St. Bernhardsberges, die Reinheit der Race derselben bezeugt. Seitdem hat sich die allgemeine Aufmerksamkeit diesen Bernhardinern des Herrn Schumacher zugewandt und eine Menge von Abkömmlingen seiner Zucht ist nach England, Frankreich und selbst nach andern Welttheilen verkauft worden.
Die Thätigkeit der Bernhardinerhunde auf dem Hospize, beschränkt sich während der drei bis vier Sommermonate auf den Empfang und die Begrüßung der Fremden. In den acht bis neun Wintermonaten dagegen fängt ihre Bedeutung als Pfadfinder und Menschenerretter an; sie müssen dann täglich wenigstens zwei Mal den Weg vom Hospiz gegen Martigny und auf der italienischen Seite gegen Aosta zurücklegen, bis man zu menschlichen Wohnungen gelangt. Ihre Aufgabe ist, kleinen Karawanen als Führer zu dienen, Verirrte auf den rechten Weg zu bringen, Verunglückten beizuspringen und von Lawinen Verschüttete aufzuspüren. Für diese Dienstleistungen ist ihre Hülfe geradezu unentbehrlich. Von gebahnten Wegen ist in jenen Einöden, wo der Schnee oft eine Höhe von vierzig Fuß erreicht, natürlich keine Rede, und selbst die Conventualen und die Knechte des Klosters würden trotz der genauesten Terrainkenntniß bei Nebel und Sturm sich ohne den nie fehlenden Spürsinn dieser Thiere nicht zurecht finden.
Die in allen Reisehandbüchern stehende Angabe, daß die Hunde gewöhnlich ohne menschliche Begleitung auf ihre Streifereien ausgehen, ist unrichtig; stets wird ihnen wenigstens ein Knecht mitgegeben. Bei außerordentlichen Anlässen, Nebel, Ungewitter, Schneestürmen und dergleichen, macht sich aber fast die ganze Einwohnerschaft des Klosters mit den Hunden auf den Weg, mit Tragbahren, Stärkungsmitteln und allen Erfordernissen für Unglücksfälle ausgerüstet.
Nie werden weniger als zwei Hunde, und zwar ein älterer, wohlabgerichteter, mit einem jüngeren, auf die Streiferei ausgesandt; der ältere ist dann gleichsam der Lehrer und Mentor des jüngeren, und der letztere wird in Folge dieser gemeinschaftlichen Ausflüge zur Dressur geeigneter. Die Anordnung hat aber auch den Zweck, damit der eine Hund, wenn dem andern und seinem menschlichen Begleiter ein Unglück zustoßen sollte, Hülfe herbeirufen kann. Das schöne Werk der Menschenliebe, dem sich die frommen Mönche des heiligen Bernhard auf dem Mons Jovis hingeben, ist nämlich mit großen Gefahren verbunden. Viele erliegen den Beschwerden des anstrengenden Berufes und des rauhen Klimas, und mehr als einer dieser Edeln hat unter Lawinen und im Schnee des Hochgebirgs ein frühes Grab gefunden.
Zu den gewöhnlichen Patrouillen werden nur männliche Hunde genommen; ihr weit kräftigerer Körperbau macht sie dazu geeigneter. Die Weibchen haben nebst der feineren Organisation auch noch den Fehler weiblicher Neugierde. Jeder schwarze Fleck seitwärts vom Pfade muß untersucht und berochen werden und verleitet sie zu zeitraubenden Zickzackwanderungen, während die Männchen, von solchen Schwachheiten unangefochten, ruhig den geraden Weg der Pflicht gehen. Gerade diese Neugierde macht hinwiederum die Weibchen für solche Fälle zu werthvollen Spürern, wo ein Unglück geschehen ist und wo es sich darum handelt, die Opfer rasch aufzufinden.
[137] Wenn man mit Recht von Tausenden spricht, welche den herrlichen Thieren ihr Leben zu verdanken haben, so ist das nicht so zu verstehen, als ob durch ihre Vermittlung schon so Viele unter Lawinen hervorgegraben worden wären. Sie finden aber Verirrte auf, die halberstarrt am Wege liegen oder, am Weiterkommen verzweifelnd, unter Schutzdächern oder Felsenvorsprüngen sich zum letzten Schlaf ausstrecken; sie belecken und erwärmen die Halberstarrten, muntern sie durch freudiges Bellen zum Weitersteigen auf und rufen Hülfe herbei, wo ihr Beistand nicht ausreicht. Die tiefen Fährten, welche sie im Schnee zurücklassen, haben schon Manchen, wie die weißen Kieselsteine im deutschen Märchen, den Weg zu den gastlichen Räumen des Klosters gewiesen. Auch ihr beständiges lautes Bellen bei diesen Streifzügen hat schon viele Verirrte aus Todesnoth gerettet. Wenn man den Eifer sieht, mit welchem die herrlichen Thiere diese Wanderungen antreten, die ungestümen Sprünge, mit denen sie zum Kloster hinstürmen, wenn sie Hülfe herbeiholen müssen, und den Triumph, mit welchem sie die Geretteten in’s Hospiz geleiten und die Liebkosungen für ihre Leistung entgegennehmen, so muß man mit Unwillen die Theorie derjenigen zurückweisen, die für das Handeln der Thiere nur die gemeinsame Triebfeder des Instinctes annehmen. Nie ist eine geistlosere und albernere Hypothese in der Geschichte der Naturwissenschaften aufgestellt worden, als die Theorie des Instinctes. Wer möchte bei dem, was Tschudi in seinem „Thierleben der Alpenwelt“ über Barry sagt, noch von Instinct sprechen?
„Das unermüdlich thätige und treue Thier rettete mehr als vierzig Menschen das Leben,“ heißt es darin. „Sein Eifer war außerordentlich. Kündigte sich auch nur von ferne Schneegestöber oder Nebel an, so hielt ihn nichts mehr im Kloster zurück. Rastlos suchend und bellend durchforschte er immer von Neuem die gefahrvollsten Gegenden. Seine liebenswürdigste That während des zwölfjährigen Dienstes auf dem Hospiz war folgende: Er fand einst in einer eisigen Grotte ein halberstarrtes, verirrtes Kind, das schon dem zum Tode führenden Schlafe unterlegen war. Sogleich leckte und wärmte er es mit der Zunge, bis es aufwachte; dann wußte er es durch Liebkosung zu bewegen, daß es sich auf seinen Rücken setzte und an seinem Halse sich festhielt. So kam er mit seiner Bürde triumphirend in’s Kloster.“
Das Convict auf dem Sanct Bernhard hat in der Regel zehn bis zwölf Hunde, nie so viele, wie man eigentlich bedürfte. Thiere mit langen Haaren oder solche, die sonst Fehler darbieten, werden verschenkt oder verkauft.
Die Luft auf dem großen Sanct Bernhard ist ungewöhnlich rauh; das Thermometer steigt im Hochsommer nie über sechszehn Grad Réaumur und fällt im Winter bis auf siebenundzwanzig Grad R. unter Null. Vollkommen klare, nebelfreie Tage giebt es höchstens fünfzehn im Jahre. Immer sind die Nächte rauh, so daß der hinter dem Hospiz, der italienischen Seite zu, gelegene kleine Alpensee in manchen Jahren nie aufthaut. Die mittlere Temperatur stimmt nach sorgfältigen meteorologischen Beobachtungen mit derjenigen von der Südspitze von Spitzbergen überein.
Es ist bei diesen Verhältnissen klar, daß nur wenige Thiere in dieser rauhen Bergeshöhe sich akklimatisiren, und man versteht die Liebe und ängstliche Sorgfalt, welche die Conventualen auf die Zucht und Erhaltung der braven, wunderbar begabten Thiere verwenden, der eigentlichen Pfadfinder des Urgebirgs.
Der moderne Prometheus auf der Anklagebank.
Es giebt Tage im Leben der Menschheit, an welchen sich irgend eine dem Anscheine nach unbedeutende Begebenheit vollzieht, auf die Niemand ein besonderes Gewicht legt, und eine Scene vorfällt, welche mit dem Gange der Ereignisse in keinem innern Zusammenhange zu stehen scheint, und diese Tage nehmen in der Folgezeit doch, man möchte sagen täglich und stündlich, an historischer Wichtigkeit zu, sie wachsen immer bedeutender in die Geschichte hinein, bis sie den Nachkommen als leuchtende Heilstage erscheinen, wo eine großartige Geistesbefruchtung in der Stille vollzogen wurde, und zuletzt als große Nationalfesttage von allem Volke gefeiert werden.
Ein solcher Tag ist der 29. Januar 1774. Es wurde an diesem Tage keine große Schlacht geschlagen, kein bedeutender Mensch geboren, keine wichtige Entdeckung gemacht, es geschah nichts weiter, als: ein einfacher anspruchsloser Gelehrter, ein edler Mensch und verehrungswürdiger Greis wurde vor dem obersten Gerichtshof Englands von einem gemeinen, frechen und übermüthigen Rabulisten zum größten Gaudium der vornehmen Richter öffentlich geschmäht und mit Koth beworfen, und der Verunglimpfte schwieg zu der ihm angethanen brutalen Ehrenkränkung. Das war Alles.
Und doch steht dieser Tag bei den auf ihre Freiheit und ihre wachsende Macht stolzen Bürgern der nordamerikanischen Union als einer von denen, an welchen die Saatkörner der republikanischen Freiheit, des Glückes und Wohlstandes und der politischen und moralischen Größe ihres Vaterlandes ausgestreut wurden, bereits in hohem Ansehen und wird einst, wenn die aus jener Saat emporgewachsene Frucht zur höchsten und schönsten – jetzt kaum geahnten – Herrlichkeit gediehen sein wird, als ein politisch-moralischer Siegesfesttag gefeiert werden zum tröstlichen Beweis für alle vergewaltigten edlen Menschenherzen, daß wahre Tugend und echte Humanität, wenn auch erst von Gewalt und List niedergehalten und in der Entfaltung ihrer Kräfte gestört, zuletzt doch ungehemmt ihren Triumphzug zum hohen Ziele halten, Freiheit durch Wahrheit und Gerechtigkeit.
Georg der Dritte war 1760 als zweiundzwanzigjähriger Jüngling seinem Großvater Georg dem Zweiten als König von Großbritannien und Irland gefolgt. Er war weder von Haus aus ein guter Mensch, noch hatte er eine gute Erziehung erhalten. Wer die tiefer liegenden Fäden, aus welchen sich die Schicksale der Völker zur Weltgeschichte zusammenweben, mit scharfem Auge verfolgt, darf die Behauptung aussprechen, so paradox sie auch klingen mag: im herzoglichen Residenzschlosse zu Gotha und mehr noch in dem längst verödeten Lustschlosse Friedrichswerth, zwei Stunden nordwestlich von Gotha, liegen die ersten Saatkeime und von da laufen die ersten zarten Wurzeln der nordamerikanischen Freiheit aus. Hier wuchs nämlich Auguste, Tochter des Herzogs Friedrich des Zweiten von Gotha, unter den Augen ihres Vaters auf, dessen ultraabsolutistische Grundsätze sie, die selbst beschränkten Geistes war, einsog, um sie nachher, als sie die Gemahlin des Prinzen Friedrich Ludwig von Wales und Mutter und Vormünderin des schon im zwölften Lebensjahr vaterverwaisten Prinzen Georg geworden war, auf diesen überzutragen. Wenn man die Charaktere, Liebhabereien und Bestrebungen jenes Herzogs von Gotha, eines geradezu lächerlichen Halbgotts und aufgeblasenen Affen des vierzehnten Ludwig’s von Frankreich, und seines Enkels, des Königs von Großbritannien, vergleicht, so wird man die Aehnlichkeit überraschend finden und den psychischen und physischen Zusammenhang Beider zugeben müssen.
Die absolutistisch stolze Prinzessin von Wales suchte unter allen englischen Lords den absolutistisch geartetsten zum Erzieher ihres Sohnes aus, Lord Bute, unseligen Andenkens, und so wurde der Prinz mit jenem Haß und jener Verachtung der freien Institutionen des englischen Volkes erfüllt, dessen constitutioneller König er werden sollte und dessen absoluter König zu werden er mit Zustimmung seiner Mutter und seines Erziehers ein starrsinniges verwegenes Verlangen zeigte. Am meisten war ihm der kecke jugendliche Freiheitsgeist der englischen Colonien in Nordamerika zuwider, und in dieser Antipathie wurde er von der in den beiden Parlamentshäusern sitzenden hohen Aristokratie des Landes bereitwilligst secundirt. Die Lords waren mit dem Könige einverstanden, daß dieser „frevelhafte“ amerikanische Geist auf jede Weise gebrochen und gedemüthigt werden müsse, und die zu jeder Gewaltthat geneigte Regierung wählte dazu jene verkehrten Mittel, welche noch immer in der Weltgeschichte zum Gegentheil dessen geführt haben, was sie bezwecken sollten; sie setzte gewissenlose gewalttätige Statthalter in die Provinzen, die im Geheimen angewiesen wurden, die Constitutionen derselben durch alle erdenklichen Mittel zu beseitigen, wenigstens illusorisch zu machen. Diese Werkzeuge der nach absoluter Herrschaft in Amerika lüsternen [138] königlichen Partei waren natürlich schlechte, nichtswürdige, verrätherische Subjecte; denn ein ehrlicher Mensch gab sich nicht zum Handlanger einer Böses sinnenden Regierung her. Die frechsten dieser saubern Herren waren Hutchinson und Oliver, Statthalter von Pennsylvanien und Massachusetts. Dies waren die ältesten englischen Niederlassungen, hier war auch der erste Heerd der Freiheit und hierher waren zumeist die argwöhnischen Blicke der Regierung gerichtet, um die Funken desselben zu ersticken. Sie hatte dazu die gewaltthätigsten Menschen gewählt und glaubte Wunder wie trefflich diese Wahl sei. Die beiden Herren ließen es denn auch nicht fehlen, sich in ihren einflußreichen Aemtern im Sinne des Königs und der Parlamente aufzuführen. Sie verschworen sich gegen die Verfassung und beantworteten jede Klage über Unrecht und Gewaltthat mit Hohn und Verachtung.
Die also gemißhandelten Provinzen wählten einen schlichten, ehrlichen Bürger zu ihrem Anwalt, durch welchen sie ihre gerechten Klagen über Verfassungsbruch, Rechtsverletzung und Gewaltthat vor den Thron zu bringen beschlossen. Dieser Mann war bereits achtundsechszig Jahre alt, aber ein nüchternes, geschontes und thätiges Leben hatte ihn an Körper und Geist kräftig und jugendlich erhalten. Dabei besaß er wegen großen Rechtssinnes, wegen Bravheit, Einsicht in die öffentlichen Angelegenheiten und strenger Loyalität die allgemeine Achtung seiner Mitbürger und war von diesen zu dem Ehrenamte eines Agenten der Provinzen Pennsylvanien, Massachusetts, Newjersey und Georgia berufen worden. Seines Gewerbes war er Buchdrucker, er hatte sich jedoch durch Selbststudium einen Namen als Gelehrter und Naturforscher erworben, der auch in Europa Geltung besaß, und bekleidete das Amt eines Postmeisters in Boston, seiner Vaterstadt. Doch ich muß endlich den Namen – den unsterblichen! – nennen: der Mann war Benjamin Franklin. Es gab in den ganzen Colonien kein passenderes Individuum für ein so heikliges Geschäft; denn Franklin war der besonnenste, ruhigste, gesetzlichste und ehrwürdigste Mann. Er hatte in London als Buchdrucker gearbeitet, war auch schon ein paarmal als Agent dort gewesen, um die Differenzen zwischen der Regierung und den Colonien auszugleichen, und kannte die Verhältnisse im Allgemeinen. Seinem Vaterlande (Massachusetts) mit anspruchsloser Liebe ergeben, bewahrte er auch dem Könige unerschütterliche Treue.
Franklin faßte die Klagschrift mit der gewandten und umsichtigen, parteilosen Feder ab, die ihn schon längst zum beliebtesten Schriftsteller Amerikas gemacht hatte, und übersandte das Document dem Könige. Er hatte darin mit leidenschaftloser Würde um die Entfernung der Herren Hutchinson und Oliver petitionirt. Hierauf erhielt er eine Vorladung vor den geheimen Staatsrath und reiste mit seinen Vollmachten nach London. Die Petition hatte in den maßgebenden Kreisen der Hauptstadt böses Blut und ungemeine Aufregung gemacht, und als Franklin sich meldete, erfuhr er, wie erbittert der König, der Hof, das Ministerium und das Parlament gegen ihn seien. Auch war ihm der Alles beherrschende, schier allmächtige Einfluß der genannten Gewalten auf die öffentliche Meinung nicht unbekannt, und er mußte erwarten, daß ganz London, vom Könige bis zum Straßenkehrer, gegen ihn und seine Sache in Schlachtordnung standen. Er wußte das Alles, aber er zagte nicht.
Zu Ende des Jahres 1773 war er nach London gekommen, zu Anfang des folgenden Jahres erhielt er die Weisung, am 29. Januar vor dem geheimen Staatsrath zu erscheinen, um seinen Antrag zu begründen. Am bezeichneten Tage stellte er sich mit zwei Rechtsbeiständen, den berühmten Sachwaltern Dunning und John Lee, vor dem hohen Gerichtshof und beantragte mündlich noch einmal mit Gründen die Entfernung Hutchinson’s und Oliver’s von ihren Stellen als Gouverneure von Pennsylvanien und Massachusetts.
Mit außerordentlicher Spannung hatten sowohl die Mitglieder des geheimen Staatsraths als auch das intelligente Publicum dieser Verhandlung entgegengesehen; fünfunddreißig Lords waren zugegen, eine größere Anzahl, als jemals einem solchen Verhör beigewohnt hatte, und der Zuhörerraum des Saales war dicht gedrängt voll Menschen.
Dunning hatte den Vortrag für Franklin übernommen und sprach gut und den Gegenstand klar beleuchtend. Für die angeklagten Gouverneure traten der Anwalt Israel Mauduit, der alte Feind der Anglo-Amerikaner und Anrather der berüchtigten Stempelacte, und der Generalanwalt Wedderburne auf. Dieser, allgemein als Rabulist, Rechtsverdreher und schlechter Mensch bekannt, drehte die Sache in seiner pathetischen Rede so, als ob Franklin als Angeklagter hier vor Gericht stände, und übergoß ihn und die von ihm vertretenen Petenten mit einem schmutzigen Strome der ärgsten Schmähungen und Verdächtigungen. Seine ganze Rede war ein ununterbrochenes Gewebe von Lüge, Verleumdung, Falschheit, Frechheit und unerwiesenen Beschuldigungen. Franklin, ehrwürdig wegen seines Alters, seiner Rechtlichkeit und Sittlichkeit, seines reinen Wandels und seiner Loyalität, so wie wegen seines Ehrenamtes als erwählter Vertreter seines Vaterlandes, wegen seines Talentes als allgemein beliebter Volksschriftsteller und endlich wegen seines Ruhmes als wissenschaftliche Autorität (die ganze Welt feierte ihn als Erfinder des Blitzableiters), dieser so vielfach Ehrwürdige wurde öffentlich vor dem höchsten Gerichtshof des Landes vom Generalanwalt unter dem Hohngelächter und Zujauchzen der hochadeligen Beisitzer wie ein nichtswürdiger Bube behandelt.
Wedderburne zog auf die abgeschmackteste, ja widersinnigste Weise eine Parallele zwischen Hutchinson und Sejanus, dem gewaltthätigen Günstling des verächtlichen Kaisers Tiberius, zwischen Boston und Capri, zwischen der bescheidenen Petition der Legislatur von Massachusetts und einer schwülstigen Epistel des Tiberius. Und die Lords bemerkten den Unsinn nicht. Den schlichten Franklin, dessen Charakter Güte, Wohlwollen, Menschenliebe war, schilderte er als ein Ungeheuer von überlegtester Bosheit, der im Leben das übe, was die Phantasie des Dichters bis jetzt blos in die Gedanken eines blutdürstigen Afrikaners gelegt habe; ihn, den weisen Greis, der seit zwanzig Jahren seine wunderbare Fähigkeit als Versöhner und Vermittler zwischen der Regierung und den Colonien aufgeboten und auch nicht ein einziges Mal die ihm zu Gebot stehende amerikanische Presse benutzt hatte, um das mit dem schreiendsten Unrecht behandelte Volk seines Vaterlandes aufzureizen, sondern vielmehr die ungesetzliche Besteuerung Amerikas durch das Parlament durch schriftliche und mündliche Vorstellungen in London (als Beauftragter der Colonien) bei den Ministern und andern einflußreichen Personen, durch wahrheitsgetreue Angaben und Schilderungen vor dem Unterhause und durch den besten Rath als wahrer Freund beider Länder zu verhindern gesucht hatte, – einen solchen Mann bezeichnete nun vor den höchsten Richtern des Staates in einem öffentlichen Rechtsact ein gewissenloser Generalanwalt als „echten Aufwiegler“! Und diese Richter, diese Lords des Staatsrathes, diese Corporation, welche auf die höchste Ehre und Achtung Anspruch machte, welche behauptete, hier als Appellhof für die Colonien zu Gericht zu sitzen, ermunterte den ohnedies unverschämten Vertheidiger der beklagten Partei zu immer größeren Schmähungen eines ehrenwerthen öffentlichen Gesandten, welcher blos als Ueberbringer der Petition einer großen und loyalen Colonie vor ihnen stand, durch Gelächter, Witzworte und den Ruf: hört! hört! Und doch verachtete ihn der König, auch in dessen Sinne dieser Wedderburne sprach, doch verachteten diese zustimmenden Lords ihn als einen schlechten Menschen, doch wußten der König und die Lords des Staatsrathes, welch’ ein edler, trefflicher und allgemein geachteter Mann Benjamin Franklin war, doch wußten sie, daß der große deutsche Philosoph Immanuel Kant ihn wegen seiner Erfindung des Blitzableiters den „modernen Prometheus“ genannt hatte! Und der moderne Prometheus im weißen Haare stand ruhig aufrecht in der Sturmfluth der Verleumdung, die seiner Ehre den Todesstreich zu versetzen suchte. Seine beiden Rechtsbeistände waren durch die maßlose Bosheit Wedderburne’s so bestürzt, daß sie kaum etwas Erkleckliches vorbringen konnten. Dunning war so unwohl geworden, daß man seine Worte gar nicht verstand. Es würde aber auch die beste Vertheidigung von ihrer Seite dem verleumdeten Greise nichts gefruchtet haben, denn der Bericht der Lords war schon vor der Sitzung fertig gewesen und wurde sofort unterzeichnet. Sie ließen das ihrer Meinung nach niedergeschmetterte Opfer der Gewalt liegen und gingen stolz und in gehobener Stimmung davon, wie Fox später sagte, „nahe daran vor Freuden die Hüte in die Luft zu werfen, als ob sie durch die heftige und beredte Philippika gegen den ehrwürdigen Franklin einen Triumph erlangt hätten“.
Doch auch Franklin verließ den Schauplatz dieser beispiellosen Gemeinheit ruhig und gefaßt, getragen vom Freispruch eines guten Gewissens. „Niemals,“ sagte er, „habe ich die Macht eines guten Gewissens so lebhaft gefühlt wie an diesem Tage; [139] denn wenn ich die That, wegen deren man mich so sehr beleidigt hat, nicht als eine der besten Handlungen meines Gebens und als eine solche betrachtet hätte, die ich unter denselben Umständen ganz gewiß wieder begehen würde, so hätte ich es nicht ertragen können.“
Der Schmach fügte die Regierung die Gefährdung seiner Existenz hinzu, indem sie ihn von seinem Amte als Postmeister entfernte.
Aber nicht ihm, sondern dem Volke von Amerika war die Beleidigung in der Person seines Agenten angethan worden, und das Volk trat für ihn ein; die Weltgeschichte übernahm seine Rache. Im folgenden Jahre brach die nordamerikanische Revolution aus, welche das Losreißen der Colonien vom Mutterlande und die Gründung der Republik zur Folge hatte. Die Personen gingen ihre Wege und die Geschicke ihre Bahnen. Franklin breitete durch Wort und Schrift, durch Lehre und Beispiel das himmlische Feuer der Freiheit unter den Sterblichen aus und wurde ein Wohlthäter der Menschheit, eine der ersten Zierden seiner Zeit und seines Volkes, dessen Name mit Segnungen ausgesprochen werden wird, so lange die menschliche Sprache in einem richtigen Verhältnisse zur Cultur steht, von der Mitwelt aber, wie Georg Washington sich eben so wahr wie schön ausdrückt, „seiner Herzensgüte wegen verehrt, seiner Talente wegen bewundert, seines Patriotismus wegen geachtet, seiner Menschenliebe wegen geliebt“. Vier Jahre später war er als nordamerikanischer Gesandter am Hofe zu Versailles der Gegenstand allgemeiner Verehrung, der schlichte sittenstrenge Greis an dem üppigen, verderbten Hofe. Die französische Akademie ernannte ihn zu ihrem Mitgliede, und bei seiner Ausnahme in diese berühmte Corporation begrüßte ihn d’Alembert mit dem unsterblich gewordenen Hexameter:
„Er entriß dem Himmel den Blitz, den Tyrannen das Scepter.“
(Eripuit coleo fulmen, sceptrumque tyrannis.)
Der Segen seiner Wirksamkeit steigerte sich mit den Jahren, und er erlebte vierundachtzig Jahre und sah hochbefriedigt einen großen Reichthum von Volksglück um sich aufgehäuft, als dessen würdiger Schatzmeister er endlich vom Schauplatz abtrat. Als er am 17. April 1790 gestorben war, trug ihn ganz Amerika zu Grabe, und die französische Nationalversammlung legte auf Mirabeau’s Antrag dreitägige Trauer an.
Wedderburne war fortan eifrig bemüht, Titel und Reichthümer als Lohn seiner Bestechlichkeit zusammenzuhäufen, und hatte doch keine Kinder. Verachtet und gemieden führte er ein freudloses Leben, und als er gestorben war, sagte der König: „So bin ich denn den größten Schurken meines Landes los.“ Die Weltgeschichte würde keine Kenntniß seines Namens haben, wenn ihn nicht Franklin’s Name in’s Schlepptau genommen hätte.
Den Lords des Staatsraths, die den größten Sohn Bostons zu brandmarken gedachten, ist es nicht einmal so gut geworden. Wer kennt ihre Namen? Sie sind verschollen, als hätten sie nie gelebt, und wenn sie wirklich nie gelebt hätten, wer hätte etwas verloren?
Auch der König wurde zweiundachtzig Jahre alt, aber sein Alter trat in steigender Progression in einen merkwürdigen immer schärfern Gegensatz zu dem zunehmenden Alter Franklin’s. Wie dieses immer glänzender, seine gesegnete Wirksamkeit immer breiter und weiter, sein Geist immer klarer, sein Gemüth immer wohlwollender wurde, bis er hinabging, wie die Sonne in einem herrlichen Abendroth, das seine bunten Lichter noch lange auf die Fluren streut, so wurden die letzten zwölf Jahre Georg’s des Dritten, wie von einem furchtbaren Fluche beladen, immer finsterer und unheimlicher, sein Thun und Treiben immer engspuriger und befangener, sein Leben immer einsamer, bis es in der finsteren Nacht des Wahnsinns schauerlich erlosch. Schon in seinen jüngeren Jahren hatte man periodische Spuren von Geistesstörung an ihm bemerkt, und sein wahrhaft schrecklicher Starrsinn war wohl nur Folge der Verdüsterung und Verwirrung seiner Gehirnthätigkeit. Dabei war er vom Volke so allgemein gehaßt, daß eine Menge Attentate auf sein Leben versucht wurden. Wie man ihm in seiner Jugend einen Galgen auf einem Karren unter seine Fenster geschoben hatte, so sang man in seinem Alter Schmählieder auf ihn und der gemeine Mann sprach seinen Namen nie ohne eine Verwünschung aus. Im Jahre 1810 erlosch das Licht seiner Vernunft gänzlich und nun sah man ihn mit Grausen noch zehn Jahre in den Abendstunden auf der Schloßterrasse von Windsor umherirren wie König Lear, Flüche und Verwünschungen ausstoßend. Als er endlich starb, bedauerte ihn Niemand. Und wie der Segen Franklin’s in Amerika fortzuwirken scheint, so daß es zur hundertjährigen Feier seiner Unabhängigkeitserklärung 1876 der mächtigste Staat des Erdbodens sein wird, eben so scheint der Fluch und Freiheitshaß Georg’s des Dritten in England fortzuwuchern, so daß es bereits seine Culmination erreicht haben dürfte und langsam rückwärts geht.
Ein merkwürdig drastisches und lehrreiches Bild, dieser Bürger Benjamin Franklin und dieser König Georg der Dritte, dieses Amerika und dieses England!
Von Friedrich Hofmann.
Am zweiten Sonntag des Wonnemonds 1855 machte in La Mira, jenem Marktflecken von Palästen der venetianischen Großen und Reichen, der an der Heerstraße von Fusina nach Padua liegt und wo ich den ganzen Mai jenes Jahres verlebte, bei Tische Graf M. mir und meinen jungen Freunden, deren Studien ich damals zu leiten hatte, die Mittheilung, daß heute die Gemeinde der Erlöserkirche – Il Redentore – aus der Giudecca, einer Vorstadtinsel von Venedig, ihr jährliches Kirchenfest feiere und zwar bei Nacht, mit Illumination und großer Procession in illuminirten Barken und Gondeln. Er lud uns ein, diese Herrlichkeit mit ihm zu beschauen. Die Dämmerung brach schon herein, als wir nach halbstündiger Wagenfahrt die nächste Eisenbahnstation Marano erreichten. Bald brauste die lange Waggonreihe des Abendzuges von Verona, Brescia und Padua heran, und fort ging’s nun mit Dampf. Hinter Mestre empfangen uns die zweihundert und zweiundzwanzig Bogen der berühmten Lagunenbrücke, der längsten Brücke der Welt; da wir aber ihre volle Stundenlänge in acht Minuten zurücklegen, so entschwindet diese Großartigkeit unseren Augen, die ohnedies von dem mit jeder Minute mächtiger vor uns auftauchenden Bilde von Venedig vollständig in Anspruch genommen werden. Diese Fahrt über die dunkeln, stillen Gewässer war entzückend. Links und rechts endlose Ferne, darüber der ungeheuere Riesendom des Himmels und vor uns schwamm eine lange, schmale Wolke, mit Sternchen besäet, auf dem glanzlosen Spiegel. Je näher wir ihm kamen, desto zackiger und sternenreicher wurde der Wolkenstreif, und endlich zeichneten sich Thürme, Kuppeln und Dachgiebel am Himmel ab und von den Sternen standen die oberen alle fest, und die unteren zitterten in den Lagunen. Ein schriller Pfiff, – die Locomotive begrüßte den Bahnhof. Nun war noch eine unheimliche Passage durchzumachen: es führte kein anderer Weg in die Stadt, als der durch das Paßbureau und Mauthamt. Da saßen sie in langer Reihe, die Vehmrichtergesichter, die jeden Herankommenden mit den Blicken anbohrten, um die gefährliche Person in ihm zu entdecken. Wehe hier dem, der keine guten Briefe hatte! Uns war’s besser, unter des Grafen Anführung zogen wir ungehemmt, jedoch respectvoll entblößten Hauptes, an der langen Reihe vorüber und zur andern Thür wieder hinaus – und Gott Lob, da ist der große Canal und da tanzen die Gondeln – rasch hinein! Erst wenn man in der Gondel sitzt, ist man in Venedig.
Aber was ist das? Ich wußte doch ganz genau, daß man eine Anzahl Treppen von der Ufermauer abwärts zu steigen hatte, um an den Wasserspiegel des Canale grande zu gelangen, – heute kam uns die grüne Fluth schon oben an der zweiten Stufe entgegen.
„Ah, wir sind zu einer ‚Springfluth‘ zurecht gekommen,“ rief Graf M. freudig. „Wir verdanken dies der Nähe des Neumondes, der sich mit dem Vollmond abwechselnd bisweilen das Vergnügen macht, der Lachlust der Venetianer für sie immer neuen wenn auch noch so alten Stoff zu liefern und nebenbei die Reinigung [140] und Erfrischung der Canäle zu besorgen. Die schönste Überraschung bereitet diese Fluth stets auf der Piazzetta und dem Marcusplatze, wo sie eine allgemeine Flucht verursacht, bis die Gondeln zu Hülfe kommen und das interessante Vergnügen einer Gondelfahrt zwischen der Marcuskirche und den Procuratien gewähren, die den Männern vom Ruder gute Beute abwirft, bis die ebenso unangemeldet fallende Fluth die ganze Flottille auf’s Trockene setzt. Eilen wir, vielleicht erhaschen wir noch etwas von dieser Lustbarkeit.“ Und wacker griffen die beiden Gondeln aus, die unsere Gesellschaft besetzt hatte.
Hier begannen schon die Anzeichen des Festes. Gondeln, an deren Häuschen bunte Lampen befestigt waren, und Barken, zum Theil mit Teppichen geschmückt und mit kleinen Mastenpaaren, zwischen welchen Reihen von bunten Lampen an Tauen schwebten, kamen, erst ziemlich einzeln, aus den Seitencanälen in den Canale grande herein, der bekanntlich ganz Venedig in Form eines umgekehrten S durchschneidet.
Wie oft ich auch hochentzückt am Tage und unter den Strahlen der Morgen- und Abendsonne diese Prachtpalast-Wasserstraße dahingefahren war, so überragt doch der Eindruck dieser Nachtfahrt jede andere Erinnerung. Die zahlreichen Gasflammen an den beiden Seiten des Canals legten auf den Wasserspiegel und auf die Façaden der Paläste, Häuser, Kirchen ihre sanft ineinander übergehenden Licht- und Schattenwechsel; bald standen die Vorsprünge der architektonischen Verzierungen in grellem Licht, bald legte geheimnißvolles Halbdunkel sich über die ganze Fläche und ließ nur die Spitzbogen der Altanfenster aus dem Dunkel hinter ihnen hervortreten, bald gossen die hohen Spiegelscheiben selbst festlichen Lichtstrahl aus, bald öffnete sich der Blick in eine Seitengasse, – und das Alles ist Stadt und ist lebenvolle Straße, auf der man so geräuschlos dahinfährt, so sanft über die nur vom Ruderschlag gekräuselten Wellen. Man muß sich wach erhalten, um von den ewig wechselnden Bildern nicht in das Reich der Träume verlockt zu werden. Wie gern möchte man vor jedem Meisterwerke und Kunststück der Architektur anhalten, wie gern es hier begeistert schildern, aber – dazu war damals und ist jetzt keine Zeit. Wir eilen vorwärts, das bunte, laute Festleben mehrt sich um uns, da schwingt der kühne Bogen der Rialtobrücke sich über den Canal, auf seiner Höhe von glänzenden Läden strahlend, unten von den dahinziehenden Gondeln und Barken in wechselndem Lichte spielend. Erst einen Gruß zur Linken hinaus: Fondaco dei Tedeschi, die Kaufhalle der Deutschen, hieß und war einst dieser Palast, dessen Außenwände Tizian’s Farbenpracht geschmückt und wo deutscher Gewerbfleiß eine Schutzstätte hatte, als noch Augsburg und Nürnberg freie Reichsstädte waren und die freie Venezia ihre eigene Krone trug. Das ist Alles vorbei – und wir sind vorbei. Ein paar kräftige Ruderschläge und hinter uns lag Rialto und vor uns dehnte die längste, fast gerade Strecke des Canals sich aus, die reichste an hochragender Baupracht, lichtstrahlend und auf der breiten schimmernden Fläche übersäet mit tanzender und pfeilgeschwind dahinfliegender Lampenlust der Barken und Gondeln.
Aber warum plötzlich heraus aus all’ dieser Herrlichkeit? Beim Palast Grimani, – damals Sitz des k. k. Postamts, – wo die andere Hälfte des verkehrten S des großen Canals beginnt, bogen unsere Gondler links in den dort mündenden Seitencanal ein. Ihre Absicht war die vortreffliche, uns aus dem kürzesten Wege in die Nähe des Marcusplatzes zu bringen; sie schlug jedoch so sehr fehl, daß wir selbst zum Gegenstand des Springfluth-Volksvergnügens werden sollten. Die klugen Männer hatten den höheren Wasserstand entweder nicht, oder für sich nur allzugut berechnet. Anfangs verstimmte mich ein wenig der Contrast zwischen der hellen Festfreude des breiten Canals und der plötzlich uns umgebenden tiefen Stille im Halbduster spärlicherer Beleuchtung. Als wir aber unter der ersten der vielen die Seitencanäle überspringenden Brücken nur mit genauer Noth und heftigem Reiben des Häuschendachs am Gewölbe durchgekommen waren und nun wieder eilig weiter fuhren, flogen schon allerlei Witzworte über unsere Köpfe weg von Fenster zu Fenster, – und richtig, bei der zweiten Brücke hielten beide Gondeln, sie konnten nicht durch. Da saßen wir. Umkehren und den weiten Bogen des großen Canals fahren würde zu viel Zeit gekostet haben. Graf M. entschied für Aussteigen. Da aber zu beiden Seiten die Gebäude bis an den Canal reichten, so mußten wir die Brücke selbst ersteigen. So kletterten wir denn am Geländer empor, gehoben und geschoben von den Gondlern, die, bezahlt waren sie ja, dann eiligst und mit jedem Ruderschlag niederträchtiger lachend davon fuhren.
Uns eröffnete sich nach beiden Seiten die Aussicht in eine lange schmale Gasse, beide hell erleuchtet, an allen Fenstern schwatzende und lachende Köpfe, und von beiden Seiten wurden wir von dem neckischen Volke zum Springfluthfest eingeladen, denn beide Gassen waren überschwemmt. Es half uns nichts, dasselbe Vergnügen, das uns die Venetianer auf dem Marcusplatze machen sollten, mußten wir hier ihnen bereiten, wollten wir nicht zwischen den zwei Feuern des Hohns ausharren, bis die Fluth sich verlief. Hinein denn in die Gasse zur Linken und entschlossen vorwärts gepatscht. Es war etwas wie ein gelindes Spießrutenlaufen, das wir hier auszuhalten hatten. Mir dem nichtswürdigsten Schelmenton der Bedauerniß, mit ewigem „poveretti!“ – „ach, die Armen!“ – verfolgte ein Lachsturm unsern nassen Gänsemarsch, – und uns blieb nichts übrig, als um die Wette mit zu lachen. Erst am Ende dieser Gasse kamen wir auf’s Trockene. Graf M. eilte nun mit uns in das Hotel Vittoria. Während unsere Stiefel trocken gerieben und frische Strümpfe beigeschafft wurden, nahmen wir barfuß im eleganten Speisesaal unsere Abendmahlzeit ein. Dann ging’s mit raschen Schritten zum Festort. Abermals durch lange schmale Gassen, über die Eisenbrücke des Canale grande, am Palast der Akademie der schönen Künste vorüber und von hier an vom Menschenstrom durch eine neue Gassenreihe mit fortgeschoben, gelangten wir endlich an den Canal der Giudecca – und stimmten unwillkürlichen das bewundernde Ah! ein, das hier jedem Mund entfuhr. Jenseits des hier über tausend Fuß breiten Canals dehnte in einer Länge von wohl fünftausend Fuß eine Strahlenlinie von zahllosen Lichtern sich aus. Jeder Palast, jedes Haus, jede Hütte der Uferstraße der Giudecca hatte das Möglichste von reicher und geschmackvoller Illumination gethan; vor Allem herrlich erhob sich die Strahlenpyramide der Redentorekirche vom Portal bis zur Thurmspitze, und Alles dies wiedergespiegelt in den zitternden Lagunen, die außerdem noch von den Gondel- und Barkenlampen nicht Buntes genug wiederzuspiegeln hatten – es war ein Anblick, der Stillstehen und Schweigen gebot!
Eine Schiffbrücke verband heute die Stadt mit ihrer Vorstadtinsel. Sie lief vor dem Portal der Redentorekirche aus und war so breit, daß sie bedeutende Menschemnassen zugleich zu tragen vermochte. Die mannigfaltigsten Gruppen drängten hier dicht aneinander, daß das Auge nichts Einzelnes und Besonderes fassen konnte. Man schwamm recht eigentlich im allgemeinen Wonnemeer mit fort und verlor die Absicht der Beobachtung.
Leider sollte das ganze Fest zu Wasser und uns nach dem überstandenen Fußbad auch noch ein Bad von oben bereitet werden. Wir hatten bereits den guten Willen des Himmels dazu an seinen „einberufenen“ Wolkenhaufen gesehen. Nachdem wir vergeblich in die Kirche einzudringen versucht und uns, als Männer von deutscher Geduld, einen Standort im Freien gewählt hatten, von dem aus wir den Blick nach Venedig hinüber und auf die bei der Dogana ankernden und meistens ebenfalls mit bunten Lampen geschmückten Kauffahrteischiffe frei hatten, und als eben eine Flottille von Barken zur Aufnahme der Procession um die Giudecca sich ordnete und ein Gegenstrom von Menschen sich aus der Kirche heraus und zur Schiffbrücke hinwälzte, – da öffneten sich plötzlich, nach Anmeldung durch einige Blitze und Donnerschläge, die Schleußen des Himmels – und machten dem größten Theil der Illuminationspracht und der Procession mit einem Male ein Ende.
Die Venetianer scheuen das Wasser von oben leidenschaftlich. Welch’ ein Rennen begann über die Schiffbrücke hinüber! Nie habe ich einen volkbedeckten Raum in kürzerer Zeit reinfegen sehen. Von der rückfluthenden Menge war die Kirche von Neuem überfüllt, und ohne das Treiben im Freien konnte auch das Volksfest, das sich an den kirchlichen Act anschließt, sich nicht entfalten. Wir für unsere Personen feierten es in Vittoria, und jetzt nicht wieder barfuß, bei einer Flasche Lacrimä Christi und frohen Erinnerungen an die Volksfeste der Heimath. –
Holder, als in dieser Nacht des Wonnemonds, war mir der Himmel bei einer andern Nachtkirchweihe ich Herbst. Ich hatte mich einem Kreise deutscher Künstler angeschlossen. Mit ihnen saß ich eines schönen Abends im Café Florian am Marcusplatz, und zwar in der Loge „Nerly“. Die Künstler unter unseren
[141][142] Lesern wissen, daß dies der Name eines deutschen Malers ist, der seit Jahrzehnten in Venedig lebt, als braver Deutscher zu seiner Stammkneipe sich dieses Café erlesen und hier als der freundliche Schützer und Berather aller deutschen Genossen aufgesucht wurde. – An diesem Abend ermahnte er uns, das Kirchweihfest von San Simeone piccolo nicht zu versäumen, das soeben beginnen werde. Sofort ward, gehorsam seinem Winke, ausgetrunken und aufgebrochen.
Wir schlugen den nächsten Weg zur Rialtobrücke ein und bestiegen dort die Gondel, die uns den großen Canal entlang in kurzer Zeit zur Feststätte trug. Die genannte Kirche liegt dem Bahnhofe gegenüber am großen und einem Seitencanale. Eine Uferstraße zieht sich dort vor den Häusern hin und die Kirche begrenzt ein freier Raum. – Schon aus der Ferne erkannten wir an dem Lichtmeer, daß auch dieses Fest in Ehren steht. Die Kirche selbst, ein Kuppelbau mit Säulenportal, nach dem Muster des Pantheon in Rom, strahlte von bunten Lampen und Laternen, die ihr Licht auf die Guirlanden und Kränze warfen, mit denen sie geschmückt war. Aus den hohen Fenstern drang ihre innere Erleuchtung, diese ward aber schier verdunkelt von der bunten Umgebung. Alle benachbarten Gebäude hatten ihren Illuminationsschmuck angethan, köstliche Teppiche hingen von den Balconen herab und noch köstlichere Augen schauten darüber hernieder auf das scenenreiche Spiel der Volkslust. Wie die Menge auf dem Lande, so wogt’s auf dem Wasser in Gondeln und Barken und in der Luft von allen möglichen Tönen, Musik, Gesang, Reden, Schreien und Lachen durcheinander. Bald da, bald dort leuchten bengalische Flammen auf, mit tausendstimmigem Ah! begrüßt, und derselbe Gruß gilt dem Mond, der plötzlich hinter den hohen Dächern mit ihren posaunensturzartigen Schornsteinen hervortritt. Und welche Gestalten und Gesichter entzücken das Auge! Fehlt es auch nicht an Männern und alten Weibern, welche uns an Dämonen und Hexen erinnern, so verzeihen wir ihnen Allen ihre häßlichen Gesichter den vielen leibhaftigen Madonnen zu Liebe, die uns Alle so aufrichtig gnädig anlächeln mit den wundervollsten Linien des Mundes und bodenlos tiefen Augen.
Hier freut man sich darüber, daß die Gondel in dem Gedränge nur ruckweise vorwärts kommt; man ärgert sich nur, daß man nicht nach allen vier Seiten hin zugleich sehen kann. Endlich gelang es uns, bei einem der freien Plätze das Land zu gewinnen, und nun wurde uns erst die natürliche Gruppirung des Festes klar. Hier, auf diesen Reihen von Bänken, zwischen diesen Buden, welche, und zwar zur besonderen Ehre des Festes, in den schönsten und wirklich oft kunstwerthvollen Gefäßen, Fische und Backwerk aller Art, Salami und Melonen, Wein und Limonade und Gott weiß was Alles feil boten, erlustirte sich das eigentliche sogenannte „Volk“, während die vornehmere Welt auf dem Wasser blieb; aber hier wie dort wurde mit gleichem Appetit gegessen und getrunken, Guitarre und Gesang klangen von der Bank wie von der Gondel, nur den neckischen Fächerschlag, in welchem die venetianischen Schönen so unnachahmliche Anmuth zeigen, vermißte man hier. Dagegen nimmt die ungebundene Lust viel wechselndere Gestalt an. Da schreit, singt, tanzt, redet und lacht Alles durcheinander, Käufer und Verkäufer überbieten sich in Lungenkraftproben, und dazwischen die herrlichen Leierkästen, Ziehharmonicas und Dudelsäcke, das Stampfen und Zischen der Tanzenden, und das Krachen und Knattern abgebrannter Feuerwerke – kurz, es ist viel auf einmal, was über einen armen Menschenkopf hier herfällt, aber man wird nicht müde und wir Deutschen hielten Stand.
Wir wollten des Festes Ende sehen und haben es nicht bereut, obwohl wir hier Vergleiche anstellen mußten, die ähnlichen heimathlichen Festen nicht zur Ehre ausfielen. Oder brauchen wir erst zu schildern, wie namentlich in Gegenden, wo Bier und Branntwein ihren Einfluß kennzeichnen, das Bild eines Kirchweihschlusses aussieht? Wie so ganz anders, wie beruhigend, mit der ausgelassensten Lust versöhnend erlebten wir dies hier! Etwa eine Stunde nach Mitternacht begannen die Gondeln und Barken zu verschwinden, gleichzeitig verloschen, hübsch nach und nach, die Lichter der Häuser, Balcon um Balcon schloß sich, und als ob die Volkslust zwischen den Buden sich ohne das vornehme Publicum der Balcone und Gondeln nicht mehr behaglich fühle, ward Bank um Bank leer, jubelte Trüppchen um Trüppchen ab, so daß Gesang und Klang nach allen Seiten hin verhallten. Endlich saßen wir allein da vor dem grauenden Morgen und sahen die Herbstnebel über dem Canale grande dampfen.
Ja, sie sind schön, die Kirchweihnächte der Lagunenkönigin! Und da Venedig neunzig Kirchen besitzt, so wird es wohl eben so viele Feste dieser Art feiern. Mitfeiern möchte man sie alle, aber auch alle, beschreiben? Doch wohl nicht.
Wie man in Paris sein Glück macht.
Es mögen jetzt drei Jahre her sein, als ich an einem wunderschönen Märztage mit einem deutschen Landsmann durch den Tuileriengarten schlenderte. Schneeglöckchen und Crocus verkündeten den Lenz, Hyacinthen in allen Farben erfüllten mit ihren süßen Düften die Luft, unzählige Spaziergänger waren auf den Füßen. Unter ihnen bemerkte ich einen Mann, welcher schon mehrmals an uns vorüber gekommen war und uns scharf gemustert hatte. Der Mann war fein und nach der neuesten Mode gekleidet, hatte ein blaßgelbes, intelligentes Gesicht, kleine, funkelnde Augen und etwas Unruhiges in seinem Wesen. Er sah aus, als ob er mit Ungeduld Jemanden erwartete und denselben unter den Spaziergängern suchte.
„Da kommt Dumarsais, er will mir ausweichen,“ sagte Wilhelm, so heißt mein Freund, der Musiker ist, „ich seh’ es, aber ich will ihn dennoch begrüßen;“ und, mich beim Arm nehmend, ging er mit besonders artigem Gruß auf einen jungen Mann zu, welcher mir durch Dreierlei auffiel, durch ein auffallend einnehmendes Aeußere, durch vornehmen Anstand und einen abgetragenen, fast unmodernen Anzug.
Der junge Mann, welchen Wilhelm „Herr von Dumarsais“ anredete, erröthete leicht, gab aber auf die Frage nach seinem Befinden freundlich Antwort und nahm Wilhelm’s Einladung, heute bei ihm zu diniren, nach einigen Weigerungen an.
„Wir müssen doch wieder einmal zusammen vierhändig spielen!“ sagte mein Freund. „Sie werden nicht finden, daß ich Fortschritte gemacht habe,“ entgegnete Herr von Dumarsais.
In diesem Augenblick wurde der Mann mit dem forschenden Blick wieder sichtbar; so schnell wie ein Tiger, der ein Lamm verschlingen will, war der Mann an Dumarsais’ Seite und grüßte ihn höflich. „Mein Herr,“ flüsterte er, „ich wünschte einige Worte mit Ihnen zu sprechen, wenn es gefällig ist.“
Dumarsais sah den Herrn erstaunt an und wurde blaß, „Sie verkennen mich wohl,“ sagte er, „denn ich erinnere mich Ihrer nicht, mein Herr.“
„Erlauben Sie mir nur einige Worte unter vier Augen, ich werde Ihnen Alles erklären.“
„Nun denn, so sei es,“ sagte Dumarsais, rief Wilhelm zu: „auf Wiedersehen um fünf Uhr!“ und wandte sich zu dem Manne mit dem Forscherblick.
Als wir allein waren, erzählte Wilhelm: „Dieser junge, schöne Mann hat schon viel erlebt. Sein Vater war Oberst, ein Anhänger der Orleans. Er ist nach ihrem Sturze noch in Paris geblieben und soll im Geheimen für sie agitirt haben. Am ersten December 1851 hat ihn seine Frau zum letzten Male gesehen. Als Louis, der damals zwölf Jahre alt war, von einem Besuch zurückkam, welchen er bei einem reichen Oheim in der Normandie gemacht hatte, fand er seine Mutter sterbend. Sie konnte den Verlust ihres Gemahls nicht ertragen. Louis, beider Eltern plötzlich beraubt, erkrankte und litt – vielleicht in Folge verfehlter Behandlung – Jahre lang so sehr an den Nerven, daß ihm die Aerzte verboten, sich mit Studien zu beschäftigen. Der Oheim, ein reicher, kinderloser Wittwer, nahm sich väterlich des Knaben an und erklärte ihn zu seinem Erben. Auf des Barons schönem Landsitze erholte sich Louis, aber – er lernte nichts als tanzen, fechten, reiten, schießen, las Romane und war Alles in Allem ein liebenswürdiger Mensch, unfähig, das Geringste zu erwerben, dagegen sehr geschickt, sein Geld auszugeben. Vor fünf Jahren zog sein Oheim nach Paris und lebte nur drei Sommermonate auf [143] seinem Gute. Damals lernte ich Louis Dumarsais kennen. Er wurde mein Schüler, bezahlte mir einen Napoleon für die Stunde und lernte endlich einige Walzer spielen, denn er besitzt kein Talent zur Musik. Wenn er weder ein Spieler noch ein Wüstling ward, so hat er dies mehr seinem schönen Naturell, als seinem Oheim zu danken, welcher vernarrt in den reizenden Burschen war und ihm Geld in Fülle gab, doch keinen Unterricht. Alter schützt vor Thorheit nicht, das bewies der alte Baron, denn er heirathete vor anderthalb Jahren eine verschmitzte junge Wittwe. Ich bin überzeugt daß diese Dame zehn Jahre älter ist, als sie vorgab, und nie die Gattin jenes braven Majors war, der im italienischen Kriege gefallen sein sollte. Ich weiß, daß Louis kein böses Wort über die Heirath seines Oheims gesagt hat, allein jenes durchtriebene Weib wußte den alten Herrn dergestalt gegen seinen bisherigen Liebling einzunehmen, daß der Baron denselben verstieß, ohne ihm einen Sou zu geben.“
„Unverantwortlich, Wilhelm!“
„Gewiß, sündlich! Indessen war mit dem alten Narren nichts anzufangen. Louis blieb in Paris, schränkte sich ein, versuchte sich als Schriftsteller, fand aber keine Verleger. Er meldete sich als Fechtmeister, man wies ihn ab, kurz er hatte kein Geld, keine Freunde, kein Glück. Seine Garderobe mußte er verkaufen, um essen zu können, und ist es endlich mit einem Menschen so weit, daß er keinen eleganten Anzug mehr hat, dann ist er in Paris verloren. Der arme Louis, er besitzt keine Kenntnisse!“
„Schön aber ist der junge Mann.“
„Allerdings, vielleicht nützt ihm sein Aeußeres etwas, denn Schönheit ist eine seltene, herrliche Gabe, und Paris ist die chancenreichste Stadt der Welt.“
Wer beschreibt mein Staunen, als ich, um fünf Uhr zu Wilhelm zum Diner gekommen, denselben Herrn von Dumarsais, welchen ich am Morgen in fast dürftiger Kleidung gesehen hatte, in elegantester Toilette erblicke! Nichts fehlte, vom feinsten Hute bis zum zierlichen Stiefel von Glanzleder, sogar das Notizbuch, welches er zufällig einmal herauszog, war das geschmackvollste, das man finden konnte, und die goldene Uhrkette noch werthvoller durch die Arbeit, als durch das Gold. Sicherlich eine Kette von der Insel Malta.
Natürlich machte Wilhelm keine Bemerkung über diese Metamorphose. Erst als Dumarsais sich entfernte, um, wie er sagte, seinem Versprechen gemäß noch während des letzten Actes in der großen Oper zu erscheinen, sagte mein Freund zu seiner Frau: „Toni, glaubst Du, daß Dumarsais mit seinem Oheim ausgesöhnt ist? Wie mag er plötzlich zu Gelde gekommen sein?“
„Ich bin ebenfalls erstaunt, lieber Wilhelm,“ antwortete die Frau, „ich hoffe, Herr von Dumarsais wird uns später wohl erzählen, wie Alles gekommen, da wir ihn so lange kennen. Jedenfalls hat er sein Geld nicht auf unehrenhafte Weise erhalten.“
„Gewiß nicht, Toni, ich wundere mich auch nicht allzusehr; denn Paris ist die chancenreichste Stadt.“
Seit jenem Tage sah ich Herrn von Dumarsais oft, bald in diesem, bald in jenem Theater, auf Promenaden und Hauptplätzen, im Boulogner Wäldchen zu Pferde, und in Wahrheit, niemals ritt er ein Pferd, das nicht tadellos war, und obgleich es im Wäldchen zur Promenadenzeit nie an Reitern fehlt, Dumarsais fiel durch sein brillantes Aeußere und seine Reitkunst doch auf.
Anfangs sah ich ihn immer allein, später oft mit jungen Männern, welche entweder aus hochangesehenen Familien oder berühmt waren; endlich erblickte ich ihn im Boulogner Wäldchen neben dem Wagen einer ältlichen Dame, bei welcher eine junge, blasse, höchst anmuthige Dame saß, in Halbtrauer gekleidet.
Traf ich mit Dumarsais in einem Café zusammen, so war er stets sehr liebenswürdig gegen mich, auch machten wir dann und wann einen Spaziergang selbander, seine Wohnung sagte er mir aber nicht. Eines Tages trug Dumarsais einen reizenden Anzug; er wurde von mehreren Modeherren sehr bewundert, als wir zusammen in den Speisesaal des Grand-Hôtel traten, wo wir einen gemeinsamen Freund treffen wollten.
„Ich muß auch einen bessern Sommeranzug haben; wo lassen Sie arbeiten, Dumarsais?“ fragte Baron V.
„Bei dem geschmackvollsten Schneider der Welt, Baron, bei L.“
„Wo ist das?“
„Ich will Sie hinführen, heute ist es zu spät, morgen. L. bedient meine Freunde nicht nur solid, denn das thut er Jedem, sondern auch billig.“
„Darf ich auch von Ihrer Empfehlung profitiren, lieber Dumarsais?“
„Mit Vergnügen, treffen wir uns morgen um Elf im Grand-Café.“
„Gut!“
Dumarsais war zur bestimmten Zeit da. Er führte uns in seiner lustigen Weise plaudernd nach der Rue Rivoli, in ein großes Haus. Wir stiegen eine breite, dunkle Treppe hinauf und traten in einen gut möblirten geräumigen Salon. Bei unserm Eintritt erhob sich ein Herr, welcher in eine Zeitung gesehen hatte; ich erkannte in demselben den Herrn, der im vergangenen März Dumarsais in den Tuilerien auf so seltsame Weise – angeredet wäre nicht ganz richtig, ich muß sagen – gepackt hatte.
Der Herr machte eine tiefe Verbeugung. „Hier bringe ich Ihnen zwei meiner liebsten Freunde,“ sagte Dumarsais etwas hochfahrend; „Herr L., sorgen Sie gefälligst, daß sie gut bedient werden.“
„Gewiß, Herr von Dumarsais,“ erwiderte der Angeredete.
„Ich habe keinen Grund,“ fuhr Louis fort, „Ihnen zu schmeicheln, L., aber ich sehe auch nicht ein, warum ich nicht der Wahrheit die Ehre geben soll, Sie sind ein Genie, Ihr Gemälde hat kürzlich einer Dame meiner Bekanntschaft außerordentlich gefallen.“
„Aber, Herr von Dumarsais –“
„Nicht zu bescheiden, lieber L. Wenn Sie auch die Grille haben, Director eines Kleidermagazins sein und bleiben zu wollen, so sind Sie nichtsdestoweniger ein tüchtiger Maler, und deshalb verstehen Sie mehr als irgend ein anderer Director, was Jeder, seinem Aeußern und seiner Individualität nach, tragen muß. Wir werden einen heißen August haben, der Juli ist schon drückend; erfinden Sie denn für den Baron einige bezaubernde Toiletten, er geht nach Baden-Baden und wird Aufsehen erregen.“
„Natürlich, ich sehe schon, der Herr Baron ist brünett, ich werde Alles auf das Kleidsamste für den Herrn Baron wählen.“
„Und hier, ein deutscher Dichter, auf der Schattenseite der Vierzig, Sie wissen schon, was ihm frommt.“
Der Director des Bekleidungsinstitutes lächelte, dann zog er die Klingel. Ein junger Mann erschien, mehrere Papierstreifen in der Hand haltend.
„Nehmen Sie diesen beiden Herren Maß, Herr Korn, ich will mich jetzt zurückziehen und über die Zusammenstellung der Farben nachdenken, welche ihren Anzügen den Stempel der Vollkommenheit aufdrücken soll. Könnten Sie mir vielleicht Ihre Photographien da lassen? Ihre Farben kenne ich, dunkle Haare, dunkle Augen, aber Ihre Physiognomien möchte ich gern stets vor mir haben.“
Ich lachte und meinte, der Sommerrock nebst Weste und Hose würde schon gut ausfallen, Baron V. dagegen sprach alles Ernstes: „Herr L., Sie sind ein denkender Künstler, und es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen meine Photographie zu übersenden.“
Im September jenes Jahres verreiste ich nach Deutschland, Ende October kehrte ich zurück und vernahm bei Wilhelm, daß Herr von Dumarsais sich eben mit jener jungen Dame vermählt habe, neben deren Wagen ich ihn zur Zeit der Mandelblüthe hatte reiten sehen.
„Sie, die junge Frau von Dumarsais,“ erzählte mein Freund, „betrauerte damals ihren Verlobten, einen schwindsüchtigen reichen Mann, welcher ihr die Hälfte seines Vermögens vermacht hatte, so etwa viermalhunderttausend Franken. Er hat Lebenserfahrung gesammelt, mein lieber ehemaliger Schüler, und das Geld gut und sicher angelegt, wie ich aus seinen Reden entnahm. Dumarsais wird geliebt und liebt seine Frau, er wird glücklich sein. Ja, Paris ist die chancenreichste Stadt.“
Im Mai 1866 saß ich mit Wilhelm in einem Restaurant bei einer Flasche Château Lafitte, als sich plötzlich ein Dritter zu uns gesellte, Herr von Dumarsais.
„Wo kommen Sie her? ich habe Sie eine Ewigkeit nicht gesehn,“ rief Wilhelm, freudig erregt.
„Ich war fast ein Jahr fern, in der Normandie, die Frau meines Oheims ist im Sommer 1865 an der Cholera gestorben; in ihrem Nachlasse fand der Wittwer Briefe, welche nicht viel von [144] ehelicher Treue, sondern geradezu vom Gegentheil sprachen. Dadurch ward er bewogen, mir zu schreiben; der arme alte Mann bat mich um Verzeihung, und ich reiste mit meiner Adele hin zu ihm. Mein guter Oheim hat mich vor einiger Zeit in seinem Testament zum Haupterben erklärt und mir schon bei Lebzeiten ein schönes Landhaus in der Normandie abgetreten. Ich hoffe, Sie werden mich im Laufe des Sommers mit Madame Wilhelm besuchen, denn Sie, mein lieber Freund, blieben mir getreu zu einer Zeit, wo alle andern mich verlassen hatten.“
„Und, wenn ich es wissen darf!“ frug mein Landsmann, „wie eroberten Sie Ihre reizende Frau, und welch’ ein Glück widerfuhr Ihnen schon vor der Aussöhnung mit Ihrem Oheim?“
„Das sollen Sie hören, denn Sie werden nicht davon sprechen. Sie erinnern sich wohl noch jenes schönen Lenztages, wo wir einander in den Tuilerien begegneten?“
„Wo jener Unbekannte, Herr L., Sie aufgriff?“ lachte ich.
„Richtig. Nun, der Mann sagte lebhaft aufgeregt: ‚Mein Herr, ich habe eine Bitte, Sie dürfen sie mir nicht abschlagen.‘
‚Und worin besteht dieselbe?‘
‚Begleiten Sie mich nach meiner Wohnung, dort sollen Sie Alles erfahren.‘
„Ich muß gestehen,“ fuhr Dumarsais fort, „daß diese Forderung mich frappirte. Kurz angebunden erwiderte ich: ‚was soll ich in Ihrer Wohnung? Ich habe keine Lust Abenteuer zu bestehen.‘
‚Aber lieber Herr, es handelt sich ja nur um ein Geschäft, ein solides, ich denke, daß Sie es nicht von der Hand weisen werden. Folgen Sie mir nur; ich wohne Rue Rivoli, also ganz in der Nähe.‘
Jetzt war ich neugierig geworden. Was konnte mir in einer so belebten Straße am hellen Tage geschehen? Uebrigens hatte ich ja auch meinen Stockdegen bei mir. So ging ich denn mit dem Manne, welcher mich in seine Wohnung führte, in ein reizendes Cabinet, das ein Künstler bewohnen könnte. Hier nannte er sich mir, zog einen langen Papierstreifen aus der Tasche, nahm mein Maß und verschwand, um bald nachher mit einem höchst eleganten Anzuge zurückzukehren.
‚Erzeigen Sie mir die Gunst, diesen Anzug anzulegen –‘
‚Aber, Herr L., wozu soll –?‘
‚Sie werden Alles erfahren, sobald Sie angekleidet sind.‘
Hierauf ergab ich mich in mein Schicksal und vertauschte meine abgetragenen Kleider mit den neuen. Als ich fertig war mit Ankleiden, führte Herr L. mich vor einen großen Spiegel und sagte stolz: ‚Nun, mein Herr, wie sehen Sie jetzt aus?‘
‚Ich sollte meinen, nicht ganz übel.‘
‚Was? Wie ein junger Gott! Dazu Ihr Anstand, Ihre Art, sich die Handschuhe anzuziehen, man sollte schwören, Sie wären von Adel oder ein Künstler!‘
‚Das Letztere zu sein, kann ich mich nicht rühmen, aber das Wörtchen ‚de‘ darf ich vor meinen Namen setzen.‘
‚Sie entzücken mich, Herr von –‘
‚Dumarsais,‘ schaltete ich ein.
‚Ah, jetzt weiß ich, ließ Ihr Herr Oheim nicht bei R. arbeiten?‘
‚Allerdings.‘
‚Haha, das ist ja köstlich! Hat keinen Geschmack, dieser R. Nun weiß ich auch, daß – daß – verzeihen Sie, Herr von Dumarsais, daß Sie nicht reich sind.‘
‚Leider muß ich sagen: so ist es!‘
‚Nun, desto besser für mich; erzeigen Sie mir die Ehre, eine Flasche Wein mit mir zu trinken, wir können dabei den Contract entwerfen.‘
‚Wein will ich mit Ihnen trinken, aber was wollen Sie mit einem Contract, Herr L.?‘
Der Wein stand auf dem Tisch, Schreibgeräth daneben, Herr L. schenkte mir ein, dann sich und fing an zu schreiben. Es ging ihm gut von der Hand und bald las er mir Folgendes vor:
‚L., Directeur des Kleidermagazins, in der Rue Rivoli, und Herr von Dumarsais schließen freiwillig nachstehenden Vertrag: Herr L. liefert Herrn von Dumarsais ein Jahr hindurch unentgeltlich jeden Monat oder, wenn es Herr L. für gut findet, noch öfter einen vollständigen neuen Anzug nebst dazu gehöriger Wäsche; dafür verpflichtet sich Herr von Dumarsais, diese Anzüge täglich zu tragen, bei schönem Wetter mehrere Stunden sich auf den besuchtesten Plätzen und Promenaden zu zeigen, die ersten Kaffeehäuser zu besuchen und wöchentlich zwei bis drei Mal in den ersten Hotels zu diniren. Ferner verpflichtet sich Herr von Dumarsais, bei schönem Wetter im Boulogner Wäldchen zu reiten und sich mit andern jungen Herrn von Stande bekannt zu machen. Da Jeder, der Geschmack hat und etwas vom Anzug versteht, sich nach dem Magazin erkundigen wird, aus welchem Herr von Dumarsais seine Garderobe entnimmt, so hat derselbe das L.’sche zu nennen, als solid und billig zu preisen und seine Freunde zu Herrn L. zu führen. Zur Bestreitung seiner Ausgaben empfängt Herr von Dumarsais monatlich fünfhundert Franken.‘“
Wilhelm und ich lachten laut.
Dumarsais stimmte herzlich in dieses Gelächter ein und fuhr fort: „Ich lachte damals auch und fragte Herrn L-, ob er klug sei?
‚Vollkommen!‘ entgegnete er. ‚Mein gefährlichster Concurrent, Herr R., hat mir meine besten Kunden entzogen durch Reclamen aller Art. Ich habe es herausgebracht, daß er einige Künstler von Ruf bestochen hat, seine mittelmäßige Arbeit zu tragen und zu empfehlen. Da kam ich auf einen sublimen Gedanken, ich‘“ – hier lächelte Dumarsais, strich seinen zierlichen Schnurrbart und fuhr mit drolliger Bescheidenheit fort – „‚suchte mir einen jungen, tadellos schönen Mann; in Ihnen, Herr von Dumarsais, habe ich denselben gefunden. Ihre schlanke Gestalt wird meine Anzüge in das gehörige Licht stellen, und da Jeder eitel ist, so denkt auch Jeder, daß ich im Stande bin, durch Kleider, die aus meinem Atelier hervorgegangen sind, seine Figur zu verschönern. Schlagen Sie mein Anerbieten nicht aus, Herr von Dumarsais!‘
Nun, ich nahm es an, ging und ritt spazieren in den schönen Anzügen, führte Herrn L., der sich zwar Director nennt, aber selbst zuschneidet und sein Handwerk gründlich versteht – viele Kunden zu und lernte in einer Gesellschaft, in der mir meine glänzende Garderobe Einlaß verschaffte, meine Adele kennen. Sie liebte mich; daß ich arm war, machte ihre Liebe zu mir nicht schwächer.
Ich errang ihre Hand und kündigte Herrn L. an, daß ich Paris verlassen und den Contract, vier Monate vor Ablauf, lösen müsse. Er war sehr betrübt und weigerte sich auch das Geld zu nehmen, das ich ihm zurückerstatten wollte. Erst seit ich ihm versicherte, daß ich jetzt reich sei, ließ er sich einige tausend Francs von mir zurückzahlen, denn ich habe ihn gestern besucht.“
„Und wie geht es dem speculativen Manne?“
„Vortrefflich; alle Kunden, welche ich ihm zugeführt habe, sind ihm geblieben, da seine Arbeit gut ist; auch hat er jetzt einen berühmten Sänger zum Lockvogel gefunden, und da er oft bei schönem Wetter spazieren geht, wird er schon wieder einen jungen Mann auftreiben, welcher ihm würdig scheint, seine Erfindungen zur Schau zu tragen.“
„Nun?“ sagte Wilhelm und sah mich mit schelmischem Lächeln an.
„Du hast Recht, mein Freund, mit Deinem Spruch; freilich ist in Paris nicht Alles Gold, was glänzt, aber bei Alledem: Paris ist die chancenreichste Stadt von der Welt, wie Du sagst.“
Dame in Cosel. Ihre hübschen Gedichte haben an der betreffenden Stelle sehr freundliche Aufnahme gefunden. Leider müssen wir Ihnen zugleich mittheilen, daß E. Marlitt durch ein anhaltendes Unwohlsein an der Vollendung der neuen Erzählung: „Reichsgräfin Gisela“ noch behindert ist – wir hoffen nicht lange mehr.
An unsere Leser. Bitte, bitte, hören Sie auf zu segnen! Die Fluth der auf unsere „Rechenaufgabe“ in Nr. 7 der Gartenlaube einlaufenden Auflösungen schwillt zu solcher Höhe an, daß wir nicht mehr Zeit und Hände genug haben, um die betreffenden Briefe und Telegramms – denn auch solche sind gekommen! – zu öffnen. Daß sich unser Exempel wegen seiner Leichtigkeit zu keiner Preisaufgabe eignete, wußten wir übrigens im Voraus; wir gaben es nur, weil wir glaubten, die einkleidende Form des Scherzes werde unsere Leser nicht minder ansprechen, als sie uns selbst ansprach.
Inhalt: Ein Wort. Novelle. – Der Lehrer eines großen Schülers. Mit Illustration. – Der Pfadfinder im Hochgebirge. – Der moderne Prometheus auf der Anklagebank. Eine geschichtliche Scene von Ludwig Storch. – Nachtfeste der Lagunenkönigin. Von Friedrich Hofmann. Mit Illustration. – Pariser Bilder und Geschichten. Wie man in Paris sein Glück macht. – Kleiner Briefkasten.
Quittung der eingegangenen Beiträge für Ostpreußen in nächster Nummer.
Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.