Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1862
Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[129]

No. 8.   1862.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Der Letzte seines Stammes.
Novelle von Fanny Lewald.
(Fortsetzung)


Die Marquise war nie besser mit sich zufrieden gewesen, als in dem Augenblicke, in welchem sie das Hotel des Grafen von Rottenbuel verließ. Sie hatte, wie sie es selbstgefällig nannte, mit sicherer Hand ein gefährliches Experiment gewagt, und sie war überzeugt, daß es ihr gelungen sei. Heiter, wie der schöne Sommertag, wiegte sie sich in den Polstern ihres kleinen offenen Wagens, dessen Pferde sie selber führte, denn sie hatte alle jene Moden des Tages angenommen, die ihren Neigungen begegneten und ihr den Anschein geben konnten, zu den Bekennern und Anhängern der neuen Geistesrichtung und der neuen Zeit zu gehören.

Die klare Luft, der Sonnenschein, die rasche Bewegung machten ihr Vergnügen. Die muthigen Apfelschimmel zu regieren, mit spielender und doch fester Hand die Zügel zu führen, mit scharfem Blick schon in der Ferne die Hindernisse zu erspähen, welche sie vermeiden mußte, mit kluger Schnelligkeit dem Unerwarteten auszubeugen, das war recht eine Beschäftigung, wie sie sich für Franziska eignete. Wer sie an jenem Morgen in ihrem Phaeton die Alleen des Boulogner Holzes durchfliegen sah, mußte sie bewundern. Sie war auf das Angenehmste erregt. Bald hielt sie ihren Wagen an, um einem vorübergehenden Bekannten ein Wort des Grußes zu sagen, bald sprach sie mit irgend einem Reiter, der Muße hatte, sein Pferd neben ihrem Wagen zu erhalten, und als ob ihr dies Alles nicht genüge, stieg sie endlich, als sie Ulrich von Thuris in einer der Alleen bemerkte, aus dem Wagen, gab ihrem Kutscher die Zügel und ging, von ihrem Diener gefolgt, dem jungen Manne entgegen, seine Begleitung für einen Spaziergang zu begehren.

Das fiel dem Freiherrn auf. Er gehörte nicht zu dem engen Kreise der Hofgesellschaft, und wenn er in jenen Zeiten, in welchen der Hof noch Feste veranstaltete, einmal zu einem solchen geladen worden war, so hatte die Marquise ihn wohl um Nachricht von seinem Onkel gefragt, ihn aber sonst nur wenig beachtet. Ulrich war damit auch ganz zufrieden gewesen, denn er dachte von Franziska, wie sie es verdiente. Zufällig, unwillkürlich, darauf kannte er sie genugsam, war in ihrem Verhalten Nichts, und sie ließ ihm denn an jenem Morgen auch nicht lange Zeit, darüber nachzusinnen, welcher Ursache er das Zeichen ihrer Gunst verdanke und was sie bewogen habe, seine Gesellschaft zu verlangen.

Mit derselben Berechnung, mit welcher sie vor dem Grafen und vor Veronika von ihrer Liebe und von ihrem Zusammenhange mit dem Ersteren gesprochen, bekannte sie Ulrich, daß sie ihn eben jetzt nur aufsuche, um sich durch Mittheilung von einem Ereigniß, von einem Vorgange zu erholen, der sie auf das Tiefste ergriffen und erschüttert habe. Sie erzählte ihm Alles, was in dem Cabinet Veronika’s geschehen war, und sie erzählte es im Ganzen wahrheitstreu; aber sie wußte die Farbe und den Ton so unmerklich und doch so geschickt zu wandeln, daß ein Mann, welcher weniger als Ulrich gegen die Marquise eingenommen und weniger von dem Seelenadel Veronika’s überzeugt gewesen wäre, sich leicht hätte versucht fühlen können, derselben jenen Mangel an Großmuth vorzuwerfen, dessen die Marquise sie beschuldigte.

Franziska wußte, daß Selbstanklage dem gerechtesten Mißtrauen und dem schwersten Vorwurf gar leicht die Spitze abbricht. Sie hatte also gar kein Hehl, daß sie aus Selbstsucht ein Unrecht begangen, daß sie mehr, als ihr zugestanden, an sich und an ihre Befriedigung gedacht und darüber die Herzens- und Weltunerfahrenheit Veronika’s nicht berücksichtigt, daß sie vergessen habe, wie die junge, in Einsamkeit erzogene Frau noch in den romanhaften Vorstellungen von einer einzigen und untheilbaren Liebe beharren möge. Bald sprach sie ernst und nachdrücklich, bald zog sie die Sache in den Bereich des Scherzes hinüber. Wie fein und gewandt sie aber auch zu Werke ging, um Ulrich zu gewinnen und ihn gegen die Gräfin einzunehmen, ihre Berechnung scheiterte an der ernsten Gradheit des jungen Edelmannes und an seiner vertrauensvollen Liebe für die Gräfin. Mit der scharfen Voraussicht eines Herzens, das sich zu besiegen und zu verleugnen, und eben darum unbeirrt in fremden Seelen lesen gelernt hat, ahnte Ulrich, welch’ ein Weh Franziska’s Arglist der Gräfin zugefügt habe. Er konnte daher den Augenblick nicht erwarten, in welchem er die Marquise zu ihrem Wagen zurückgeleiten und sich zu Veronika verfügen durfte, und er fand die Zerstörung, welche in dem Leben derselben angerichtet worden war, dann auch noch schlimmer, als er sie erwartet hatte.

Die Gräfin sprach ihm nicht von dem Besuche der Marquise, sie empfing ihn schwesterlich und gütig wie sonst, aber ihr ganzer Ausdruck, ihre Züge, ihre Stimme, ihre Haltung waren verändert. Sie war matt, als hätte sie eben eine schwere Krankheit überstanden, unsicher, als sei sie nicht in ihrem Hause, und das Lächeln, das sie ihren Lippen abnöthigte, um ihren Zustand zu verbergen, war traurig, wie der matte flüchtige Schimmer des Sonnenstrahles, der die graue Trübe eines Wintertages nicht zu durchbrechen und nicht zu erwärmen vermag.

Veronika war nicht allein, der Graf war bei ihr. Es kamen und gingen Besuche, man unterhielt sich in gewohnter Weise, aber Ulrich sah und hörte bei jedem Worte, welches sein Onkel und [130] dessen Gattin äußerten, daß sie anderweit beschäftigt waren, daß außer der allgemeinen Gefahr ein noch näheres Unheil über ihnen schwebte, daß Veronika dieses erkannte, es zu vermeiden wünschte, und daß doch bereits jene rechte Gemeinsamkeit zwischen den Eheleuten gestört war, welche es ihnen leicht gemacht haben würde, sich dem drohenden Verhängniß zu entziehen.

Es geschieht oftmals, daß Personen von den verschiedensten Charakteren, von den abweichendsten Meinungen und Ansichten in so einfache Verhältnisse versetzt werden, daß sie trotz ihrer völligen Ungleichheit das Gleiche denken und empfinden müssen. Das macht es ihnen dann möglich, sich zusammenzufinden, sie fassen Neigung für einander, gewöhnen sich dasjenige, was ihnen an dem Andern fremd erscheint, als seine Eigenheit zu ehren, als eine schöne Besonderheit zu schützen, und sie gelangen also leicht zu einer gegenseitigen Liebe, in der sie ihr Eigenstes aufgeben möchten, um sich das Fremde völlig anzueignen. Indeß solche Verbindungen sind mit ihrer Dauer nur zu häufig auch an den Ort ihres Entstehens und an die Bedingnisse geknüpft, unter welchen sie geschlossen worden sind, und die Ehe des Grafen Joseph hatte in diese Reihe gehört.

Er war bestimmbar und selbstwillig, hingebend und herrschsüchtig, rasch empfänglich und ausdauernd, je nach der Seite seines Wesens, welche von den Verhältnissen berührt ward. Seine Seele hatte Adel, er bewunderte das Schöne und Gute, aber seine Empfindsamkeit wie seine Empfindlichkeit schreckten vor jeder strengen Anforderung zurück und gaben sich willig der Einwirkung hin, die ihnen schmeichelte. Er schützte daher die Wahrheit, wenn sie ihm wohlthat, und suchte sich über dieselbe zu täuschen, sofern sie ihn unangenehm berührte. Da er in sich selber die Gegensätze stets zu vermitteln bemüht war, so oft er in einen innern Widerspruch gerieth, so strebte er auch im Leben auszugleichen, was sich irgend dazu anließ, und Hinhalten, Abwarten und Hoffen waren ihm stets natürlicher gewesen, als rasches Vorwärtsbringen zu einer gewaltsamen Entscheidung.

In der Zurückgezogenheit, in welcher er die ersten Jahre seiner Ehe auf Schloß Rottenbuel zugebracht, hatte er nicht Gelegenheit gehabt, es zu bemerken, wie vollkommen der Charakter seiner Gattin dem seinigen entgegengesetzt war. Ihr ruhiges Walten hatte von ihrem täglichen Leben jede Störung entfernt, ihre Liebe für ihn jeder seiner Neigungen unbedenklich nachgegeben, und ihr Vertrauen hatte sich lange über die Quelle der Melancholie getäuscht, die sich seiner allmählich bemächtigt. Im Uebrigen wußte die Gesellschaft des Bündner Adels sich unter einander zu schonen und zu respectiren, und Graf Joseph, der, an und für sich reich, nach seiner Heirath mit der ebenfalls sehr begüterten Erbtochter von Gunta zu einem der reichsten Besitzer des Landes geworden war, hatte innerhalb der Bündner Oligarchie, deren natürliches Interesse die Aufrechterhaltung des Einzelnen forderte, bei seiner Heimkehr in die Schweiz eine Aufnahme und einen Einfluß gefunden, die seiner Lust an persönlicher Geltung wohl entsprochen haben würden, wäre er nicht mit seinen Erinnerungen an Paris gefesselt und an Aufregungen gewöhnt gewesen, welche er in dem Frieden seiner Heimath und seiner Ehe, ohne daß er sich davon Rechenschaft gab, sehr bald vermißt hatte.

Der Graf gehörte zu der großen Anzahl der Menschen, deren Aeußeres ihrem Charakter überlegen ist und die deshalb unwillkürlich täuschen. Daß ein Mann von solch stolzer und mächtiger Gestalt, von so gebietendem Ansehen jene Eitelkeit besitze, die sich durch fremde Anerkennung Genugthuung verschaffen muß, daß er es bedurfte, sich in der Gnade eines Mächtigen zu sonnen, sich in jedem Augenblicke in einen Kampf mit einem Nebenbuhler verwickelt zu wissen, um sich womöglich seiner Ueberlegenheit über denselben zu erfreuen, das würde man ihm ebenso wenig zugetraut haben, als er selbst sich dieses eingestand.

So lange er in Paris sich in dem Glanze und dem Getreibe des Hofes befunden, so lange die Spannung und Aufregung angehalten, in welcher seine Liebesleidenschaft für die Marquise ihn versetzt, hatte er sich bald glücklich, bald unglücklich, immer aber beschäftigt gefühlt. Später waren ihm der völlige Wechsel seiner Lebensverhältnisse, seine Neigung und Liebe für Veronika und das prächtige Herrenleben auf Schloß Rottenbuel, das ihm durch die Zärtlichkeit seines jungen Weibes noch verschönt worden, zu einem Anreiz geworden; aber wer nicht in sich selbst beruhen kann, ist für eine glückliche Ehe, für die Ehe, welche auf wechselloses Vertrauen und wandelloses Zusammengehören angelegt ist, nicht geschaffen. Die immer gleiche Ergebenheit Veronika’s, ihr täglich stilles Thun, ihr ernstes Gleichmaß, ja selbst die Fügsamkeit, mit welcher sie sich dem Grafen unterzuordnen wußte, erschienen demselben bald als ein Mangel an Temperament. Veronikas sanfte Zufriedenheit dünkte ihm ein Zeichen dafür zu sein, daß ihr Sinn beschränkt, daß sie ohne Verlangen nach weitern Lebensverhältnissen und darum auch sicher nicht befähigt sei, dieselben erfolgreich zu bewältigen. Ehe sie sein Weib geworden war, hatte er sich an ihrer Begeisterung für die Poesie erfreut; als sie dann an seiner Seite es versucht, sich das idealische Glück zu schaffen, von dem sie geträumt, und das auch der Graf, ihr Verlobter, ihr in so schimmernden Farben darzustellen gewußt, da hatte er gemeint, daß die immergleiche friedensvolle Liebe den Sinn ermatte. Er fühlte sich nicht mehr als derselbe, weil er der zornigen Aufwallungen, des bittern Schmerzes, der Eifersucht, der peinvollen Erwartung und Hoffnung entbehrte; der Morgen brachte ihm keine Besorgniß, der Abend kein unerwartetes Begegnen. Er war gewohnt, durch seinen Dienst Pflichten zu haben, die er erfüllen mußte, er war ebenso gewohnt, die Auszeichnung eines Vorgesetzten, die Gunst eines Fürsten zu genießen, welche Andern nicht in gleichem Maße zu Theil ward, und ihm fehlte die Genugthuung, welche ihm dies gewährte, ebenso, als die Mißgunst der Menschen, welche ihn in Paris um sein Glück beneidet hatten.

Es war vergebens gewesen, daß die Freifrau, daß Veronika ihn an den Segen der Freiheit und der Selbstherrlichkeit mahnten. Er hatte die rechte Empfindung nicht dafür. Er war zu lange in Diensten gewesen, um des Herrn entbehren zu können, und zu lange von der willkürlichen Laune einer Kokette beherrscht worden, um die ruhige Liebe eines edlen und ehrlichen Herzens gebührend zu würdigen und zu schätzen. Wer irgend eine Art von Sclaverei mit Befriedigung zu tragen vermochte, ist ein für allemal für die Freiheit verdorben und verloren.

Veronika vor allen Andern hatte sich über den Charakter ihres Gemahls getäuscht. Sie hatte geglaubt, der Graf sehne sich nach den Vergnügungen der großen Welt, als sie ihn in ihren Bergen immer trüber und abgespannter werden sah; indeß fehlte ihm nur der Stachel eines fremden Willens, der ihn in Bewegung setzte, und kaum in Paris angelangt, kaum in seine Dienstverhältnisse eingetreten und in die Nähe des Königs zurückgekehrt, der ihm von Jugend auf die Sonne seiner Tage gewesen war, hatte er die frühere Lebendigkeit wiedergefunden. Ja, er fühlte sich mehr als früher zum Genusse des Daseins geneigt.

Die Entfernung von Paris hatte bewirkt, daß ihm die Reize, welche diese Weltstadt darbot, neu erschienen und er sie neu genoß, obschon er weder die Gesellschaft, noch die Lebensweise wiedergefunden, die er früher dort gekannt. Die Zeit hatte sich geändert, Jeder hatte mit sich selbst zu thun, der Tag verschlang den Tag noch eiliger als je zuvor. Allerdings gab es noch Stunden, welche man von der Sorge frei zu halten wußte, gab es der Zuversichtigen noch genug, die, wie Graf Joseph, zweifellos überzeugt von dem Rechte und deshalb auch von dem Siege der absoluten Monarchie, sich nicht scheuten, den Becher der Freude unter dem grollenden Donner des nahenden Orkanes an ihre Lippen zu setzen, und man scherzte und lachte, man sang und schwärmte jetzt lauter als zuvor, um die drohenden Worte, um den Spott und den Hohn, um die Anzeichen des Sturmes zu übertäuben, die sich überall vernehmen ließen, wohin man sich auch flüchtete. Der Graf hatte vor seiner Verheirathung für einen schwärmerischen Idealisten gegolten, jetzt, nach derselben, schien es, als wolle er zum Lebemann werden, und Veronika vermochte es zu ihrem Kummer nicht, ihm auf dem Wege zu folgen, den er einschlug, vermochte die Welt um sie her nicht mit seinen Augen anzusehen.

Sie hatte es dem Grafen nachgefühlt, daß es ihm eine Pflicht sei, dem Könige, dem er und sein Vater Treue gelobt und lebenslang gedient hatten, in der Stunde des Kampfes und der Noth nicht zu fehlen, indeß sie hegte weder die Verehrung ihres Gatten vor dem Königthum, noch theilte sie seinen Glauben an den Sieg desselben. Die Vorstellung, daß der Graf einer mit Recht verlorenen Sache diene, lähmte ihren Sinn. Sie konnte sich weder an der hoffenden Begeisterung der Royalisten erwärmen, noch die wachsende Energie der Volkspartei verdammen. Der Parteistreit, welcher die Außenwelt durchwogte, drohte, sich auch innerhalb der gräflichen Ehe geltend zu machen, und bange Sorgen um die Zukunft, [131] zärtliche Angst um die Gefahr, welcher ihr Gatte sich fast alltäglich auszusetzen hatte, nahmen Veronika den heitern Gleichmuth und den Frohsinn, welche Graf Joseph an ihr geliebt hatte und auf die er bei seinem Weibe nicht verzichten wollte.

Sie waren noch nicht lange in Frankreichs Hauptstadt gewesen, als Veronika zu ahnen begann, was ihr hier persönlich drohe. Aus der Aufregung durch das öffentliche Leben, aus der Ueberreizung in einer Gesellschaft, die sich verwegen zur Sorglosigkeit und zum Genusse aufstachelte, kehrte der Graf zu einer Frau zurück, die sich nicht zur Freude zu zwingen vermochte, und dieser Abstand war ihm peinlich. Er beklagte es, daß Veronika nicht den Sinn der Jugend, nicht die heitere Leichtlebigkeit der beweglichen Französin besitze; er nöthigte sie, ihre Säle zu öffnen, Gesellschaft zu sehen, um, so viel es dem einzelnen Edelmann möglich war, die Sicherheit kund zu geben, von der die Aristokratie sich noch immer getragen fühlte; und bereitwillig, wenn auch schweren Herzens, hatte Veronika sich dem Willen ihres Gatten gefügt, als die dreiste Gesellschaft der Marquise jene Scene herbeiführte, welche der Gräfin den Rest ihrer Zuversicht und ihres Friedens rauben sollte.

Freilich hatte der erste Eindruck den Erwartungen der Marquise nicht völlig ensprochen, denn ihr Auftreten hatte den Grafen beleidigt, und er hatte noch Liebe genug für seine Gattin gehabt, um in ihrer Seele zu empfinden und Schonung für sie zu verlangen. Auch hatte er sie zu beruhigen gestrebt, er hatte Franziska’s rücksichtslose Selbstsucht, wie ihren Mangel an weiblicher Würde getadelt und sich freiwillig bereit erklärt, sie zu vermeiden; aber trotz seiner Einsicht und seiner Zugeständnisse regte sich eine Stimme in ihm, welche für Franziska sprach. Es hatte ihn ergriffen, wieder einmal die Sprache der Leidenschaft zu vernehmen, an die sie ihn gewöhnt, und alle die wechselnden Scenen des Vorwurfs, des Streites und der Versöhnung, welche er mit ihr durchlebt, waren ihm plötzlich in einer einzigen Empfindung gegenwärtig geworden und hatten ihn auf’s Neue an die Vergangenheit gekettet, von der er sich für immer losgerissen geglaubt hatte. Er bedauerte das Leiden Veronika’s, er hätte lebhaft gewünscht, daß es ihr erspart geblieben wäre; und doch that es ihm heimlich wohl, daß sie eine Vorstellung von jener feurigen Leidenschaft erhalten, welche ihr nach seiner Meinung fehlte, und welche die Marquise besitzen sollte.

Von jenem Tage an war Veronika’s Frieden für immer gestört. Mit dem klaren Auge der Unschuld durchschaute sie Franziska’s absichtliches Spiel, aber sie verstand es nicht, sich dagegen zu schützen, und hätte sie den Kampf mit ihrer Nebenbuhlerin aufnehmen mögen, ihr hätten die Waffen gefehlt, derselben zu begegnen.

Die Dienstverhältnisse des Grafen und der Marquise brachten es mit sich, daß sie einander am Hofe oft begegnen mußten; und daß Franziska es durchsetzen werde, den Grafen auch im Besondern zu sehen, davon hielt die Gräfin sich überzeugt. Indeß ihr Herz war jung und kräftig, sie mochte nicht verzagen, sie konnte nicht aufhören zu lieben und zu hoffen, und mitten in ihrem Kummer tröstete sie sich doch wieder mit dem Gedanken, daß ein Mann, der seinem Könige die Treue heilig bewahre, auch seinem Weibe nicht verloren gehen könne. Bald wollte sie dem Grafen ihre Besorgnisse mittheilen, bald schreckte sie davor als vor einer Beleidigung gegen ihn und gegen die Heiligkeit ihrer Ehe zurück. Sie wollte es nicht glauben, daß man sich von dem Unwürdigen anziehen und fesseln lassen könne, wenn man es einmal als ein solches erkannt, und der Graf selbst hatte ihr in den Tagen nach ihrer Verlobung ein Bild von dem Charakter der Marquise entworfen, das nur zu treu und richtig gewesen war.

Veronika beschloß also zu schweigen und abzuwarten; aber schweigen zu müssen, wo man sich gewöhnt hat, sich offenen Herzens hinzugeben, ist ein schwerer Zwang, der alle unsere Fähigkeiten lähmt. Eine stille Angst, eine dumpfe Unfreiheit lasteten auf der jungen Frau. Ihr mangelte nicht nur die freie Luft der Heimath und die freie Bewegung in der weiten Natur, ihr fehlte vor Allem die geistig reine Atmosphäre, in welcher sie bis zu ihrer Ankunft in Paris gelebt hatte, und der schöne Glanz ihrer Jugend begann davor zu schwinden.

Jahr und Tag waren so hingegangen. In Frankreich, in Paris tobte der Parteikampf, war die Revolution zu einer vollendeten Thatsache geworden. Der König war bereits völlig in der Gewalt des Volkes, das ihn hierhin und dorthin zu gehen nöthigte, obschon er sich noch anscheinend in Freiheit befand, und wie ein zum Tode Kranker sein Dasein peinvoll und doch noch auf die Zukunft hoffend von einem Tage zu dem andern hinschleppt, so wankte die Monarchie ihrem Untergange entgegen. An die Stelle hochfahrenden Uebermuthes war allmählich verzagter Trotz getreten.

Heute baute man auf Hülfe von auswärts und sah zuversichtlich über die Grenzen des Reichs hinaus, morgen dachte man daran, diese Grenzen zu erreichen, um sich der Volksherrschaft zu entziehen und das Königreich mit Schwertesgewalt neu zu erobern, und alle diese Entwürfe wurden immer wieder aufgegeben, weil der König und die Königin, bei der Ungleichheit ihrer Naturen, keinen einstimmigen Willen hatten und keine gemeinsamen Pläne fassen konnten, so lange dafür noch Zeit und Möglichkeit vorhanden war.

Eine endlose Reihe von Heimlichkeiten und Intriguen war die nächste Folge dieser innern Uneinigkeit des Herrscherpaares. Ueberall hatte man Kundschafter, überall suchte man Verbindungen anzuknüpfen, und die Getreuen des Hofes wurden in einer beständigen Bewegung erhalten, hatten viel mit einander zu verkehren, waren bald hier, bald dort, und immer aufregend beschäftigt. Bald galt es einen sicheren Boten für eine Nachricht ausfindig zu machen, welche man außer Landes gelangen zu lassen wünschte, bald handelte es sich darum, Menschen zu ermitteln, auf welche man bei gewissen Möglichkeiten rechnen könne; und da die Marquise in alle Absichten der Königin mit eingeweiht, da man mehr und mehr auf die Treue und Verlässigkeit der Schweizergarden angewiesen war, so brauchte Franziska gar nicht erst die Anlässe zu suchen, welche sie mit dem Grafen zusammen führten.

Die großen Cirkel am Hofe hatten schon lange aufgehört, Veronika hatte also nur selten zu erscheinen und sah daher die Marquise auch nur selten. Desto häufiger traf der Graf mit ihr zusammen, und er nannte es eine billige Rücksicht für Veronika, daß er von diesen Begegnungen nicht mit ihr sprach. So lange er dieses nur aus eigenem Antriebe that, war die Gefahr für seine Gattin noch nicht dringend. Indeß den nothwendigen Begegnungen mit der Marquise folgten die freiwilligen Zusammenkünfte in nicht zu langer Zeit, und diese natürlich mußten der Gräfin verschwiegen bleiben.

Der Graf hatte, als er Franziska nach jener Scene in seinem Hause zuerst wieder gesehen, ihr Vorwürfe gemacht, und sie hatte sich zu vertheidigen gewünscht. In den Sälen der Königin war das unmöglich gewesen. Sie hatte es gefordert, sich rechtfertigen zu dürfen, sie hatte verlangt, daß der Graf sie in ihrer Dienstwohnung besuche, und sie hatte jetzt keine andere mehr. Franziska war frei, war ganz allein, man konnte frei bei ihr sprechen, frei bei ihr mit den nächsten Vertrauten der Königin verkehren, frei einander bekennen, was Jeder hoffte, was er fürchtete, was ihn drückte. Sie meinte, auch den Grafen müsse es nach solchem freien Austausch der Seele verlangen. Er lehnte das nicht ab; das hieß mit andern Worten, er gab es zu, eine Vertraute zu brauchen, und Franziska war klug genug, für’s Erste die Rolle anzunehmen, welche die Gelegenheit ihr an die Hand gab.

Der Graf rühmte seine Gattin, und auch Franziska lobte sie, aber sie bedauerte, daß die junge Frau eben zu solchem Zeitpunkte nach Paris gekommen sei. Darin stimmte der Graf ihr bei, und er ging noch weiter. Er nannte es einen Mangel an Voraussicht, daß er ein Mädchen geheirathet habe, welches fern von der großen Welt, fern vom Hofe und nicht in den rechten Begriffen der Loyalität erzogen worden sei. Franziska gab ihm darin Recht.

Sie nannte es gefährlich für ihn und für die Gräfin, und sie legte es ihm jetzt als Pflicht auf, Veronika zu schonen, sie allmählich zur Erkenntniß kommen zu lassen, sie nicht gewaltsam überreden und überzeugen zu wollen. Er sollte sie gehen, sie gewähren, sie ihr stilles, unschuldiges Pflanzenleben führen lassen und sich daran erfreuen, daß ihm mitten in der unheilvollen Verwirrung, in welcher man sich befand, durch Veronika’s kindliche Unschuld eine Oase des Friedens eröffnet werde, in die er sich flüchten, in der er sich ausruhen und erhelen könne, wenn er entmuthigt und ermüdet sei.

„O!“ rief sie, „das Leben übt seine Vergeltung aus; ihr, der stillen Kindesseele, die Ruhe und der Frieden! mir die Sorge und der Kampf! Und für die Sorge und den Kampf will ich auch Ihnen bleiben, Joseph! –“

Sie reichte ihm die Hand, er nahm sie an, und ihre feine Hand wußte eisern festzuhalten, was sie ergriffen hatte; denn es [132] gab damals mehr Stunden der Sorge und des Kampfes, als Stunden der Ruhe und des Friedens, und die Marquise hatte für sich mit kluger Wahl den größten Theil von dem Leben des Grafen beansprucht, als sie ihm jenen Vorschlag gethan hatte.

Es fiel der Marquise nicht schwer, ihm zu beweisen, daß er eine Pflicht gegen Veronika erfülle, wenn er ihr selbst die Kenntniß der Unternehmungen fern hielt, in welche die Getreuen des Hofes oft mit eigener Gefahr verwickelt. waren; und wie sie den Grafen immer leidenschaftlicher für die Sache der Königin zu begeistern wußte, so gelang es ihr, ihn ebenso wieder an sich zu fesseln, deren Hingebung an ihre Gebieterin allein schon ein Grund für ihn sein mußte, sie noch höher zu schätzen, noch feuriger zu lieben, als je zuvor.

Jedweder, der noch ein Auge dafür hatte, konnte es sehen, wie neben der großen Schicksalstragödie, welche damals in Paris ihrem letzten Acte entgegenreifte, sich das Schicksal einer schuldlosen Frau immer düsterer gestaltete; Jeder mußte es bemerken, daß die Gräfin täglich mehr von ihrem Gatten verabsäumt und die Marquise wieder die Beherrscherin des Grafen wurde; nur er selber täuschte sich darüber. Das Gewebe von Arglist und Verführung, mit welchem Franziska ihn umgarnte, war so geschickt angelegt und so fein, daß der Graf noch an Veronika zu hängen glaubte, als er schon wieder gänzlich der Marquise zu eigen war, und daß er für die Ruhe und Sicherheit seiner Gattin zu sorgen wähnte, während er sie auf den Anrath ihrer Feindin zu einer halben Gefangenschaft in ihrem Hause verurtheilte.

Die Lage einer Frau, welche nicht mehr geliebt und um einer Andern willen verlassen wird, ist doppelt rathlos, wenn sie sich sagen muß, daß die äußern Anlässe der Art sind, ihren Mann in Anspruch zu nehmen und ihm den Verkehr mit ihrer Nebenbuhlerin nothwendig zu machen. Man bedarf eines sichern Bodens, um eine feste Stellung einnehmen zu können, man muß wissen, worauf man fußen, worauf man bauen und rechnen kann, um eine Richtschnur und einen Compaß für seine Handlungen zu haben. Wo aber sollte die Gräfin diese Hülfsmittel für sich finden? Ihr Gatte war mit sich selber in Zwiespalt gerathen, seit die Marquise wieder seine Vertraute geworden war. Was er erlebte und empfand, das vertraute er ihr, und sie wußte es ihm zu deuten. Was er für Veronika bestimmte, war Franziska’s Werk, was er an dieser hoch hielt, das tadelte er an jener. Er liebte den kühnen, unternehmenden Geist, den festen Muth, die Energie des Willens an Franziska; er hatte auch an Veronika einst ihr starkes tapferes Herz geschätzt. Jetzt aber bezeichnete er es als ein Heraustreten aus des Weibes Schranken, wenn Veronika es mit flehender Bitte von ihm begehrte, eingeweiht zu werden in seine Geheimnisse und Pläne, jetzt nannte er es ihr bevorzugtes Loos, daß ihr nichts obliege, als der hingebende Gehorsam an den Willen des Mannes, der ihr seinen Namen und dieses Namens Ehre zu hüten gegeben habe.

Er hieß es gut, wenn Franziska, wo es sich für eine Dame ihres Standes thun ließ, frei in der Oeffentlichkeit erschien, er begleitete sie, wo immer es geschehen konnte, aber jeder Versuch der Gräfin, es der Marquise nachzuthun, um auf diese Weise der Gesellschaft ihres Gatten theilhaftig zu werden, wurde von dem Grafen mit der Erklärung zurückgewiesen, daß er die Gräfin von Rottenbuel nicht der Gefahr preisgeben wolle, die Beleidigungen zu erfahren, mit denen die Weiber aus dem Volke die Damen der Aristokratie zu verfolgen begonnen hatten.

Es kamen Stunden, in welchen Veronika zu glauben wünschte, was der Graf ihr sagte. Sie wollte ihre Zweifel besiegen, sich ihre richtige Erkenntniß ableugnen, sich beruhigen und trösten. Aber wie sie sich auch das Herz stärkte, um sich aufzurichten und ihrem Gatten nicht durch ihre Entmuthigung lästig zu fallen, wie sie sich auch demüthigte, ihm zu zeigen, daß sie ertragen wolle, was er über sie verhänge, wenn er ihr nur die Hoffnung seiner rückkehrenden Liebe lassen wolle: er schien das Alles bald nicht mehr zu sehen, zu empfinden, und Veronika konnte es sich endlich nicht verhehlen, daß der Graf sie nie geliebt habe, daß seine Heirath mit ihr nur die Folge eines augenblicklichen Zornes gegen die Marquise, die Folge einer augenblicklichen Herzensleere gewesen sei.

Hätte Veronika sich zu beklagen vermocht, das heißt, hätte sie den Grafen weniger geliebt und wäre sie ein weniger stolzes Herz gewesen: so hätte sie der Marquise die Möglichkeit benommen, sie der Kälte und Gleichgültigkeit zu zeihen, und dem Grafen nicht die Freiheit gelassen, diesen Anschuldigungen Franziska’s Gehör zu schenken. Aber Veronika ertrug ihr Unglück ernst und still. Sie kämpfte mit aller ihrer Macht gegen ihre Einsicht an, sie wollte sich’s nicht eingestehen, sich’s nicht bekennen, daß sie einem Manne angehörte, den sie nicht achten konnte, und daß sie ihn liebte, obschon er diese Liebe weder begehrte noch verdiente.

(Fortsetzung folgt.)


Die nordamerikanischen Indianer der Jetztzeit.

Wo die weiße Race auftritt, da kommt sie als Herrscherin über Alles, was nicht ihres Gleichen ist, da macht sie die Eigenthümer des Bodens zu ihren Abhängigen und Sclaven, und was ihr feindlich gegenüber tritt, was ihren Geboten sich nicht fügen will, das zertritt und vernichtet sie. Denn es ist die Bestimmung der weißen Race, die Erde zu erobern und das Panier der Cultur durch alle Länder zu tragen; und ob ihre Siege auch durch den Untergang ganzer Völkerschaften bezeichnet würden, sie muß ihre Aufgabe erfüllen, und was vom Menschengeschlechte nicht gleich mit ihr culturfähig ist, hat auch kein Recht, als Gleiches neben ihr zu bestehen.

Das ist ein Schicksalsspruch, dessen Wahrheit die Culturgeschichte auf allen ihren Blättern zeigt, nirgends tritt sie aber im engen Rahmen deutlicher hervor, als in Nordamerika. Kaum sind es 240 Jahre her, daß die erste kleine Ansiedelung von Weißen sich in Virginien bildete und in Massachusetts die „Pilgrims“ landeten – und, von alle den mächtigen, zahllosen Indianerstämmen, welche damals die Wälder und Prairien als Herren des Landes bevölkerten, leben jetzt nur noch die Nachkommen einer kleinen Zahl als geduldete, herabgekommene Menschenclasse, jeder Willkür der Weißen preisgegeben, immer wieder von der herannahenden Cultur aus ihren Heimstätten getrieben, zurückgedrängt in den westlichen Wildnissen. Massacres und Blutströme, Treulosigkeit und Verrath haben jede Meile, welche der Civilisation gewonnen ward, bezeichnet; ganze Nationen, ob sie nun Frieden mit den „bleichen Gesichtern“ machten oder den Verzweiflungskampf aufnahmen, sind von der Erde vertilgt worden, daß heute nicht einmal ihr Name mehr genannt wird – die weiße Race kann nichts, was in der Stufenleiter der Schöpfung tiefer steht als sie, als gleichberechtigt neben sich dulden, und die Zeit ist wohl nicht fern, wo auch die jetzigen Ueberbleibsel der letzten Stämme vor dem Tritte des immer nach Westen strebenden Weißen verschwunden sein werden.

Nimmermehr sollen nun hiermit alle die Schändlichkeiten, welche völlig systematisch seitens der amerikanischen Regierung gegen die macht- und wehrlosen Indianerstämme bis heute ausgeübt wurden, gerechtfertigt werden; aber es ist das eigenthümliche Verhängniß, daß unter einem Volke, in welchem die Humanität überall ihre Prediger findet, sich nirgends eine einflußreiche Stimme zum Schutze einer Menschenart erhebt, die weit über dem Neger steht, das naturgemäßeste Recht auf den von ihr bewohnten Boden hat – aber frei vom Druck und Einfluß der Weißen existiren will.

An der westlichen Grenze von Arkansas lebt ein Indianerstamm in festen Wohnsitzen, die Cherokees. Schon vor circa 30 Jahren zeichnete er sich durch geregelte Feldwirthschaft und völlig ausgebildetes Gemeindewesen aus – er hatte sich in Sitten und Gebräuchen möglichst den Weißen genähert, besaß Wohnungen gleich diesen, und der einzelne Mann war in seinem Aeußern kaum durch seine dunklere Hautfarbe von dem gewöhnlichen Farmer verschieden. Der Stamm nahm damals einen Theil von Georgia und Alabama ein und hielt sich durch seine Annahme civilisirter Gebräuche vor jeder Beeinträchtigung seitens der Weißen gesichert. Aber die Indianer sollten ihren Irrthum schrecklich erkennen. Die anschwellende weiße Bevölkerung fühlte sich unbehaglich als nächster Nachbar der „Wilden“; für die Regierung aber mußte sich in dem wohlcultivirten Lande der ersteren eine reiche Einnahmequelle eröffnen, und so ward der ganze Stamm, aus seinen Heimstätten

[133]

Yanktonans, das Dampfschiff St. Ange erwartend (1851).
Nach der Natur aufgenommen von Fred. Kurz.

[134] und von den Gräbern seiner Väter hinweg, weit hinaus in die Wildniß des Westens getrieben, um dort dem Boden eine neue Heimath abzuringen. Indianerland ist Vereinigten-Staaten-Eigenthum, sagt das Gesetz, der Weiße mag nicht mit dem Indianer zusammenleben und hat ein Recht auf den Boden – darin lag die Rechtfertigung für die Maßregeln; aber die Ungerechtigkeit war zu stark, um nicht die öffentliche Meinung gegen sie aufzuregen. Dazu waren die Cherokees eifrige Christen, und die Kirche mußte sich ihrer annehmen. Sie erhielten das Bürgerrecht der Vereinigten Staaten, und das ihnen neu angewiesene Land war nun ihr persönliches unantastbares Eigenthum. Dennoch erkannten die Häuptlinge, durch den letzten Schlag gewarnt, daß sie, ohne völliges Aufgehen in den Weißen doch noch einmal von diesen erdrückt werden würden, und kaum war der neue Aufbau ihrer Häuser geschehen, ihre Habe untergebracht und ihre wieder bestellten Felder umzäunt, als auch von den Cherokees die regsten Versuche gemacht wurden, junge weiße Männer zur Niederlassung unter sich und zu Heirathen mit ihren Töchtern zu bewegen. Die Cherokee-Mädchen waren ihrer Grazie und Schönheit halber bekannt, die gebotenen Geschenke an Pferden, Vieh und Land für jeden jungen weißen Freier waren bedeutend, und bald war die Vermischung des „rothen und weißen Blutes“ im besten Gange. Heute sind die Cherokees ein völlig civilisirtes Volk mit Schulen und Kirchen, Gerichtshäusern und Buchdruckereien, auf den Pflanzungen arbeiten schwarze Sclaven, jede Art von Gewerbe und Handel ist vertreten, Theologie, Rechtskunde und Medicin zählen ihre im Osten gebildeten Jünger, und den geschmackvoll erbauten Häusern fehlen weder Teppiche. noch Piano noch modernes Silbergeschirr. Der Indianerstamm indessen wird bald völlig untergegangen sein, denn schon glaubt kein Mädchen eine gute Partie zu machen, wenn sie nicht einem Manne von unvermischtem „weißen Blute“ sich zu Eigen geben kann.

In der Nachbarschaft dieser Cherokees und nördlich den Missourifluß hinauf haben nun die Ueberbleibsel einer Anzahl anderer Stämme ihre angewiesenen Wohnsitze, die von einer Art äußerlicher Cultur sich bis zum Urzustande des Cooperschen Indianers abstufen, nur daß unter dem Einflusse des „Feuerwassers“ und der Laster der Civilisation sich wenig mehr von dem letzteren erhalten hat, als die äußere Gestalt, die in ihren Formen bei einzelnen Stämmen oft den begeisterndsten Vorwurf für den Maler bietet. Eigenthümlicherweise nimmt unter diesen, trotzdem verschiedene Stämme noch in Polygamie leben, die Fruchtbarkeit der Ehen von Jahr zu Jahr ab, und das endliche Verschwinden der Indianer scheint sich auch auf diesem Wege anzubahnen. Nur die wilden, ewig kriegführenden Geschlechter der Comanchen, Kiowahs und Apachen, die noch unberührt von dem Einflusse der Weißen die großen Prairien bis Mexico und Californien nomadisch bewohnen, haben sich in ihrer ursprünglichen Kraft und Wildheit erhalten und werden hier hausen, bis der unwiderstehlich vorrückende Fuß der Cultur auch sie ihrem Verhängniß verfallen läßt.

Einer der bedeutendsten Stämme am obern Missouri, der heute noch 20,000 Köpfe zählt, sind die Sioux oder auch Dacotahs, d. h. „Verbundene“, so genannt, weil der Stamm aus sieben verbündeten Stämmen besteht. Sie sind noch bis auf vielleicht 7000 Köpfe völlige Naturmenschen, die sich von der Jagd und dem Pelzhandel nähren, zur Zeit der Büffeljagd Streifzüge nach den großen Prairien machen und dort den Stämmen, in deren Gebiet sie gerathen, mörderische Gefechte liefern. Unter ihnen tritt dem Beobachter vor Allen ein Stammestheil, die Yanktonans, durch Zahl und körperliche Wohlgestalt entgegen, welcher einer der vorzüglichsten Lieferanten für das westamerikanische Pelzgeschäft ist. Jährlich fuhren, Anfangs der 50er Jahre, im Frühjahre die Dampfschiffe zweier Pelzhandel-Compagnien von St. Louis aus den Missouri hinauf, um für die Indianer Jagd- und andere Bedürfnisse zu bringen und dafür Felle einzutauschen – der Ankunftstag eines solchen Bootes war aber nicht nur der Zufuhr und der abzuschließenden Geschäfte halber für die Indianer wichtig, sondern für die Häuptlinge war er zugleich ein Festtag, an welchem sie auf dem Boote bewirthet und beschenkt wurden. Es war die „St. Ange“, welche im Jahre 1851 den Missouri herauf kam, und die „Chiefs“ der Yanktonans waren am Ufer versammelt, um beim Anlegen des gegen den Strom arbeitenden Dampfschiffes den ersten ceremoniellen Besuch zu machen und mit den weißen Männern die Friedenspfeife zu rauchen. (Diese Scene ist es, welche der bekannte Künstler nach der Natur festgehalten hat.) Auf einem ausgewaschenen Sandsteinfelsen hat sich der Träger derselben aufgestellt; dicht unter ihm steht eine Figur, welche sowohl den vielen Erinnerungszeichen der Heldenthaten nach, welche auf die als Mantel umgeworfene Bisonhaut gemalt sind, wie nach dem gewaltigen Haarbüschel, der möglicherweise durch angeklebtes fremdes Eigenthum verlängert ist, eine bedeutende Persönlichkeit sein muß. Die in Front befindlichen beiden jungen Häuptlinge sind für die bevorstehende Gelegenheit mit ihrem besten Schmucke angethan, und der im Hintergrunde sitzende alte Häuptling blickt mit dem Ernste, der ein Haupterforderniß seiner Stellung ist, den nahenden Fremden entgegen. Den steilaufsteigenden Hügel hat eine weniger courfähige Gesellschaft eingenommen, und oben wallt die amerikanische Sternenflagge, ein Geschenk der Pelzhändler an die Häupter der Indianer. Sie ist aufgepflanzt worden, um schon im Voraus den Nahenden ein Zeichen der guten Gesinnung seitens der Indianer zu geben und deren Gegenwart anzuzeigen.

Bald wird das Dampfboot heran sein; dann fällt die Landungsbrücke, und, von den beiden Agenten der Pelzcompagnie empfangen, schreiten die Indianer in ernstem, schweigendem Zuge, ihrem Range nach geordnet, hinüber, der Cajüte zu, wo bereits ein Kreis von Sitzen ihrer harrt. Schweigend lassen sie sich, zusammen mit ihren Wirthen, nieder, der älteste Häuptling nimmt die Friedenspfeife aus der Hand ihres Trägers, entzündet sie und giebt nach wenigen Zügen sie in die Hand des Nachbars, welcher demselben Beispiele folgt; in tiefer Stille wandert das Symbol der zu schließenden Freundschaft durch den Kreis, und mit einem „Ugh!“ giebt endlich der älteste Häuptling das Zeichen zum Beginn der Verhandlungen, die mit Auslieferung der erwarteten Geschenke ihren Anfang nehmen und dann in der durch fast sämmtliche Stämme verbreiteten Zeichensprache zum wirklichen Geschäfte, durch eine Bewirthung der braunen Naturkinder eingeleitet, übergehen.


Der erste deutsche Journalist.

Der „Gartenlaube“, dem verbreitetsten deutschen Blatte, kommt es gewiß vorzugsweise zu, an den viel zu wenig beachteten Mann zu erinnern, welcher die erste Zeitschrift in deutscher Sprache herausgab und dadurch der Begründer des jetzt wichtigsten und einflußreichsten Zweiges unserer Literatur wurde, – um so mehr, als er zu den ehrenhaftesten, freisinnigsten und geistvollsten Männern gehört, auf die Deutschland stolz zu sein Ursache hat, sein ganzes Leben lang unermüdet für Wahrheit, Recht und Aufklärung kämpfte, darum aber auch Leiden und Verfolgungen aller Art zu erdulden hatte, selbst aus seinem Vaterlande vertrieben wurde und sonach nicht bloß der erste deutsche Journalist sondern auch der erste Märtyrer der der deutschen Journalpresse ist.

Es war ein Leipziger, Christian Thomas (leider bekannter unter seinem latinisirten Namen Thomasius, obgleich er selbst, fern von aller Pedanterie, auf seinen deutschen Schriften und namentlich auf seiner Zeitschrift stets seinen guten deutschen Namen Thomas gebrauchte), der Sohn des Rectors der Thomasschule, Jakob Thomas, und am 12. Januar 1655 geboren. Nachdem er die Schule seines Vaters besucht hatte, studirte er in Leipzig Theologie ging dann aber nach Frankfurt a. O., um sich dem Studium der Jurisprudenz zu widmen, machte nach der damaligen Sitte eine Reise nach Holland und trat nach seiner Rückkehr in die Vaterstadt zunächst als Advocat auf, widmete sich aber bald der akademischen Laufbahn, auf der er allerdings großen Ruhm, aber auch Dornen vollauf finden sollte. Er ging nämlich nicht in dem bequemen Gleise des Herkommens fort, sondern dachte und forschte selbst und sprach die gefundenen Resultate ohne Scheu aus. Nur erzählt er, im Anfange habe er sich gefürchtet, mit Neuerungen aufzutreten, weil er gewähnt, er würde deshalb „der ewigen [135] Verdammniß“ verfallen. Diese Besorgnis erklärt sich aus dem Umstande, daß er hauptsächlich gegen die damals den Staat und alle Wissenschaften beherrschenden Theologen und für das von denselben, seiner Meinung nach, verunstaltete Naturrecht ankämpfen zu müssen glaubte. Er hielt z. B. dafür und sprach es bald genug offen aus, daß die Vielweiberei, der Selbstmord etc. nur nach gemachten Gesetzen untersagt und ebenso die priesterliche Trauung, der äußerliche Gottesdienst etc. geboten sei; daß die zehn Gebote nicht überall Moral, noch die ganze Moral enthielten; daß die Todesstrafe nicht zu rechtfertigen sei; daß keine weltliche Macht das Recht habe, Strafen wegen des Glaubens anzuordnen; daß man Mängel in dem Staate, in welchem man lebe, allerdings rügen dürfe; daß die Majestät der Könige nicht unmittelbar von Gott komme, und daß der Streit über alle diese Dinge die Theologie gar nichts angehe.

Aber nicht bloß die Anmaßung und die Macht der Theologen griff er an, er verhöhnte auch das Zopfthum der deutschen Gelehrten und wies die traurigen Wirkungen desselben nach. Er rügte und verspottete ihre Grobheit und Rohheit und wollte die Gelehrsamkeit nicht nur mit dem Tone der feinen Welt – damals Hofton genannt – vereinigt wissen, sondern auch die Wissenschaft für das Allgemeine nutzbar gemacht sehen und in solcher Weise die Bildung in immer weiteren Kreisen verbreiten. Er wußte recht wohl, wie weit zu seiner Zeit das deutsche Volk z. B. dem französischen an Aufklärung und die deutsche Sprache allen anderen an Ausbildung nachstand. Den Hauptgrund fand er darin, daß die französischen Gelehrten in ihrer Muttersprache schrieben und sonach Alle die Bücher lesen konnten; deshalb nahm er sich vor, ebenfalls dem Lateinischen so viel als möglich zu entsagen und in seiner lieben deutschen Sprache zu schreiben, die damals so höchst ungelenk und namentlich mit lateinischen und französischen Flickflecken verunstaltet war. „Es schrieben ja,“ sagt Thomas, „die griechischen Philosophen nicht hebräisch, noch die römischen griechisch, sondern ein Jeder seine Muttersprache. Die Franzosen wissen sich dieses Vortheils sehr wohl zu bedienen; warum sollen denn wir Deutsche stets von Andern uns auslachen lassen, als ob die Gelehrsamkeit in unserer Sprache nicht vorgetragen werden könnte?“

Und er schrieb und er hielt Vorlesungen in deutscher Sprache. Wir können uns jetzt kaum eine Vorstellung von dem Aufsehen machen, das seine Neuerung erregte, obgleich die Herrschaft der lateinischen Sprache auf den Universitäten erst in den letzten Jahren unserer Zeit ganz gebrochen worden ist und die Nachwehen der Sprachmengerei aus deutschen Schriften heute noch nicht ganz verschwunden sind.

Weil also dem rührigen Manne die Ausbildung der Muttersprache, die Verbreitung nützlicher Kenntnisse und damit die Ausrottung der Pedanterie und Heuchelei am Herzen lag, unternahm er es, eine periodische Schrift in deutscher Sprache herauszugeben. Sie erschien von Januar 1688 an zunächst unter dem Titel: „Scherz- und ernsthafte, vernünftige und einfältige Gedanken über allerhand lustige und nützliche Bücher und Fragen. Von der Gesellschaft derer Müßigen. Frankfurt und Leipzig, bei Weidmann.“ (Der Beisatz „von der Gesellschaft der Müßigen“ blieb schon auf dem zweiten Hefte weg.) Jedem der monatlich erscheinenden 5 bis 6 Bogen in kleiner Buchform starken Hefte war ein meist allegorischer und satirischer oder erläuternder Kupferstich beigegeben, denn Thomas wußte schon, wie er in der Vorrede sagt, „daß die Menschen durchgehends gern bildern.“

Kühn genug begann er sein Unternehmen mit einer Zuschrift an „Tartüffe“ und „Barbon“ –einen Heuchler und einen Pedanten – weil er gegen diese seine Angriffe vorzugsweise zu richten gedachte. Die Form, in der er schrieb, war für jene pedantische Zeit ziemlich geschickt, denn er sah auf Unterhaltung seiner Leser und auf Mannigfaltigkeit. Er bringt nämlich in jedem Hefte eine Gesellschaft von mehr oder weniger Personen zusammen, die sich über „Bücher und Fragen“ besprechen und zwar meist in scherzendem und spottendem, bisweilen aber auch in sehr ernstem Tone. So beginnt er das erste (Januar-) Heft in folgender Weise: „Die Leipziger Neujahrsmesse begunte nunmehr herbey zu nahen, und diejenigen, so auf selbiger entweder in Handel und Wandel oder wegen anderer Geschäfte etwas zu verrichten hatten, stellten sich allmählich daselbst ein; als vier einander sonst unbekannte Personen aus einer Landkutsche aus Frankfurt a. M. ausführen, des Vorhabens, auch ihres Orts sich in diese sowohl von den Studien als der Handlung berufene Stadt zu machen, wiewohl in unterschiedenem Absehen etc.“

Seine „deutschen Monate“, erzählt Thomas, „brachten die ganze Heerde der Heuchler und Pedanten“ gegen ihn in Aufruhr. Sie nannten ihn einen unruhigen, ungläubigen und streitsüchtigen Menschen, weil er sich nicht scheute, Glaubenssätze und Einrichtungen anzutasten, bei denen sich „die Heuchler und Pedanten“ so lange gar wohl befunden hatten. Gleich in dem ersten Hefte, in dem auch von „Liebesromanen“ die Rede ist, sagt er, Niemand lese dieselben, zumal die schmutzigsten, eifriger als die frommen Heuchler, die, wenn man sie bei der Lectüre solcher Bücher überrasche, kopfschüttelnd erklärten, auf den Inhalt achteten sie nicht, nur an der schönen Sprache, in der sie geschrieben, und an der geistreichen Erfindung hätten sie ihre Freude. „Ich wollte wetten,“ läßt Thomas Einen der vier Reisenden in der Landkutsche sagen, „daß unter hundert jungen Leuten, die in der Bibel die Geschichte von Joseph und des Potiphar’s Gemahlin lesen, ungeachtet der „heilige Geist“ dieselbe schlechtweg und ohne Bewegung eines Affects geschrieben hat, doch kaum Einer oder der Andere sein werde, der in seinem Herzen den Joseph nicht für einen albernen Tölpel hielt oder wohl gar wünsche, daß ihm dergleichen Gelegenheit begegnen möchte, und sich dabei in seinen Gedanken delectirt, wie er dieselbe sodann sich besser als Joseph zu Nutze machen wollte; was denkt aber ein junger Mensch bei sich, wenn er jene Geschichte weitläufiger geschrieben lieset, wie solche Daniel Greissensohn in seinem „keuschen Joseph“ mit artigen Erfindungen ausgeschmückt und die beweglichen Reden der Sapphira (der Frau Potiphar’s) dazugesetzt hat?“

Leipziger Professoren beschwerten sich denn auch bereits nach dem Erscheinen der ersten beiden Hefte und trugen in Dresden auf Bestrafung des Verfassers, sowie auf Unterdrückung der Schrift an. Um der letzten: zu entgehen, that Thomas schon, was seitdem Viele ebenfalls zu thun genöthigt gewesen sind –; er ließ seine Zeitschrift von dem dritten Hefte an in einem Nachbarstaate, und zwar in Halle, drucken. Und nun schrieb er noch entschiedener. Er verspottete die Mängel der akademischen Verträge, die unglaubliche Unwissenheit der meisten Gelehrten in wichtigen Fächern, äußerte sich rückhaltslos über die Unduldsamkeit der Protestanten, über die Mißbräuche bei der Censur, über das Lächerliche des damaligen Proceßverfahrens, über schlechte Prediger, namentlich aber übergoß er die Anhänger der herrschenden aristotelisch-scholastischen Philosophie mit der schärfsten Lauge seines Witzes. Das ganze Aprilheft füllte er mit einem Romane aus dem Leben des Aristoteles, in dem er in der beißendsten Weise schilderte, wie die Herren Philosophen Alles besser wissen und Alles ergründet haben wollen, darum hochmüthig auf alle Anderen herabsehen, ja, sich sogar den Frauen gegenüber für unwiderstehlicher halten als alle anderen Männer. So erzählt er z. B., Aristoteles habe die vier Farben der Spielkarten erfunden, um seine Lehre von den vier Elementen auch den gemeinen Leuten von Jugend auf beizubringen, weil er wohl gewußt, daß die Kinder eher mit der Karte spielen lernten, als sie ihren Katechismus auswendig könnten. Den König Philipp aber habe der Philosoph veranlaßt, eine Verordnung ergehen zu lassen, daß die Bürger wenigstens einmal des Tages spielen müßten etc.

Es konnte nicht fehlen, daß man dem freimüthigen Spötter alle möglichen Schandthaten, Religionsverachtung, Majestätsverbrechen etc. schuld gab. Man kam wirklich bei dem Oberconsistorium in Dresden mit der Klage ein, „er bringe ehrenrührige Beschuldigungen gegen die Professoren vor, mache die Wissenschaften lächerlich, die doch unter dem Befehl und dem Schutz des Landesherrn gelehrt würden, und vergreife sich dadurch auf das Frechste an Seiner Durchlaucht höchstem Ansehen selbst; er bediene sich einer spöttischen und ärgerlichen Schreibart und dazu in deutscher Sprache, so daß auch der gemeine Mann ihn lesen könne; er lästere Jedermann und besonders seine ehemaligen Lehrer, verachte die Religion, spotte der Prediger und ihrer Predigten und habe sogar einige Tage vor dem Genusse des Abendmahls eine Schmähschrift gegen seinen Beichtvater (Carpzov) aufgesetzt, außerdem aber auch, gegen die Verfassung der Universität, eigenmächtig einen Hörsaal in seiner Wohnung eingerichtet.“

Seine Hauptgegner waren drei Theologen in Leipzig, der bereits genannte Carpzov, Alberti und Pfeifer, von denen der letztere sogar häufig von der Kanzel herab gegen des verhaßten Mannes [136] Schriften und Aussprüche donnerte. Thomas aber vertheidigte sich gegen die Anklagen, die wider ihn gerichtet waren, so vortrefflich, daß er für diesmal noch ohne Strafe ausging. Dies ermuthigte ihn, als Bild zu dem ersten Halbband seiner „Monate“ aus Moliere’s „Tartüffe“ die Scene mit dem Busentuche stechen zu lassen. Mit seinem Muthe aber wuchs auch die Zahl und die Erbitterung seiner Feinde, wie die Gefahr für ihn. Im Jahre 1689 begannen in Sachsen die unglückseligen Zänkereien wegen der „Pietisten“. Die vortrefflichen Männer Spener in Dresden und Franke (nachmals Stifter des großen Waisenhauses in Halle) drangen nämlich auf eine gründlichere Bildung der jungen Theologen, besonders auf genaue und richtige Kenntniß der Bibel. Zu diesem Zweck veranstalteten sie Vorlesungen. Dies war den alten Professoren eine gräuelvolle Neuerung, und sie traten, wie gegen Thomas, so auch gegen jene beiden „Neuerer“ auf, denen sie den Spottnamen „Pietisten“ gaben. Wie die Partei der Pietisten später ausartete, gehört nicht hierher. Genug, Franke sollte sich einer Untersuchung bei der Leipziger Universität unterwerfen und wählte sich Thomas als juristischen Beistand. Dieser schrieb ein sehr klares, aber ziemlich heftiges „Bedenken“, das ihm neue Feinde zuzog. Dazu kam ein Fall, der ihn bei dem Hofe in Dresden selbst, wo er bis dahin Schutz gefunden hatte, sehr unbeliebt machte. Der letzte Herzog von Sachsen-Zeitz vermählte sich 1689 mit einer reformirten Prinzessin, der ältesten Tochter des großen Kurfürsten von Brandenburg. Da nun der Haß der Lutheraner gegen die Reformirten in Sachsen groß war, so erregte jene Heirath, die überdies gegen die Pläne des Kurhauses verstieß, gewaltigen Aerger. Es erschien dagegen eine Schrift (von dem Propst Müller in Magdeburg). Thomas, der eifrige Vertheidiger der Glaubensfreiheit, gab sofort eine Gegenschrift heraus, die wichtige Folgen für ihn haben sollte; denn sie machte ihn zuerst dem Hofe zu Berlin bekannt. Er selbst erzählt, er habe seine Schrift nach Zeitz geschickt, sei darauf von dem Herzog eingeladen, sehr gütig aufgenommen und nach zwei Tagen mit einem Geschenk von 100 Thalern entlassen worden. „Nun kann ein Jeder,“ fährt er fort, „leicht erachten, daß in dem Zustande, in welchem ich damals lebte, dieses Alles ein nicht geringes Vergnügen bei mir erweckt haben müsse.“ Bei seiner Rückkunft von Zeitz fand er überdies ein Schreiben aus Berlin mit der Anzeige, daß der Kurfürst seine Schrift gnädig angesehen und befohlen habe, ihm dafür 100 Ducaten auszuzahlen. „Dieses erfreute mich um so mehr, weil ich nicht darum gebettelt, ja nicht einmal ein Exemplar nach Berlin an Jemand befördert hatte.“

Auf der andern Seite aber behauptete ein Wittenberger Theolog, Löscher mit Namen, Thomas habe in seiner Schrift zu Gunsten der Reformirten „dem (enthaupteten) Kanzler Krell das Wort geredet und die frommen Vorfahren Sr. Durchlaucht in dem, was sie zur Erhaltung der reinen lutherischen Lehre gethan, schändlich gelästert.“ In Leipzig selbst hielt man Vorlesungen und Predigten gegen ihn als Atheisten. Nur um sich mit gleichen Waffen zu vertheidigen, begann Thomas vor vielen Zuhörern Vorlesungen über den Unterschied des Rechtes und des Anständigen. Das nannten seine Feinde „Gewaltthätigkeit“ und klagten von Neuem. Jene Vorlesungen wurden ihm untersagt; aber Thomas war nicht der Mann, der sich leicht, schrecken ließ. Er las sofort „über die Vorurtheile“ und schilderte darin unter andern „den echten Christen im Gegensatz zu den Heuchlern“, von denen er vierzehn Kennzeichen angab, z. B. daß sie von Menschen gemachte Bekenntnißschriften der Bibel gleichhielten, bei Streitigkeiten sich mehr auf jene menschlichen Bücher beriefen etc. Alsbald erfolgte die Klage gegen ihn, daß er „Dinge, die er zu lehren keinen Beruf habe, in seinen Vorlesungen abhandele, auch oft in seiner Monatsschrift, was von Predigern auf der Kanzel dem Worte Gottes gemäß vorgetragen, auf das Schimpflichste durchhechele.“

Der dänische Hofprediger und Professor der Theologie, Masius in Kopenhagen, ließ in einer lateinischen Abhandlung drucken, daß nur der lutherische Glaube die Throne aufrecht erhalte, denn nur dieser lehre, daß die Obrigkeit unmittelbar von Gott sei und die Unterthanen selbst einem mit Gewalt eindringenden Fürsten wegen der unverletzlichen Majestät desselben nicht widerstehen dürften, daß also nur der lutherische Glaube den Regenten die höchste Sicherheit gewähre und deshalb vor allen Religionen den Vorzug verdiene; denn die Reformirten, Puritaner etc. lehrten, daß Könige durch das Volk abgesetzt werden dürften, daß man Gewalt mit Gewalt vertreiben könne, weil die Obrigkeit nicht unmittelbar von Gott komme, sondern in dem Volke wurzele. Diese Schrift nahm Thomas in dem Decemberheft seiner Zeitschrift mit Ernst und Würde vor, obgleich er es auch an geeigneten Stellen an starken Ausdrücken nicht fehlen ließ. Er erklärte darin, daß die Majestät allerdings von Gott komme, aber nicht unmittelbar, sondern eigentlich von dem Volke, daß die Anklage gegen die Reformirten höchst ungerecht und ein Hinderniß der so wünschenswerthen Vereinigung der beiden evangelischen Parteien sei etc.

Die Leipziger sorgten natürlich, daß der Herr Hofprediger in Kopenhagen ein Exemplar der Schrift erhielt. Dieser schrieb nicht nur klagend an einen hochgestellten Mann in Dresden, daß ein lutherischer Professor an einer lutherischen Universität ihn in solcher Weise angegriffen, sondern verfaßte auch eine plumpe und fade Schmähschrift unter dem Namen Peter Schipping gegen Thomas. An dieser hatten die bekannten drei theologischen Freunde so großes Wohlgefallen, daß sie dieselbe nachdrucken ließen, um ihr um so größere Verbreitung zu geben. Thomas nahm aber das ganze Machwerk in seine Zeitschrift auf und spickte es mit zahlreichen ernsten und witzigen Anmerkungen, so daß er die Lacher ganz auf seine Seite brachte. Solche „Frechheit“ konnte nicht ungestraft bleiben; Masius setzte Himmel und Hölle in Bewegung und vermochte in der That seinen König Christian V., in heftigen Ausdrücken bei dem Hofe in Dresden sich über Thomas zu beschweren, der „sich vermessentlich unterstanden, ein von einem k. Professor mit des Königs Vorwissen und Approbation publicirtes Scriptum mit groben Anzüglichkeiten anzufechten, auch von der Majestät und Gewalt, so alle Potentaten und Prinzen unmittelbar von Gott haben, ganz verkleinerlich zu schreiben.“ Darum bat der König, daß Thomas „wegen seiner ärgerlichen Schriften förderlichst zu Rede gestellt und nicht allein das, was er gegen die Fürsten zu behaupten sich erkühnt, sondern auch die gegen Ehren Masius ausgestoßenen Injurien zu verneinen angehalten, auch deshalb Andern zum Abscheu gebührlich bestraft werden möge.“ In Dresden ging man bereitwillig auf diesen Antrag ein. In einem Rescripte an die Universität wurde das, was Thomas gethan, „ungebührlich, befremdend und zu mehrerern Mißfallen billig veranlassend“ genannt und ihm verboten, ohne vorhergegangene Leipziger Censur, auch auswärts, etwas drucken zu lassen. Dabei blieb es aber nicht, denn noch war keine Entscheidung über die früheren Leipziger Beschwerden und über die Wittenberger Denunciation erfolgt. Diese erschien jetzt und lautete in Bezug auf die erstern, daß „dem Thomas ernstlich und bei Strafe von 200 Gulden alles Collegienlesen und Disputiren, es geschehe öffentlich oder privatim, oder auf was für Art und Weise es wolle, sowie jede Herausgebung irgend welcher Schriften bis auf weitere Verordnung untersagt werde,“ in Bezug auf die letztere aber: „daß man sich seiner Person versichern und dann gegen ihn peinlich inquiriren solle.“ Den ersten Befehl ließ man in Leipzig sogleich bekannt werden, den zweiten hielt man aber absichtlich geheim, da man die Absicht hatte, in dem Termin, in welchem man Thomas den ersten mittheile, sogleich den zweiten zu veröffentlichen und bei dieser Gelegenheit sofort ihn zu verhaften.

Thomas war verheirathet, hatte keine Besoldung und lebte von dem, was ihm seine Vorlesungen und seine Bücher einbrachten. Er wäre also verloren gewesen mit seiner Familie, wenn jene Befehle hätten zur Ausführung kommen können. Er hatte aber Aehnliches vermuthet und sich für solche Fälle vorbereitet. Er wartete nicht, bis man ihm die Rescripte vorlas, sondern reisete heimlich von Leipzig ab nach Berlin, um dort die Erlaubniß zu erbitten, sich in Halle niederlassen und Vorlesungen halten zu dürfen. Seine Feinde waren um so aufgebrachter als sie ihre Rache an Thomas nicht kühlen konnten. Wenigstens nahm man Alles in Beschlag, was er in Leipzig zurückgelassen hatte, und der Schöppenstuhl erkannte, „daß er zum Arrest zu bringen und gegen ihn mit Specialuntersuchung zu verfahren sei.“ Das geschah im März 1690. Masius in Kopenhagen aber war damit nicht zufrieden. Er hatte bereits früher einen Befehl von seinem König erwirkt, der im März 1691 ausgeführt wurde. Die Hefte der Monatsschrift von Thomas, in welchen Masius angegriffen war, wurden auf offenem Markt in Kopenhagen von Henkers Hand verbrannt und der Verfasser derselben für ehrlos erklärt.

Der brandenburgische Staatsminister Eberhard v. Dankelmann dagegen erwarb sich den unvergänglichen Ruhm, den aufgeklärten und verfolgten Thomas freundlich aufgenommen und für [137] das Land gewonnen zu haben. Er erwirkte für denselben den Titel eines kurfürstlichen Rathes mit einer Besoldung von 500 Thalern und verwendete sich auch dringend und mit günstigem Erfolg bei dem Kurfürsten von Sachsen, so daß Thomas 1691 seine Familie und seine Habseligkeiten von Leipzig nach Halle nachkommen lassen durfte.

Diese Uebersiedelung unseres Thomas nach Halle ist zugleich die Veranlassung zur Stiftung der Universität daselbst. Der berühmte Lehrer zog allein eine große Anzahl junger lernbegieriger Männer dahin. Ihm schlossen sich bald zwei ebenfalls Vertriebene an, Spener und Franke, und als 1691 der Kurfürst von Brandenburg auf einer Reise Halle berührte, fand er gegen 300 Studenten da, wo keine Universität war, die erst 1694 wirklich begründet wurde.

Seine Monatsschrift ließ Themas mit dem Jahre 1691 aufhören, dagegen gab er eine Sammlung von „juristischen Händeln“ heraus und war somit auch der Erste, welcher in Deutschland Rechtsfälle auf eine für das große Publicum lesbare Art herausgab. Seine übrigen Verdienste, namentlich um das Aufhören des Hexenverbrennens, können wir unerwähnt lassen, nur ein Ausspruch Friedrichs des Großen über ihn möge hier stehen: „Im Jahre 1708 (?) ward eine Frau, die das Unglück hatte, alt zu sein, als Zauberin verbrannt. Diese unmenschlichen Wirkungen der Unwissenheit erregten bei Thomas, einem gelehrten Professor in Halle, den lebhaftesten Eindruck: er machte die Hexenmeister und die Hexenprocesse lächerlich und redete so laut, daß man sich ferner solcher Rechtshändel schämte, und seitdem kann das weibliche Geschlecht in Frieden alt werden und sterben. Unter allen Gelehrten, welche Deutschlands Namen verherrlicht haben, leisteten Leibnitz und Thomas dem menschlichen Geiste die wichtigsten Dienste. Sie zeigten den Weg, auf welchem der Verstand zur Wahrheit gelangen kann; sie bekämpften die Vorurtheile jeder Art; sie drangen in allen ihren Schriften auf die Analogie und die Erfahrung und zogen eine Menge Schüler.“

Thomas starb 1728, ein Jahr vor der Geburt dessen, welcher um Vieles größer war als er und glänzend durchführen sollte, was Thomas nur geahnt und begonnen hatte – Lessing’s.

Diezmann.




Oft ist es nur ein einzig Wort!

Oft ist es nur ein einzig Wort
Das Herz von Herzen trennte.
Oft ist es nur ein einzig Wort,
Das neu sie einen könnte.

5
Und ob sie sich auch lieben noch –

Das Wort, es bleibt verschwiegen doch;
Sie gehen stolz von hinnen,
So starb wohl manches Minnen!

Das rechte Wort, o sprich es nur,

10
O sprich zur rechten Stunde,

Eh’ noch zu Andern drang die Spur
Vom bald zerrissnen Bunde!
Es dringt so heilend in die Brust
Vermißter Liebe neue Lust,

15
Wenn Zwei sich wieder fanden,

Die einst sich nicht verstanden.

 S. Peiser.




Silhouetten vom preußischen Landtage.

1. 0Das Abgeordnetenhaus.


In London gehört das House of Parliament zu den größten und schönsten Palästen der Stadt; stolz und frei, wie Englands Verfassung, streckt es sich mit seinen gothischen Thürmen hinter Westminster längs dem Themseufer. In Paris tagt selbst unter Napoleon das Corps législatif in einem Palast, und der glänzende Schein von Freiheit wird durch diesen Bau nicht gestört. Sogar in dem jüngsten Staate, der es mit der Constitution versucht, in Oesterreich, ist für den Reichsrath ein eigenes Palais erbaut worden – leicht und luftig wie zu provisorischer Bestimmung, schnell errichtet und aus fertigen Stücken zusammengesetzt, die über Nacht auch wieder beseitigt werden können. Nur das preußische Abgeordnetenhaus ist hinter der großen Straße inmitten hoher Häusermassen erbaut worden, ein leichtes, gleichfalls wie provisorisch aufgeführtes Gebäude, angeklebt an das ehemalige Obercensurgericht, und die Räumlichkeiten des letzteren werden, wie zum grellen Hohn, jetzt als Bureaux und Commissionszimmer der Volksvertretung benutzt. Fast möchte man meinen, in den Gebäuden für die verschiedenen Parlamente sei die Bedeutung und die Stellung derselben im Staate ausgedrückt.

Der preußische Vereinigte Landtag von 1847, dieser erste Versuch einer längst versprochenen und par 1a grâce du Roi gegebenen, zu romantischer Vasallenschaft bestimmten Constitution, tagte im Weißen Saal des königlichen Schlosses zu Berlin, in königlichen Gemächern, ein Gast des Monarchen. In demselben Raum geht jetzt die Ceremonie der Eröffnung des Landtags durch den König vor. Die preußische Nationalversammlung von 1848 hielt ihre Sitzungen im Concertsaale des Schauspielhauses. Ob man diese erste Versammlung freier Männer eines quand même freigewordenen Volks mit Absicht dorthin verlegt – wer mag es wissen? Aber so viel wissen wir, daß nach ein paar Acten die Komödie zu Ende war.

Nun kam die Zeit Manteuffel’s, die neue, nicht entrissene, sondern gegebene Verfassung, die Zweikammer-Constitution. Man führte schnell die Säle für diese neuen Versammlungen auf, und daß man vorläufig auf keine Ewigkeit für das Recht derselben rechnete, äußerte sich unwillkürlich in dem leichten, luftigen Bau. Die Erste Kammer brannte ab, und daß man sie nun in ein altes aristokratisches Palais der Leipziger Straße verlegte, sie dort behaglich und wohnlich einrichtete, solid fundirte, harmonirte merkwürdiger Weise wieder mit ihrer veränderten Bestimmung. Sie wurde ein Herrenhaus, alle ihre Mitglieder ernannte die Krone.

Das Abgeordnetenhaus, die Zweite Kammer, die Versammlung der vom Volke erwählten Deputirten, behielt seit 1849 ihr leichtes Gebäu, dem man um so mehr solide Theile des alten Censurgerichts annectirte, je mehr das constitutionelle System an Bestand zu gewinnen schien. Wie die octroyirte Verfassung das Recht dieser Versammlung eingeengt und sie möglichst verhindert hatte, unmittelbarer Ausdruck des Volkes zu werden, so befand sich auch der Sitzungssaal eingeengt zwischen Hofmauern und war der unmittelbaren Freiheit der Straße entrückt. Manteuffel hoffte durch die Bureaukratie die Constitution in passender Weise zu einem Recht des Volkes zu reformiren, welches diesem möglichst wenig Rechte ließ und möglichst viel Pflichten auferlegte. Und siehe da! als sollte dies auch äußerlich ausgedrückt werden, so war die alte Hexenküche der preußischen Bureaukratie, das Obercensurgericht, zur Front des Abgeordnetenhauses gemacht worden und bildete die eigentlich soliden Theile desselben. Eine Menge anderer Parallelen liegen uns noch im Sinne, aber wir lassen sie fallen, um uns bei Aeußerlichkeiten nicht allzulange aufzuhalten.

Es läßt sich nach dem Gesagten voraussetzen und entspricht auch sowohl der parlamentarischen Würde wie dem preußischen [138] Geschmack, daß der Sitzungssaal des „hohen Hauses der Abgeordten“ einfach gehalten ist. Umringt von Bureaux, der Restauration, dem Lesezimmer und Corridoren, glicht er etwa einem römischen Atrium, zum Theil überdeckt mit einem Glasdach. Außerdem werfen noch von zwei Seiten Fenster aus der Höhe Licht in dieses längliche Viereck. Die Wände, sowie der Charakter der Drapirung sind purpurn gehalten, und der hohe, luftige Bau gewinnt dadurch eine gewisse angenehme Füllung. Während die eine der langen Wände ganz kahl ist und nur, dem Präsidentenstuhle gegenüber, eine Uhr trägt, sind in der Mitte der Höhe der drei übrigen breite Tribünen angebracht, deren Sitzreihen amphitheatralisch emporsteigen. Der untere Raum des Saales ist vornehmlich von den Bänken für die Abgeordneten gefüllt. Sie haben Rohrsitze zum Auf- und Niederklappen und gepolsterte Lehnen mit rothem Tuch bezogen. Vor jedem Sitze, an der Rücklehne der vorderen Bank (wo solche sind), befindet sich eine kleine zierliche Klappe, als Pult zu gebrauchen.

Die Aufstellung dieser Bänke ist nach der parlamentarischen Ordnung erfolgt. Die mittleren sind in die Form eines Hufeisens gebracht worden, welches quer in den Saal gelegt ist. Der Rücken desselben lehnt sich an eine niedrige, längere Estrade mit einem Gitter umgeben und in der Mitte vor der tribünenfreien Wand errichtet. Auf dieser Estrade ist die sogenannte Ministerbank. Die beiden Flügel des Hufeisens ziehen sich bis mitten in den Saalraum, und alle Sitze desselben bezeichnet man als Centrum, die Flügel speciell noch als rechtes und linkes Centrum.

Quer vor der offenen Seite dieses Hufeisens, in der Mitte der langen Wand und unter der Journalistentribüne, ist das Präsidialbureau auf einer erhöhten Estrade. Den obersten Platz nimmt der Präsident ein; ihm zu beiden Seiten sitzen die vier Abgeordneten, welche das Protokoll führen und die übrigen Bureaugeschäfte zu besorgen haben. Vor dieser Estrade, in der Mitte des Saalraumes, befindet sich die Rednertribüne und vor dieser wieder der Tisch für die Stenographen.

Zu beiden Seiten dieses hufeisenförmigen Mittelraumes, mit der Front sich gegenüber, stehen die übrigen Bänke. Sie sind kurz, meist zu fünf Plätzen, und durch drei die Länge durchschneidende Gänge wie in Treffen aufgestellt. Nur an der Wand gegenüber dem Präsidenten und rechts und links vom Ministertische sind mehrere Bänke der Länge nach postirt und je zu zwölf bis fünfzehn Sitzen eingerichtet. Die ganze Seite rechts vom Präsidenten heißt die Rechte, die links von demselben die Linke; als ihre äußersten Enden versteht man die zunächst dem Präsidialbureau.

Alle diese Plätze sind dazu bestimmt, freie Männer zu tragen; aber dieser Bestimmung entgegen setzten sich auch oft Feiglinge, Schwächlinge und Bedienten hierher. Das jetzige Abgeordnetenhaus soll seiner verfassungsmäßigen Bestimmung einmal Ehre machen; mindestens hat das Land überwiegend Männer zu Abgeordneten gewählt, welche die Pflicht und den Willen haben sollen, den gebührenden Platz einzunehmen und zu behaupten. Deshalb sitzen zum ersten Mal die wahren Gesandten des Volks hier zusammen, und kein preußisches Abgeordnetenhaus hat seit den Zeiten von 1848, in denen der Most noch gohr, so treu und nuancirt den Ausdruck der Gesinnungen im Volke widergespiegelt. Alle Parteien, von Weiß bis Blau, sind hier vertreten, und man kann sagen, in ihrem richtigen Machtverhältniß.

Auf der äußersten Rechten sind die führerlosen Reste der Reaction postirt. Trotz der parlamentarischen Bedeutung der alten feudalen Obristen Wagener, Blanckenburg, Pückler und Arnim, hat kein Kreis sie wieder gewählt; sie mögen daraus lernen, daß ihre Macht mit Herstellung normaler Verhältnisse zusammenbricht. Kaum ein paar ihrer Soldaten haben in der Wahlschlacht das Leben gerettet, und diese wenigen sind da, um den Ausdruck einer kleinen, einst durch Intrigue mächtigen Partei zu repräsentiren.

Neben ihr sitzen die Trümmer der Fraction Mathis, richtig postirt zwischen Reaction und lauwärmstem[WS 1] Constitutionalismus. Den übrigen Theil der ganzen rechten Seite füllt die sogenannte Partei Grabow aus, zusammengesetzt aus den Mitgliedern der alten Fraction Vincke und der liberalen Bureaukratie. Man könnte diese Rechte die preußische Gironde nennen, theoretische Staatsmänner ohne praktischen Blick, Schönredner und Thatenscheue, kühne Doctrinaire und ängstliche Ministerielle. Sie ist das Leibgardecorps der jetzigen als liberal bezeichneten Minister, die sich auf dasselbe wie auf eine Lebensversicherung verlassen. Auch „Gouvernementale“ hört man sie nennen, weil sie mehr die jetzige Regierung, um keine schlimmere an deren Platz zu lassen, denn einzelne Minister stützen wollen. In einem so jungen parlamentarischen Leben, wie das Preußens ist, haben sich noch zu wenig politische Charaktere herausgebildet, um eine persönliche Partei bilden zu können. Die Gesinnung allein macht noch Parteien und hält sie zusammen, und wird diese Gesinnung durch irgend eine Thatsache in Versuchung geführt, so kommt es auch vor, daß eine Partei sich in Fractionen zersplittert, daß Viele die alte Fahne verlassen, um unter einer neuen zu fechten. So sprengte in der vorigen Session die Militairfrage die große Vincke’sche Partei in mehrere Fractionen, und die jetzigen Gouvernementalen – alte Vinckeaner, Altliberale, Constitutionelle – können heut noch gar nicht wissen, ob sie sich im Laufe der Debatten nicht zersplittern werden.

Bis auf die Bänke des rechten Centrums erstreckt sich das kleine Corps der Stavenhagen und Harkort, welche eine gewisse Sympathie für die Rechte haben, aber doch nicht unter allen Umständen zu ihr halten wollen. Im mittelsten und linken Centrum sind vornehmlich die Katholiken, die Mitglieder der Fraction Reichensperger, postirt. Sie sind an Zahl nicht gering, ihrer fünfzig, und von jeher eins der wichtigsten Elemente in dem Abgeordnetenhause. Da sie ihre politische Gesinnung meist nach den Interessen ihres religiösen Glaubens regeln, so bezeichnen sie durch ihre Mittelstellung deutlich, daß sie unter Umständen, mit der Rechten oder auch mit der Linken gehen wollen. Wie der Katholicismus überhaupt, ist auch diese Fraction zur Opposition in liberalem Sinne entschlossen, so lange es nicht an ihre besonderen Interessen geht. In die Macht Anderer, namentlich wenn sie ihnen feindlich ist, legen sie gern Bresche, um ihre eigene Macht desto mehr zu stärken.

Auf der linken Seite erkennt man die Ausstellung der Partei, welche man die demokratische nennen kann und welche von den lichtesten Farben bis zu den intensiven vertreten ist. Die Parteien sind eben in diesem Abgeordnetenhaus so vollständig vertreten, daß sie nicht in schroffen Gegensätzen sich gegenüber stehen, sondern in reicher Nuancirung und Abschattung fast wie die einer Farbenrose in einander laufen. Der Hauptkern der Linken wird durch die Mitglieder der deutschen Fortschrittspartei gebildet, durch die mit den Thatsachen versöhnte Demokratie, welche einesteils die Rücksicht auf den liberalen Ruf eines Ministers nicht so weit treiben will, um die Sache des Liberalismus darüber aus den Augen zu verlieren, und anderntheils auch Preußen zu einer kräftigeren Politik zu Gunsten der deutschen Einheit zu drängen beabsichtigt. Während die vorige Kammeropposition an der Parole „Nur nicht drängeln“ festhielt, gedenkt die Fortschrittspartei energisch den thatsächlichen und liberalen Ausbau der theilweis noch als Papier erscheinenden Verfassung zu urgiren, schreiende Mißstände der Verwaltung zu heben, die noch gepflegten Reste des Feudalstaates zu attaquiren, die Initiative der Reform zu ergreifen, wenn die Regierung diesem lebhaftesten Wunsch des Landes nicht entgegenkommt. Sie will nicht grundsätzlich, aus bloßer Lust am Opponiren, eine Linke, d. h. eine Opposition gegen die Regierung sein; aber sie will auch, aus Rücksicht auf eine ersichtlich zwiespältige und deshalb schwache Regierung, das Mandat nicht unerfüllt lassen, welches ihr das Volk gegeben. Deutschland soll durch die Einführung und Ausführung wahrhaft, nicht mehr scheinbar constitutionellen Lebens in Preußen im Vertrauen zu demselben gehoben werden, und meinen es die Minister, die als liberal gelten, ehrlich mit der Sache, nicht mit ihren Posten, so werden sie durch die Vertheidigung des entschiedenen Liberalismus Seitens der Fortschrittspartei nicht fallen, vielmehr in ihren Stellungen und in ihren Absichten gesunde Kräftigung erhalten. Nicht von dem guten Willen der Minister, sondern von festen Gesetzen soll das Wohl des Landes abhängen, und das ist es, was das preußische Volk diesen Abgeordneten auf die Seele gebunden hat. Die volksthümlichsten, erprobtesten und am meisten mit Vertrauen beehrten Männer wurden deshalb vom Volke erwählt, ja, es griff nach Männern der Nationalversammlung von 1848 in dankbarer Erinnerung zurück, um damit anzudeuten, wo wieder anzuknüpfen sei! Nicht Tendenzen sollen geritten werden, nicht Schablonen von Grundsätzen aufgestellt, Thaten nicht in schönen Worten geleistet werden – besonnen wie Männer, erfahren wie Politiker, bestimmt wie Charaktere [139] sollen die Abgeordneten dieser Partei handeln. An ihnen wird es liegen, dies ehrenvolle Mandat zu erfüllen.

Die äußerste Linke ist von den polnischen Abgeordneten besetzt, ihrer zwanzig. Sie sind vorzugsweise die Vertreter eines sich unterdrückt wähnenden, ihres Vaterlandes beraubten Volks, welche mehr oder minder auf die Wiederauferstehung Polens hoffen, mehr oder minder als lebendige Proteste einer früheren unseligen Politik auftreten. Sie grollen nicht einem politischen System, sondern vor Allem der deutschen Nationalität, dem preußischen Staate; sie sind Feinde der Plätze, die sie im Hause einnehmen, und die Beredsamkeit, die viele unter ihnen haben, entflammt sich nur durch den Haß, den sie austönen. Polen sind es, welche ein besonderes Recht beanspruchen, nicht Preußen sein zu müssen, als durch die Gewalt der Umstände. Einzelne tragen sogar den Nationalrock. Sie sind in Wahrheit eine principielle Opposition, nicht gegen eine Partei, sondern gegen das ganze Haus. Wenn sie stimmen, so wägen sie ihr Votum nach ihren Nationalinteressen ab; wie bei den Katholiken sind auch bei ihnen politische Parteigrundsätze nicht in Betracht zu ziehen – sie sind wie Fremde, welche bei den Berathungen über das Vaterland nicht dessen Wohl, sondern das ihrige im Auge haben. Da auch sie meist Katholiken sind, so stimmen sie oft mit dem Centrum; da sie aber auch ihre Adelsherrlichkeit, die Souverainetät der feudalen Zeit über Bauern und Gerichtsbarkeit nicht vergessen können, so halten sie es oft mit den preußischen kleinen Herren.

Wir glauben hiermit die Vertretung der verschiedenen Parteien im Abgeordnetenhause und ihr charakteristisches Wesen genügend bezeichnet zu haben. In den weiteren Fortsetzungen dieses Aufsatzes und bei der Portraitirung der hervorragendsten Persönlichkeiten werden wir die einzelnen Schattirungen schärfer präcisiren können.

Vor allen Dingen ist aber eine nähere Kenntniß der Minister von Nöthen, um welche sich ein großer Theil der diesmaligen Parteipolitik dreht. Wir haben bisher nur erwähnt, wo die Ministerbank im Abgeordnetenhause sich befindet; denken wir uns nun von den Ministern diejenigen auf ihren Plätzen, welchen die Temperatur hier noch angenehm ist, oder welche vornehmlich ein Interesse daran haben, diese Temperatur kennen zu lernen.

Derjenige Minister, welcher am häufigsten den Sitzungen des Abgeordnetenhauses beiwohnt und sich hier am wohlsten zu fühlen scheint, ist der des Innern, Graf Schwerin-Putzar. Er repräsentirt in seiner äußeren Erscheinung den rechten Pommer – eine gedrungene, behäbige Gestalt mit dem gutmüthig biederen Gesicht eines Amtmanns. Natürlichkeit und Ungenirtheit kennzeichnen sich in der Haltung, in den Bewegungen, in der Physiognomie dieses Sprößlings des berühmten preußischen Heldengeschlechts. Wer den Grafen zum ersten Mal steht, möchte glauben, es sei ein Rittergutsbesitzer, der die ministeriellen Geschäfte mit der Seelenruhe eines Bureaukraten besorgt und der das Abgeordnetenhaus wie seinen Familiensalon betrachtet, in dem die Angehörigen ihr vergnügtes Spiel treiben. Vater Schwerin hat seine Freude daran; er sieht dem Treiben mit Behaglichkeit zu, oder er besorgt ein paar Arbeiten für sich, oder er säugt auch aus Langeweile mit einem Collegen wie mit einem Vetter an zu plaudern, oder er läßt sich von einem Abgeordneten eine Geschichte erzählen, oder er geht in die anstoßende Restauration, um seine Cigarre zu rauchen. Bei den Debatten giebt er, wenn er sich auch mit andern Dingen beschäftigt, streng Obacht; man erkennt dies daraus, daß er nach dem harmlosesten Ausfall auf die Autorität der Regierung sich in seiner patriarchalischen Gemüthlichkeit erhebt, um die Attaque abzuschlagen oder auch mit gut angebrachtem, etwas kaustischem Sarkasmus den Frevler zurecht zu setzen. Namentlich wenn Einer von der Seite kommt, wohin die Excellenz öfter unter der Brille hinweg wie prüfend blinzelt, überkommt dieselbe eine Kampflust, die in ein paar gewandten Hieben sich Lust macht. Edelmännische Geradheit ist diesem Minister ohne Zweifel ebenso eigen wie der beste Wille, liberal und ein strenger Hüter des Gesetzes zu sein. Dies Bewußtsein genügt ihm, und es soll seiner Ansicht nach auch den andern Menschen genügen. Schon 1848 war Graf Schwerin ein Mann vom allerbesten Willen; aber er wird seitdem wohl schon manchmal gedacht haben, daß es mit dem besten Willen nicht immer gethan und daß es viel leichter ist, namentlich unter Umständen wie die jetzigen, ein Minister zu sein, der liberal ist, denn ein liberaler Minister. Bis vor drei Jahren führte der Graf die freisinnige Opposition, jetzt möchte er am liebsten, es opponirte ihm Niemand noch liberaler, „sonst hört der Spaß auf“ und der Herr Minister tritt ab, um zu sehen, ob Andere ihre schönen Reden besser und schneller als er in ebenso schöne Thaten verwandeln können.

Auch der Freiherr von Patow, der Finanzminister, gehört zu den ziemlich regelmäßigen Besuchern der Sitzungen des Abgeordnetenhauses. Jedenfalls ist ihm die Temperatur hier angenehmer als im Herrenhause, und wenn auch einige scharfe Examina und Angriffe ihm weder erspart wurden noch in Zukunft werden, so weiß der Herr Minister aus seinen Erfahrungen als Abgeordneter, daß nicht Alles so schlimm ist, wie die Worte vermuthen lassen. Ein Finanzminister ist nie auf lange Zeit populär. Herr von Patow muß dies wissen oder ahnen; in seinem echten Diplomatengesicht mit der Fuchsnase und dem ewigen parlamentarischen Lächeln liegt etwas wie Verschmitztheit. Seit dem Jahre 1848, als Herr von Patow zum ersten Mal Minister wurde, ist er stärker geworden, natürlich auch älter; das Haar ist dünn und grau. Auch scheint es, als wenn in letzter Zeit die Bewegungen, die Haltung nicht so sicher sind. wie sonst; die Eleganz, die freundliche Vornehmheit maskirt eine Verlegenheit und eine gewisse Angst vor einbrechenden Donnerwettern. Durch das Duell mit Herrn v. Rochow vor acht oder neun Jahren erhielt Herr v. Patow eine liberale Glorie, die nun schon so abgeblaßt ist, wie, man das Duell vergessen hat. Als Abgeordneter schoß er mit die spitzigsten Pfeile auf die Manteuffelei und war namentlich eifersüchtig auf Beobachtung der Verfassung. Wie es im Allgemeinen eine psychologische Merkwürdigkeit ist, daß liberale Minister oft die illiberalsten Forderungen stellen, so hat Herr v. Patow auch den seltenen Ruhm eines preußischen Finanzministers, ein Deficit geschaffen zu haben und mit ihm ganz gut auskommen zu können. Als gewandter Rechenkünstler baut er die Summen des Budgets zusammen und vernimmt lächelnd die Anklagen und Kritiken der Opposition – hat er sonst doch auch die Finanzen kritisirt.

Noch ist der Handelsminister v. d. Heydt nicht zu vergessen. Zwar neigen sich seine Sympathien vornehmlich dem edelgesinnteren Herrenhause zu; aber ein gescheidter Mann tritt seinen Feinden sorglos entgegen und imponirt durch Gleichgültigkeit gegen niedrige Angriffe. Darum findet sich dieser Minister oft auf der Ministerbank des Abgeordnetenhauses ein. Aalglatt muß man als den Eindruck bezeichnen, den seine Erscheinung macht; das Gesicht ist das eines treuen Dieners, und der etwas gekrümmte Rücken zeugt von einer oft geübten Beschäftigung. Herr v. d. Heydt hat viele Verdienste um den Staat. Er führte statt der Gewerbefreiheit die berühmte Gewerbeordnung ein, erließ das Eisenbahngesetz und mäßigte nur in Folge der großen Vollkommenheit seiner Verwaltung den Eifer früherer Jahre. Mit seinem Namen getaufte Straßen, Brücken und Schiffe beweisen die Anerkennung, die seinen Leistungen schon bei Lebzeiten wurde. Mit bewundernswerther Kunst hat dieser Beamte sich in allen Stadien unseres Verfassungslebens oben zu halten gewußt und aus patriotischer Hingebung zur Sache es verachtet, daß man den langjährigen und treuen „Diener der Krone“ wegen seiner standhaften Ausdauer geschmäht. Es giebt eine Partei, die ihm den Tod geschworen; sie hat im Abgeordnetenhaufe bereits ihre Artillerie auf Herrn v. d. Heydt postirt. Herr v. d. Heydt weiß es. Er tritt gewandt, leichtfüßig in den Saal, schwingt sich in seinen Stuhl, mustert seine Feinde bescheidenen Blicks und entschwebt dann bald wieder, wenn er sich überzeugt, daß die Kanoniere die Lunten noch nicht angebrannt haben.

Im nächsten Artikel werden wir speciell die interessantesten Mitglieder der deutschen Fortschrittspartei zu charakterisiren versuchen, dann die der sogenannten gouvernementalen Partei, der mittleren Fractionen und der Polen.

S.W.



[140]
Bill Hammer.
Episode aus dem Bürgerkriege in Missouri.
Von Otto Ruppius.
(Schluß)

„Wer ist dort unten? Antwort, oder ich schieße!“ klang es von Neuem, aber Bill arbeitete sich um so hastiger weiter. Hatte er nur das jenseitige Ufer erreicht, so löste er das Seil, und dann sollte es einem Menschen wohl schwer werden, ihm zu folgen. Er hatte jetzt die Laterne wieder an den Arm gehangen, den rückwärts fallenden Schein möglichst durch seinen Körper verdeckend, und schon sah er die Zweige des Baums am jenseitigen Ufer deutlich vor sich, da rauschte es hinter ihm wie ein Erdfall, und ein lauter Fluch folgte dem Geräusche – Bill wußte, daß Anderson in diesem Augenblicke das steile Ufer auf jede Gefahr hin hinabgerutscht war, und von einer panischen Furcht gepackt, ergriff er einen sich ihm entgegen streckenden Ast des gefallenen Stammes, sich kräftig durch das übrige Zweigwerk hindurch arbeitend. Da fühlte er auch schon, wie sich das Seil mächtig anzog; in fliegender[WS 2] Hast, als spüre er die Hand des ihm Folgenden bereits in seinem Nacken, suchte er nach dem Halte der Schlinge – da saß sie an einem kurzen Aststücke, und mit einem Ruck, in welchem die Todesangst seine ganzen Kräfte vereinigt, hatte er sie losgerissen.

Hinter sich hörte er einen lauten Schlag in’s Wasser, aber er dachte nicht daran, sich umzublicken; mit einem mächtigen Satze sprang er an das Ufer und begann hastig die steil aufstrebende Wand der Schlucht zu erklimmen. Wie er hier hinauf gekommen war, wußte er in späteren Stunden selbst nicht, alle seine Gedanken waren nur auf seinen Verfolger gerichtet, und selbst als er halb athemlos die Eisenbahn betrat, als ihn hier Sturm und Regen in voller Macht empfingen, trieb ihn die Angst noch ein Stück in vollem Laufe vorwärts. Die Laterne mit dem Rockflügel verdeckend, blieb er endlich bei einer augenblicklichen Pause des Sturmes stehen und lauschte – nichts von einer Verfolgung ward hörbar, und jetzt brach sich in vollem innerlichem Jauchzen das Gefühl des errungenen Sieges in ihm Bahn. Noch war ja der Zug nicht da, und er konnte warnen und retten, konnte mit einem Schlage Alles vergelten, was Fred Minner jemals für ihn und seine Mutter gethan; für die Secessionisten aber mußte jetzt die Vergeltung kommen.

Eilig bog er sich nieder und legte das Ohr auf die nassen Schienen; nach kaum drei Secunden indessen sprang er rasch wieder auf seine Füße und sah nach dem Lichte in seiner Laterne; er hatte deutlich das Rollen der nahenden Wagen vernommen, und nun spähete er, die Augen mit der Hand gegen den Regen schützend, die schnurgerade Bahnlinie entlang, in die Nacht hinaus. Dort hinten, aber noch weit, weit entfernt, glänzte etwas wie ein feuriges Pünktchen; es schien unbeweglich an einem Orte zu stehen, aber Bill’s Herz begann bei dem Anblicke lebendiger zu schlagen – er wußte, das war der Zug, und so weit die Entfernung von ihm auch schien, so waren es doch nur Minuten, die ihn von dem Knaben trennten. Und das Pünktchen ward heller und strahlender, jetzt ließ sich auch schon eine Bewegung desselben unterscheiden, wie ein leuchtendes Meteor schwebte es heran, mehr und mehr an Größe und Glanz gewinnend. Und mit diesem Lichte naheten Hunderte von Menschenleben in der Schnelle des Windes, und Keines der Herangeführten ahnte, daß der Tod auf dem Wege stand und schon die Hand ausstreckte, um die reiche Ernte einzuheimsen; daß sich ein weites, dunkeles Grab aufgethan hatte, um sie Alle zu bergen, die in trügerischer Sicherheit sich dem eisernen Rosse anvertraut. Noch hatte der Bürgerkrieg seine Gräuel nicht bis zu meuchelmörderischen „Wholesale“-Schlächtereien getrieben, und den Unionsleuten fehlte noch der Begriff, bis zu welcher Höhe des Fanatismus und der Rohheit es ihre eigenen Landsleute zu bringen vermochten. Und zwischen dem heransausenden Zuge und dem Verderben stand nur ein schwacher Knabe, zu nichts Weiterem fähig, als ein Warnungssignal zu geben, das der Regensturm zum großen Theile verwischen mußte; kehrte der Zugführer nur eine halbe Minute das Auge nach einer andern Richtung, wurde das schwache Licht, das in Bill’s Laterne fast niedergebrannt war, nur einige Secunden zu spät bemerkt, so war keines Menschen Macht im Stande, den drohenden Sturz aufzuhalten. Näher und immer näher raste der Zug, das kleine feurige Pünktchen war zur strahlenden Sonne geworden, ein glühender, langgezogener Rauchstreifen machte sich in der dunkeln Nacht bemerkbar – da hob Bill seine Laterne und begann sie in weitem Kreise um seinen Kopf zu schwenken. Aber sein Signal blieb unbeachtet. Näher und näher donnerte der Zug, jeder Druck der mächtigen Hebel stieß die rollenden Wagen weiter ihrem Sturze zu, und ein unbeschreibliches Angstgefühl erfaßte den kleinen Warner. Immer die Laterne im Kreise schwingend, rannte er dem Zuge entgegen, er schrie, was er vermochte, ohne es fast zu wissen, aber schon war das blendende Licht in seiner unmittelbaren Nähe, er mußte von der Bahn springen, um nicht überfahren zu werden und hätte sich in der Verzweiflung seines Herzens zur Erde stürzen mögen – da schrillte die Dampfpfeife und gab das Alarmzeichen. Bill sah den kaum enden wollenden Zug an sich vorübersausen, aber hörte das hastige Knarren der Hemmmaschine, hörte das Schnauben der Locomotive ersterben, und mit einem Herzen, in dem sich peinliche Angst und neuerwachte Hoffnung stritten, stürzte er in windschnellem Laufe den Wagen nach. O Glück! dort hielten sie still; aber ehe der Knabe heran war, war dort auch schon das entsetzliche Schicksal, welches dem Zuge bereitet worden, entdeckt – wenige Schritte von der Schlucht nur hielt die Locomotive, und ihr Vorderlicht beleuchtete grell den gähnenden Abgrund. Bill sah eine kleine Anzahl halb athemloser Männer sich entgegen kommen, sah sich mit Zeichen der Anerkennung überschüttet und an beiden Armen, halb getragen, den Wagen zugeführt; er sollte erzählen, was hier geschehen und wie er zur Kenntniß der gräßlichen Gefahr gelangt sei; aber Bill gab nur kurzen Bescheid, seine Gedanken flogen dem erwarteten Freunde zu; das einzige Wort „die Secessionisten“ indessen schien seinen Begleitern völlige Aufklärung zu geben.

Und als er nun naß und barhäuptig, aber die Laterne noch immer in der Hand, wie im Triumphe unter die aus den Wagen strömenden Reisenden, die sich fast nickt von dem Schrecken über den kaum vermiedenen sichern Tod zu erholen vermochten, geführt wurde, als jeder von diesen zuerst die Hand des heldenmüthigen Knaben drücken und ihm ein preisendes Wort sagen wollte: da brach sich ein Gesicht durch die Menge Bahn, dem Bill, jauchzend beide Hände empor hebend, zustrebte.

„Du, Bill, Du bist der Erretter gewesen?“ rief Fred Minner, welcher den Knaben stürmisch an seine Brust zog – aber dieser ließ ihm keine Zeit zu weiteren Ausrufungen. „Gott sei Dank, daß Du hier bist,“ erwiderte er hastig, „jetzt, Fred, nur ein einziges Wort: weißt Du, wo meine Mutter geblieben ist?“

Da faßte der junge Mann seinen kleinen Freund beim Arme und zog ihn nach einem der Wagen, in dessen Innerem eine bleiche Frau fast noch allein saß. „Da, Mutter Hammer,“ rief der Erstere eintretend, „da ist der Bursche, gegen den Niemand wieder ein Wort sagen darf – er hat heute über zweihundert Menschen das Leben gerettet!“ und mit einem Aufschrei der Freude flog Bill an den Hals der Vermißten – die er jetzt selbst dem Tode abgerungen hatte.

Die nöthigen Aufklärungen waren jetzt bald gegeben. Schon als Bill seinen Weg nach Jefferson-City angetreten, hatte Minner die Frau zu größerer Sicherheit nach seinem Hause genommen; als er indessen nach dem abgeschlagenen Angriffe der Secessionisten sich selbst nach Hülfe auf den Weg gemacht, hatte er sie nach einer der Eisenbahn nahe gelegenen deutschen Farm gebracht, wo sie bis zu wieder eingetretener Ruhe sich aufhalten sollte. Aber die Angst um Bill’s Schicksal hatte die Mutter nicht bleiben lassen, und schon gegen Abend war sie nach der nächsten Station gewandert, um Fred mit dem rückkehrenden Zuge abzuwarten.

In den kürzesten Umrissen nur theilte Bill seine eigenen Erlebnisse mit; als er aber den muthmaßlichen Zerstörer der Brücke nannte, als er erwähnte, daß auf dessen Farm die Secessionisten-Bande ihr Quartier genommen, da fuhr Fred auf: „Halloh, wir nehmen das ganze Nest aus, wenn wir es einigermaßen klug anfangen, es sind zwei Compagnien deutscher Freiwilliger hier. Komm mit mir, mein Junge!“

Außerhalb standen, nur nothdürftig von den Wagenlampen beleuchtet, die damals noch nicht uniformirten Streiter für die

[141] Union in dichtgedrängter Masse um ihre Officiere, welche mit den Beamten des Zugs berathschlagten, auf welche Art am besten die Schlucht zu überschreiten sei; kaum aber waren die ersten Worte zu Bill’s Ohren gedrungen, als er lebhaft rief: „Ich führe Sie einen sichern Weg; es mag ein Umweg von einer Stunde sein, aber wir kommen dann auch von einer Richtung, woher es Niemand vermuthet!“ Und nun theilte Fred Minner den Hergang der Dinge mit, der bald zu dem allgemeinen Entschlusse führte, vor dem Marsche nach Pleasant-Grove Anderson’s Farm heimzusuchen.

Eine Stunde darauf kroch Bill aus einem Maisfelde, wenige Schritte von Anderson’s Hause, hervor, sandte einen scharfen Blick durch die Dunkelheit rings umher und näherte sich dann vorsichtig den beleuchteten Fenstern des Gebäudes, hinter denen wirrer Lärm zu seinen Ohren drang. Er war als Späher der angekommenen Truppenmacht vorausgegangen, denn es ließ sich fast vermuthen, daß, wenn der alte Anderson unversehrt nach Hause gekommen war, irgend welche Maßregeln Seitens der Secessionisten, sich gegen die geretteten Freiwilligen sicher zu stellen, getroffen worden sein mußten. Das Bild aber, welches sich dem Knaben bei einem Blick durch die Fenster bot, sprach nur von der völligsten Sicherheit der Feinde. Zwei geräumige Zimmer waren mit Matratzen und Strohbündeln gefüllt, auf welchen sich die wilden Gestalten, welche Bill nur zu gut kannte, soeben ihr Nachtlager bereiteten; ihre Gewehre lehnten im wirren Durcheinander in den Ecken, und die auf einzelnen Tischen befindlichen Flaschen unter theilweise umgestürzten Gläsern ließen errathen, auf welche Weise der Abend verbracht worden war. In einem dritten Zimmer saß der Colonel mit seinen Gefährten beim Kartenspiel, während ein Schwarzer zu ihrer Bedienung bereit stand – Alles athmete die völligste Unwissenheit über den Stand der Dinge, und Bill hatte sich soeben wieder leise zurückgezogen, als eine schwere Hand in schmerzhaftem Griffe seine Schulter faßte. „Ist das nicht der kleine Spottvogel, der uns entwischt? Sieh, sieh! und das Kindchen gedenkt jetzt zu spioniren!“ klang es in seine Ohren, „werden aber diesmal weniger Umstände gemacht werden!“

Der Knabe hatte beim ersten Tone den Menschen erkannt, welcher ihn auf seinem beabsichtigten Gange nach Jefferson-City zuerst angehalten, und ein tödtlicher Schrecken durchfuhr ihn. Er wußte seine Landsleute in der Nähe, aber sie erwarteten seine Rückkunft, und ehe sie durch sein Ausbleiben herangezogen wurden, konnte er längst dem Fanatismus der rohen Bande zum Opfer gefallen sein. „Lassen Sie mich los, Sir!“ rief er mit unterdrückter Stimme, sich unter dem Griffe seines Gegners windend, „ich gehöre hier in’s Haus, und wenn Sie mir nicht glauben wollen, so rufen Sie Miß Alice!“

„Gehörst hierher, und wolltest doch geheime Botschaft nach Jefferson-City bringen?“ höhnte der Andere. „Warte, kleine Kröte,“ rief er, den Burschen mit einem Drucke seiner rauhen Hand nach dem Hause drehend, „werden sorgen, daß Dir derartige Geschäfte für immer vertrieben werden!“

Da sauste es durch die Luft, und ein Schlag schmetterte auf das Haupt des Secessionisten nieder, daß dieser lautlos, wie ein gefällter Stamm, zu Boden schlug. „Fred!“ rief der überraschte Knabe, als sein Blick in dem aus den Fenstern fallenden Lichte auf die Gestalt des Freundes fiel, der, das Gewehr in der Hand, sich eben zu einem zweiten Schlage, sobald dieser nothwendig werden sollte, fertig machte; aber dieser winkte ihm hastig Stillschweigen, und erst als er sich überzeugt zu haben schien, daß der Daliegende kein Glied mehr rührte, faßte er hastig Bill’s Hand und führte ihn eine Strecke in das Dunkel hinein. „Ich dachte mir doch, daß die Menschen nicht ohne aufgestellte Wache rasten würden, und daß Dir etwas passiren könnte,“ sagte er hier; „wie steht es?“

„Sie haben von nichts eine Ahnung, und auch der alte Anderson ist nirgends zu entdecken!“

„Bist Du Deiner Sache gewiß?“

„Sieh selbst durch die Fenster, sie sind Alle bei einander und machen sich zum Schlafen fertig, der Cornel aber spielt im Hinterzimmer mit drei Anderen „Jeucre“!“

Fred ließ einen leisen Pfiff ertönen, und ringsum in der schweigenden Finsterniß fing es an lebendig zu werden; vorsichtig auftretend begannen die herankommenden Freiwilligen das Haus zu umzingeln; eine kleine Abtheilung derselben aber nahte sich den erleuchteten Fenstern, während Fred mit dem Commandirenden sich dem Portico der Eingangsthür zuwendete, und eben als die Letzteren das Haus betraten, brachen von den hineingestoßenen Gewehrläufen klirrend die Fenster in Stücke.

Die Gefangennahme dieser Secessionistenbande war der erste Schlag der Missourier Unionstruppen außerhalb St. Louis, der den Beginn eines mörderischen, heute noch nicht beendigten Krieges im Staate einleitete; doch fanden es die Südmänner für gut, sich nicht mehr in diese Nähe der deutschen freiwilligen Hauptmacht zu wagen.

Anderson war weder bei dem gelungenen Ueberfalle seines Hauses noch während der Nacht sichtbar geworden, und als Alice durch den Knaben von dessen Begegnung mit ihrem Vater und den sie begleitenden Umständen erfahren, ließ sie am Morgen ahnungsvoll Nachsuchungen nach dem Vermißten anstellen – der Mann ward weit unterhalb der zerstörten Brücke, wohin ihn der Strom gerissen haben mußte, mit zerschmettertem Kopfe an einem Strauche hängend gefunden. – Fred Minner beaufsichtigt heute die ihres Herrn beraubte Farm; Alice indessen hat sich zu Verwandten nach St. Louis begeben, und es scheint, als werde es noch geraume Zeit währen, ehe der Eindruck, welchen der gewaltsame Tod ihres Vaters auf sie gemacht, ein Tod, den sie durch die Verkettung der Umstände selbst mit herbeigeführt zu haben meint, sich so weit verwischt, daß sie mit klarem Auge die Ereignisse betrachten und Fred’s Hoffnungen auf eine Vereinigung mit ihr verwirklichen wird; ihre Stelle auf der Farm nimmt vorläufig Bill’s Mutter, die hier eine dauernde Heimath gefunden, ein; Bill selbst aber ist Tambour in demselben Freiwilligen-Regimente, von welchem er einen Theil dem Untergang entriß. Der Oberst hat ihn unter seine besondere Obhut genommen, und wohl mag er einst noch als junger Mann mit Ehren und wohlerworbenem Range geschmückt heimkehren.

Bill Hammer aber ist nur der Typus eines großen Theils der in Amerika geborenen deutschen Jugend, in welcher dem nordamerikanischen Volke immer neues Blut und neue Lebenskräfte zugeführt wird.



Blätter und Blüthen.


Stoff für einen modernen Künstler-Roman. Als vor Kurzem die „kleine Patti“ als Stern ersten Ranges am Berliner Opernhimmel auftauchte und Triumphe über Triumphe feierte, da stand die musikalische Welt nicht weniger verblüfft, als die Astronomen beim Erscheinen des letzten Kometen, der so ganz ohne alle Legitimation der gesammten Himmelspolizei Hohn sprach. Sie kam aus Amerika! Was kann aus Nazareth Gutes kommen? Früher, und das sind noch kaum vier bis fünf Jahre her, war jede ausgesungene europäische Gesangs-Größe gut genug, um für den amerikanischen Markt verwandt zu werden – und jetzt kann ein Kind, das nur in diesem Amerika gebildet worden, der Berliner Intendanz eine Forderung von 40,000 Francs vierteljährlicher Gage stellen?

Ja, und doch ist die Patti noch nicht die größte derjenigen Sängerinnen, welche nicht in Europa ihren Ruhm erwarben, sondern ihn ebenso wie ihre wunderbare Künstlerschaft fix und fertig aus Amerika mit herüber bringen. Die nächste, welche wir wohl erwarten dürfen, ist die Fabbri, die, obgleich sie verschiedene Jahre mehr als die kleine Patti zählt, doch diese vor dem Glanze ihres echten „Gottesgnadenthums“ zu einem Gestirne zweiten Ranges erbleichen ließ.

Eines Tags, es mag jetzt etwas über ein Jahr her sein, durchlief New-York die Sage von etwas Wunderbarem, noch nicht Dagewesenem im Reiche der amerikanischen Gesangeswelt; und nicht von Europa war die neue Erscheinung gekommen, nicht unter dem Schutze eines Impresario und dem Vorspann der Reclame – in Central-Amerika, völlig gegen alle Lehren der musikalischen Naturgeschichte, war sie zuerst aufgetaucht, hatte sich dann in New-York

[142] vor der Crême der kunstrichterlichen Welt in einer Privat-Soirée hören lassen, und von hier aus war durch Stimmen, welche jeden Zweifel schon durch sich selbst vernichteten, der Ruf ihrer eigenthümlichen, unübertroffenen Künstlerschaft in’s Publicum gedrungen. Fabbri, Inez Fabbri hieß sie; wer hatte schon von ihr gehört? wer von alle den speculativen Opern- und Concert- Unternehmern, deren Spürauge kein einziges auf- oder niedersteigendes Gestirn am weiten Gesanges-Horizonte entging, kannte sie? Lächerlich! sie hätte eben so wohl von den Sandwichs-Inseln als aus der musikalischen Wüste von Central-Amerika kommen können! Und Inez Fabbri gab ihr erstes Concert, ihr zur Seite stand ein deutscher Pianist ersten Ranges, ein lang bekannter Name, Richard Mulder, welcher mit ihr angekommen war, und alle die hochgespannten Erwartungen waren doch nur wenig gegen das, was die Wirklichkeit bot; jeder Vergleich zwischen ihr und frühern Größen, welche das New-Yorker Publicum schon in Begeisterungsfieber versetzt, war ein vergebliches Beginnen; nicht ihre Kehle allein sang, jede ihrer Mienen, ihre Stellung, jede ihrer leisen Bewegungen schienen sich singend an diese wunderbaren Töne anzuschließen und sich zu einem Ausdruck zu vereinen, der siegreich Alles in seinem Bereiche zum wilden Enthusiasmus fortriß und jede kalte Analyse ihrer Leistungen zu einem mißrathenen Versuche machte. Sie war eine Eigenthümlichkeit, die aller bis jetzt geltender Schablonen spottete. Die musikalische Welt lag zu ihren Füßen, und die Kritik stimmte einen einstimmigen Preis-Hymnus an.

Der unverdorbene deutsche Geschmack, dem meist Ausdruck und Seele im Gesange mehr gelten als halsbrechende Coloraturen, vermag selten sich recht gründlich für eine trillernde italienische Nachtigall zu begeistern; demohngeachtet zählte die Fabbri zu ihren eifrigsten Verehrern gerade die Deutschen, denn trotz ihrer fehlerlosen italienischen Schule lag eine so echt deutsche Innigkeit und Tiefe in ihrem Vortrage, daß jede italienische Cavatine, jede Bravour-Pièce ein gänzlich verschiedenes Colorit gegen früher Gehörtes erhielt’; und als Schreiber dieses sich gerade über diesen Punkt einmal gegen Mulder, den Begleiter der Fabbri, ausließ, ward ihm eine Geschichte erzählt, die nicht allein über alles Räthselhafte in der Erscheinung der Sängerin Aufschluß gab, sondern auch eine schlagende Illustration zu dem modernen Künstlerleben und zugleich einen Stoff für einen Künstler-Roman liefert, dem nur eine Elise Polko fehlt, um ihm den dankbarsten Leserkreis zu schaffen.

Das ansprechende Bild, das den Verfasser gerade als Deutschen so besonders interessirte, mag hier in kurzen Umrissen folgen.

Richard Mulder, dessen Name wohl jedem Pianisten vertraut ist, lebte anerkannt und glücklich in Paris, als plötzlich einbrechende trübe Familienverhältnisse und der zugleich erfolgende Tod seiner Frau ihn geistig so niederwarfen, daß er in Tiefsinn verfiel. Die Aerzte schickten ihn auf Reisen, und der Kranke ging mit Empfehlungsbriefen versehen nach Lima, wo die Natur, das veränderte Leben und die Gesellschaft mit ihren neuen Eindrücken ihn schnell wieder genesen ließen. Einmal in Süd-Amerika wandte sich der Künstler nach dem reichen Valparaiso in Chile, wo mit Unterstützung der Regierung ein glänzendes Opernhaus errichtet worden war, dem eben nichts fehlte, als Sänger und Musiker. Mulder’s hohe musikalische Befähigung, unterstützt durch die gewichtigsten europäischen Empfehlungen, konnte sich nicht lange der Beachtung entziehen, und als Seitens der Regierung das Engagement einer vollständigen italienischen Operntruppe nebst den nöthigen Musikern beschlossen, sowie ein bedeutendes Capital für diesen Zweck bewilligt ward, nahm Mulder den ihm gemachten Vorschlag an, in Person sämmtliche Engagements in Europa zu besorgen und die spätere Direction der Oper zu übernehmen. Hauptbedingung war eine Primadonna mit jugendlicher Gesangskraft und gleichzeitig tüchtiger Fähigkeit als Darstellerin, angenehmer Erscheinung und frischem Feuer; jede dieser Eigenschaften wurde bei den trägen, zum größten Theile musikalisch ungebildeten Südländern zur unabweisbaren Nothwendigkeit für einen Erfolg.

Mulder reist ab, durchreist Frankreich und Italien, hört überall selbst und hat bald seine Truppe in ganz vorzüglicher Zusammenstellung bei einander – nur die Hauptsache, die Primadonna, fehlt. Was er auch gehört und gesehen, reicht für Chile nicht aus. Die Eine singt vorzüglich, ist aber nicht Schauspielerin, und wo dies Letztere der Fall, fehlt die frische Stimme; der Dritten mangelt jedes Aeußere, und die Vierte läßt trotz aller Kunst völlig kalt. In dieser Verlegenheit, die noch durch das Herannahen des contractlich zur Abfahrt des Schiffes bestimmten Termins erhöht wird, trifft er Roger, den berühmten Tenoristen, welcher soeben von seinen Triumphen aus Deutschland zurückgekehrt ist. „O, ich kann Ihnen vielleicht helfen,“ sagt dieser, als er Mulder’s Noth hört, „ich habe in Hamburg mit einer Fräulein Schmidt in den Hugenotten gesungen, die in mächtiger Stimme, Feuer und Darstellung das Beste ist, was mir nur in jüngster Zeit vorgekommen – aber rein deutsche Schule, Alles Seele und Geschmack, wenig Coloratur!“

„Da ließe sich nachhelfen!“ ruft Mulder in voller Erregung, und nach wenigen weiter ausgetauschten Worten nimmt er auch schon Eisenbahn-Passage nach Berlin. Dort wendet er sich an den ihm bekannten Theater-Agenten Heinrich.

„Kennen Sie eine Sängerin Schmidt in Hamburg?“

„So genau, als nur immer nöthig. Eine ausgezeichnete Gesangskraft und ein ganz vorzügliches Mädchen, der ich ein besseres Schicksal wünschte!“

„Wie so?“

„Sie ernährt mit dem, was sie verdient, ihre Familie, worunter sich ein taubstummer Bruder befindet, und so kann sie sich, trotz ihres heißen Strebens nach höherer Ausbildung, doch das Geld für den Unterricht nicht erschwingen!“

Am Abend ist Mulder in Hamburg. Don Juan wird gegeben – Fräulein Schmidt als Anna – und am Ende der Vorstellung weiß Mulder, daß er Alles gefunden hat, was er nur jemals hätte wünschen können und daß er nicht wieder ohne Fräulein Schmidt aus Hamburg geht. Er läßt sich ihr, kaum daß sie ihre Garderobe verläßt, vorstellen, er begleitet sie nach Hause, stellt ihr seine Propositionen und erklärt ihr, ihre Einwilligung a tout hasard erlangen zu müssen.

Aber das Mädchen schreckt vor dem Wagniß, nach Chile zu gehen, zurück, sie würde völlig allein unter fremden Italienern stehen; sie ist außerdem noch vier Monate unter Contract.

Mulder verspricht diesen zu lösen, drängt und überredet – lange vergebens, bis er ihr endlich die bestimmte Aussicht zeigt, durch ihn selbst Alles zu lernen, was ihrer gesanglichen Ausbildung noch abgehen möge, und kräftiger als bisher für ihre Eltern und Geschwister sorgen zu können. Noch schwankt sie, als er sie zu schon später Stunde verläßt; als er aber am nächsten Morgen zusammen mit dem Director bei ihr eintritt, der ihren Contract für ein Abstandsgeld von 7000 Frcs. aufgehoben, als jener ihr verspricht, der sorgsamste Bruder für sie sein zu wollen und sie erst zu seiner Schwester in Paris zu führen, damit sie Gelegenheit finde, ihn in seiner Familie kennen zu lernen – da siegt die Liebe zu ihrer Kunst, wie die Sorge für ihre Angehörigen, und sie schließt den Contract mit Mulder ab.

Zu rechter Zeit kann sich die in Paris zusammengetretene Truppe einschiffen, und als die Unannehmlichkeiten der ersten Tage auf der See vorüber sind, beginnt auch schon das allgemeine Einstudiren der sich noch fremden Kräfte unter Mulder’s Leitung. Wie ein Donnerschlag aber wirkt auf die Italiener das mächtige Organ und der großartige Vortrag der Deutschen, Neid und Eifersucht weckend. Trotz ihrer Liebenswürdigkeit sieht sich die Letztere bald nur auf die Gesellschaft ihres deutschen Kammermädchens angewiesen, sieht aber keine Gelegenheit von den Uebrigen vorübergelassen, um ihr auf alle Arten weh thun zu können, sieht ihr Verhältniß zu Mulder, der sich nothwendigerweise ihrer hat annehmen müssen, verdächtigt – dieser aber erhält gerade in diesen kleinen Kämpfen, deren Gehässigkeit nur die Breterwelt ganz kennt, einen Blick in einen Schatz von Gemüth und Charakter, wie er ihn bisher in seiner deutschen Landsmännin noch nicht geahnt, und je mehr sich ihre inneren Eigenschaften vor ihm erschließen, desto mehr fühlt er sich zu ihr hingezogen.

Die Oper in Valparaiso wird eröffnet – „Fräulein Schmidt“ thut es aber hier nicht, ein hochtönender italienischer Name muß an ihre Stelle treten. Die Künstlerin zählt „Fabbri’s“ unter ihren Vorfahren mütterlicherseits und sie nimmt diesen Namen an; die deutsche „Agnes“ wird in eine „Inez“ verwandelt, und so setzt sie das Publicum in Feuer und Begeisterung; ihre Weiterstudien beginnen, und sie ermöglicht es, nur sich und ihrer Kunst zu leben.

Da trifft Minder sie eines Tags in Thränen. „Was giebt’s denn, Fräulein?“ fragt er erschrocken.

„Ach, ich bin unglücklich!“ ist die trostlose Antwort, „mein [143] Kammermädchen hat einen deutschen Koch getroffen und heirathet, nun bin ich ganz allein!“

„Ei, so heirathen Sie auch!“ ruft Jener.

Sie sieht erstaunt auf. „Ich? wen denn um Gotteswillen?“

„Nun mich, Richard Mulder, wen denn sonst?“

Inez wurde Frau Mulder, und das war zur Zeit ihres New-Yorker Auftretens etwa zwei Jahre her, zwei Jahre, welche dem Paare unter eifrigem Lehren und Lernen vergingen, bis die zur glänzendsten Entwickelung gediehene Künstlerin plötzlich vor den New-Yorker Kunstrichtern erschien, um von hier aus als Stern erster Größe ihren weitern Siegeslauf zu beginnen.

O. R.

Glatteis und Grundeis. Es glatteist gewöhnlich, wenn die Kälte vorbei ist. Oft bei ganz warmer Luft, wenn ein förmlich lauer Regen fällt, überzieht sich das Pflaster der Straße mit jener glänzenden Oberfläche, die in größeren Städten entweder Aschestreuen oder Polizeiconflicte zur Folge hat, und wo die Jugend wohl jeder nur einigermaßen gebildeten Bevölkerung stets für die letzteren stimmt. Den Tag vorher hat die Sonne mit uns Frühling gespielt, die letzten Schneereste sind von den Dächern abgetropft, eine wunderbare Sternennacht beschloß das Ganze – nun noch ein warmer Regen, und ihr sollt sehen, wie Alles grün wird. Der warme Regen kommt, aber nichts wird grün, wenn nicht etwa ein Körpertheil, dessen unwillkürliche Abstrapazirung damals unserer alten Dore die gotteslästerlichsten Reden gegen alle Abweichung von der herkömmlichen Frühlingswerdung in den Mund legte.

Im Gegentheil, nach dem Glatteis giebt’s häufig wieder kalte Tage, und der Winter scheint sich’s noch einmal behaglich machen zu wollen. Glatteis entsteht auch manchmal, ohne daß es regnet, wenn feuchte neblige Witterung nach starker Kälte oder auch nur nach sternenklaren Winternächten eintritt; dagegen kann man das kein Glatteis nennen, wenn während eines Thauwetters wieder Frost eintritt und sich auf Wiesen und Straßen eine neue Eiskruste bildet; denn das Eigenthümliche des Glatteises besteht, wie bekannt, darin, daß es Dächer und Straßen, Bäume und Sträucher mit einer gleichmäßigen durchsichtigen Decke überzieht. Ja es begegnet uns, daß unsere Mäntel, wenn wir bei solchem Wetter uns im Freien bewegen, denselben glasartigen Ueberzug erhalten.

Der Grund dieser merkwürdigen Erscheinung ist nicht allemal ein und derselbe.

Gewöhnlich liegt er darin, daß zwischen der Temperatur der Luft und der der Erde plötzlich eine große Verschiedenheit eintritt, so daß die Luft über den Gefrierpunkt erwärmt ist, während die Temperatur des Erdbodens unter dem Gefrierpunkte steht. Eine solche Verschiedenheit kann nach Windwechsel eintreten, wodurch plötzlich warme Luftschichten sich über Länderstrecken verbreiten, deren Boden in Folge vorhergegangener strenger Witterung noch sehr durchkältet ist, und der nicht so plötzlich die Wärme aufzunehmen vermag. Oder aber auch bei sonst gelinder Witterung kühlt sich in klaren Nächten der Boden oft bis weit unter den Gefrierpunkt ab, indem er durch Ausstrahlung seine Wärme verliert; die Luft dagegen erleidet einen solchen Wärmeverlust in viel geringerem Grade.

Ist nun auf irgend eine Weise die Temperatur des Bodens unter den Gefrierpunkt hinabgegangen, und fällt aus der wärmeren Luft Regen, so werden die Tropfen, sobald sie unten aufschlagen, in Folge der größeren Kälte des Erdbodens gefrieren und eine gleichmäßige glatte Eisdecke über alle Unebenheiten bilden. Das ist Glatteis. Dasselbe kann aber auch noch auf eine andere Weise entstehen.

Bekanntlich gefriert das Wasser unter gewöhnlichen Verhältnissen bei Nullgrad des Thermometers. Unter gewissen Umständen aber kann es eine bei weitem niedrigere Temperatur annehmen, ohne daß es fest wird, und vorzüglich tritt der Fall ein, wenn es sehr allmählich abkühlen kann und dabei keinerlei Erschütterungen ausgesetzt ist. Man kann in kalten ruhigen Nächten Wasser in einem auf der Innenfläche glasirten thönernen Topfe bis zu 5, 6 und noch mehr Grad unter Null abkühlen lassen, ohne daß sich, wenn es ruhig stehen bleibt, eine Eiskruste darauf bildet. Sobald aber die Wassermasse in eine, wenn auch nur ganz geringe Erschütterung versetzt wird, etwa dadurch, daß man einen Strohhalm oder ein Sandkorn hineinfallen läßt, gesteht sie durch und durch zu einem festen Eiskörper und zersprengt sehr häufig in Folge der Ausdehnung, die sie dabei erleidet, das Gefäß. Das Gefrieren muß einen Anstoß erhalten; dieser fehlt, so lange das Wasser ruhig steht; kein Theilchen will zuerst anfangen, und so häuft sich die Kälte immer mehr an, bis endlich ein geringfügiger Umstand, wie bei einem bis auf’s Aeußerste gereizten Menschen, den Ausbruch hervorruft. Nun können eben so in der Luft Wassertropfen, die als Regen herabfallen, bis weiter unter den Gefrierpunkt erkalten, ohne deswegen zu Eis zu erstarren und Schnee oder Graupeln zu bilden. Sie kommen als kalter Regen herunter, sobald sie aber auf einen festen Körper treffen, gefrieren sie, und daher kommt es, daß wir, wenn wir in einen solchen Regen gerathen, bisweilen ganz glasirt nach Hause kommen. – Die dünnsten Aestchen der Bäume umhüllen sich oft mit Eiskrusten wie Stalaktiten und brechen endlich unter ihrer durchsichtigen Last.

Diese merkwürdige, wenn auch seltener auftretende Art der Glatteisbildung giebt uns zugleich eine Erklärung für die eigenthümliche Erscheinung, die wir mit dem Namen des Grundeises bezeichnen. Während nämlich das Wasser gewöhnlich von der Oberfläche hereingefriert und die Eisdecke von oben nach unten an Dicke zunimmt (eine Folge davon, daß das gefrierende Wasser und das Eis leichter ist als Wasser von etwa 4 Grad Wärme und deshalb auf dem letzteren schwimmt), giebt es Fälle, wo sich auf dem Grunde der Flüsse große Eismassen ansetzen, die häufig den Lauf des Wassers stauen und der Schifffahrt gefährlich werden können. Im Frühjahr, wenn der Boden sich erwärmt, lösen sich diese Eismassen dann los, und man sieht sie mit Sand und Steinen beladen, die sie vom Flußbett mit in die Höhe gehoben haben, herabtreiben. Sie unterscheiden sich von den an der Oberfläche entstandenen Eisschollen schon durch ihr Aussehen, welches immer porös und oft ganz zerlöchert und schwammig sich zeigt.

Das Grundeis entsteht fast nur in Flüssen, die einen gemächlichen Lauf und eine ziemliche Tiefe haben. In solchen können Wassermassen, die sich zwischen anderen ruhig fortbewegen, wie die kalten Regentropfen, aus denen das Glatteis entstand, eine Abkühlung bis unter den Nullpunkt erfahren, ohne daß sie gefrieren. Werden sie aber durch die Strömung mit den rauhen Theilen des Flußbettes in Berührung gebracht, so ist durch diese dem Gefrierenwollen ein Anstoß gegeben, und es bilden sich in kurzer Zeit sehr mächtige Eisballen, die sich an den Unebenheiten des Flußbettes anheften.

Im Rhein kommt es häufig vor, daß die schweren eisernen Anker der dort liegenden Schiffe im Frühjahr von dem Grundeis mit zu Tage gebracht werden, ohne daß mit diesem unverhofften Wiedersehen den Schiffsführern allemal eine große Freude gemacht würde. So lange der Grund des Flusses kalt genug ist, bleiben diese Eismassen unter dem Wasserspiegel und vergrößern sich. Man kann es ihnen eben so wenig wehren, als man ihre Bildung, die gewöhnlich sehr rasch und unangekündigt geschieht, verhindern kann; obgleich dies wünschenswerth wäre, weil Grundeis sehr oft die Ursache der großen Gefahren ist, von denen Eisgänge begleitet sind und die insbesondere die Veranlassung zur Entstehung eines sehr verbreiteten Sprüchwortes gewesen zu sein scheinen.


Zur Fledermausfrage. Die hübsche Beobachtung, welche in Nr. 3 der Gartenlaube mitgetheilt wird, steht nicht so vereinzelt da, als ihr Herr Verfasser anzunehmen scheint. Es sind viele ähnliche Beobachtungen veröffentlicht worden, und Masius, welcher seine Allbelesenheit durch bogenlange Citate zu beweisen pflegt, wird die betreffenden Mittheilungen wohl auch kennen. Wenn er die Fledermäuse über die Achsel angesehen hat, ist dies wohl aus dem Grunde geschehen, weil sie sich weniger zur Zerrbildnerei eignen als andere Thiere, welche durch ihn verewigt worden sind; weniger z. B. als der Wolf, welcher „die Luft mit pistolenschußstarken Erschütterungen beglückt, wenn er sein Gebiß zusammenschlägt“; weniger als der Frosch, welcher, wie in einer Ausgabe der bei sentimentalen Weiberseelen so hoch beliebten Naturstudien zu ersehen, die Baßgeige auf dem Rücken mit herumschleppt. Die Fledermäuse können sich übrigens nur dazu gratuliren, wenn sie von Herrn Masius nicht ausführlich behandelt worden sind. Ich will sagen: Wer die im höchsten Grade der Theilnahme würdigen, so vielfach verkannten, äußerst nützlichen Fledermäuse und ihr jeden Naturfreund fesselndes Leben kennen lernen will, darf nicht zu Masius greifen, am wenigsten aber darf dies einer der nach kräftiger und natürlicher Kost verlangende Leser unserer Gartenlaube. Man nehme die Werke von Oken, Kaup, Lenz, Kolenati, Burmeister, Rengger, Fitzinger, Vogt, Giebel, Brehm’s Ornis und andere zur Hand, wenn man sich mit den Fledermäusen und ihrem Leben vertraut machen will. In meinem demnächst erscheinenden „Thierleben“ habe ich eine möglichst ausführliche Beschreibung des merkwürdigen Lebens dieser merkwürdigen Thiere entworfen, und darf diejenigen Leser, welche Lust genug besitzen, seitenlange Thierschilderungen zu lesen, auf dieses Werk verweisen. Hier will ich nur einige Andeutungen geben.

Fast sämmtliche Fledermäuse können bei geeigneter Behandlung lange Zeit im Zimmer erhalten und in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit gezähmt werden. Sie lernen ihren Wärter und Wohlthäter bald kennen, kommen auf dessen Ruf herbei, wissen genau, was die Mehlwürmer und Fliegenschachtel zu bedeuten haben; ja, sie folgen ihrem Gebieter wie ein Hund auf dem Fuße nach. Mein Bruder hatte eine Ohrenfledermaus binnen acht Tagen so gezähmt, daß sie auf seinen Pfiff herbeigeflogen kam und ihm durch mehrere Zimmer folgte. Kolenati, welcher die Fledermäuse in der Neuzeit am ausführlichsten beobachtet hat, besaß viele, welche ungemein zahm waren. Er hatte sie so gewöhnt, daß sie aus seiner Hand tranken, wenn es kühl war, sich in dieser erwärmten und sie dankbar leckten. Sie kamen herbei, wenn er ihnen die Fliegenschachtel vorhielt, krochen in diese oder in das Glas hinein und räumten die darin aufbewahrten Kerbthiere auf. Die in der Gartenlaube beschriebene Art, wie die Fledermäuse Fliegen fangen, hat schon Faber beobachtet und bekannt gemacht. (Isis, 1826.) Er giebt uns auch die Zahl der Fliegen an, welche sein Gefangener vertilgte: 50–60!! bei einer Mahlzeit. – Von der außerordentlichen Sinnenschärfe der Fledermäuse hat man sich mehrfach staunend überzeugen müssen. Die Beobachtungen Spallanzani’s sind ziemlich allgemein bekannt: Er ließ Fledermäuse mit zugeklebten Augen in einem Zimmer fliegen, welches der Kreuz und Quer von Bindfäden durchzogen war; aber niemals stießen sich die feinsinnigen Thiere an eines der Hindernisse. Sie fühlten die Nähe der Fäden. Das Gehör und der Geruch sind ebenso ausgezeichnet als das Gefühl. Großöhrige Fledermäuse benehmen sich höchst sonderbar, wenn sie Musik hören. Alle lauten Töne sind ihnen ein Gräuel; sie zucken und schreien vor Schmerzen. In gleicher Weise belästigen starke, nach unsern Begriffen wohlriechende Stoffe die Fledermäuse, deren Geruchswerkzeug durch Anhängsel aller Art besonders vervollkommnet ist. Ihre Klugheit ist viel großer, als man glauben möchte. Sie zeigen nicht nur ein vortreffliches Gedächtniß, sondern auch eine gewisse Beurtheilungsfähigkeit, welche sich sogar bis zur List steigern kann. Alle Versuche, welche man angestellt hat, schwirrende Fledermäuse mit Hülfe einer feinen, durch lebende Schmetterlinge geköderten Angel zu fangen, sind mißglückt. Die Fledermäuse zeigten viel Theilnahme für den Leckerbissen, aber keine einzige griff zu. Noch weit schlagender ist die Beobachtung der Schmetterlingskundigen Hering und Nickerl. Bei vielen Schmetterlingsarten locken die ruhig sitzenden Weibchen die begattungslustigen [144] Männchen aus weiter Ferne herbei. Schmetterlingssammler von Fach wissen dies und machen es sich natürlich zu Nutze. So waren denn auch die genannten Herren ausgegangen, um den Roßkastanienbohrer zu fangen. Mehrere Weibchen dieser Schmetterlingsart saßen ruhig oben in der Krone der Kastanien und wurden von Männchen umschwirrt. Auf diese machten die Fledermäuse Jagd, und eine von ihnen nahm nach einander neun Schmetterlingsmännchen weg. Es unterlag gar keinem Zweifel, daß die Fledermaus auch das Weibchen aufgespürt hatte; aber sie war schlau genug, dieses zu schonen, um die Männchen anzulocken und so eine reichere und fettere Mahlzeit zu erlangen. – Nicht minder anziehend ist das Geschlechtsleben unserer Thiere, sehr merkwürdig die Art und Weise, wie sie ihre Jungen zur Welt bringen und aufziehen. Nach meines Vaters und Kaup’s Beobachtungen beziehen die trächtigen Weibchen mancher Arten besondere Frauengemächer und gestatten den Männchen zu ihnen keinen Zutritt. Beim Gebären bilden sie aus der Flughaut, welche sich zwischen dem Schwanz und den Hinterbeinen ausbreitet, eine Wiege, in welcher die Jungen zunächst aufgenommen und so lange getragen werden, bis sie an der Alten emporklettern und sich festhalten können. Mutter und Kind fliegen dann gemeinschaftlich mit einander aus, und wenn das Junge groß geworden, verläßt es, wie ich selbst beobachtet habe, die Alte, macht auf eigene Faust einen kleinen Jagdflug und kehrt, sobald es ermüdet ist, wieder zu der Mutter zurück. – Von den Wanderungen der Fledermäuse, von ihrem Winterschlafe etc. will ich hier nicht reden, das würde mich zu weit führen. Nur Eins noch: Auch bei uns giebt es Vampyre, welche, wenn auch nicht menschliches Herzblut, so doch Blut von Tauben und Hühnern aussaugen, welche sogar ihre unschuldigen Mitfledermäuse angehen, von diesen aber dann zur Strafe gefressen werden! Die bekannte Sage wurzelt also auch auf deutschem Boden.

Diese Andeutungen sollen nur Eins bezwecken: sie sollen zum Studium auch dieser Thiere anregen, Erfüllen sie diesen Zweck, dann brauche ich nicht erst zum Schutze der Fledermäuse aufzufordern. Denn Jeder, welcher diese kennt, wird sie als das zu schätzen wissen, was sie sind: als überaus merkwürdige Geschöpfe und unermüdliche Häscher der Feinde unserer Land- und Forstwirthschaft, als uns nur nützliche, unbezahlbare Gehülfen im Vernichtungskriege gegen die schädlichen und lästigen Kerbthiere!

Herrn „G.“ aber meinen Dank für seine Mittheilung und freundlichen Gruß. Brehm.


Noch Einiges über Kinkel’s Befreiung. Erlauben Sie mir, dem Artikel „Ein Nichtamnestirter“ in Nr. 2 und 3 noch einige wichtige Ergänzungen anzufügen. Mag Schurz in der Flucht eine hervorragende Rolle gespielt, mag er auch den Plan zu jener mit entworfen haben, so war er doch nur die Hand, die das ausführte, was Andere aus Rücksicht auf ihren Stand und ihr Amt persönlich nicht ausführen konnten. So viel ist klar, daß hochgestellte Männer den Plan kannten und billigten und die nöthigen Geldmittel zur Ausführung desselben gerne hergaben, und daß auch mehrere Gutsbesitzer, deren Gesinnung man genau kannte, und die vollständig unabhängig waren, mitwirkten. Das Nachfolgende kann ich Ihnen als authentisch verbürgen:

In der Nacht vom 6. zum 7. November (1850) fuhren kurz nach einander zwei leichte Wagen durch das Potsdamer Thor nach der Stadt Spandau hinein. Auf dem einen, den Kinkel auf seiner Flucht benutzen sollte, saß der Gutsbesitzer X. – wir nennen natürlich den richtigen Anfangsbuchstaben der Namen nicht – aus der Nähe von Spandau und lenkte selber seine Pferde, während den andern ein Gutsbesitzer aus der Nähe von Nauen fuhr.

Nachdem Kinkel glücklich dem Zuchthause entkommen war und den für ihn bestimmten Wagen bestiegen hatte, fuhr der andere wieder im stärksten Trabe durch das Potsdamer Thor und die Chaussee nach Nauen entlang. Pfeilschnell ging es an allen Chausseehäusern und Dörfern vorüber, so daß man glauben mußte, die Pferde gingen durch, oder das Fuhrwerk werde verfolgt und suche zu flüchten. X., der Besitzer des andern Fuhrwerks, ein kühner, entschlossener Mann, suchte nicht so eilig aus Spandau zu kommen; er hielt erst noch am Gasthof zum rothen Adler, um hier einige Erfrischungen für die Reise einzukaufen. Im Gasthofe fand er mehrere Bekannte, die sich hier bei einer Bowle versammelt hatten, auch der Zuchthausdirector war unter ihnen. Mit vollem Glase kam man dem Freunde X. entgegen und nöthigte ihn zum Trinken, der das nur unter der Bedingung thun wollte, wenn er einem Bekannten, den er noch auf dem Wagen habe, und der mit ihm nach Strelitz zu Markte reisen wolle, auch ein Glas hinaustragen dürfe. Gerne wurde dies bewilligt, und nachdem also Kinkel zum Abschiede mit dem Zuchthausdirector noch von einer Bowle getrunken und X. den nöthigen Reisebedarf eingekauft, auch noch manchen herzlichen Glückwunsch zu seiner Reise erhalten hatte, fuhr er vergnügt zum Oranienburger Thore hinaus.

Ueber Nieder-Neuendorf, Hennigsdorf und Oranienburg ging es bis Nassenhaide, einem Dorfe an der Berlin-Strelitzer Straße, etwa vier Meilen von Spandau entfernt. Hier sollten die ersten Relaispferde sein; aber die Flucht war so über alles Erwarten gut gelungen, daß X. hier vor der bestimmten Zeit eintraf und die Relaispferde noch nicht angekommen waren.

Jeder Aufenthalt konnte gefahrbringend werden, und X. fuhr deshalb von dieser ersten Station zur zweiten, die Grausee sein sollte; aber derselbe Unfall hier, wie in Nassenhaide! – Da war guter Rath theuer; die Pferde hatten ohne Unterbrechung bereits, acht Meilen zurückgelegt und konnten leicht ihren Dienst versagen, und doch mußte der Flüchtling weiter geschafft werden, wenn er nicht wieder in seine engen Kerkermauern zurückgeführt werden wollte.

Nach ganz kurzer Rast fuhr X. getrost weiter und kam glücklich in Strelitz an. Kaum vermochten die Pferde sich noch auf den Beinen zu erhalten, denn sie halten über vierzehn Meilen zurückgelegt, ohne einmal ausruhen zu können. Von Strelitz wurde Kinkel, nachdem er seinem Retter mit warmem Händedruck gedankt hatte, nach Rostock und von da nach England geschafft.

X. mußte seinen Pferden in Strelitz drei Tage Rast gönnen und fuhr dann im Schritt zurück. Niemand vermuthete in ihm den Retter Kinkel’s, vielmehr glaubte man, daß dieser auf dem Wege nach Nauen zu entflohen sei, um von dort mit der Eisenbahn nach Hamburg zu entkommen. Der flüchtige Wagen auf der Straße nach Nauen, welcher erkannt worden war, bestätigte diese Vermuthung, und schon am Vormittage des 7. Novembers waren Polizeibeamte auf dem Wege nach Nauen, durchsuchten die Gegend und das Haus des erwähnten Gutsbesitzers nach dem Flüchtling, fanden aber hier nur dessen Bildniß.

X. verkaufte späterhin sein Gut und lebt jetzt in einer entfernten Provinz. Eins der Pferde, die den Dichter nach Mecklenburg geschafft hatten, starb bald nachher in Folge der Anstrengung, das andere schenkte X. nach dein Verkauf seines Gutes einem Freunde der ihm das Gnadenbrod geben mußte. In diesen Tagen ist das brave Thier gestorben.

„Ich habe das alte, treue Thier sehr lieb gehabt,“ sprach sein Herr zu mir, und eine Thräne schimmerte in dem Auge des wackern Patrioten. W. L.


Kleiner Briefkasten.

Wilhelm Bauer und seine Schiffhebung betreffend. Es sind ferner eingegangen an Gaben: 3 Thlr. von v. P. in M.; 1 Thlr. von K. in L.; 5 Thlr. von Otto Gehrckens in Hamburg; 2 fl. O. W. von Fräulein Anna Schreiner in Davidow; 1 Thlr. 3 Sgr. durch F. Heinfort in Kriesoff'; – an Zuschriften von Hrn. Baron F. F. v. Dücker, königl. Berggeschworenem zu Bochum in Westphalen, welcher zur Annahme der Beiträge aus seiner allseitigen Nachbarschaft bereit ist, um sie in größeren Posten hieher zu senden; – von H. Eckner in Königsbrück, welcher dort die Sammlungen leitet und diese Anzeige macht, „damit in größeren Orten Männer zur Gründung der nöthigen Comités ermuthigt werden;“ ferner von sieben anderen Orten. – Alle diese Gaben und Zuschriften bezeugen die steigende Theilnahme in Deutschland für W. Bauer und seine Erfindung. Auf solche Zeugnisse für dieselbe mußten wir warten, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß eine directe öffentliche Aufforderung zu Beiträgen für das ebenso nationalehrenvolle als allgemeinnützige Unternehmen auch zu einem würdigen Ziele führen werde. Diese Ueberzeugung ist nun gewonnen, und es hat sich bereits ein Centralcomité für W. Bauer’s „Deutsches Taucherwerk“, wie künftig kurzweg Bauer’s Schiffhebung mittels Taucher, Taucherkammer und unterseeischer Kameele genannt werden soll, in Leipzig gebildet und seine Thätigkeit begonnen. An Orten, wohin dieselbe noch nicht direct reichen sollte, finden die Leser der Gartenlaube vielleicht in den Herren Sortimentsbuchhändlern, durch welche sie unser Blatt beziehen, bereitwillige Vermittler ihrer Beiträge an die Redaction der Gartenlaube; diese wird auch ferner über die Eingänge für das nationale Unternehmen an dieser Stelle kurze Anzeige machen.



Supplement-Band
zu allen Ausgaben
von
Bocks Buch vom gesunden und kranken Menschen.

Da eine große Anzahl von Aufsätzen in der Gartenlaube aus Bock’s Feder in’s „Buch vom gesunden und kranken Menschen“ entweder gar nicht, oder nur in sehr kurzem Auszüge ausgenommen sind, dieselben aber theils das Verständniß der Einrichtung unseres Körpers, sowie der Krankheiten und der verschiedenen Heilarten erleichtern, theils wegen ihres Ra’sonnements ein allgemeines Interesse haben, so sollen diese Gartenlauben-Aufsätze, die seit dem Jahre 1853 bis jetzt erschienen, in einem Supplementbande, vom Verfasser nach ihrem Inhalte geordnet und zum Theil erweitert, herausgegeben werden. Bei der Beliebtheit, welcher sich das Bock’sche Buch beim Publicum zu erfreuen hat, dürften auch diese Supplcmente nicht ungünstig anfgenommen werden.,

Dieselben erscheinen in drei bis vier in monatlichen Zwischenräumen aus einander folgenden Lieferungen. Der Subscriptionspreis jeder Lieferung von etwa ü Bogen ist nur 7½ Ngr. Die 1. Lieferung ist bereits erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen.

Leipzig, im Februar 1862. Die Verlagshandlung.
Ernst Keil.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: lauwärmsten
  2. Vorlage: fliegengender