Die Flachsspinnerei von H. C. Müller in Hirschfelde

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Autor: Diverse
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Titel: Die Flachsspinnerei von H. C. Müller in Hirschfelde
Untertitel:
aus: Album der Sächsischen Industrie Band 1, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 1, Seite 8–9
Herausgeber: Louis Oeser
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
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Erscheinungsort: Neusalza
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Flachsgarn-Spinnerei von H. C. Müller in Hirschfelde.

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Die Flachsspinnerei von H. C. Müller in Hirschfelde.
(Hierzu eine Abbildung.)


Von Chemnitz machen wir einen Sprung bis in die Oberlausitz, die Heimath der sächsischen Leinen-Fabrikation, wo viele Tausende von fleißigen Händen mit diesem wichtigen Industriezweige beschäftigt sind, und wo uns die höchst seltene Erscheinung entgegentritt, daß wir Tagelang in gerader Richtung und rechts und links und nach allen Seiten hin längs der sächsisch-böhmischen Grenze und weiter tiefer in das Land hinein durch, in einer fast ununterbrochenen Reihe aneinander stoßende Dörfer von je 2, 3, 4 bis 8000 Einwohnern wandern können, in denen wir nichts weiter sehen und finden als Leinweberei und die damit verwandten Zweige. Es ist dies die dichtbevölkertste Gegend, nicht nur Sachsens, sondern des ganzen Continents, und Alle sind hier nur Weber; Kind, Frau, Magd, Sohn – Alles ist bei dieser Fabrikation thätig und angestellt; überall, aus jedem Hause tönt uns nur das Geklapper der Webestühle entgegen. Gewiß für den Industrie-Freund eine der erfreulichsten und merkwürdigsten Erscheinungen, die näher ins Auge zu fassen und zu studiren unbedingt eine lohnende Aufgabe für denselben sein dürfte.

Uns ist es für jetzt noch nicht vergönnt, über das Gesammtgebiet der Oberlausitzer Weberei uns schon hier zu verbreiten, wir werden aber öfters bei den einzelnen Etablissements darauf zurückkehren und später, nachdem wir die letzteren vielfach und allseitig ins Auge gefaßt haben, auch eine allgemeine Uebersicht dieses für Sachsen so wichtigen Gewerbszweiges in dieser Gegend mit besonderer Bezugnahme auf die einzelnen Ortschaften folgen lassen.

Aus dieser kurzen Schilderung geht leicht hervor, welches wichtige Etablissement die in unserer Ueberschrift erwähnte Flachsspinnerei für die Leinwand-Manufaktur, namentlich in dieser Gegend, sein muß, – ein Etablissement, das in Sachsen bis jetzt noch einzig und allein dasteht, und das nicht nur der vaterländischen Leinwand-Manufactur eine wichtige Branche im eigenen Lande erschlossen hat, sondern eben deshalb auch einer glänzenden Zukunft unbedingt entgegen gehen muß; da ja auch die Blüthe desselben in der Gegenwart schon auf das Eindringlichste beweist, wie eine solche Anstalt für Sachsen und namentlich für die hiesige Gegend, sowie überhaupt für Deutschland, ein höchst dringendes Bedürfniß war.

Die bedeutende Einfuhr leinener Maschinengarne aus England, wo die bestehenden Maschinenflachsspinnereien in Bezug auf die Güte der Waare immer den Vorzug vor allen anderen ähnlichen Anstalten in anderen Ländern behaupteten, ließ es schon längst als ein tiefgefühltes Bedürfniß erscheinen, diesen Fabrikzweig auch in Sachsen einzuführen und in Aufnahme zu bringen.

Es war dies eine sehr schwierige Aufgabe, vor deren Ausführung Viele, denen dieser Plan Wohl nahe lag – wie denn auch eine Gesellschaft in Zittau eine solche Maschinen-Flachsspinnerei auf Actien bereits, wiewohl vergeblich, begründen wollte, – wieder zurückbebten.

Dem als unternehmender und industriöser Geschäftsmann bekannten Herrn H. C. Müller in Zittau war es allein vorbehalten, mit einem durch keine Schwierigkeiten und Hemmnisse zu erkaltendem Eifer, seltener Energie und unerschütterlicher Ausdauer ein solches Unternehmen bei Hirschfelde in der Königlich Sächsischen Oberlausitz in’s Leben zu rufen.

Es geschah dies im Jahre 1845. Und der gegenwärtige Director dieser wichtigen Anstalt hat seit den 11 Jahren ihres Bestehens diese so schwierige Aufgabe auf die erfolgreichste und glänzendste Weise gelöst, so [9] daß sich Sachsen heute dieser seiner bis jetzt einzigen Flachsspinnerei mit Recht als eines sehr lebenskräftigen Etablissements freuen kann; Sachsen darf hierauf auch mit gerechtem Stolze blicken, da es hierdurch nicht nur das englische Maschinen-Garn zum großen Theile verdrängt sieht, sondern auch, weil die Erzeugnisse aus dieser Anstalt kühn mit den englischen wetteifern und überall die größte Anerkennung finden.

Betrachten wir nun dieses rühmlichst bekannte Etablissement selbst näher, dessen Besitzer: Herr H. C. Müller, dessen Gattin, und die Herren Philipp, Gottlieb und Gustav Knoch sind.

In dem zwei Stunden von Zittau entfernten Städtchen Hirschfelde, wenige Minuten vor der Stadt an der nach Ostritz führenden Chaussee, am Eingange in das berühmte, wild-romantische, von hier sich mehrere Stunden lang auf beiden Seiten der Neiße bis zu dem Kloster Marienthal bei Ostritz erstreckende Neißthal, in einer äußerst herrlichen, malerischen Gegend liegt diese Flachsspinnerei.

Eine Menge massiver Gebäude bilden diese Anstalt und fallen dem Beschauer durch ihre freundliche, zweckmäßige Bauart angenehm in’s Auge, während mehrere hohe Schornsteine ihren Rauch stolz in die Wolken emporwirbeln lassen.

Fassen wir nun diese Gebäude ihren Zwecken und Bestimmungen nach näher in’s Auge, so finden wir hier:

1) das Spinnereigebäude mit Turbinenhaus,
2) die Maschinen-Werkstätte,
3) das Trocknenhaus,
4) das Flachsmagazin,
5) das Packhaus,
6) das Mühlengebäude mit Wohnhaus und Comptoir,
7) das Getreide- und Mehl-Magazin,
8) das Hechelei-Gebäude,
9) die Schneidemühle mit Scheune und Schuppen.

Aber auch ein Garten fehlt nicht, welcher unseren Industriellen das Zeugniß giebt, daß sie über ihren Berufsgeschäften auch das Angenehme und Schöne nicht vergessen.

Wie sehr der nimmermüde Geist des Herrn Müller fortwährend auf Alles bedacht ist, was seinem Etablissement von Nutzen sein kann, beweiset auch u. a. eine eigene Gasbereitungs-Anstalt, welche dasselbe mit 400 Gasflammen erleuchtet.

Diese ganze Fabrik-Anstalt umfaßt als Branchen: die Leinengarn-Spinnerei, Twines-, Schuhgarn- und Zwirn-Fabrikation, eine Mahlmühle und Bretschneide, und ihre Haupterzeugnisse sind, wie schon hieraus hervorgeht: Leinengarn, Zwirn, Twines und Schuhgarn.

Wie sehr diese Erzeugnisse geschätzt sind, beweiset ihr bedeutender Absatz durch die gesammten Zollvereinsstaaten und Oesterreich, wie denn auch dieselben auf allen Industrieausstellungen als vorzüglich anerkannt und gekrönt worden sind; so erhielt in Leipzig das Leinengarn, in München die Zwirne, Twines und Schuhgarn die Prämien.

Diese Fabrik, welche fortwährend über 400 Arbeiter beschäftigt, hat 3 Turbinen von 100 Pferdekraft und 2 Dampfmaschinen von zusammen 50 Pferdekraft, welche dieselbe in Bewegung setzen.

Es unterliegt keinem Zweifel und ist jeder mit der Industrie Sachsens nur einigermaßen Vertraute fest davon überzeugt, daß diesem im Ganzen noch immer jungen und blühenden Etablissement auch noch, wie bereits von uns erwähnt worden ist, eine glänzende Zukunft bevorsteht!