Textdaten
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Autor: August Graf von Platen
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Titel: Die Fischer auf Capri
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 580–582
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Indexseite
[581]

Fischer von Capri.
Originalzeichnung von Louis Schulz.

[580]
Album der Poesien.
Die Fischer auf Capri.

Hast Du Capri gesehn und des felsenumgürteten Eilands
Schroffes Gestad als Pilger besucht, dann weißt Du, wie selten
Dorten ein Landungsplatz für nahende Schiffe zu spähn ist:
Nur zwei Stellen erscheinen bequem. Manch mächtiges Fahrzeug
Mag der geräumige Hafen empfahn, der gegen Neapels
Lieblichen Golf hindeutet und gegen Salerns Meerbusen.
Aber die andere Stelle (sie nennen den kleineren Strand sie)
Kehrt sich gegen das ödere Meer, in die wogende Wildniß,
Wo kein Ufer Du siehst, als das, auf welchem Du selbst stehst.
Nur ein geringes Boot mag hier anlanden; es liegen

[582]

Felsige Trümmer umher, und es braust die beständige Brandung;
Auf dem erhöhteren Fels erscheint ein zerfallenes Vorwerk,
Mit Schießscharten versehn; sei’s, daß hier immer ein Wachtthurm
Ragte, den offenen Strand vor Algiers Flagge zu hüten,
Die von dem Eiland oft Jungfrauen und Jünglinge wegstahl;
Sei’s, daß gegen den Stolz Englands und erfahrene Seekunst
Erst in der jüngeren Zeit es erbaut der Napoleonide,
Dem Parthenope sonst ausspannte die Pferde des Wagens,
Ihn dann aber verjagte, verrieth, ja tödtete, seit er
An’s treulose Gestad durch schmeichelnde Briefe gelockt ward.
Steigst Du herab in den sandigen Kies, so gewahrst Du ein Felsstück
Niedrig und platt in die Wogen hinaus Trotz bieten der Brandung;
Dort anlehnt sich mit rundlichem Dach die bescheidene Wohnung
Dürftiger Fischer; es ist die entlegenste Hütte der Insel,
Blos durch riesige Steine beschützt vor stürmischem Andrang,
Der oft über den Sand wegspült und die Schwelle benetzt ihr.
Kaum hegt, irgend umher, einfachere Menschen die Erde;
Ja kaum hegt sie sie noch, es ernährt sie die schäumende Woge.
Nicht die Gefilde der Insel bewohnt dies arme Geschlecht; nie
Pflückt es des Oelbaums Frucht; nie schlummert es unter dem Palmbaum:
Nur die verwilderte Myrthe noch blüht und der wuchernde Cactus
Aus unwirthlichem Stein, nur wenige Blumen und Meergras;
Eher verwandt ist hier dem gewaltigen Schaumelemente
Als der beackerten Scholle der Mensch und dem üppigen Saatfeld.
Gleiches Geschäft erbt stets von dem heutigen Tage der nächste:
Immer das Netz auswerfen, es einziehn, wieder es trocknen
Ueber dem sonnigen Kies, dann wieder es werfen und einziehn.
Hier hat frühe der Knabe versucht in der Welle zu plätschern,
Frühe das Steuer zu drehen gelernt und die Ruder zu schlagen,
Hat als Kind muthwillig gestreichelt den rollenden Delphin,
Der, durch Töne gelockt, an die Barke heran sich wälzte.
Mög’ Euch Segen verleihen ein Gott, sammt jeglichem Tagwerk,
Friedliche Menschen, so nah der Natur und dem Spiegel des Weltalls!
Möge, da größeren Wunsch Euch nie die Begierde gelispelt.
Möge der Thunfisch oft, Euch Beute zu sein, und der Schwertfisch
Hier anschwimmen! Es liebt sie der Esser im reichen Neapel.
Glückliche Fischer! wie auch Kriegsstürme verwandelt den Erdkreis,
Freie zu Sclaven gestempelt und Reiche zu Dürftigen, ihr nur
Saht hier Spanier, saht hier Britten und Gallier herrschen,
Ruhig und fern dem Getöse der Welt, an den Grenzen der Menschheit,
Zwischen dem schroffen Geklüft und des Meeres anschwellender Salzfluth,
Lebet! Es lebten wie ihr des Geschlechts urälteste Väter,
Seit dies Eiland einst vom Sitz der Sirene sich losriß,
Oder die Tochter August’s hier süße Verbrechen beweinte.

August von Platen.