Die Enthüllung des Lutherdenkmals zu Möhra

Textdaten
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Autor: Carl Polack
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Titel: Die Enthüllung des Lutherdenkmals zu Möhra
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 486–487
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die Enthüllung des Lutherdenkmals zu Möhra.


Das Lutherdenkmal zu Möhra.

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Die Enthüllung des Lutherdenkmals zu Möhra.

(Mit Abbildung.)


„Trübe Morgen, heitere Tage!“ jubelte der Kutscher, als sich auf unserem Wege nach Möhra unterhalb der prächtigen Felsenterrasse von Altenstein die feuchten Nebel im Werragrund zertheilten, und weiter ging’s dem berühmten Stammort des großen Reformators zu, denn heute zum 25. Juni, dem Gedächtnißtag der Uebergabe der Augsburgischen Confession, sollte sein Denkmal dort, dessen Gründung seit 1846 begann, feierlich enthüllt werden. Als wir durch das Dorf Gumpelstadt, den vorletzten Ort vor Möhra, fuhren, harrten schon zwölf berittene Möhraer Burschen in kurzen blauen Kitteln, mit fliegenden, bunten Bändern an den Hüten zu beiden Seiten der Straße der Ankunft des Erbprinzen von Meiningen, um ihm und seinem Gefolge zum Einzug vorzureiten. Auf allen Wegen, die dem Dorfe zuführen, wogten schon ganze Haufen zu Fuß und zu Wagen; von Meiningen kam auf der Werrabahn ein Extrazug, der nicht weit vom Ort, ohne eine besondere Station abzuwarten, Halt machte, so daß es uns zweifelhaft schien, wie das kleine Dorf von kaum 500 Einwohnern eine solche Menge beherbergen könne. Dennoch gelang es uns bei unserer Ankunft, die Pferde in einem Bauerhause unterzubringen.

Den eigentlichen Festplatz bildete der kleine Raum, der – wie unser Bild zeigt – von Luther’s Stammhaus, in welchem die Eltern des berühmten Reformators wohnten, ehe sie nach Eisleben übersiedelten, dann der bergaufwärts über demselben gelegenen Schule und Kirche und den jenem links und rechts gegenüber liegenden Häusern gebildet wird. Die Dächer der letzteren waren zum Theil mit Menschen bedeckt, und auch mir gelang es unter den Freuden und Leiden eines Correspondenten eines illustrirten Blattes, das Stück einer Dachsparre zum Sitz zu bekommen. Rechts von der jungen Linde, welche an die Stelle der alten gesetzt wurde, unter welcher Luther auf seiner Rückkehr von Worms am 4. Mai 1521 predigte, stand das verhüllte Denkmal und in einiger Entfernung hinter demselben das durch eine kleine Gedenktafel bezeichnete Stammhaus des großen Mannes, der als Eisenacher Schüler verschiedene Male nach dort zurückkehrte und dessen directe Nachkommen noch jetzt in Möhra leben.

Endlich ertönten halb 11 Uhr die Glocken zum Zeichen, daß sich in der Schenke der Gemeindevorstand des Orts, die eingeladenen officiellen Personen, die Künstler, die Geistlichen und Lehrer der Diöcese Salzungen, der Sängerchor von daher mit der Meininger Militairmusik, sowie die Mitglieder des Festcomité’s zu versammeln hatten. Beim zweiten Glockengeläute begab sich in dieser Reihenfolge der Festzug nach dem Platze des Standbildes, vor dem auf einer um eine Stufe erhöhten Estrade der genannte Erbprinz mit seinem Hof Platz genommen hatte. Als zum dritten Mal die Glocken ertönt halten, begann der hinter dem Denkmal nach der Schule zu aufgestellte Sängerchor den ersten Vers von Luther’s Lied: „Es wolle Gott uns gnädig sein,“ in ergreifender, kaum näher zu schildernder Weise. Alsdann intonirte der Superintendent von Salzungen mit den Worten: „Ehre sei Gott in der Höhe,“ worauf der Sängerchor die in eine treffliche Composition eingekleideten Worte: „und Frieden auf Erden etc.“ respondirte und daran eine ausgezeichnete Motette von Hauptmann knüpfte. Diese Gesänge wurden so meisterhaft ausgeführt, daß wir, so wie viele Andere, die keine Ahnung davon hatten, daß ein Städtchen wie Salzungen einen solchen Sangverein aufzuweisen habe, glaubten, die Tenor- und Baßsänger wären Mitglieder der Meininger Oper und die Knaben, welche Sopran und Alt sangen, eine besonders geschulte Currende der Residenz. Um so erstaunter waren wir zu hören, daß sie zusammen den Sängerkranz aus Salzungen bildeten, der uns einen so herrlichen Genuß bereitete, daß seine Vorträge allein als ein Concert zu betrachten waren, und wir können es nicht unterlassen, in diesem Blatte, das auch der Kunst seine Spalten gern öffnet, jenem Verein die vollste Anerkennung für die vorzügliche Ausführung der schwierigen Partieen auszusprechen, da man gewohnt ist, nur von Sängerchören aus größeren Städten solche Leistungen zu hören.

Beim letzten Vers des luther’schen Kraftliedes: „Eine feste Burg,“ das unter Begleitung der Meininger Militairmusik die ganze Festversammlung in heiliger Begeisterung sang, fiel die Hülle vom Denkmal, und hoch und hehr stand in Erz der Mann, der vor länger als 300 Jahren an derselben Stelle mit seinem Feuergeist die Herzen seiner Möhraer erwärmt und erleuchtet hatte.

Nach der vom Oberhofprediger Ackermann aus Meiningen vor dem Standbilde gehaltenen Festrede mit vielen Reminiscenzen aus Luther’s Leben und nach Beendigung der Schlußgesänge überwies der Vorsitzende des Comité’s das Denkmal der Gemeinde von Möhra und empfahl es deren Schutz, worauf der herzogliche Verwaltungsbeamte zu Salzungen im Namen der Gemeinde die Übernahme dieser Verpflichtung erklärte.

Der Ort hatte einen seinen Kräften angemessenen Festschmuck angelegt. Er ist ein sehr einfaches Dorf, das, wie viele im Werragrunde, seinem Aeußeren nach nicht auf der Culturstufe der meisten Thüringer Dörfer steht. Wir sahen ältere Bauern der Gegend, die trotz der 32 Grad Hitze noch wie ihre Urväter den Pelzbartel auf dem Haupte trugen; auch sah man noch häufig den Dreimaster vertreten. Das Stammhaus der Luther, mit einer kleinen braunen Tafel mit der Aufschrift „Dr.Martin Luther’s Stammhaus“ in Goldschrift gekennzeichnet, ist mit röthlichem Lehm zwischen den Balken ausgefacht ohne allen Anstrich, was sein altehrwürdiges Aussehen allerdings erhöht und ihm den Charakter eines [487] Bauernhauses aus früheren Jahrhunderten läßt. Es wird noch ein anderes Gebäude als Lutherhaus bezeichnet, allein genaue Forschungen haben ergeben, daß das unterhalb der Schule liegende, vor dem das Standbild errichtet ist, als das eigentliche Stammhaus Luthers betrachtet werden muß, das von seinem Vater Hans bewohnt und im Jahre 1656 von Georg Luther an Johannes Uehling vertauscht wurde.

Das Denkmal, für dessen Gründung der verstorbene Dichter Ludwig Bechstein zu Meiningen seit 1846 durch Aufmunterung zu Beiträgen sehr viel gewirkt hat, ist ein Kunstwerk des Bildhauers Müller in der genannten Stadt und des berühmten Erzgießers Burgschmiet in Nürnberg, der leider den Tag der Vollendung und Enthüllung nicht erlebt hat. Figur und Piedestal sind zusammen 18 Fuß hoch, letzteres enthält auf der Vorderseite die Worte: „Unserm Luther in seinem Stammort 1846“; auf der rechten Seite in Relief ist die Anschlagung der Thesen an die Kirche zu Wittenberg, auf der hinteren die Gefangennehmung Luther’s unweit Altenstein, auf der linken der Reformator in seiner Stube auf der Wartburg mit der Bibelübersetzung beschäftigt. Auf den vier Ecken des Piedestals stehen die vier Evangelisten. Luther selbst steht mit dem linken Fuß etwas vorschreitend, mit der linken Hand die ausgeschlagene Bibel an der linken Seite seiner Brust stützend, die Rechte, wie in der Rede begriffen, etwas vorgestreckt.

In seinem Antlitz ist neben der Würde viel Milde, mit der er die versammelte Menge anzusprechen scheint, ausgedrückt. Die Zeichnung der einzelnen Stücke des Ganzen ist trefflich, nur finden wir gerade an diesem Standbild die gewöhnliche monumentale Größe deshalb nicht passend, weil sie dem Raum und den umgebenden kleinen unscheinbaren Gebäuden, dem beschränkten Standort mit einem Wort, nicht entspricht und auf die Umgebung, anstatt erhebend, so zu sagen erdrückend wirkt.

Auf einem freieren Platz, von großen Gebäuden umschlossen, würde das Verhältniß richtig sein, hier aber die natürliche Größe Luther’s deshalb angemessen erscheinen, weil hierdurch ein Ebenmaß zwischen ihm und den Gebäuden herbeigeführt worden wäre, das uns weit lebendiger in die Scene versetzen müßte, wo Luther einst an derselben Stelle vor einer so großen Menge der Bewohner Möhra’s und der Umgegend predigte, daß sie die damals sehr kleine Kirche nicht fassen konnte. Während man sich ihn in Mitten seiner Verwandten als den gelehrten Patriarchen denkt, erscheint er hier als Riese in der übernatürlichen Größe.

In den Herzen Aller, die dieses Fest besuchten, um das sich der kunstsinnige Erbprinz von Meiningen so verdient gemacht hat, wird die Erinnerung an dasselbe gewiß noch lange wach bleiben.

Dr. Polack.