Die Eisenbahn unter den Meereswogen

Textdaten
<<< >>>
Autor: H. B.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Eisenbahn unter den Meereswogen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 360
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch: Eine Eisenbahn unter den Meereswogen
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[360] Die Eisenbahn unter den Meereswogen. Nachtrag. Ueber dieses neueste Wunder des Jahrhunderts wird noch unendlich viel geschrieben werden. Wir ergänzen unsere in Nr. 8 befindliche Schilderung zunächst durch folgende Thatsachen, die für eine richtige Beurtheilung wesentlich erscheinen. Vor Allem vermindert sich die wohl in Jedem zunächst auftauchende Gefahr vor dem Einbruche des Meeres in den Tunnel fast bis auf ein Nichts, wenn wir erfahren, daß man in den Blei- und Kupferbergwerken von Cornwall, sowie in den Kohlenminen von Cumberland in England zum Theil bis beinahe eine deutsche Meile weit unter dem Meere hineingedrungen ist und immer weiter bergwerkt, ohne bis jetzt nur das leiseste Einsickern von Wasser bemerkt zu haben. Die Tiefe dieser Schachten kommt von zweihundertzwanzig bis siebenzig Meter dem Meeresbette nahe. Wenn es noch lange so fortgeht, gräbt man unwillkürlich den ungeheuersten aller unterseeischen Tunnel und kommt endlich unter der etwa zwölf deutsche Meilen entfernten Küste Irlands an und auf festem Boden von da wieder empor.

Noch mehr: Bei St. Just streckt sich das Bergwerk Huel-Cock vierhundertfünfzig Fuß weit unter dem Meere hin und zwar so dicht unter dem Meeresboden, daß man das donnernde Wogen von oben nicht selten hören und fühlen kann. Die schützende natürliche Steinmauer ist an manchen Stellen nur fünfzehn Fuß dick. An einer andern Stelle beträgt diese Schutzmauer gegen das tosende Meer oben kaum etwas über fünf Fuß, so daß die Leute unten bei großem Sturme von den Erschütterungen und dem Getöse über ihnen vertrieben wurden. Aber sie kommen immer wieder, und wenn sich manchmal höchstens eine Spalte mit einsickerndem Wasser einfindet, wird dieses Leck wie in Schiffen mit Werg, Pech und Cement dauernd verstopft.

Findet sich aber in solchen großen Tiefen nicht Wasser von unten ein? Merkwürdiger Weise bestätigt sich die schon vor beinahe hundert Jahren von dem englischen Ingenieur Pryce gemachte Behauptung, daß Tunnel unter dem Meere sich trockener halten, als eben solche unter festem Lande, auf das Glänzendste. Das Meer selbst sorgt für diese Trockenheit unter sich, da es seine Betten mit einem wasserdichten festen Schleime bedeckt. Aus der Meerestiefe hervorgeholte Steine oder Felsenstücke bestätigen dies; sie sind immer mit einer Schicht von Pflanzen und Muscheln und daran fest gewordenem Schleime überzogen, so daß die kleinsten Ritzen und Poren damit wasserdicht ausgefüllt sind.

Gestützt auf diese Thatsachen, haben die kühnen Unternehmer des englisch-französischen Eisenbahntunnels guten Grund, an die Gefahrlosigkeit und die Trockenheit ihres unterseeischen Verbindungsweges zu glauben und sich mit einer Tiefe von etwa fünfzig Fuß unter dem Meeresbette zu begnügen. Dadurch würde die Sache schon viel leichter werden, da zweihundert Fuß, die man früher für nöthig hielt, namentlich einen längeren Weg von den Küsten aus nach dem Lande hinauf in die Schienen, oberhalb der Erde nöthig machen würden. Es hieß deshalb auch schon, daß der Tunnel, unter dem Meere hin noch nicht fünf deutsche Meilen lang, durch seine beiden Ausläufe auf die Oberfläche Englands und Frankreichs, namentlich durch die nothwendigen Krümmungen, eine Länge von sechs und einer halben deutschen Meile erreichen würde. Jetzt hofft man wenigstens die Hälfte der Länge dieses aufsteigenden Landtunnels sparen zu können.

Auch in Bezug auf die Ausbohrung und Beseitigung von etwa drei Millionen Cubikmeter Kreidefelsengestein braucht man sich die Schwierigkeit nicht so groß zu denken. Die schon erwähnte Brunton’sche Maschine bohrt in diesen Kreidefelsen mit solcher Leichtigkeit, daß sie jede Stunde über drei Fuß vorwärts kommt. Sie bohrt immer gewaltige Löcher von mehr als sechs Fuß Durchmesser und befördert dabei die losgebröckelten Stücke auf einer durch die Maschine selbst gedrehten Leinwandfläche in die hinter ihr stehenden Wagen, welche durch ein System von Drähten und Winden in den an den Ausgängen befindlichen tiefen Brunnen fortwährend hin- und hergezogen werden. Diese Maschinerie wird, wie die zur Hebung und Beseitigung der ausgebohrten Massen, natürlich durch Dampf getrieben.

In den Tunnel selbst darf man damit nicht kommen. Deshalb werden die Brunton’schen Maschinen, wie die im Mont Cenis und jetzt im St. Gotthard, durch zusammengepreßte Luft getrieben. Dazu gehören freilich zuletzt Röhren von je etwa zwei und einer halben deutschen Meile Länge – sehr viel, aber es macht sich ganz einfach, indem man die Röhre mit den Fortschritten der Bohrmaschine eben nur immer verlängert. Es wird viel Geld kosten, aber ein und eine halbe Million Thaler sind ja bereits blos für die ersten Vorarbeiten gezeichnet worden. Bewähren sich diese, so kommen die achtzig bis hundert Millionen Gulden, die das Ganze nach der Berechnung des österreichischen Ingenieurs Pascher kosten wird, auch wohl zusammen.

Dabei hofft der französische Generalstabscapitain Roudaire auch noch seine zwanzig bis dreißig Millionen Franken für sein Sahara-Meer zu bekommen. Und die Amerikaner, mit ihrer Panama-Eisenbahn nicht zufrieden, wollen nun auch mit ihrem den Atlantischen und Großen Ocean verbindenden Tunnel Ernst machen. Auch kommt’s noch größer; denn „es wächst der Mensch mit seinen Zwecken“.
H. B.