Die „Oefen“ im Salzburger Gebirge

Textdaten
<<< >>>
Autor: J. Jäger
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die „Oefen“ im Salzburger Gebirge
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 112
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[112] Die „Oefen“ im Salzburger Gebirge. In Nr. 51 des vorigen Jahrganges der Gartenlaube in dem Artikel „Alpenbilder“ von Otto Banck heißt es bei Beschreibung des Passes Lueg Seite 811: „Nicht gar weit von hier liegen im tiefen Flußbette der Salzach merkwürdige vom Gebirge herabgestoßene Felsblöcke, auf welchen man vermöge künstlich angebrachter Wege und Stege herumklettern und bewundern kann, wie sie umbraust und umzischt werden von der wilden Wasserfluth. Diese von Baum und Moos bewachsenen Trümmer tragen den unerklärbaren Namen „die Oefen“ und locken wohl manchen Reisenden an.“ Dadurch kommt in die sonst wahre, durch gelungene Bilder noch werthvollere Darstellung eine kleine Unrichtigkeit. Die „Oefen“ sind keine tief im Flußbette liegenden Felsblöcke, wie man sie etwa im Bodethale an der Roßtrappe findet, sondern ungeheure Löcher und Klüfte in mächtigen, mehrere hundert Fuß hohen Felsen, und die ganze Partie lockt nicht nur „wohl manchen Reisenden“ an, sondern die Oefen haben einen Weltruf und werden nur selten von Reisenden versäumt, denn sie gehören zu den erhabensten Wundern des an Naturschönheiten so reichen Salzburger Alpenlandes.

Da ich dieselben erst im August des vorigen Jahres sah, so will ich versuchen, sie zu schildern. Am nördlichen Abschluß des ungeheuren Tännengebirgs, der steilsten Felsenmasse, welche ich in den deutschen Alpen kenne (wenigstens eine Stunde oberhalb Lueg gesehen) streckt sich dicht unterhalb Paß Lueg ein Berg quer vor das Thal der Salzach, derselbe, auf welchem die auf dem Bilde Seite 813 sichtbare Capelle Brunegg liegt, und schließt sich an die Felswände der westlichen Thalwand vollständig an, so daß die Salzach, oberhalb und unterhalb ein Fluß dritter Größe, sich einen Weg unter diesem Berge weg hat bahnen müssen.

An der Stelle nun, wo der Durchbruch ist, sieht man durch ungeheure Löcher, „die Oefen“, mehrere hundert Fuß tief hinab auf das weißschäumende Wasser. Der Name „Oefen“ erklärt sich nun leicht aus den mit einem schwarzen Ofenloch oder der Oeffnung riesiger Schornsteine vergleichbaren, wohl oft von Wasserdampf erfüllten Löchern. Ich will keine Beschreibung dieser Naturscenen von wildester Erhabenheit versuchen. Kommt man, sei es von Golling oder der Capelle Brunegg, auf bequemen Wegen an die Thalwand, so gelangt man über Treppen in die Tiefe und befindet sich in einer Felsschlucht der wildesten Art, die reich mit üppigem Baumwuchs beschattet ist. Man geht auf schmalem Felsgrat zur jenseitigen Thalwand, zu beiden Seiten die furchtbare Tiefe, wo unten der Strom braust. Obschon hinlänglich für Sicherheit gesorgt ist, so überläuft doch hier den stärksten Mann ein heimliches Grauen. Die Oeffnungen sind nicht etwa Spalten oder bilden eine Schlucht, sondern vollständige Schlünde von rundlicher Gestalt, senkrecht wie ein Schacht hinabgehend, weit genug, um vollständige Beleuchtung zuzulassen. Untersucht man die ganze Umgebung mit geologischem Blick, so erklärt sich die wunderbare Erscheinung ganz natürlich. Ein Berg hat das Thal der Salzach geschlossen, aber nicht seit Gestaltung der Gebirge, sondern viel später, durch Einsturz der gegenseitigen Thalwände. Ein ganzer Berg ist zusammengesunken. Man sieht deutlich an den noch festen eigentlichen Thalwänden, daß die Felsen, welche das Thal schließen, nicht[WS 1] an jene passen. Aber die herabgestürzten Felsen sind so kolossal, daß der Ungeübte sie gar nicht für Bergtrümmer hält, sondern für urwüchsigen Boden.

Diese wilde Scene wird zuweilen seltsam durch Menschen belebt. Wenn nämlich das Flößholz aus dem Pongau und dem Pinzgau durch die Oefen geht, so setzt es sich in dem überdies mit Felsblöcken bedeckten engen Durchgange unter den „Oefen“ oft fest, und wenn nicht nachgeholfen wird, so könnte es die ganze Oeffnung versperren. Da stehen dann nicht nur an den beiden Ausgängen des natürlichen Tunnels, sondern auch in dem Berge Männer, welche das festsitzende Holz mit langen Stangen losarbeiten. In diese Abgründe werden sie mit langen Seilen hinabgelassen. Das Flößholz ist zwar sehr prosaisch in dieser Poesie der Wildniß, aber es mag doch interessant sein, es anzusehen, zumal da es unten erleuchtet ist.

Ein Geistlicher erzählte mir in Bischofshofen im Pongau, die Salzach habe früher, durch den vorgeschobenen Berg gestaut, einen See fast bis hinauf nach Werfen gebildet. Da habe ein Bischof von Salzburg unternommen, den Berg zu durchbrechen, damit der See ablaufe, und so seien die „Oefen“ entstanden. Man sage zwar auch, daß es die Römer gethan, um einen bessern Zugang zu den Tauernübergängen zu bekommen, aber das sei nicht wahr. Im Volke geht noch eine andere Sage. Das Thal, sagt sie ganz wahr, sei früher nach Golling zu auch offen gewesen. Da habe ein Salzburger Bischof aus Rache, daß man ihm die Feste Hohenwerfen, Bischofshofen und andere Besitzungen oberhalb des Engpasses streitig gemacht, den Berg sprengen und das Thal verschütten lassen, damit Alles zu Grunde gehe bis weit hinauf in’s Pongau. Hiervon ist nun wohl eins so wenig wahr wie das andere, aber man kann daraus folgern, daß Bischöfe von Salzburg an den Oefen haben arbeiten lassen, um den Durchbruch des Wassers zu erleichtern. Es ist leicht möglich, daß die Schließung des Thales erst in historischen Zeiten erfolgt ist.

An eine Vertheidigung des Passes Lueg durch eine Heeresmacht ist jetzt, wenigstens wenn der Feind von Salzburg heraufkäme, nicht mehr zu denken. Von dem durch die Chaussee bequem zugänglichen Berge, wo die Capelle steht, würden ein paar Kanonen die ganze Feste in einer Stunde zusammenschießen.

Schließlich will ich noch erwähnen, daß man „die Oefen“, sowie den nahen berühmten Gollinger Wasserfall auch im Winter besuchen kann. wenn nicht hoher Schnee liegt. Im Sommer kann man die Tour zu Wagen in einem Tage von Salzburg aus abmachen und den „Oefen“ bis auf eine Viertelstunde nahe kommen. Zu Fuß ist die Partie von Salzburg bis Golling langweilig, deshalb benütze man den täglich über Hallein gehenden Stellwagen und Postomnibus. Will man den Gollinger Wasserfall erst besuchen, so steige man in Hallein oder erst in Kuchel aus und gehe auf dem linken Ufer der Salzach an den Wasserfall.
J. Jäger.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: meist (korrigiert nach: Berichtigung, Heft 10, Seite 160).