Textdaten
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Autor: August Becker
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Titel: Deutsche Treue im Elsaß
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 786–788
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[786]
Deutsche Treue im Elsaß.
Von August Becker.

Seit den Pariser Friedensschlüssen, welche Deutschland um den Lohn seiner blutigen Anstrengungen gebracht, erregte bis in die jüngsten Tage herein kein geographischer Name uns Deutschen so schmerzliche Gefühle, als der des schönen Landes zwischen Rhein und Vogesen, welches unsere deutschen Heere siegreich nunmehr wieder zurückerobert haben, und jener der stolzen Stadt, welche einst als der Schlüssel des deutschen Reiches galt und die erst seit wenigen Wochen wieder der Obhut deutscher Tapferkeit zurückgegeben ist. Unvergessen ist es geblieben, daß das Elsaß Deutschlands schönstes Reichsland war, daß Straßburgs Münsterthurm des Reiches Sturmbanner trug, und daß das Volk daselbst auch immer treu und fest zum Reiche gestanden hat.

Schon frühzeitig lag aber die anwachsende Macht des großen Nachbarstaates wie ein Alp auf dem Lande am linken Oberrhein. Zwar im vierzehnten Jahrhundert, während Frankreich unter den englischen Bedrückern litt, wagten sich nur einzelne räuberische Haufen über das Gebirg, um mit blutigen Köpfen wieder zurückgeschickt zu werden. Sobald sich jedoch Frankreich der Engländer entledigt hatte, fing es auch an seine Annexionspläne bis an den Rhein zu erstrecken. Mit jenem heuchlerischen und gewissenlosen Ludwig dem Eilften, dem Frankreich seine Einheit dankt, und den uns Walter Scott im Quentin Durward so treffend schildert, beginnen die französischen Uebergriffe. Schon als Dauphin sprach er seine Gier nach den schönen Rheinlanden unverhohlen aus, da er mit den Banden der Armagnacs, den sogenannten „armen Gecken“, mordend und brennend über die Vogesenpässe herunter in’s reiche Elsaß fiel, um gegen die Schweizer zu marschiren und jene Schlacht von St. Jacob zu schlagen, wo ihn der unterliegende Heldenmuth des helvetischen Volkes zum Rückzuge zwang.

Er selbst sprach es damals in einem noch vorhandenen Manifeste geradezu aus, daß die natürliche Grenze Frankreichs der Rhein sei, und er sei gekommen, das, was im Laufe der Zeiten verloren gegangen, wieder an sich zu bringen. Aber das elsässische Volk, obwohl ganz auf sich selbst angewiesen, erhob sich muthig gegen seine Dränger und trieb sie mit Karst und Flegel über die Vogesen zurück. Der Unmuth des Volkes kehrte sich deshalb in Liedern und Sprüchen vor Allem gegen die damaligen Reichsfürsten, die dem Unrecht nicht gewehrt hatten:

„Das sind die Kurfürsten von dem Rhein,
Die wirken wenig nach Ehren.
Sie lugen durch die Finger gar
Und lassen das römisch Reich untergahn,
Deß sollten sie nun wehren.“

Aber auch dem Dauphin und seinem Vater ruft der elsässische Dichter zu:

„Delphin, was hast Du gedacht,
Daß Du die Mörder her hast ’bracht?
Schäm’ Dich, Du edles Blut!

Bist Du ein König von Frankreich? ..
Du thust einem König gar ungleich! ..
Es steht einem König gar übel an,
Daß er läßt morden Weib und Mann.
Dein Lob hört man nicht mehren.“

Am heftigsten wenden sich jedoch diese „Cantilen von den armen Gecken“ gegen den Kaiser selbst, der die Franzosen gegen die Schweizer zu Hülfe gerufen hatte:

„Bist Du ein König von Oesterreich,
Des römischen Reichs ein Herre?
Du solltest mehren das römisch’ Reich,
Nun willst Du es zerstören.
Du hast die Mörder hergeladen
Allen Städten auf ihren Schaden,
Schäm’ Dich der großen Unehren! ...

Und nun ruft der schneidige Sänger den Städten zu:

„Daran gedenkt ihr Städte gemein,
Die zu dem Reich gehören!
Kommt deß überein,
Wie ihr das Uebel woll’t zerstören.
Ihr sollt ihrer keinen leben lan,
So mag das Land in Frieden stahn!
Ihr könn’t euch wohl noch wehren.“

Doch genug der derben Reime, welche von der Entrüstung und dem vaterländischen Ehrgefühl des elsässischen Volkes vor vierhundert Jahren Zeugniß geben. Aber nach diesen Versen handelte man auch, wie mein demnächst in Leipzig bei Günther erscheinender Roman „Thurmkätherlein“, eine elsässische Geschichte, darthun wird, und deutsche Fäuste, Schwerter und Spieße waren für die Franzosen noch gründlich gefürchtete Dinge. Unter dem gewissenlosen König Ludwig dem Eilften und seinen Nachfolgern blieb man in den Landen am Oberrhein gut deutsch. Die Zusammengehörigkeit mit dem Reiche gebar patriotischen Stolz, und die nämliche Stimmung, welche heute Fürst und Volk erfüllt, war damals schon, vor vierhundert Jahren, auch im Elsasse lebendig. Das Wort Nation wurde damals und später, wie auch Hutten’s patriotische Lieder zeigen, vorzugsweise von dem deutschen Volke gebraucht, und dieses war von einem kriegerischen Stolze erfüllt, von dem man einige Jahrhunderte später keine Ahnung mehr hatte. Erst als die Macht des Reichs mit den Reformationsstreitigkeiten durch innere Kriege lahm gelegt ward, [787] wagte es wieder ein französischer König als Bundesgenosse des Kurfürsten Moritz gegen den Kaiser und als „Schirmer der deutschen Freiheit“ die lothringischen Städte und Bisthümer an sich zu reißen. Auch vor Straßburg rückte der welsche Fuchs; die Bürger aber zeigten ihm die Kanonenschlünde und Musketenläufe von ihren Wällen und scheuchten den Feind mit wohlgezielten Schüssen hinter die Vogesen zurück. Die protestantischen Fürsten aber dachten leider keineswegs mehr daran, dem Kaiser und Reich die lothringischen Reichsstädte zurückzuerobern.

Die beste Gelegenheit für die lauernde Politik Frankreichs, sich am Oberrhein festzusetzen, bot der unselige dreißigjährige Krieg. Zwar im Felde konnten auch damals die Franzosen deutschen Truppen nirgends Stand halten und wurden allüberall in längst vergessenen Schlachten auf’s Haupt geschlagen. Dennoch wußte sich welsche List immer fester im Elsaß einzunisten, und der westphälische Friede überlieferte ihnen das Land großentheils, trotz des Unwillens aller Vaterlandsfreunde. Sang doch der treffliche Oschatz schon 1646:

„Nun ist es Zeit zu wachen,
Eh’ Deutschlands Freiheit stirbt
Und in dem weiten Rachen
Des Krokodils verdirbt.
Herbei, daß man die Kröten,
Die unsern Rhein betreten,
Mit aller Macht zurücke
Zur Son (Saone) und Seine schicke.

Wollt ihr euch unterwinden,
Zu thun, was euch gebührt,
Ein Herman wird sich finden,
Der euch zum Siege führt.
Laßt euch verstellten Frieden
Zum Schlagen nicht ermüden!
Mit Wachen und mit Wagen
Muß man die Ruh’ erjagen!“

Man weiß, wie von da an Frankreich mit Gewalt und List sich in Besitz des ganzen Elsasses, wie überhaupt des linken Rheinufers zu setzen suchte. Der fürchterliche lange Krieg hatte die Reichskraft für Jahrhunderte hinaus gebrochen. Der früher so mächtige Kurfürst von der Pfalz konnte dem Verwüster Türenne, dem Vorgänger der Melac und Monclar, kein Heer entgegenstellen, und sein Schmerz mußte sich darauf beschränken, den Franzosen zum Zweikampfe herauszufordern und durch die Verheirathung seiner Tochter an einen französischen Prinzen, jener edeln Elisabeth Charlotte, die sich selbst als Opfer der Politik ansah, den gefährlichen Nachbar milder zu stimmen. Die Großen des Reichs sahen ungerührt zu, wie Deutschlands schöne Grenzmarken systematisch zur Wüste gemacht wurden, und äfften noch Ludwig dem Vierzehnten nach, so daß schon Moscherosch singen konnte:

A la mode bringt uns noch
Unter ein fremd’ Reich und Joch!“

Das war die Zeit, wo französisches Geld den Verrath an Deutschland nährte und die Elsässer für ihre Anhänglichkeit an das Reich noch unendlich mehr litten, als in unseren Tagen etwa die Schleswig-Holsteiner erduldet haben.

„Elsaß, ach! das edle Land
Seelzagt zwischen Raub und Brand!“

klagt der ehrliche Han in seiner Darstellung des „seelzagenden, edeln, nun fast öden Elsasses“, während das verzweifelnde Volk sich gegen die französischen Mordbrenner erhob und einzelne Bandenführer, wie unter Anderen den entsetzlichen La Brosse, erschlug, stets in der Hoffnung auf endliche Hülfe durch Deutschland. Singt doch der vorhin genannte Han:

„Gott wird den gerechten Waffen
Endlich Fried’ und Ruhe schaffen,
Der Tyrannen Hochmuth strafen,
Einst im Grimm dahin sie raffen,
Oder plötzlich legen schlafen.
Hie! Gott und des Kaisers Waffen!“

Der ehrliche Mann sucht sich in der damaligen Noth und Verwüstung noch damit zu trösten, „daß die Feinde so grausam nur deshalb verfahren, weil sie das Laud doch nicht auf die Länge behaupten könnten, sondern es Kaiser und Reich wieder überlassen müßten.“

Vergeblicher Trost des armen gehetzten Volkes! Wer etwas tiefer in die Geschichtsacten nach dem dreißigjährigen Kriege geschaut, ist schmerzlich berührt davon, wie schmählich das Elsaß von Deutschland verlassen ward. Es krümmte und bäumte sich unter den Geierskrallen des mächtigen Feindes; sein geängstigtes Volk stand todesmuthig auf, die Dränger zu erschlagen; Landschaft und Städtebund ließen laute Nothschreie in’s Reich erklingen, klammerten sich an jeden Strohhalm an, der noch die Verbindung mit Deutschland vermittelte. Vergeblich. Es war die Zeit von Deutschlands tiefster Erniedrigung. Die durch des „großen Ludwig“ Einfluß entnervten Fürsten überwiesen feig die Reichsstädte des Elsasses dem Erzfeinde, stießen sie ihm gleichsam in die Hände, bis sie sich, an Allem verzweifelnd, ohne Hülfe und Beistand, dem Dränger endlich ergeben mußten. Durfte doch Ludwig der Vierzehnte mitten im Frieden Straßburg, eine der wichtigsten Städte des Reichs, ungestraft wegnehmen. In banger Ahnung dieses Schlusses der Dinge aber gingen durch das Land die warnenden Verse:

„Wann’s Colmar, Landau, Weißenburg übel geht,
So seh’ zu, Hagenau, wie es um dich steht.
O Rath zu Straßburg, siehe zu,
Und hüt’ dich, mach dein’ Thür’ wohl zu.
O römisch Reich! Sieh’ wohl für dich,
Damit der Bund nicht von dir wich.“

Wollen wir uns heute daran und an alle die Leiden erinnern, welche das Elsaß für Deutschland erduldet; wollen wir nicht vergessen, daß es sich erst von uns verlassen ergab, daß es Deutschlands eigene Schuld ist, wenn die Elsässer uns im Laufe der Zeiten auch in ihren politischen Sympathien verloren gegangen sind.

Und trotzdem, noch lange, nachdem das Elsaß eine französische Provinz geworden, blieb es in Sitte und Gesinnung ein deutsches Land. Nicht umsonst hatten da gewirkt Mönch Otfried, Gottfried von Straßburg, Tauler, Geyler von Kaisersberg, Sebastian Brandt, Murner, Fischart und hundert Andere in Kunst und Wissenschaft. War es auch dem Reichsfeind geopfert, so blieb es doch eines der Mutter- und Pflegeländer des deutschen Volksgesanges, und unser größter Dichter bildete bekanntlich am elsässischen Volksliede zuerst sein lyrisches Genie. Klingt doch auch heute noch, nachdem uns das Elsaß mit der großen französischen Revolution erst völlig verloren gegangen war, in hundert Variationen durch das deutsche Volksgemüth:

„O Straßburg, o Straßburg,
Du wunderschöne Stadt!“

Erst die große Revolution entfremdete uns die Elsässer politisch. Zwar regte sich auch noch während der Schreckenszeit der Föderalismus zumeist im Elsasse und mußte durch Kerkerluft und Blut erstickt werden. Die gemeinschaftlichen Siege der republikanischen Periode und des ersten Kaiserreichs jedoch haben die Elsässer fest an Frankreich gekettet. Ihrem Stolze schmeichelte es, redlich zu jenen Siegen beigetragen zu haben. Denn gerade aus dem Elsasse kamen der Republik und dem ersten Napoleon die tapfersten Generale und kamen bis heute noch der französischen Armee die besten Soldaten. Der kriegerische Sinn der Alemannen verleugnete sich auch in der fremden Uniform nicht.

Hat die große Revolution die Elsässer erst politisch zu guten Franzosen gemacht, wozu sie im Hinblick auf die deutsche Zerrissenheit leider sich nur bestärkt fühlen konnten, so ist denn auch besonders seit 1848 unter dem zweiten Kaiserreich französisches Wesen in Sitte und Sprache zum Durchbruch gekommen. In den größeren Städten wird von den Gebildeten das Elsässer Deutsch von oben herunter als Dialekt angesehen, den man dem gewerbetreibenden Volke überläßt und nur noch mit den Dienstboten spricht.

Dennoch hat sich immer noch viel deutscher Sinn, besonders auf dem Lande, bewahrt. Heute wie früher betet und flucht der Elsässer deutsch, wenn auch in Schule und Kirche lange Zeit nur französisch gelehrt und gepredigt worden war. Das Alemannische des obern Landes und das Rheinfränkisch-Pfälzische um Weißenburg ist ihm „Muettersprooch“ geblieben. Wenn er sich auch gern an den „Dütschen“ rieb, deren politische Zerrissenheit ihm vor Augen lag und die er bald Gelbfüßler, bald Schwaben nannte, so sah er doch verachtungsvoller herunter auf den „Wälschen“ hinter den Vogesen, den er sich durchaus nicht ebenbürtig denken wollte. Dem deutschen Einflusse ist es zuzuschreiben, daß im Elsasse bessere Schulen sind als sonst in Frankreich, und der verwälschte Lothringer gilt dem intelligenteren Oberrheiner als „dummer Tuifel“. Der Kinderspott kennt aber heute noch den Zuruf: „Wälscher Hannikel, Gukummersalat etc.“

Auch im Aeußern, im Charakter der Häuser und Straßen, sind sowohl die Dörfer als Städte noch deutsch. Seltsam berührte [788] uns aber, als wir vor Jahren durch die Straßen Straßburgs gingen, die nun von den festen Schritten der deutschen Landwehr wiederhallen, die Tricolore an den öffentlichen Gebäuden und die munteren Rothhosen, die unbekümmert um unsre Stimmung mit den Händen in den Taschen und den Pfeifenstummeln zwischen den Lippen dahin „wiesselten“, indem sie sich völlig heimisch geberdeten in der Stadt Erwin’s von Steinbach und in der des Mönchs Otfried, der unserer deutschen Sprache gleichsam erst ihre literarische Tiefe gegeben.

Wenn sich auch der Elsässer politisch für den besten Franzosen hielt, lebt und webt doch überall im Lande noch deutsche Sage und Sitte. Wie sehr dies der Fall ist, hat uns August Stöber in seinem elsässischen Sagenbuch, in der Alsatia und anderen Schriften bewiesen. Man darf nur flüchtig das Land durchstreifen, um durch malerische Volkstrachten überrascht zu werden, welche einzelne Gegenden sich noch bewahrt haben. Die reizenden Kochersbergerinnen, die Bäuerinnen von Seebach und die rothröckigen Mädchen bei Schlettstadt schaffen der milden, fruchtreichen Landschaft vor den Vogesen allenthalben die schönste Staffage. Und nun das Land selbst – ein Garten in der Ebene, ein vierundzwanzig Meilen langer Weinberg am Gebirgshange!

Das Elsaß ist eines der schönsten und fruchtreichsten Länder. Besonders vom Odiliensberge an aufwärts bis Mülhausen ein paradiesisches Frucht- und Weinland mit stattlichen Berghöhen voller Wälder und mit prächtigen Thälern, reich an Industrie und Verkehr. Wie eine Perlenreihe schließen sich im Weingürtel der Vogesen Städte und stadtähnliche Dörfer an einander. Fast jedes Städtchen hat sein altes Münster, jedes Thal seine schönen Klosterreste, fast jeder Berg seine Burgruine, zumeist höchst sehenswerthe, architektonisch schöne Zeugen einer culturreichen Vergangenheit. Selbst der Eisenbahnreisende, der bei Schlettstadt und Colmar sich dem Fuße der Vogesen nähert, wird mit Ueberraschung die Pracht eines Landes gewahr, von dessen Naturschönheiten die Welt noch nicht besonders viel gehört hat, obgleich die Vogesen den Schwarzwald darin noch überbieten. Und gerade bei den genannten Städten, die in der reichen Ebene vor den Eingängen der schönsten Thäler liegen und als Hauptstapelplätze des Weinsegens gelten können – bei Schlettstadt und Colmar verewigt sich gleichsam die Herrlichkeit des Landes zu einem großen Bilde. Dort entstand auch der Spruch vom Wahrzeichen des Elsasses:

„Drei Schlösser auf einem Berg,
Drei Kirchen auf einem Kirchhof,
Drei Städt’ in einem Thal:
So ist das Elsaß überall.“

Und dem schärfern Beobachter wird alsbald auffallen, daß die Elsässer sich in Sitten und Gebräuchen deutsches Wesen da und dort treuer bewahrt haben, als so viele andere Stämme des alten Reichs; daß die Trachten noch immer so schön und ansprechend sind, wie irgendwo; daß es beim Erntetag und Feierabend, bei der Weinlese und Kirchweih klingt und singt in echt deutschen Liedern und Weisen; ja daß durch die Spinnstuben noch überall die Schatten der germanischen Götterwelt schauern und die ahnungsvollen Reden laut werden von der entscheidenden Weltschlacht auf elsässischem Boden, wo die Pferde bis an die Knöchel im Blute waten und der Herrscher von Frankreich von dem Könige der Deutschen geschlagen werden wird. Wo aber in solcher Weise noch deutsches Wesen wurzelt, läßt sich der französische Firniß leicht von der Oberfläche lösen, und er wird um so rascher entfernt werden können, je mehr das alte Vaterland den wiedergewonnenen Kindern Liebe und Ehre zurückbringt. Und statt halb verstohlen und halb verschollen, wie der Straßburger Dichter Karl Bernhard im Bivouac der algerischen Sahara, kann der Elsasser laut über den Rhein in’s große Vaterland hinein singen:

„Miin Muedersprooch isch lieb mir, werth,
I kann’s halt nit verhehle,
und wenn au Mancher drum sich scheert,
Wer wird sich dorum quäle!
Merr redde ditsch! d’ Kindskinder noch,
In viele hundert Johre,
Redde mit Freud’ ihr’ Muedersprooch,
Nein, nie geht die verlore!“