Deutsche Originalcharaktere des achtzehnten Jahrhunderts/Johann Georg Schrepfer

Textdaten
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Autor: Rudolf von Gottschall
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Titel: Johann Georg Schrepfer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 538–540
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Deutsche Originalcharaktere aus dem achtzehnten Jahrhundert.

Johann Georg Schrepfer.
Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Ein merkwürdiges Jahrhundert, dies Jahrhundert der Aufklärung, in welchem soviel Spuk, Geisterseherei und Geisterbeschwörung noch bis gegen den Schluß hin Platz fand. Für vieles Unbegreifliche hat uns erst die neueste Zeit den Schlüssel gegeben. Räthselhaft mußte es erscheinen, daß Männer von hoher geistiger Bildung jenem abenteuerlichen Treiben ihre Theilnahme zuwenden konnten, und man hat diese Thatsache in jeder Hinsicht abzuschwächen gesucht; jetzt, nachdem mehr als hundert Jahre zwischen uns und jener Zeit liegen, haben wir es ja selbst erlebt, daß namhafte Gelehrte und Naturforscher nicht nur einen unerschütterlichen Glauben an den Spuk der Geisterbeschwörer hegten, sondern ihn sogar wissenschaftlich zu erklären suchten und dafür neu erfundene Formeln zu Hilfe nahmen. Wenn dies im Jahrhundert der Eisenbahnen und Telegraphen möglich war, so braucht man über ähnliche Vorgänge in dem vorausgehenden Säculum, in welchem noch Hexen verbrannt wurden, nicht zu staunen.

Unter den Magiern jener Zeit, von denen sich der Italiener Cagliostro und der Franzose Saint Germain einen Weltruf erworben haben, befindet sich auch ein Deutscher, dessen Name kaum über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus genannt wurde, der in bürgerlichen Verhältnissen lebte und nicht durch alle europäischen Salons abenteuerte, der aber dennoch Einfluß und Macht in seltenem Maße gewann, Johann Georg Schrepfer (oder Schröpfer). Er war Kaffeewirth in Leipzig und gewiß der einzige unter seinen Berufsgenossen, um den ein geheimnißvolles Dunkel schwebte, denn in den Lokalen, in denen der Mokkatrank kredenzt wird, pflegt ja stets die lauteste Oeffentlichkeit zu herrschen. Schrepfer war 1730 geboren. In seiner Jugend war er Kellner in einem Leipziger Gasthofe, und gerade in diesem Gasthof hielten die Freimaurer ihre Versammlungen ab; er wurde als Mitglied unter die dienenden Brüder des Ordens aufgenommen. Später soll er als preußischer Husar mehrere Jahre gedient haben; dann wurde er soweit vom Glück begünstigt, daß er die Laufbahn, die er anfangs als Kellner eingeschlagen, weiter verfolgen konnte: ein nicht unvermögendes Mädchen wendete ihm seine Neigung zu, er heirathete es und eröffnete in der Leipziger Klostergasse ein Kaffeehaus, dem es nicht an Gästen fehlte. Bei diesen wußte er sich bald durch seine Kenntniß des Maurerthums ein Ansehen zu geben. Er deutete indeß an, daß er darüber hinaus Geheimnisse besitze, welche den meisten Maurern verschlossen seien, unterwarf die bestehenden Logen einer scharfen Kritik und fand bei ihnen nichts als Spiegelfechterei; in das Geheimniß der Maurerei, welches Gewalt über die Geister gebe, seien nur wenige eingedrungen. Darauf aber gerade ging das unruhige Streben auch guter Köpfe. Der Schauspieler Brückner in Berlin, obschon mit Lessing befreundet, strebte mit Eifer nach dieser geheimen Weisheit, die nach seiner Ansicht die Tempelherren einst besessen hatten. Er berichtete seinem Freunde, dem Kaufmann Schlegel in Leipzig, daß es noch sieben Personen in Preußen gebe, die von den Tempelherren herstammten und sich einmal des Jahres in einer alten Kapelle in Güstrow versammelten, um dort „wahre Arbeiten“ zu verrichten. Einen dieser Männer werde er demnächst selbst kennenlernen; er lebe ganz nahe bei Berlin in der Stille und gehe mit einem blauen Mantel, mit verschnittenen Haaren und einem Stutzbärtchen.

Johann Samuel Benedikt Schlegel, an den der beliebte Bühnenkünstler diese Zeilen schrieb, stand mit Schrepfer im nächsten Verkehr und hat auch ein Tagebuch über seine Erlebnisse dabei herausgegeben. Er war ein ehrlicher braver Mann, ein durchaus anständiger Charakter und trat darum Schrepfer anfangs schroff gegenüber, als dieser das Maurerthum und besonders die Loge „Minerva“, welcher Schlegel angehörte, mit Schmähungen überhäufte; ja, er verklagte ihn sogar bei dieser Loge, ohne daß indessen etwas gegen Schrepfer unternommen worden wäre. Dieser war inzwischen Schlegel persönlich nähergetreten, hatte lange Zwiegespräche mit ihm über das Geheimniß der Maurerei gehabt, und ihm endlich erklärt, er werde ihn durch Thatsachen überzeugen. Schlegel möge einer Probe seiner Kunst beiwohnen. Dieser erklärte sich dazu bereit und der Erfolg war, daß er ein überzeugter Anhänger des Geisterbeschwörers wurde.

Wie es bei diesen Proben oder sogenannten „Arbeiten“ zuging, darüber berichten uns andere Zeitgenossen. Zuerst wurden bei einer anregenden Punschbowle Gespräche geführt, wie sie in maurerischen Kreisen üblich waren; dabei zeichnete sich Schrepfer durch eine sinnverwirrende Beredsamkeit aus, welche die Zeichen und Symbole aus der Geheimwissenschaft aller Zeiten spielend durcheinander warf. Nachdem die Anwesenden durch den Punsch und das Hexeneinmaleins des Zauberers in die rechte Stimmung versetzt worden waren, traten sie in den Billardsaal und stellten sich vor dem Billard auf. Hinter demselben hatte „der Meister“ im Priesterornat an einem schwarz verhangenen Tisch, der einen Altar vorstellte, Platz genommen; dann mußten alle niederknieen und inbrünstig für den Erfolg der heiligen Arbeit beten; Schrepfer las darauf die Messe und flehte die überirdischen Mächte an, ihm hilfreich zu sein und die von ihm herbeibeschworenen Personen erscheinen zu lassen. Bei diesen Beschwörungen verzerrte er seine Züge, seine Gebärden hatten etwas krampfhaft Schauerliches, nicht minder seine Ausrufungen, der Aufschrei, mit dem er die Pforten des Geisterreichs öffnete. Dann stieg vor dem Altar ein glänzender Nebel auf, in dem sich die herbeigebannte Gestalt zeigte. Oft aber benahmen sich auch die Geister wie die lärmfrohen Klopfgeister des neunzehnten Jahrhunderts: sie kündigten ihr Erscheinen durch Klopfen und Poltern an, die Thür erdröhnte von ihren Schlägen, unter wildem Getöse, unter Zischen und Pfeifen traten sie in den Kreis der Endlichkeit. Schrepfer drohte jedem der Zuschauer den Tod an, der sich vom Platze rühren würde. Was nun die Geister sprachen, ob sie geistreich und tiefsinnig sich äußerten, darüber schweigt die Kunde; vielleicht waren sie so geistlos und alltäglich wie die neuesten Gespenster. Allzu bekannte Zeit- oder Stadtgenossen herbeizubeschwören, weigerte sich Schrepfer, indem er erklärte, er habe nicht über alle Geister Macht. So vermochte er nicht, den Wunsch seiner Zuhörer zu erfüllen, welche den Geist des jüngstverstorbenen Gellert zu sehen verlangten. Den liebenswürdigen Dichter kannte jedes Kind in Leipzig – und da wären doch wohl auch in gläubigen Gemüthern Zweifel wegen mangelnder Porträtähnlichkeit aufgestiegen.

Solche Bedenken fielen fort, wenn Schrepfer die beiden vor kurzem hingerichteten Grafen Struensee und Brandt erscheinen ließ; denn diese trugen die abgeschlagenen Köpfe unter dem Arm und erschwerten so eine Prüfung ihrer Gesichtszüge. Bisweilen begegnete aber doch den Geistern das Unangenehme, daß sich beim genauen Studium ihres Kostüms die allzuirdische Herkunft einiger Bestandtheile desselben ergab. Schlegel hatte sich einmal, ehe Schrepfer erschien, unter dem als Altar hergerichteten Tisch versteckt; da bemerkte er zu seinem Erstaunen, daß der eine Geist Schuhschnallen trug, die ihm sehr bekannt vorkamen, denn der Oberkellner aus dem Kaffeehause Schrepfers hatte sie tags zuvor in Schlegels eigenem Laden gekauft. Auch sonst machten zweifelsüchtige Freunde oft Entdeckungen, welche ihren Argwohn nur vermehren konnten: bei verriegelter Thür konnten z. B. die Geister nicht herein. Bisweilen erschienen dieselben in verschiedenem Licht in dem verfinsterten Zimmer; es kam eben, so wurde erklärt, auf den Grad der Seligkeit an, den sie drüben erlangt hatten, ob sie sich weiß oder rötlich oder dunkelbraun zeigten. Um diese Unterscheidung herbeizuführen, bedurfte es aber besonderer Anstrengungen des Geisterbanners, der oft stundenlang betend auf der Erde lag und dann mit Weihwasser, geweihten Kerzen und einem Kruzifix, das er beschwörend in der Luft umherschwang, die Macht seiner Bannsprüche verstärkte. Schrepfer ließ, gegen die Sitte des Maurerthums, auch Frauen in männlichen Kleidern an den Logenarbeiten theilnehmen, überließ es auch bisweilen, wenn er verreist war, seinen Zöglingen allein, die erlangte Zaubermacht zu prüfen. Dabei machten diese aber sehr entmuthigende Erfahrungen. Schlegel berichtet, wie ihrer sieben, obschon sie sich mit wahrer Rührung der Seele und des Geistes der Arbeit gewidmet hatten, doch nichts auszurichten vermochten, wie kein Geist kam und wie er selbst in dem Zauberspiegel, in welchem er nach Schrepfers Verheißung Wunderdinge schauen sollte, nichts gesehen habe als sein eigenes altmodisches Gesicht und noch dazu mit einem kahlen Kopfe. Dieser Jünger fing überhaupt an, gefährlich zu werden; es regte [539] sich in ihm der böse Geist der Aufklärung welcher prüfend umhertastete. So schloß man ihn allmählich von den Versammlungen aus, in denen die tieferen Geheimnisse der neuen Loge geoffenbart wurden, und zuletzt wurde er ein Ungläubiger, der grollend beiseite stand.

Von den berühmten Meistern der Beschwörungskunst unterschied sich Schrepfer durch die Kühnheit, mit welcher er sich selbst und seinem Zauberwerk einen streng kirchlichen Anstrich gab. Er behauptete, ein heimlich geweihter katholischer Priester zu sein, und in der That hatte er unbestreitbar geheime Beziehungen zu den Jesuiten, welche damals in die Freimaurerei eine Bresche zu schießen suchten, indem sie die nur auf geistige Erkenntniß gerichteten Bestrebungen der schottischen Logen durch Goldmacherei und Geisterspuk verfälschten; jedenfalls steht auch sein tragisches Ende damit in Zusammenhang. Ein Brief Schrepfers an den Grafen Brühl in Dresden beweist deutlich, daß beide einer geheimen Gesellschaft angehörten, welche wohl auch aus der Freimaurerei herausgewachsen, aber keineswegs mit ihr ganz gleichartig war. Aus den Zeichen und Symbolen kann man herauslesen, daß es sich um Zwecke handelte, welche sogar der höheren Politik dienstbar waren, sofern es galt, die vertriebenen Stuarts zu rächen oder wieder in ihr Land einzuführen.

Jener Brief enthält eine Beschwerde Schrepfers über die Behandlung, welche seine Genossen Schlegel und Becker in der Loge „Minerva“ gefunden hatten. Der Meister vom Stuhl hatte ihnen mit Ausschließung gedroht, hauptsächlich wohl deshalb, weil sie in Schrepfers Orden eingetreten waren. Dieser streute zur Nachtzeit in den Straßen Leipzigs Zettel aus, auf denen Schmähungen gegen die Loge „Minerva“ standen; ja, er erschien eines Tages in derselben mit geladener Pistole, die er freilich, nachdem er damit seinen bösen, auf gewaltsames Einschreiten gerichteten Sinn verrathen hatte, dem Meister vom Stuhl übergeben mußte. Später veröffentlichte er neue Schmähschriften und ließ sie sogar an den Straßenecken anschlagen. Da wandte sich die Loge an die Behörden, und als Schrepfer unbefugterweise den Herzog Karl von Kurland, den Sohn des Kurfürsten von Sachsen, den obersten Schutzherrn der sächsischen Freimaurer, mit hereingezogen und behauptet hatte, er sei von diesem zu allem, was er thue, ermächtigt worden, begab es sich, daß ein Offizier, Obristlieutenant von Sydow, nach Leipzig geschickt wurde, um Schrepfer für seine Anmaßung zu züchtigen. Der Magier wurde von vier Unteroffizieren nach der Hauptwache geführt und erhielt hier hundert Stockprügel, über die er noch die folgende Quittung ausstellen mußte:

„Ich Endesunterschriebener bekenne hierdurch und kraft dieses, daß ich die von Sr. K. H. des Prinzen C. von Curland mir dekretirten ein Hundert Prügel dato richtig erhalten habe.
Leipzig, den 18. September 1773.
Joh. George Schrepfer.“ 

Später beschwerte er sich bei dem „hochweisen Rath der hochberühmten Handelsstadt Leipzig“ über diese Mißhandlung, die zugleich als ein Eingriff in die Rechte des Rathes erscheine, dessen treuer und rechtschaffener Unterthan er sei. In den Blättern stellte er jedoch die Thatsache selbst in Abrede; es kam zu Verhandlangen zwischen dem Rath und dem Herzog, die aber im Sande verliefen.

Bald sah indeß der Herzog ein, daß er in seinem Verfahren gegen Schrepfer einen falschen Weg eingeschlagen habe und daß es für ihn vortheilhafter sei, den klugen Kopf des Magiers sich nutzbar zu machen. Wir sehen nicht lange darauf den letzteren in vornehmen Dresdener Kreisen verkehren, und gerade im Palais des gänzlich bekehrten Prinzen von Kurland durfte er seine Geisterbeschwörungen einem ausgewählten Publikum zur Schau stellen. Zu seinen Genossen und „Brüdern“ gehörte der Minister von Wurmb und der Kammerherr von Bischofswerder, derselbe, welcher später den König Friedrich Wilhelm II. von Preußen durch die gleichen Gaukeleien beherrschte, die er von dem Geisterseher überkommen hatte. Der Kaffeewirth aus der Leipziger Klostergasse bewegte sich in diesen Kreisen mit überraschender Gewandtheit; er war ein stattlicher schlanker Mann, der sich geltend zu machen verstand und auch einen überlegenen Geist bekundete. Ohne Frage verfügte er für seine Schaustellungen über physikalische Kenntnisse und Hilfsmittel und auch über die Kunst der Bauchrednerei, da er seine Geister oft seufzen, oft in unkenntlichem Ton sprechen, oft lärmen und brüllen ließ. Das Merkwürdigste aber war, daß er durch die Sicherheit seines Auftretens hochgestellte Hofherren in eine Art von Abhängigkeitsverhältniß zu sich brachte und ihnen sogar Gehälter auszuzahlen versprach; er behauptete, einen ihm von den Jesuiten übergebenen Schatz von etwa einer Million Reichsthalern in sächsischen Steuerscheinen zur Verfügung zu haben, um damit hochverdiente Männer der Regierung zu belohnen, die zum Besten des Vaterlandes gewirkt hätten. Der Schatz sei bei einem Frankfurter Bankhause verwahrt. Nachforschungen ergaben, daß sich dort in der That eine Kiste befand, welche anscheinend Papiere enthielt. Ein Brief des Ministers von Wurmb an seinen „verehrungswürdigen Bruder“ Schrepfer mahnt diesen, ja seine Versprechungen zu erfüllen. Welcher Art diese Versprechungen waren, geht aus einem dem Schreiben beiliegenden Vertragsentwurfe hervor, demzufolge die Gelder in der Schweiz ausgezahlt werden sollten und niemand danach fragen dürfe, woher sie kämen; der Herzog von Kurland sollte drei Jahre hintereinander je 16 000 Thaler erhalten, der Minister von Wurmb 6000 Thaler; „nach Verfließung der drei Jahre sollte die Summe verstärkt werden;“ sie sollten dafür die Logen, die bezeichnet wurden, besuchen und die Mitglieder zur Tugend ermahnen, das heißt, die im Dienste der Jesuiten stehenden maurerischen Bestrebungen Schrepfers unterstützen. Noch andere Personen waren zu gleicher Zeit mit Gehältern von 1000 Thalern bedacht. Der Leipziger Kaffeewirth bestach Prinzen und höchste Staatsbeamte mit Geldern, die gar nicht vorhanden waren – eine unglaubliche, aber doch wohlverbürgte Thatsache! Der „Bruder“ der Wurmb und Bischofswerder konnte natürlich jetzt in Leipzig anders auftreten als früher; die Loge „Minerva“ empfing ihn sogar mit außerordentlichen Ehrenbezeigungen. An der Seite des Herrn von Bischofswerder fuhr er in offenem Wagen durch die Stadt, und zwar in der Uniform eines Offiziers; er trug ein Portepee von Silber, das mit blauer Seide durchwirkt war, und gab sich für einen französischen Obristen und den Sohn des Herzogs von Orleans aus, so daß sich der französische Gesandte in Dresden veranlaßt sah, von Schrepfer die Vorlegung seines Offizierspatents zu verlangen, widrigenfalls er seine Verhaftung beantragen müßte.

Das Maß der Gaukeleien und Gaunereien war allmählich voll geworden. Der Betrug mit dem geheimnißvollen Schatze der Jesuiten mußte zu Tage kommen und Schrepfer wußte keinen Ausweg mehr; er wurde in immer neue Schulden verstrickt und hatte wahrscheinlich auf ähnliche Kisten wie die Frankfurter bei reichen Freunden und Brüdern Darlehen aufgenommen.

Im September 1774 kehrte er von Dresden, wo er im Palais des Herzogs von Kurland den Chevalier de Saxe herbeibeschworen hatte tiefverstimmt nach Leipzig zurück. Sein ganzes Wesen schien verändert; doch allmählich fand er die Herrschaft über seine Stimmungen wieder, betrieb die Maurerei aufs eifrigste und machte seine gewohnten Reisen.

Anfangs Oktober, zur Zeit der Michaelismesse, lud er seine Freunde zu einer Punschbowle ein. Er war besonders heiter und lustig und machte den Vorschlag, am nächsten Morgen in der Frühe einen gemeinsamen Spaziergang ins Rosenthal zu unternehmen; er selbst stand schon um vier Uhr auf, schrieb mehrere Briefe, steckte seine Geldbörse und goldene Uhr in die Kleidertasche seiner Frau und fand sich dann bei den Genossen im Gastzimmer ein, die schon auf ihn warteten. Es waren der Kammerherr von Bischofswerder, Freiherr von Hopfgarten, zwei Kaufleute aus Görlitz und Sorau und ein Advokat aus Leipzig. Das Rosenthal, Leipzigs schöner Stadtpark, begann sich bereits herbstlich zu färben; das Frühlicht schimmerte auf dem bunten Laubschmuck. Der Schließer am Parkthor öffnete das Gitter und die Freunde wandelten in lebhaftem Gespräche durch die Gänge des Parks. Schrepfer hatte schon den Abend vorher den Genossen verkündet, er werde sie ein Wunder sehen lassen, wie sie es noch niemals erschaut hätten und bei dem sie einen gewaltigen Knall hören würden. Man wunderte sich daher nicht, als er die Begleiter bat, etwas zurückzubleiben, und dann eine Strecke allein in der Hauptallee des Parks vorausging. Plötzlich kehrte er um, umarmte den Kaufmann Fröhlich mit den Worten. „Ich habe Dich recht lieb,“ und entfernte sich wieder. Die Freunde sahen, wie er einen Seitenweg einschlug. Kurz darauf fiel ein Schuß. Man wartete anfangs auf irgend ein Schauspiel, das damit angekündigt würde – doch alles blieb still. Jetzt trat man näher und sah [540] Schrepfer auf der Erde in seinem Blute liegen: er hatte sich mit einem Terzerol in den Mund geschossen.

Noch in seinen letzten Briefen hatte er Andeutungen gegeben, daß eine fremde Hand für ihn zahlen werde, doch nichts derartiges geschah. In dem Kistchen des Frankfurter Bankhauses fanden sich werthlose Zettel und – Erde: die vornehmen Dresdener Brüder hatten das Nachsehen. Das Volk aber glaubte an Schrepfers Zaubermacht, und es hieß, er sei keines natürlichen Todes gestorben; man habe ihn unverletzt und die Kugel in seinem Munde gefunden, er sei durch die Macht seiner Geister der Erde entrückt worden.

Es ist ein trauriges Bild, welches uns dieser kurze Lebensabriß Schrepfers bietet; der Aberglaube und die Leichtgläubigkeit bei Hoch und Gering, welche zu jener Zeit in Deutschland herrschten, treten uns hier in greller Beleuchtung entgegen. Wohl ist eine Existenz wie diejenige Schrepfers heutzutage nicht möglich; aber es fehlt doch auch in unserer besseren Gegenwart nicht an einzelnen Spuren, welche es angezeigt erscheinen lassen, ihr einmal wieder ein warnendes Beispiel aus den Tagen der Cagliostro und Saint Germain vorzuhalten. Rudolf von Gottschall.