Der neueste Begas’sche Entwurf des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. in Berlin
[51] Der neueste Begas’sche Entwurf des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. in Berlin. (Zu den Bildern S. 37, 48 und 49.) Endlich ist diejenige Skizze des großen Nationaldenkmals, die auf der Schloßfreiheit zu Berlin zur Ausführung kommen soll, vollendet. Sie rührt, wie bekannt, von Reinhold Begas her und ist, wie gleichfalls bekannt, keine der aus den beiden Wettbewerben siegreich hervorgegangenen Arbeiten, sondern ein vom Kaiser, entgegen dem Entscheid der Preisrichter, beim Künstler bestellter und nur vom Kaiser gutgeheißener Entwurf. Durch besonderen Beschluß hatte ja der Reichstag auf seine gesetzmäßige Mitwirkung bei diesem größten Denkmal der deutschen Heldenzeit verzichtet und die Entscheidung allein dem Kaiser überlassen.
Auf Reinhold Begas’ endgültigem Entwurf sehen wir den alten Kaiser Wilhelm im Feldherrnmantel und in der Generalinterimsuniform, den Helm auf dem Haupte, den Feldherrnstab in der Rechten, auf stolz daherschreitendem Rosse, das von einer die Siegespalme tragenden Viktoria am Zügel geführt wird.
Das Reiterstandbild soll in Bronze ausgeführt werden. Der 10 Meter hohe Sockel, auf dem es steht, wird aus Granit errichtet. Auf den Breitseiten des Sockels befinden sich prächtige Reliefs, die den „Krieg“ und den „Frieden“ darstellen, und ihnen lagert zu Füßen je eine männliche Figur, welche die Allegorie der Reliefs in neuen Formen wiederholt. Die Schmalseiten des Sockels tragen allerlei Insignien, die vordere auch eine Tafel, auf welche die noch nicht bestimmte Inschrift des Denkmals zu stehen kommt. Um die Tafel ist die Kette des Schwarzen Adlerordens gelegt; darüber ragt die Kaiserkrone. Unter der Tafel verkündet eine Pergamentrolle die Worte „Einheit, Recht, Gesetz“ als Rechtssymbol für das „Neue Reich“, während auf der hinteren Seite Kettenpanzer, Ritterhelm und Morgenstern, die auf einem geschlossenen Buche liegen, das „Alte Reich“ versinnbildlichen.
An den Ecken des Sockels stehen auf Kugeln vier Viktorien, Kränze in den gespreizten Armen: echt Begas’sche Figuren, diejenigen Nebengestalten des Denkmals, die am meisten Begas’schen Geist athmen und die auch ausschließlich vom Meister herrühren; an den anderen Theilen durften die Begasschüler kräftig mitarbeiten, unter ihnen Hidding und Karl Bernewitz, von denen der letztere besonders an dem Zoologischen des Denkmals großen Antheil hat.
Der Sockel wird getragen von einer Basis, einem runden, aus zwölf Stufen bestehenden Treppenbau. Er hat vier vorspringende Eckplatten, auf denen vier prachtvolle Löwen ruhen. Jeder der Löwen ist besonders individualisiert: der eine wachsam ruhend, der andere drohend, der dritte wuthbrüllend, der vierte zum Sprunge ansetzend. Reiche Waffenskulpturen bedecken die Löwensockel.
Das ganze Denkmal mit Sockel und Basis ruht auf einer Plattform.
Auf dieser Plattform erhebt sich außer dem oben beschriebenen Denkmal noch die weite, mächtige und vielgliedrige architektonische Umrahmung.
Die Architektur auf den ersten für den Wettbewerb hergestellten Entwürfen von Begas war ein Werk des Baumeisters Professor Ihne. Dieser erste Plan, der eine halbkreisförmige, in ruhigen Linien gehaltene Säulenhalle vorschlug, wurde in „zwölfter Stunde“ noch von maßgebender Seite abgelehnt. Man warf ihm vor, daß er den Blick auf das Standbild nicht von allen Seiten, sondern nur von vorn oder sonst nur aus allernächster Nähe innerhalb der Architektur gestatte. So hat Reinhold Begas sich zuguterletzt seine eigene Architektur gesucht, und er kam auf einen im wesentlichen geradlinigen Bau, der sich drei Stufen über die Plattform erhebt.
Die Hinterwand und die Seitenflügel sind geradlinig und stehen senkrecht aufeinander; nur die Verbindungsstücke rechts und links springen im Bogen nach innen. Die Seitenflügel gehen nicht bis zur Fluchtlinie des Standbildes, und so bleibt dieses von beiden Seiten weithin sichtbar, vom Schloßplatz wie vom Lustgarten. Die geradlinige Form. der Hinterwand wurde durch die Bedürfnisse der Spreeschiffahrt vorgeschrieben. Die früheren Entwürfe nahmen einen halbkreisförmigen Einbau in das Spreebett an und bedingten damit eine Verengerung des Wasserlaufes, die bei der Ausführung auf wesentliche Schwierigkeiten gestoßen wäre.
[52] Die Seitenflügel laufen nach vorn in zwei großartigen Thorbauten aus. Die Komposition dieser Thore ist ein höchst gelungener Wurf. Sie schmiegt sich innig an die Architektur des gegenüberliegenden gewaltigen Schloßportals an, das von Eosander von Göthe herrührt. Bei der Enge der zwischen dem Schloß und dem Denkmalsbau verlaufenden Straße - der sogenannten Schloßfreiheit - bestand das Problem darin: Wie ist die Denkmalsanlage mit der übermächtigen Eosanderschen Schloßfassade so in Uebereinstimmung zu bringen, daß sie von dieser nicht erdrückt wird und, mit ihr verbunden, gleichsam ein architektonisches Ganzes bildet?
Für die Denkmalsanlage ließ sich im Verhältniß zum Schloß die nöthige Wucht durch annähernd gleiche Größenmaße gewinnen. Und in der That wird das Standbild bis zur Helmspitze eine Hohe von 21 Metern, das ist die Höhe des Schloßgesimses, erreichen, und die umgebende Architektur wird 11 Meter hoch, 80 Meter breit und 45 Meter tief. Das sind ganz gewaltige Maße! Die Einheit jedoch in der Gesammtarchitektur der Schloßfreiheit wird durch die beiden Begas’schen Thorbauten aufs glücklichste hergestellt. Wie das Portal Eosanders von Göthe, so sind auch die beiden Begas’schen Säulenthore im reichen Zopfstil gehalten. Posaunenengel flankieren sie, und über diesen schwebt die Kaiserkrone.
Ueber den Seitenflügeln erblickt der Beschauer Viergespanne, demjenigen vergleichbar, das auf dem Brandenburger Thore thront. Die Lenkerinnen dieser Gespanne, Viktorien, tragen halbentrollte Fahnen in der zügelfreien Hand. Allegorische Figuren krönen die hinteren Enden der Seitenflügel, ragende Embleme (Adler etc.) die beiden Enden des Mittelflügels. Eine galerieartige Brüstung schließt in der oberen Linie die Säulenhalle ab.
Die Säulenhalle selbst, der Wandelgang, besteht aus gekuppelten Doppelsäulen. Zu beiden Seiten der Thorhallen, sowie auch an passenden Stellen zwischen den Säulen, insbesondere in den vorspringenden Eckbogen, sind Postamente von noch unbestimmter Anzahl vorgesehen, auf denen die Paladine und Mitarbeiter des Kaisers Wilhelm in 4 Meter hohen Standbildern Aufstellung finden sollen. Welche Persönlichkeiten hierfür ausgesucht werden, steht noch dahin, das heißt beim Kaiser. Sie sollen nicht ebenfalls von Begas gemacht, sondern an mehrere andere namhafte Bildhauer in Auftrag gegeben werden.
Außer diesen Standbildern, die Kaiser Wilhelms hervorragendste Helfer darstellen sollen, sind in der Säulenhalle noch zahlreiche Hermen in Aussicht genommen. Sie sollen die Büsten minder berühmter Schwerteshelden tragen, und unter diese sollen sich dann auch die friedlicheren Züge einiger Geisteshelden aus der Aera Wilhelms I. mischen. Endlich ist in der Säulenhalle noch der Platz für zwei größere Reiterreliefs vorgesehen.
Die Rück-, das heißt die Wasserseite der Anlage wird mit mehreren allegorischen Figuren, Emblemen, Trophäen etc. geschmückt werden, über die jedoch sammt und sonders noch keine endgültige Bestimmung getroffen ist. Ueberhaupt stehen zahlreiche Einzelheiten noch nicht fest, und mit dem Wasser, das bis zur endlichen Ausführung des Denkmals die Spree hinunterlaufen wird, mag noch manche Figur, manche Arabeske, manches Sinnbild verrinnen, um neuen Platz zu machen.
Die Figuren der Denkmalsanlage, die Posaunenengel der Portale ausgenommen, sollen nach dem vorläufigen Plane sämmtlich in Bronze ausgeführt werden, der Säulenbau in Sandstein, die Plattform in Steinmosaik.
Von der Plattform führen sieben langläufige Stufen auf die Straße herab.
Unser erstes Bild auf S. 37 giebt das eigentliche Denkmal, ein wenig von der Seite gesehen, unser zweites auf S. 48 und 49 die gesammte Anlage, gesehen von einem Beschauer, der vom Lustgarten herkommt und die Schloßfreiheit herunter auf das Denkmal zuwandelt.