Der Werwolf (Vlkolak)
‚Es war einmal ein vater, der hatte neun töchter und alle waren heirathsfähig, aber die jüngste war die schönste. dieser vater war ein werwolf. einst kam es ihm in den sinn, wozu er so viele töchter auf immer zu erhalten hätte? und darum entschloß er sich alle diese neun töchter umzubringen (vy kantriť). einst begab er sich in einen wald (hora) um holz zu fällen und befahl ihnen, daß irgend eine ihm das essen hin bringe. und so geschah es auch und die es brachte war die älteste. der herr gott gebe auch dir, sagte der vater, nun, warum brachtest du meine tochter mir schon jetzt zu essen? wahrlich mein vater, ich wollte dich frühe stärken, damit ihr uns nicht vor hunger gar stürbet. nun du bist wirklich eine brave tochter, setze dich ein wenig, damit ich genieße. diese setzte sich nieder und er fing zu essen an, aber bei dem essen erdachte er eine hinterlist (figle). auf einmal steht er auf und sagt zur tochter: mein mädchen komm doch her, ich will dir zeigen, was ich für eine grube ausgrub. nun und wozu soll euch denn diese grube? sagte die tochter. dazu mein mädchen, daß wenn wir einmal sterben, wir uns darein begraben lassen, denn ein armer mensch gilt nichts in dieser welt, niemand sieht sich nach ihm um, und das erst vollends, wenn er gestorben. die tochter hörte zu und ging bis sie zu einer großen und tiefen grube gelangten. höre, sagt der wärwolf, von hier aus wirst du nirgends mehr hin, du mußt sterben. ich werde dich in diese grube stoßen. das mädchen erschrack, bat um ihr leben, alles vergeblich. der vater erhascht sie und wirft sie in den abgrund. darauf nimmt er einen großen stein (skalu), wirft [225] ihn auf sein mädchen und zertrümmert ihr damit den kopf und dort gab die arme unter schmerzen (v mukách neborka) den geist auf. als dies der werwolf vollendet, ging er wieder zur arbeit und fing an holz zu fällen, bis es anfing zu dämmern. vor dem abend kam das zweite mädchen und brachte ihm zu essen. als er zu nacht gegessen, begann er ihr von der grube zu erzählen, führte sie dann dazu und stieß sie so wie die erste hinein. und so erging es auch den andern mädchen bis auf die letzte. die jüngste wußte gut, daß ihr vater ein werwolf wäre. auch das verdroß sie sehr, daß von ihren schwestern nicht eine aus dem walde rückgekehrt ist. sie denkt, wo mögen wohl meine schwestern sein? nun mein vater hielt sie wohl zurück, ich rathe, war ihm etwa traurig allein, oder mußten sie ihm etwa holz aufladen? nun nimmt sich die arme (neborka) eilig zusammen und ist geschäftig um dem vater etwas zu kochen. sie kochte knödeln (halúsck) und begiebt sich in den wald, von welchem sie vom vater hörte, daß sie hinein gehen sollte. wie sie durch den wald geht, spürt sie auf einmal rauch und hört einen schlag. sie kömmt hin zum feuer, sieht ein lager von reißholz und am feuer zwei köpfchen schmoren (smudiť). sie geht dem schlage nach und findet den vater. nun, herr gott gebe glück, lebt ihr denn noch, und wie geht es euch, mein vater? ja wohl noch mit plagen, antwortete der vater, sieh, wie ich mich plagen muß, um euer leben zu fristen. nun so kommt denn, was zu genießen, ich brachte etwas, was ihr gern esset. wie nun der liebe werwolf es aufaß, befahl er dem mädchen, daß sie ihm das holz ordne. aber wo sind denn, fragt sie ihn, meine schwestern? sieh dort in jenem thale schlichten sie holz, sogleich werden wir zu ihnen hingehen. sie gehen nun bis zu jener grube, und der vater hält sie hier auf und sagt: sieh her, nun sind wir da, ich werde dir die grube zeigen, die ich gestern ausgrub, weiter brauchen wir nicht zu gehen. kleide dich aus, sagt er ferner, hier wirst du dein leben ablegen, ich werde dich in diese grube stürzen zu deinen schwestern. dies mädchen erschrack aber nicht, sondern antwortete ihrem vater [226] nur: wenn es einmal so ist, so will ich mich auch dem tode hingeben, nur bitte ich euch vater darum, euch wegzukehren, während ich mich auskleide, denn ich schäme mich gar sehr. der vater kehrt sich weg, das mädchen sieht die passende zeit ab und schmick! stößt sie den vater in die grube. zugleich ergreift sie die kleider und läuft fort so viel sie nur vermag. der werwolf aber fiel sich nicht todt und es ward ihm leicht aus der grube hervor zu klettern. nun er ihr nach, wie ein wüthender, und als er ihr nahe gekommen, so brüllte er, daß es in allen thälern und auf allen bergen widerhallte. die tochter aber lief weiter und warf, als er sich ihr näherte, ihm ihr halstuch hin und rief ihm zu: du erjagst mich nicht, gewiß nicht, so lange du dies tuch nicht in stücke reißest, zerfaserst, zusammenspinnst, webst und vom neuen zusammennähest. als sie dies gesagt, lief sie wieder, so viel die füße nur gestatteten, weiter. und der wärwolf zerriß, zerfaserte das tuch, spann die faden zusammen, verwebte sie und nähte das tuch von neuem. zu allem dem brauchte er nicht eine halbe stunde. als er fertig ward, sprang er wieder hinter ihr fort und brüllte (zarncan). er sprang wie ein bär, dem die haare zu berge stehen (ako rozjezený medved) und alles erzitterte unter ihm. da hab’ ich dich, donnert er hinter ihr am ende, und nähert sich ihr flugs. sie aber sagt: du erjagest mich nicht, gewiß nicht, so lange du nicht diesen rock (kamza) zerreißest, zerfaserst, spinnst, webst und nähest. als sie das gesagt, lief sie im galopp davon. und der wärwolf zerriß, zerfaserte, spann, webte und nähte den rock wieder und zwar in einer halben stunde. als er fertig war, sprang er wieder auf, und brüllte wie hundert löwen. so verfolgte und jagte er sie fort, sie aber warf ihm das kleid (rub), dann das achselhemd (oplecko), dann das leibchen (kamizol) und zuletzt das hemd (koselu) hin und lief wieder weiter. der wärwolf verfolgte sie, konnte sie aber so lange nicht erreichen, so lange sie etwas hatte, was sie abwerfen konnte, als sie aber schon so war, wie sie gott erschaffen hatte, mußte sie sich anders helfen. sie hörte ihn schon von ferne schnauben (jachtat) [227] als sie gerade auf eine wiese kam, wo haufen heu’s standen. such! verbarg sie sich in den kleinsten haufen. da kömmt der schwer schnaubende (vy-jachtoný) und ermüdete (dokonaný) werwolf an, wirft die haufen heu auf der wiese herum, so daß er seiner nicht mehr mächtig war, sondern nur noch sauste (fucan). er fluchte (law) daß es widerhallte. zuletzt aber spricht er, nun ist’s vergebens. sie betrog mich doch, denn in diesem kleinen haufen wird sie doch nicht sein, wie könnte sie sich auch darin verbergen. dem mädchen schlug das herz und furcht überwältigte sie so, daß sie kaum noch fühlte. der werwolf fluchte nochmals und ging voll gift und galle (rozjedovaný) davon.‘
Nach drei tagen kam ein könig in den wald, mittagmalte nach der jagd auf der wiese und ward durch seinen hund, welcher dem mädchen speisen zu dem heuhaufen bringt, auf dieses aufmerksam. von ihrer schönheit gefesselt, heirathet er sie. sie stellt nur eine bedingung, nie einen bettler über nacht im schloße zu lassen. nach einigen jahren glücklicher ehe gebar sie dem könig zwei söhne.
‚Einst schlich sich ein bettler in das schloß und bat, ihn über nacht da zu lassen. die pförtner versuchten, ihn wegzujagen, allein er bat so lange bis sie ihn ließen, besonders da er sagte, er werde und wenn es unter dem besen sein sollte (pod motlon) übernachten. die diener kamen nun überein, dem herrn davon nichts zu sagen. der bettler legte sich nieder. um mitternacht stand er aber auf, ging in das zimmer, wo die königssöhne schliefen, schnitt beiden den hals durch und legte das blutige messer seiner tochter unter das kissen – und verschwand (zkapan) aus dem schlosse.‘ –
Der könig verjagt nun seine frau und läßt ihr die beiden leichen um den hals binden. sie irrt umher, bis sie ein einsiedler trifft, der sie zu einer eidechse weist, die im munde ein kraut hat, womit sie den kindern die wunden bestreicht, worauf diese zum leben kommen. sie wohnt mit ihnen in einer verlassenen einsiedelei und zieht sie groß. auf einer jagd verirrt sich der könig im walde und muß in der einsiedelei übernachten.
[228] ‚Um mitternacht wecken sie die söhne auf und bitten sie, ihnen sagen zu erzählen (aby jim pripo viedky rozprávala). ach antwortet sie, ihr seid ja selbst sagen in der welt (po svete pripoviedka) und nun erzählt sie ihnen die ganze begebenheit.‘
Der könig, der nicht schlief, sah sein unrecht ein und führt sie wieder auf sein schloß.
Aber der werwolf hatte noch keine ruhe. er kam in das schloß nachzusehen, was dort vor sich gehe und bat um ein nachtlager. doch die diener erkannten ihn – und führten ihn vor den könig. dort angekommen, fing er an zu zittern und da er nicht leugnen konnte, gestand er, daß er die kinder getödtet (pomarnin). als der könig seine gottlosigkeit und schuld erkannt sagt er: bindet diesen grausamen auf einen wagen und lasset ihn über die felsen in die abgründe hinab, damit er auf stücke zerschlagen in den meeresboden stürze, der sich unterhalb des schlosses ausbreitet. fort mit ihm, denn er ist nicht werth, daß menschenhände ihn tödten (marnili). der werwolf brach das genick (hlavn zlaman) und fiel zerschlagen in das meer. der könig und die königin aber leben mit ihren schönen königssöhnen, wenn sie nicht gestorben sind, bis auf den heutigen tag.‘ –
Prag.