Der Verleger der deutschen Classiker

Textdaten
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Autor: F-tz
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Titel: Der Verleger der deutschen Classiker
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 450–454
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Der Verleger der deutschen Classiker.

Als am 8. Mai 1839 Thorwaldsen’s Schiller-Standbild enthüllt werden sollte, schrieb Schiller’s zweiter Sohn Ernst, Appellationsgerichtsrath in Köln, an Georg von Cotta, den Sohn des berühmten Schiller-Verlegers: „Ich bin der Meinung, daß, wenn ein gesellschaftliches Subscriptions-Diner stattfindet, Du mit Schiller’s Söhnen zusammensitzest, damit Deutschland und Württemberg das innige Verhältniß auch sehe, in welchem Cotta und Schiller standen und stehen. Die Geister unserer Väter würden auch jenseits sich darüber freuen.“ Der frohe Stolz auf die Größe der Väter und ihre „classische Freundschaft“, der aus den Söhnen spricht, hat sich auf die Enkel verpflanzt: soeben geht aus dem Cotta’schen Verlage in Stuttgart ein stattliches Buch hervor: „Briefwechsel zwischen Schiller und Cotta. Herausgegeben von Wilhelm Vollmer. Mit dem Portrait J. F. Cotta’s“. Dasselbe erscheint, wie das Vorwort des Herausgebers uns mittheilt, im gemeinsamen Auftrage der Familien Schiller-Gleichen-Rußwurm und Cotta, welche damit dem Freundschaftsbunde zwischen ihren Großvätern ein ehrenvolles Denkmal zu errichten beschlossen haben. In der That ein Denkmal, würdig der beiden ausgezeichneten Männer, denen es gilt, und würdig der alten Tradition, welche die Cotta’sche Buchhandlung von jenem ihrem berühmtesten Vertreter ererbt und weitergepflegt hat. Das Cotta’sche Archiv zu Stuttgart und das Gleichen’sche zu Greiffenstein ob Bonnland haben ihre Schätze hergegeben, wie in meisterhafter Bearbeitung liegen dieselben nunmehr, noch um eine große Zahl anderweitiger Briefe und Documente vermehrt, dem Publicum vor, ein Geschenk, wie es an weittragender Bedeutung und reicher Belehrung ähnlich die literarische Welt auf diesem Gebiete seit lange nicht empfangen hat.

Ein edleres Geschäftsverhältniß, als das, welches sich hier zwischen Dichter und Verleger vor den Augen des Lesers aufthut, läßt sich nicht denken. Die Charaktere der beiden Männer entsprechen keineswegs dem scharfen Gegensatze, in welchen das Leben und die Meinung der Welt die Berufe des Geschäftsmannes und des Dichters miteinander zu setzen pflegt. Denn der Geschäftsmann Cotta ist zugleich ein hochgebildeter Jurist von weitschauendem Blicke, voll Enthusiasmus für das Schöne und Edle, voll thätiger Theilnahme an den Geschicken seines kleinen und großen Vaterlandes. Dem gegenüber ist der Dichter Schiller – und so zeigt ihn dieses Buch mehr als irgend eine früher publicirte Quelle seiner Lebensgeschichte – zugleich ein firmer Geschäftsmann, der nicht nur mit rühriger Praxis seine eigenen Interessen und Obliegenheiten als Redacteur und Schriftsteller verwaltet, sondern der auch in anderen Dingen dem Buchhändler große und weitumfassende Ideen mitzutheilen und mit Sicherheit und Feinheit zu vermitteln weiß zwischen dem Verleger und dem schwierigen Freunde Goethe, sodaß Cotta, was Schiller ihm räth, stets unbedenklich und mit Glück befolgt und Goethe noch Jahre nach Schiller’s Tode den Edeln vermißt, der „bei unseren Angelegenheiten ein so lieber als glücklicher Mittelsmann war“. Und dabei, auf beiden Seiten, welche Noblesse in dem heikligsten aller Punkte, dem Geldpunkte, welche Ehrenhaftigkeit gegen einander, gegen die Fachgenossen, gegen das Publicum: es ist ein überaus wohlthuendes Bild, das diese Briefe uns eröffnen, ein Bild, das wohl zu einem Augenblicke ruhiger Betrachtung einladet.

Cotta entstammte einer Familie, die bereits seit vier Generationen im Besitze der akademischen Buchhandlung in Tübingen war. Der einst nicht unbedeutende Glanz der Firma aber war im Erlöschen; Cotta’s Vater lebte in Stuttgart, wo er eine Hof- und Kanzleibuchdruckerei errichtet hatte; die Tübinger Handlung ward durch Factoren verwaltet. Es verdient angemerkt zu werden, daß des alten Cotta Druckerei auch in Ludwigsburg einen Schößling getrieben hatte. In dem dortigen [451] Hause wohnten die Hauptleute Schiller und von Hoven mit ihren Familien zur Miete, und deren älteste Söhne, beide Fritz genannt, spielten dem Setzer fast täglich einen neuen Streich; Schiller’s Eltern waren mit dem Buchdrucker Cotta auch gesellschaftlich verbunden, wie wir denn Letzteren als Pathen bei einer früh gestorbenen Tochter des Schiller’schen Hauses verzeichnet finden.

Johann Friedrich Cotta ward 1764 in Stuttgart geboren, war also fünf Jahre jünger als Schiller. Seine Neigung trieb ihn anfangs zum Militärstande, später zur Jurisprudenz, deren Studium er in Tübingen mit Auszeichnung absolvirte. Nach einem Aufenthalte in Paris ward er 1785 in die Zahl der Hofgerichtsadvocaten zu Tübingen aufgenommen und als solcher in der Liste und dem Staatshandbuch weiter geführt bis in das Jahr 1812. Auch Schiller hat von Cotta’s advocatorischer Thätigkeit Gebrauch gemacht bei der Regulirung seiner mütterlichen Erbschaft 1802. Erbschaftsregulirungen haben immer ihre geheimen und offenen Dornen; die fehlten auch hier nicht, Cotta aber wußte so tactvoll die Ehre wie die Interessen seines Clienten zu wahren, daß Schiller ihm damals voll Dank schrieb: „Ich sehe mich auch hier, wie in allen unsern Verhältnissen, Ihrer Einsicht und freundschaftlichen Sorgfalt unendlich verpflichtet. Wahrlich, ich darf mich eines Freundes rühmen, wie ihn wenige besitzen, der meine Angelegenheiten völlig zu den seinigen macht und in dessen Händen sich Alles, was er übernimmt, zu meinem Besten wendet.“

Dieser mit umfassender wissenschaftlicher Bildung ausgerüstete Mann, der durch Umgang mit Tübinger Buchhändlern sich auch einige Kenntnisse dieses Geschäftszweiges angeeignet hatte, entschloß sich auf den Antrag seines Vaters in seinem dreiundzwanzigsten Lebensjahre, Buchhändler zu werden, um das verfallene Tübinger Geschäft zu übernehmen. Noch existirt der Brief, in welchem Cotta sich an eine der ersten damaligen Autoritäten dieses Faches, Ph. E. Reich, Inhaber der Weidmann’schen Officin in Leipzig, mit der Anfrage wandte, wie er den Werth der Handlung und danach den Kaufschilling bestimmen solle, und mit der Bitte, sich in schwierigen Fällen an ihn wenden zu dürfen. Am 1. December 1787 trat er in den Besitz der väterlichen Handlung, deren äußere Technik er mit unermüdlichem Eifer sich anzueignen strebte. Das Geld gesteht er „entlehnt“ zu haben, und knappe Tage hat er gehabt. Aber 1789 associirte er sich mit einem andern Juristen, Dr. Zahn (der später die bekannte Volksmelodie zu Schiller’s Reiterlied: „Wohlauf Cameraden“ componirte), und gelangte dadurch in den Besitz der zu ausgedehnterem Betriebe nöthigen Fonds, und als 1797 sich Zahn von ihm trennte, war bereits durch die Verbindung mit Schiller der Grund zur Blüthe und Größe des Verlags gelegt.

Schiller war Professor in Jena. Um seinen durch schwere Krankheit erschütterten Körper zu stärken, um seine Eltern und sein heimathliches Schwaben wiederzusehen, an dem er stets mit großer Liebe hing, war er mit seiner Gattin im Sommer 1793 nach Heilbronn, von da nach Ludwigsburg gezogen, und im Februar 1797 nahm er noch auf wenige Monate Aufenthalt in Stuttgart. Beim Besuche eines Freundes in Tübingen wird er Cotta’s persönliche Bekanntschaft gemacht haben, der gerade damals den wichtigen Schritt vorhatte, sich mit einem Pfarrerstöchterchen aus Kilchberg bei Tübingen zu verheirathen, und also um so mehr Veranlassung hatte, seiner äußeren Existenz eine solide Basis zu geben. Seinem Geschäftsgrundsatze gemäß, die besten Autoren aufzunehmen, bat er den Dichter des „Don Carlos“ um ein Werk für seinen Verlag. Schiller versprach es gern und entnahm auf Conto dessen einen Vorschuß von zweihundert Reichsthalern von ihm: das war die Eröffnung des Geschäfts. Mit dem Briefe Cotta’s, welcher bereitwilligst das Erbetene auf Ende April verheißt, beginnt der vorliegende Briefwechsel. Anfang Mai, wenige Tage vor Schiller’s Heimkehr nach Thüringen, kam Cotta nach Stuttgart; beide Männer machten einen Ausflug nach Untertürkheim in’s Neckarthal, der sie einander auch gemüthlich sehr nahe gebracht zu haben scheint. Auf der Rückkehr wird auf dem Kahlenstein (heute Rosenstein) zwischen Stuttgart und Cannstatt, einem der lieblichsten Aussichtspunkte Schwabens, eine große politische Zeitung und ein großes schönwissenschaftliches Journal verabredet; beide sollte Schiller redigiren. Aus ersterem Plane, den übrigens Schiller bald von Jena aus von sich ablehnte, entstand 1798 die „Allgemeine Zeitung“, das noch heute rühmlichst bekannte Weltblatt „Die Augsburger Allgemeine“, aus letzterem gingen die Schiller’schen „Horen“ hervor, eine in Monatsheften erscheinende Zeitschrift, die in drei Jahrgängen (1795 bis 1797) erschien und das Band zwischen Schiller und Goethe an-, das zwischen Schiller und Cotta festerknüpfte. Es kann hier nicht meine Absicht sein, das Schicksal dieser und anderer Unternehmungen des Schiller’schen Genius und des Cotta’schen Verlags zu erzählen; ich möchte nur den Verkehr der beiden Männer in charakteristischen Zügen schildern. Wenn die zahlreichen, rein geschäftlichen Billets, welche über Papier, Druck, Vertheilung des Manuscripts auf die einzelnen Hefte, Kupfer, Buchbinderei etc. zwischen Jena und Tübingen die Verhandlungen hin- und hertrugen, auch zu nichts Anderem nütz wären (sie sind es aber), so würden sie schon werthvoll sein, weil sie Schiller’s klare Geschäftspraxis und Cotta’s unermüdliche Bereitwilligkeit zeigen. In der That, nie sagt Cotta zu Schiller’s Wünschen Nein, über seine Casse und über seinen guten Willen gebietet er unumschränkt. Auch als von Jahr zu Jahr die Abbestellungen der „Horen“ sich mehren, kommt kein Laut der Klage über Cotta’s Lippen; stets stellt er es in Schiller’s Belieben, wie lange das Unternehmen noch soll fortgesetzt werden. Freilich, Schiller verzichtet auch ebenso edelmüthig von Jahr zu Jahr auf einen größeren Theil des Redactionsgehaltes, wie des Honorars für die gelieferten Beiträge, und er hielt Cotta schon während des allmählichen Hinschwindens der „Horen“ durch die Musenalmanache schadlos, poetische Kalender, von denen der berühmteste, der „Xenienalmanach auf 1797“, von September bis Januar drei Auflagen erlebte.

Die anfängliche Geschäftsverbindung ward zur Freundschaft und dieselbe genährt durch die jährlichen Besuche Cotta’s, bald mit, bald ohne Gattin, im Schiller’schen Hause. Jahr für Jahr erschien um Himmelfahrt, „pünktlich, wie eine wohlberechnete Sonnenfinsterniß“, mit einer Geldkatze um den Leib Cotta und glich die Rechnung aus, blieb einen oder zwei Tage bei Schiller und schied nie, ohne sich für das viele Unangenehme seines Buchhändlerlebens (dahin rechnete er vor Allem die Nachdrucker und die neidischen Collegen) durch Schiller’s Freundschaft voll entschädigt zu fühlen. So war er auch im Mai 1798 bei Schiller in dessen hochgelegenem Gartenhause am Leutrabache in Jena (dem Grundstück der heutigen Sternwarte) gewesen, aber ein nächtliches Gewitter nahm ihm auf seiner Heimfahrt alle Ruhe. Noch von der Station Feuchtwangen schrieb er an Schiller: „Schätzbarster Freund! Die dankbarsten Gesinnungen für die vielen Beweise der Freundschaft und Liebe, welche Sie mir während meines Aufenthaltes in Jena wieder gaben, begleiten mich auf meiner Reise, und wenn sie durch etwas unterbrochen werden konnten, so war es die sorglichste Unruhe wegen Ihrer Gartenwohnung, die das am Himmelfahrtsabend noch stattgehabte Ungewitter bei mir erzeugte – ich konnte keinen Augenblick schlafen, als ich mir Ihre isolirte und hochgelegene Wohnung und Sie und Ihre schätzbare Familie dem nächsten Blitz ausgesetzt dachte; mein erster freier Augenblick war also einem Briefe an Ihren Herrn Schwager Wolzogen gewidmet, in dem ich ihn bat, einen Blitzableiter auf Ihre Wohnung zu errichten, von dem Sie mir die Kosten zu tragen erlauben werden, da ich dieses Instrument gern als ein kleines Zeichen meiner ewigen Dankbarkeit für Ihre Sicherheit errichten möchte. Möchte ich doch einen physischen Blitz von Ihnen und den Ihrigen dadurch ableiten, da Sie so viele moralische der Unruhe und Sorge von mir ableiteten. Machen Sie doch, daß es recht bald geschieht.“

Daß zu dieser Intimität des berühmten Autors mit dem Tübinger Buchhändler andere Verleger scheel sahen, namentlich die, welche ein älteres Anrecht an Schiller zu haben glaubten, konnte nicht ausbleiben; besonders war der Leipziger Buchhändler Göschen, der allerdings in bedrängten Zeiten Schiller’s Verleger und Freund und oft Helfer in der Noth gewesen war, nicht Meister seiner Gefühle, und in der Jubilatemesse 1795 kam es zwischen ihm und Cotta zu heftigen Scenen.

Für die Noblesse des Verkehrs zwischen Schiller und Cotta folgendes Beispiel. Nach dem schönen Erfolge, den „Wallenstein“, „Maria Stuart“ und die „Jungfrau von Orleans“ für Schiller’s Ruhm und für Cotta’s und Schiller’s Casse gehabt, glaubte der Dichter den Preis für jedes folgende große Originalstück ein für alle [454] Mal auf dreihundert Ducaten (circa tausend Thaler) festsetzen zu dürfen. „Ich begebe mich aber dadurch zugleich jedes Anspruches an einen weiteren Gewinn, der Absatz mag so groß sein, als er will, und der Auflagen so viele, als während drei Jahren davon erfolgen können; und reservire mir nichts als meine Rechte auf die künftige Sammlung meiner Theaterschriften. Ich führe Ihnen nicht an, daß andere Schriftsteller, denen ich nicht glaube, weichen zu müssen, ebenso vortheilhafte Contracte geschlossen; oder daß andere Verleger mir dergleichen Erbietungen gethan. Dies sind keine Argumente, die zwischen Ihnen und mir gelten. Auch weiß ich aus Erfahrung, wie bereitwillig Sie sind, mich an dem Gewinne bei meinen Schriften Antheil nehmen zu lassen, aber hier kommt es darauf an, daß ich mir von meinem schriftstellerischen Fleiße einen bestimmten Etat gründe, daß ich weiß, woran ich bin, und mich aller mercantilischen Rücksichten, die mir bei meinen Arbeiten störend sind, einmal für allemal entschlage.“

„Mit dem größten Vergnügen,“ antwortete Cotta, „willige ich in Ihren Vorschlag vom 13. h., dreihundert Ducaten für jedes neue, große Original, wie ‚Maria‘ oder die ‚Jungfrau von Orleans‘ zu bezahlen, und es würde mich betrüben, wenn Sie von mir nicht überzeugt wären, daß durch den Erfolg des Absatzes ein gleiches Resultat herausgekommen wäre. – Ich schmeichle mir, Sie kennen mich so weit und die Zukunft wird für’s Vergangene die Wahrheit hiervon belegen; inzwischen sehe ich wohl ein, daß eine fest ausgemachte Summe etwas Angenehmeres ist. Wir wären also ganz im Reinen; was ich noch sonst thun kann, wird dem unerachtet nach Möglichkeit geschehe. Hätten wir nur zwei Feinde vom Leibe! – die schlechten Buchhändler und die Nachdrucker.“ Das nächste Werk, welches dieser neuen Abmachung zu unterwerfen war, ist 1803 „Die Braut von Messina“. „Ich habe mir mit diesem Werke eine verteufelte Mühe gegeben,“ schreibt Schiller. „Da es um einige Bogen kleiner ist, als die ‚Maria Stuart‘ und also um etwas wohlfeiler verkauft werden muß, so lasse ich fünfzig Ducaten von unserem neuen Contracte nach.“ Und Cotta: „Mit innigem Danke erkenne ich Ihre Generosität in Hinsicht des angebotenen Nachlasses von fünfzig[WS 1] Ducaten, allein ich würde unedel handeln, wenn ich davon Gebrauch machen wollte.“ Und dabei blieb es.

Die Verbindung mit Schiller hatte für den Cotta’schen Verlag noch eine andere segensreiche Folge: Schiller zog Goethe nach sich. Schon während seiner Mitarbeit an den „Horen“ mußte Cotta auf Schiller’s Rath Goethen, „diesen Mann, wie er in Jahrhunderten kaum einmal lebt“, durch besondere Munificenz an dieses Journalunternehmen fesseln. Im Jahre 1797 logirte Goethe auf seiner Reise in die Schweiz bei Cotta und schrieb nach diesem kurzen Zusammenleben an Schiller: „Je mehr ich Cotta kennen lerne, desto besser gefällt er mir. Für einen Mann von strebender Denkart und unternehmender Handelsweise hat er so viel Mäßiges, Sanftes und Gefaßtes, so viel Klarheit und Beharrlichkeit, daß er mir eine seltene Erscheinung ist.“ Unter Schiller’s vermittelnder Thätigkeit kam denn auch bald ein Verlagsverhältniß zwischen Beiden zu Stande. Eine Zeitschrift, welche in populärer Weise über Kunstgegenstände handeln sollte, die „Propyläen“, erschien bei Cotta, aber nicht mit Glück; kaum vierhundertfünfzig Abonnenten fanden sich, und im Juni 1799 mußte Cotta dem Freunde melden, er habe bereits zweitausendfünfhundert Gulden Schaden gemacht – „es ist mir eine äußerst unangenehme Geschichte, wegen der ich aber keinen Entschluß fassen, sondern diesen ganz Goethen überlassen will.“ Dabei hatte Cotta vor Goethe stets einen gewissen heiligen Respect; er fühlte, daß Goethe besonders vorsichtig und rücksichtsvoll behandelt sein wollte, und fand an Schiller einen stets bereiten Mittelsmann. Es ist interessant zu sehen, wie Schiller an Cotta, wo es ihm nöthig scheint, das Gewagte einer Speculation mit Goethe’schen Werken (so mit der Ausgabe von „Cellini“, mit „Winckelmann und sein Jahrhundert“ etc.) unumwunden ausspricht, aber doch stets zu dem Resultate kommt, Cotta dürfe um keinen Preis den Verlag Goethe’scher Werke aus den Händen lassen, und ihn immer wieder und wieder auf ein Werk vertröstet, als auf eine Goldgrube – den „Faust“, von welchem damals erst der erste Theil in fragmentarischer Gestalt veröffentlicht worden war. „Ich fürchte, Goethe läßt seinen ‚Faust‘, an dem schon so viel gemacht ist, ganz liegen, wenn er nicht von außen und durch anlockende Offerten veranlaßt wird, sich noch einmal an diese große Arbeit zu machen und sie zu vollenden. Der ‚Faust‘ wird, wie er mir sagte, wenn er vollendet ist, zwei beträchtliche Bände, über zwei Alphabete[1] betragen. Er rechnet freilich auf einen großen Profit, weil er weiß, daß man in Deutschland auf dieses Werk sehr gespannt ist. Sie können ihn, das bin ich überzeugt, durch glänzende Anerbietungen dahin bringen, dieses Werk in diesem Sommer auszuarbeiten. Berechnen Sie sich nun mit sich selbst, wie viel Sie glauben an so eine Unternehmung wagen zu können, und schreiben alsdann an ihn. Er fordert nicht gern und läßt sich lieber Vorschläge thun, auch accordirt er lieber in’s Ganze, als bogenweis.“

Cotta offerirte, wie er bald darauf Schiller mittheilte, viertausend Gulden (circa zweitausendvierhundert Thaler) als Grundhonorar, mit dem Zusatze, daß er über die Größe des Ganzen nicht urtheilen könne und daß er sich schmeichele, Goethe kenne ihn von der Seite, daß, wenn der Erfolg der Erwartung entspräche, er jene Summe blos als erstes Anerbieten ansehen und sich für verbunden halten werde, nach der günstigen Aufnahme seine weitere Schuld abzutragen.

Zum „Faust“ kam es indessen damals noch nicht; erst nach Schiller’s Tode erschien im achten Bande der sämmtlichen Werke, für welche Cotta 1807 zehntausend Thaler gezahlt hatte, der „Faust“ in erneuter und erweiterter, wenn auch noch nicht in vollendeter Gestalt, aber der definitive Anschluß Goethe’s an Cotta’s Verlag war doch der Erfolg von Schiller’s Bemühungen, und dieses Verhältniß ward auch durch Schiller’s erfolgten Tod nicht unterbrochen, sondern dauerte bis zu Goethe’s Ende. Freilich, schwer war wohl unter Umständen mit dem alten Herrn auszukommen, seit Schiller’s milde Vermittelung fehlte. Aber mit Cotta’s wachsender socialer und politischer Bedeutung wuchs auch sein Selbstbewußtsein selbst einem Manne wie Goethe gegenüber.

Geduld und Nachsicht bedarf der Verleger im Verkehr mit den Autoren, und nicht am wenigsten mit ihren Versprechungen. Auch gegen Schiller hatte Cotta reichlich Gelegenheit gehabt, die Nachsicht zu üben, um die Goethe ihn später einmal bat mit der Versicherung, daß die Versprechen der Autoren, sowie die Schwüre der Liebhaber von den Göttern selbst mit einiger Leichtigkeit behandelt würden. Was Cotta aber nicht vertragen konnte, war Mißtrauen, und solches zeigte ihm Goethe im Jahre 1828, als er in seinem Namen und demjenigen der Schiller’schen Familie seinen Briefwechsel mit Schiller zur Herausgabe für den Verlag Cotta’s bearbeitet hatte und sich weigerte, das Manuscript auszuliefern, bevor die für ihn und die Schiller’schen Erben ausbedungenen je viertausend Thaler angewiesen wären. Da schrieb ihm Cotta in edlem Zorn: „Wenn ein solches Mißtrauen nicht einem fremden unbekannten Verleger gezeigt wird, sondern einem Manne, der mehr als dreißig Jahre in Verbindung steht und der nie nur einen Tag seine Geld-Obliegenheiten unerfüllt ließ, wie unerwartet muß diesem ein solches Mißtrauen erscheinen! – Ob der Mann, der bei bisherigen mehr als 160,000 Fl. betragenden Zahlungen (an Goethe) nie im geringsten Rückstand blieb, der stets einen offenen Credit verfügte und erhielt, so ängstlich zu behandeln war, will ich nur berühren, weil der Mensch, wenn er sich durch ein Ereigniß tief ergriffen und unglücklich fühlt, sich an seinen innere Richter wendet, sich fragend und prüfend: womit hast Du dies verdient?“ Goethe’s Antwort ist nicht erhalten, sicher aber ist, daß der fragliche Briefwechsel bei Cotta erschien und seitdem die dritte[WS 2] Auflage erlebt hat.

Cotta starb am 29. December 1832 als Freiherr Cotta von Cottendorf, nachdem er den alten Adel seiner Familie wieder angenommen hatte. Die vorstehende Skizze beansprucht nicht im Entferntesten, der Bedeutung des Mannes, noch dem Inhalte des vorliegenden Buches gerecht geworden zu sein. Dazu hätte eingegangen werden müssen – und zu dem allen bringt unser Buch höchst werthvolles Material – auf sein Verhältniß zu Schiller’s Erben und ihren Zeitgenossen, auf seine weitverzweigten literarischen Verbindungen, auf die Tendenzen und Schicksale seiner politischen Journale, auf seine eigenen politischen Schicksale und sein thätiges Auftreten im alten Württemberg, im revolutionären Paris, auf dem Wiener Congreß, in der neuen württembergischen Kammer; wahrlich, eine Weite des Wirkungskreises, die Heine das Recht gab, auf Cotta das Wort aus dem Egmont anzuwenden: „Das war ein Mann; der hatte seine Hand über die ganze Welt.“
F–tz.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: fünzig
  2. Berichtigungen, Vorlage: einunddreißigste


  1. Die Bogen wurden, statt mit Zahlen, mit Buchstaben numerirt.