Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung/Teil 2 Kapitel 11

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Der Stadt Hamburg Statuta und Gerichts Ordnung
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[224]
TITULUS XI.
Von ehelicher Vertrauung / Verheyrathung und Brautschatz:
ARTICULUS 1.

Wann zwo unmündige Personen / aus freyem Willen / mit Bevollbortung ihrer Eltern / in unverbottenem Grad sich mit einander ehelich einlassen und verbinden / solches wird für eine rechte Ehe geachtet.

[225]
2.

Weil vermüge göttlicher / natürlicher und weltlicher Rechte / der Eltern Beliebung und Vollbort zu der Kinder Ehe nöhtig / so seyn auch die Kinder der Eltern Consent aus schüldigem Gehorsam zu erfordern pflichtig und verbunden.

3.

Da nun der Sohn und Tochter unter 25. Jahren / ohne der Eltern Bevollbortung / eigenes Willens / sich an eine unberüchtige Person befreyen würden / auff den Fall sol den Vater frey stehen / den Brautschatz ihnen zu weigern / auch im Testament über die legitimam nichts zuverordnen. Da aber der Vater in dem Testament dieses Ungehorsams nicht würde gedencken / sondern stillschweigende vorbey gehen / auff den Fall wird solcher Sohn oder Tochter / seinen andern Schwestern und Brüdern gleich / zu den nachgelassenen Gütern admittirt und zugelassen.

4.

Wann jemand ohne der Eltern Vorwissen und Willen / mit einer Person heimlich sich würde verloben / und die Eltern / so bald sie es erfahren / solche Ehe widersprechen / und derselbe Sohn oder Tochter folgends [226] mit der Eltern Wissen und Willen / mit einer andern Person Verlöbnüß halten / so wird in diesem Falle die letzte Verlöbnüß der ersten / darinn die Eltern nicht gewilliget / billig vorgezogen.

5.

Würde einer zweyen Jungfrauen oder Witwen die Ehe versprechen / und ordentlicher Weise zusagen / auff den Fall ist die erste Zusage bündig / und die letzte von keinem Würden; es wäre dann / daß er die andere hätte fleischlich erkandt / so wird dieselbige Verlöbnüß in diesem Fall der ersten / wofern die Person von der ersten Verlöbnüß keine Wissenschaft gehabt / vorgezogen. Jedoch wird dem Gerichte die ernstliche Straffe / wegen des groben Excesses, gegen den Verbrecher billig vorbehalten.

6.

Wann eine Jungfrau vor der Ehe / darein sie mit ihrem Ehe-Mann getreten / von einem andern ist geschwängert / davon der neue Ehe-Mann keine Wissenschaft gehabt / sondern alsobald er solches nach gehaltener Hochzeit beständig erfahren / sich ihrer ehelichen Gemeinschafft hat enthalten / und auff die Entscheidung beharlich drenget / auch aus gefassetem Eyffer sich zu der Außsöhnung wil bewegen lassen / so kan ihm auch solche Entscheidung nicht verweigert werden.

[227]
7.

Wann aber einer mit einer Jungfrauen oder Wittwen sich ehelich eingelassen / die er vermeynet reich zu seyn / und daran Mangel erspühret / so kan in diesem Falle / nach gehaltener Hochzeit die Trennung keine statt haben / sondern er muß dieselbe / die er hat genommen / behalten. Aber vor der ehelichen Copulation und Beylager / kan die Verlöbnüß getrennet werden.

8.

Trennung oder Scheidung der Ehe wird nicht zugelassen / es sey dann daß der eine an dem andern Ehebrüchig worden / oder daß der eine unter ihnen zum Ehestande untüchtig befunden / oder daß der eine an dem andern Treuloß würde / und denselben verlassen hätte.

9.

Auff beschehene gerichtliche Erkändtnüß des begangenen Ehebruchs / wird dem unschüldigen Theil wiederumg zu der Ehe zu schreiten vergönnet und zugelassen.

[228]
10.

Würde einer oder mehr vor den Brautschatz / oder des Bräutigams Patrimonium, sich Bürglich einstellen / und dafür sich zu hafften verbinden / wofern derselbe vor Außgang zweyer Jahre nach gehaltener Hochzeit / solcher geleisteten Caution und Bürgschafft nicht wird Gerichtlich besprochen / so wird derselbe / nach den verlauffenen zweyen Jahren / von solcher Forderung frey und entbunden / es sey dann daß es aus Liebe und Freundschafft / auff des Bürgen Begehren / nicht ist gefordert / und solches mit glaubwürdigen Zeugen kan bescheiniget / oder mit des Ehe-Mannes cörperlichen Eyde erhalten werden. Würden aber die Bürgen in der wehrenden zweyen Jahres Frist gerichtlich belanget / und einer oder mehr deroselben Bürgen / nach beschehener gerichtlichen Klage / tods verfahren / so bleiben desselben verstorbenen Erben nicht destoweniger zu der geleisteten Caution obligirt und verbunden.

11.

Wann Ehezärter zwischen Eheleuten seyn auffgerichtet / und von denen die zur Verpflichtung darzu erfordet / seyn vollenzogen / untergeschrieben und versiegelt / so wird auch billig nach des einen oder andern Absterben / so wol zwischen dem nachgelassenen Ehemanne [229] / oder seiner Wittwen / und den Kindern / die so wol aus der ersten / andern und dritten Ehe gebohren / die Theilung nach den auffgerichten Ehezärtern billig gehalten; und seyn so wol der eine als der ander darnach sich zu richten schüldig / und ist damit der Wittwen die Wahl zu dem Stadt-Rechte / oder zu den Ehezärtern sich zu ziehen / hiemit benommen / sondern muß dieselbe die Ehezarter folgen.

12.

Ob schon nach den auffgerichteten und vollnzogenen Ehezärtern / ein der Eheleut hernacher ein Testament oder Disposition seines letzten Willens / wie es mit seinen nachgelassenen Gütern zu halten / verfassen lassen würde / so mag doch solch Testamet den vollenzogenen Ehezärtern in den Puncten / die denselben wörtlich seyn einverleibet / nichts praejudiciren.

13.

Werden nach des Ehe-Mannes Absterben / die nachgelassene Güter mit Schulden-Last beschweret befunden / so bleibet der nachgelassenen Wittwen eingebrachter Brautschatz vor die Schülde / die in stehender Ehe gemacht seyn / verbunden.

[230]
14.

Wofern aber die Wittwe / wann sie die Güter ihres verstorbenen Ehe-Mannes Creditorn, abgetreten / von ihren Eltern oder nechst-verwandten Freunden / nach des Mannes todt / oder falliment, etwas ererben würde / dessen hat sie und ihre Kinder / vor ihres verstorbenen Ehe-Mannes Creditorn An- und Zuspruch / frey und ungehindert billich zu geniessen.

15.

Würde die Wittwe / nach Absterben ihres Ehe-Mannes / wegen der auff dem Sterb-Hauß befindlichen beschwerlichen Schülde / des Sterb-Hauses und der nachgelassenen Güter sich nicht anmassen / sondern den Creditorn des verstorbenen Ehe-Mannes / die nachgelassene und am Sterbetage verhandene Güter / würcklich und auffrichtig abtreten und aufftragen / so kan dieselbe Wittwe / durch solche beständige Cession, von ihres verstorbenen Ehe-Mannes Creditorn sich loß würcken und entfreyen.

16.

Würden der Wittwen (welche nach ihres Ehe-Mannes tödlichem Abgange / alle am Sterb- [231] Tage im Sterb-Hause und sonst verhandene / und ihrem verstorbenen Ehe-Manne / und ihr zugehörige beschwerte Güter / ihren Creditorn hat abgetreten) Eltern oder verwandte Freunde dieselbe aus ihren eigenen Gütern wiederumb außsteuren / so können des verstorbenen Ehe-Mannes Creditorn, so wenig die Wittwe / als auch ihren andern Ehe-Mann / ferner nicht besprechen. Da aber die Wittwe und ihr ander Ehe-Mann / sich des ersten Ehe-Mannes Güter / es sey viel oder wenig / beweißlich angemasset hätten / so seyn sie auch auff den Fall / zu den nachstehenden Schulden des ersten verstorbenen Ehe-Mannes Creditorn, zu antworten verbunden.