Der Kapuzinerberg bei Salzburg

Textdaten
<<< >>>
Autor: M. Reinitz
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Kapuzinerberg bei Salzburg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 543, 545
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Rundgang in Salzburg
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[543]

Aufgang zum Kapuzinerberge bei Salzburg.
Nach der Natur aufgenommen von L. v. Elliot.

[545]
Der Kapuzinerberg bei Salzburg.


Lieblich und gleichwohl sehr eigenartig repräsentirt sich die schönste Stadt des österreichischen Alpengaues, lieblich in ihrem Reize, mit welchem sie die Natur vor allen anderen Städten Oesterreichs ausgezeichnet hat, und eigenartig sowohl in ihrem äußeren Gepräge wie auch in der Bevölkerung, welche nach großen Kämpfen mit den alten Traditionen endlich gebrochen hat.

Nur bauliche Spuren, unschädliche Reminiscenzen der früheren erzbischöflichen Gewalt, erinnern noch an das einstige deutsche Rom, während die gegenwärtige Gesinnung der Bevölkerung ein sprechender Beweis des Fortschrittes ist, welcher sich im Weichbilde Salzburgs Bahn gebrochen hat. Dies zur Charakteristik Salzburgs, welches in Allem und Jedem auf Jedermann den angenehmsten Eindruck machen muß.

Die modernsten Gebäude einerseits und die italienischen geraddachigen Bauten andererseits bilden einen keineswegs störenden Contrast, sondern lassen vielmehr die Stadt imposanter erscheinen. Das Ensemble, welches hier die Stadt, die Salzach und die Berge miteinander bilden, übertrifft an malerischer Schönheit unstreitig das Pittoreske aller Städte Deutschlands. Und welche Ordnung in dieser pittoresken Mannigfaltigkeit!

Inmitten der Wächter Salzburgs, zwischen dem Mönchs- und dem Kapuzinerberge, liegt die Stadt mit ihren Kirchen, Klöstern, Friedhöfen etc., durchzogen von der grünlichgrauen Salzach, welche, aus den norischen Alpen kommend, ihren Lauf nach Baiern nimmt. Bis Salzburg geben ihr die österreichische Alpen das Geleite, welches hier durch den Mönchsberg und Kapuzinerberg so schön abschließt. Noch repräsentirt sich die Stadt Salzburg selbst in vollster Pracht zum Abschiede; wenige Wellengänge, und die Salzach hat die Grenzmark überschritten.

Das ist das Bild, welches die Höhen Salzburgs bieten und ohne welches kein Wanderer von Salzburg Abschied nehmen wird.

Soll das Bild vollständig sein, so besteige man nur den Kapuzinerberg, welcher alle Höhen Salzburgs überragt und auch den Mönchsberg beherrscht. Unsere heutige Illustration zeigt den Eingang zum Kapuzinerkloster, von wo aus ein ebenso bequemer wie interessanter Weg zur Spitze des Kapuzinerberges führt.

Eine in der Häuserreihe der sehr belebten Linzerstraße auf dem rechten Salzach-Ufer befindliche Wölbung ist die Pforte zur reizendsten Landschaft Salzburgs. Der schmutziggraue und nicht auffallende Eingang ladet keineswegs zu jenem Genusse ein, welchen der Hintergrund desselben bietet. Rechts und links reihen sich an diese Wölbung die verschiedenartigsten Bauten an, wo immer reger Verkehr herrscht, kurzum jenes Leben, welches größeren Städten eigen ist. Hier ist es ein Trödler, der seine Waare anpreist, dort ein Bauer, der seine Schnitzereien anbietet, und weiter oben steht die junge Dirne an ihren Handkarren gelehnt, welche frische Milch und Käse feilbietet, plötzlich aber mit dem Verkaufe innehält, um den vorüberziehenden Pater begrüßen zu können. Ruhig, ohne eilen zu müssen, geht der Mönch die Stufen hinab; drängt doch das Geschäft nicht so sehr, umsomehr, als ihm die Einheimsung zu jeder Zeit gewiß ist. Auch gönnt er sich, verstohlen einen Blick auf die Dirne zu werfen, welche ihm ehrfurchtsvoll ihr „Guten Morgen, ehrwürdiger Herr!“ zuruft und seinen noch unstrapazirten Bettelsack inaugurirt.

„Guten Morgen im Namen Jesu Christi,“ erwidert der Mönch, wobei er ihr schmunzelnd noch einen Blick zuwirft und langsamen Schrittes weitergeht.

Endlich ist der Tourist diesem Gewirre entronnen. Alsbald darauf hält ihn aber eine neue, äußerst fremdartige und mitunter Schrecken einflößende Erscheinung fest. Es ist eine jener Gestalten, welche in allen Alpenländern anzutreffen sind und alle Wege belagern, um den Reisenden Almosen abverlangen zu können. Das blödsinnige Aussehen und das Erscheinen der Kropfhälse bei diesen Leuten ist lediglich den Verhältnissen von Erde und Wasser der Alpenländer zuzuschreiben. Als Gebirgsbewohner sind sie genöthigt, alle Lasten bergauf und bergab auf dem Kopfe zu tragen, wobei sich häufig Unglücksfälle ereignen, deren Folgen die erwähnten Mißgestaltungen sind. Desgleichen ist die Kropfbildung dem schädlichen Einflusse des harten Wassers auf den Organismus zuzuschreiben.

Dies sind die unmittelbarsten Eindrücke, welche der Tourist beim Aufstieg zum Kapuzinerberge empfängt. Der Weg zu diesem Berge führt über zweihundertfünfzig Stufen an acht Nischen vorbei, in welchen Gruppen aus der Leidensgeschichte Christi lebensgroß und grell dargestellt sind. Man erreicht nun das Kloster, wo eine Pforte in den Jagdpark des Erzbischofs führt. Je mehr man von hier aufwärts steigt, desto mehr erweitert sich das Bild; es erscheinen stets neue Gruppen, bis endlich auf einem offenen Platze, „Stadtplatz“ genannt, die Scenerie vollständig erscheint.

Ein weiterer Aufstieg bis zum „Francisci Schlößl“ bietet gar kein Interesse, weil ein Ausblick unmöglich ist wegen der vorstehenden Buchenwaldungen. Auf dem Stadtplatze wird daher Halt gemacht. Vor kaum fünfundzwanzig Minuten noch im Getümmel der Linzerstraße, steht man nun inmitten der reizendsten Naturschönheiten, vor einem Panorama, dessen Gleiches nur die renommirten Spitzen jener Alpen bieten, die von den Touristen oft mit Lebensgefahr erklommen werden. Der Ausblick auf die Stadt, auf ihre Umgebung und auf den gegenüber sich erhebenden Mönchsberg einerseits und nach Baiern andererseits ist bezaubernd schön.

Klar und deutlich erscheint die Gruppirung der umliegenden Berge und der Häuser, welche an den Mönchsberg angeheftet sind. Es liegt Alles weit und doch so nahe vor den Augen des Wanderers. Alle Gassen, ja selbst die Höfe der Gebäude können auf’s Deutlichste unterschieden werden. Der Dom und alle übrigen Kirchen, der munter dahinrauschende Alpenfluß stellen sich auf das Vortheilhafteste dar. Und die Festung, wie herrlich repräsentirt sie sich bei der Abendsonne! – Alles dies hat seine Geschichte, welche jeder Führer bis in’s kleinste Detail zu erzählen weiß. Die Hauptrollen spielen hierbei selbstverständlich die großen Erzbischöfe Salzburgs, so der heilige Rupertus, Dietrich etc. Diese geistlichen Fürsten haben nämlich viel zur Förderung der Stadt beigetragen.

Dort lehnt sich an die Nagelflue des Mönchsberges der älteste Leichenhof Salzburgs mit den zahlreichen Kapellen, wovon eine die Einsiedelei des heiligen Maximus war. Die schauerlichsten Geschichten werden von dieser Stätte erzählt. Hier hatte der heilige Maximus den Römern das Evangelium gepredigt und bei der Zerstörung der Römerstadt durch die Heruler im Jahre 477 mit fünfzig Glaubensgefährten den Märtyrertod gefunden, indem er von ihnen vom Mönchsberge in den schauerlichen Abgrund gestürzt worden ist.

Doch zurück zum Kapuzinerberg!

Ueberraschend schön ist das Bild bei Sonnenuntergang. Die Minarets der Thürme, die weißgetünchten Häuser der Vorstädte und der Schloßberg sind auf’s Trefflichste beleuchtet. Auf einmal ertönt auch das holländische Glockenspiel vom Rathhause her, welches unwillkürlich zur Andacht stimmt.

Gegen Westen eröffnet sich die Aussicht nach Baiern. Während rechts die baierische Hochebene den Blick in die weite Ferne schweifen läßt, wird links der Horizont durch die bairischen Hochgebirge, darunter der wackere „Staufen“, begrenzt. Der Rundgang ist vollendet, und nur schwer scheidet der Wanderer von dieser Stätte.

Im Hinabsteigen schwindet das Bild in demselben Verhältnisse, wie sich dasselbe beim Aufstieg entwickelt hatte. Noch ist der Dom sichtbar, aber auch dieser verschwindet in wenigen Secunden. Nur die Sonne schwebt noch über dem Horizonte. Sie hat ihre Strahlen, die den Antritt ihrer Herrschaft ankündigen, bereits in die andere Welt geschickt. Noch hat die Scheibe nicht den Horizont überschritten. Ein Ruck – und auch sie ist verschwunden, rosige Spuren zurücklassend.

M. Reinitz.