Vom großen Unbekannten
[538] Vom großen Unbekannten. Zehn Jahre sind nun verflossen, seit der Tod das Räthsel löste, das über dem Leben eines Mannes geschwebt, dem wir unbeirrt den Rang unter den ersten deutschen und englischen Romanschriftstellern einräumen dürfen. Drei Nationen stritten sich ähnlich wie bei dem mythischen Homer um die Ehre der Landsmannschaft des Dichters Sealsfield. Der „große Unbekannte“, wie Rudolf Gottschall ihn nannte, scheint nun aber das Loos aller großen Männer theilen zu müssen, er, dessen Leben zwei Welten umspannte, dessen Ruhm die ganze gebildete Welt erfüllte, scheint gerade am wenigsten im Gedächtnisse seiner engeren Landsleute zu leben. Nichts erinnert in Znaim bisjetzt daran, daß es die Stätte der Jugendzeit Sealsfield’s gewesen, daß das hiesige Gymnasium dem regen Geiste desselben die erste Nahrung geboten.
Nur im einsamen Walde draußen, auf einem romantisch von aller Welt abgekehrten Plätzchen, das die Tradition als Lieblingsstätte des Gymnasiasten Karl Postel bezeichnet, hat ein Verehrer des Schriftstellers ein schlichtbescheidenes, aber sinniges Denkmal improvisirt. Auf einem riesigen, weiß übertünchten Felsblocke ist in schwarzen Lettern folgende Inschrift angebracht:
Ueber der ersten Zeile befindet sich ein aus den Buchstaben S und C gebildetes P, wie es Sealsfield für sein Grabmal in Solothurn angeordnet hatte. Der in Todesschweigen ruhende Gedenkstein inmitten einer prachtvollen wildromantischen Gegend, die als „mährische Schweiz“ bekannt ist, erweckt in dem Beschauer eigenthümliche Regungen und den Wunsch, ein würdiges Monument endlich in’s Leben treten zu sehen.