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Autor: Gustav Schwab
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Titel: Der Hohlenstein in Schwaben
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aus: Gedichte. 1. Band, S. 334–336
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Quelle: Google und Scans auf Commons
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[334]

Der Hohlenstein in Schwaben [1].

Hoch droben bei dem Dörflein Hart
Man noch ein Felsenloch gewahrt,
Es ist im tiefen Wald gelegen
Ab von den Feldern und den Wegen,

5
Es trennt der Stein sich in zwei Falten

Als hätt’ ihn Sturm und Blitz gespalten,
Er scheint für Fuchs und Eul’ allein
Ein trüb unheimlich Haus zu seyn,
Doch ist es bald dreihundert Jahr,

10
Da ward zum Fürstenschloß er gar;

Da stand in ihm, das Haupt gebückt,
Den Rücken an die Wand gedrückt,
Die Arme knapp in’s Kreuz geschlagen,
Schon seit zwei Nächten und zwei Tagen

15
Ulrich der Herr vom ganzen Land,

Hatt’ nichts, als diese Felsenwand.
Die Bündler hatten ihn vertrieben,
Sind auf den Fersen ihm geblieben:
Und hätt’ ihn nicht der Felsenspalt,

20
Und der verwachs’ne Buchenwald

In seine dunkle Hut genommen,
Er wär’ um’s Leben auch gekommen.
So aber zogen mit Geschrei
Und wildem Fluchen sie vorbei.

25
Und als es nun den müden Fürsten

Begann zu hungern und zu dürsten,
Fing er zu klagen an und beten,

[335]
Ob ihn der Herr nicht g’nug zertreten;

Hätt’ es der schmale Raum erlaubt,

30
Er wär’ gekniet mit bloßem Haupt.

Da rauscht es in den nahen Zweigen,
Zwei Männer sieht er niedersteigen.
Nicht Feinde sind es, wild erbost,
’S ist guter unterthanen Trost;

35
Sie kommen nicht zu fahn, zu lauern,

Es sind vom alten Schlage Bauern,
Von denen Eberhard im Bart
Gerühmt die ächte Landesart,
Daß ihrem Schooß allnacht ohn’ Grauen

40
Sein fürstlich Haupt er wollt’ vertrauen.

Wie die den Herzog hier erkunden,
Sie wissen nicht, wen sie gefunden,
In’s Dörflein führen sie ihn gern
Als einen arm verirrten Herrn.

45
Sie kosen traulich mancherhande,

Wie’s gute Sitt’ im Schwabenlande,
Sie klagen von den harten Tagen,
Und wie das Land sey schwer geschlagen,
Der Herzog flüchtig und verbannt, –

50
Doch der wohl hätt’s verdient um’s Land!

Mit Steuern und mit wildem Jagen
Thät er es unaufhörlich plagen,
Bis endlich Gott der Herr ihn lehrt’,
Daß ihm’s nicht also ganz gehört.

55
Der Herzog, schamroth, sah zur Erden,

Er sprach: das soll schon anders werden;
Sie aber sagen drauf mit Lachen:
Er wird es doch nicht besser machen,
Und wenn er’s in der Noth verspricht,

60
Kommt er nur wieder, hält er’s nicht.


[336]
     Derweil sind sie in’s Dorf gekommen,

Und haben ihn in’s Haus genommen.
Er drückt und bückt sich durch die Thür,
Doch kommt ihm alles köstlich für;

65
Wie schmeckt die harte Bank ihm; hei!

Wie mundet ihm der schwarze Brei!
Er nimmt vom alten Schranke dort
Das neue, deutsche Bibelwort,
Er liest in Andacht die Propheten

70
Von Fürstenstraf’ und Volkesnöthen;

Und wie er drauf sich macht davon,
Spricht er: Gott euch für jetzt belohn’,
Daß ihr den Ulrich mochtet speisen,
Und ihm sein Regiment verweisen!

75
Er eilt hinaus, sie glaubens kaum,

Und war es ihnen lang ein Traum;
Doch als das Land ward wiederbracht,
Sind sie gar fröhlich aufgewacht;
Mit Kriegsdienst, Steuern, bösen Frohnen

80
Hieß er das ganze Dorf verschonen,

Doch ward der Türk’ im Reich erblickt,
Da hat es Einen Mann geschickt,
Und gegen die Franzosen neulich,
Da schickt’ es mehr als Einen treulich.

85
     Also hat seit dreihundert Jahren

Das Dörflein Hart es wohl erfahren,
Daß es den Herzog auf der Flucht
Gerettet aus der Felsenschlucht.


  1. Bei Nürtingen, nicht auf der Alb, aber doch im
    nahen Angesichte derselben.

Anmerkungen (Wikisource)

Erstdruck in: Schwäbisches Taschenbuch auf das Jahr 1820. Stuttgart [1819], S. 80-84 Google. Nach Werner Schulze: Gustav Schwab als Balladendichter. Berlin 1914, S. 78 Internet Archive gedichtet 1815.

Zur Ulrichstein-Überlieferung siehe ausführlich Der Winkel von Hahrdt.

Vers 15: Herzog Ulrich von Württemberg

Vers 37: Eberhard im Bart. Zur Anekdote siehe 1495: Württemberg wird Herzogtum. Stuttgart 1995, S. 9 Freidok mit Nachweisen.