Der Eremit (Gemälde der Dresdener Gallerie)

Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Der Eremit
Untertitel: Von G. Dow
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1848−1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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The Hermit.     Der Eremit.

[338]
Der Eremit.
Von G. Dow.

Die große Straße von Mons nach Paris, welche jetzt ihre Bedeutsamkeit an die gewaltige Eisenbahnlinie abgetreten hat, war ums Jahr 1656 freilich noch nicht in dem glänzenden Zustande, der sie zu unserer Zeit auszeichnete; aber sie existirte doch.

Auf diesem Heerwege sah man an einem Frühlingsabende, kurz vor einbrechender Dunkelheit, zwei Reisende, einen Mann und ein junges Mädchen. Beide waren beritten. Nach allen Anzeichen hatten sie eine bedeutende Strecke zurückgelegt.

Die Reisenden gehörten den vornehmen Ständen an. Der Cavalier war ein Mann von vierundzwanzig Jahren mit langen, schwarzen Locken und dunklen Augen. Obgleich er sehr ermüdet schien, so war doch die Haltung seines hohen, schlanken Körpers, sein Sitz im Sattel untadelhaft und graziös. Die Dame, kaum zwanzig Jahr alt, in Amazonentracht mit einem breitkrämpigen Federhute, war blond, zart, zierlich geformt. Sie hielt sich nur mit Mühe aufrecht und richtete unverwandt den Blick auf das zwar entschlossene, aber doch bekümmerte edle Antlitz ihres schönen Begleiters, als schöpfe sie neuen Muth aus diesem Anschauen.

Die feine Kleidung der Reisenden war zerknittert und in Unordnung: Beide mußten vor ihrem Abritte auf’s äußerste geputzt gewesen sein. Das Seiden-Wamms des Cavaliers war reich mit Silber gestickt; sein Ueberwurf mit Schlitzärmeln vom blendendsten blauen Sammt war mit Perlen verziert und sein Hut mit Straußfedern, seine gelben Stiefeln mit goldenen Sporen und sein langes, gerades, schmales Schwert wären auf einem Feste an einem fürstlichen Hoflager nicht zu schlecht gewesen.

Die Dame war nicht weniger kostbar gekleidet. Ihr Castorhut hatte eine Agraffe von Diamanten, welche unter dem Reigerbusche hervor taghell durch die einbrechende Dämmerung leuchtete. Sie trug ein dunkelgrünes Jagdkleid mit silbernem Ausputz und an einem mit hellen Steinen verzierten Bandelier ein silbernes Hifthorn.

Die Thiere des Paars, der falbe Hengst des Herrn und der kleine Fliegenschimmel der Dame, konnten, wie sehr die Reiter sie pressirten, sich kaum noch in einem ermüdeten, mürrischen Trabe erhalten.

Wer diese beiden schönen Menschen in ihrem beschriebenen Aufzuge an diesem Abende auf der großen Straße sah, fern von jeder menschlichen Wohnung, erschöpft, und dennoch wie vor einer furchtbaren Gefahr immer weiter und vorwärts strebend, der hätte die damalige Zeit gar schlecht gekannt, wenn er nicht auf der Stelle zu der Ueberzeugung gekommen wäre: dies ist ein Liebespaar und hier hat eine Entführung in bester Form stattgefunden.

Die Reiter sahen mit schwerem Herzen, daß die Straße, schnurgerade, sich noch unabsehbar ausdehnte, sobald sie eine der sanften, wellenförmigen Erhöhungen derselben erreicht hatten. Auf einem solchen Hügel, welcher eine Uebersicht nach allen Seiten gewährte, machte der Cavalier Halt, hob sich in den Bügeln und schaute rundum.

[339] Vor ihm dehnte sich das wellenförmige Terrain ununterbrochen aus. Die Straße zeigte sich in dem Halbdunkel wie ein weißliches, breites Band. Rechts war sumpfiges, ebenes Land, nur stellenweise durch kleine Gebüsche und Baumpartien unterbrochen. Links, auf die Weite eines guten Musketenschusses standen einzelne Eichen, die Vorposten des weiten, großen Waldes, welcher sich unmittelbar hinter denselben dicht und finster zeigte, und auf dem sich terrassenartig erhebenden Boden bis zu dem Schnitte eines langen niedrigen Hügels erstreckte, indeß er auf diese Weise den südlichen Horizont begränzte. Ringsum herrschte die lautlose Stille einer öden unbewohnten Gegend. Kein Dorf, keine Bauerngehöfte, selbst keine Hütte war zu sehen.

Die Dame hielt dicht neben dem Herrn und reichte ihm matt ihre, mit einem Perlenhandschuhe bekleidete Rechte. Er führte die Hand mit Inbrunst an seine Lippen.

– O, Daniel! flüsterte die schöne Dame. Nicht wahr Geliebter, auch Du giebst die Hoffnung auf, daß wir entkommen werden? O, warum bin ich so schwach . . . Ich glaube, ich werde ohnmächtig; es ist mir dunkel vor den Augen; ich habe nur noch ein traumartiges Bewußtsein; ich muß unwillkürlich die Augen schließen und dann sehe ich und höre unwirkliche Dinge . . . Engel und Tänzer und Jäger und Musik und Glockenläuten . . .

Sie neigte sich, indeß ihre Stimme erstarb, auf den Hals ihres Rosses. Der junge Mann umfing sie, faßte sie mit kräftigen Armen und zog sie vor sich auf seinen Gelbfuchs. Er sagte kein Wort, sondern blickte mit der unbeschreiblichsten Wehmuth in das blasse Gesicht des Mädchens, welches an seinem Busen ruhte.

– Sie stirbt! murmelte er, nach einer langen Pause. Und wie geschüttelt von diesem, furchtbaren Gedanken, schrie er im Augenblicke drauf: Theresia! Theresia!

– Ich träumte! stammelte sie, indeß sie aufblickte und sich auf dem Rosse und in den Armen ihres Geliebten fand. Diese Nähe aber schien ihr neue Kräfte zu geben. Sie setzte sich bequem und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, indeß sie mit aus dem Herzen quellender, innerster Befriedigung sagte; – O! Daniel! Das war’s, was mir fehlte . . . Hier, ja hier ist mein Platz, mein Herz und meine Heimath!

Herrliche, göttliche Jugend! dieser eine Moment genügte, dem Muth und der Kraft und der Hoffnung beider Menschen eine neue Spannkraft zu geben. Und als wenn das Glück oder der Liebenden Schutzengel sie begünstigte, so hörten beide mit ebensoviel Entzücken als Erstaunen das helle, klare Läuten eines Glöckleins, welches aus dem Walde hervordrang und bezeugte, daß für die Erschöpften eine Ruhestatt in nächster Nähe winkte.

Die Liebenden sagten nichts. Sie sahen sich nur mit dem glücklichsten Blicke an. Dieser Blick sprach: Hörst Du! Hörst Du! Und wir konnten so kleinmüthig verzweifeln? –

Daniel nahm den Schimmel an die Hand, bog von der Straße ab und schlug einen Fußpfad nach dem Walde ein. Das Läuten dauerte fort und bestimmte ihm die Richtung. Im Walde angelangt, erhob sich der Boden und wurde hügelig und uneben; eine roh gebahnte Straße führte durch dicht verschlungenes Gebüsch nach einem steil aufsteigenden Hügel. Kaum konnten die Rosse noch vorwärts. Als sie aber das Dickicht verließen, bot sich den Liebenden ein ebenso eigenthümlicher als ergreifender Anblick dar.

Sie befanden sich auf der Platteform des erklommenen Hügels und sahen eine Eremitage vor sich, ein kleines steinernes Gebäude, eine Art von Kapelle, mit einem Glockenhäuschen drüber, [340] welches in seinem Erdgeschosse eine kleine ausgemauerte Wölbung, die Wohnung des Einsiedlers zeigte.

Dicht vor dem bogenförmigen Eingange in dies ascetische Gemach, über welchem eine alte Laterne mit Hornblenden hing, war eine Erhöhung des Bodens, aus welchem sich der Fuß einer herrlichen Eiche erhob, deren Aeste und Blätterdach sich schützend über die Einsiedelei spannten.

Dies malerische Plätzchen war in diesem Augenblicke ein geheiligtes. Der kleine Hügel war von dem einsamen Waldbruder zum Altar gemacht. Neben dem Stamm der Eiche stand ein großes hölzernes Crucifix von ziemlich guter Arbeit. An dasselbe angelehnt, sah man mehrere alte Bücher. Zu den Füßen des hölzernen Heilandbildes lag eine Sanduhr und ein weißglänzender Todenschädel. An den Baumstamm angelehnt war ein gewaltiges, großes Gebetbuch und vor demselben mit gefalteten Händen knieend, erblickte man den Eremiten selbst.

Er hatte seinen Rosenkranz zur Seite gelegt und war in die tiefste Andacht versunken. Der Mann mußte an siebenzig Jahr alt sein. Spärliches Haar zog sich um seinen kahlen Scheitel; ein mächtiger, schneeweißer, ganzer Bart bedeckte den Untertheil seines faltigen Gesichts. Der Einsiedler war barfuß und trug eine Franziskanerkutte. Er schien erst vor kurzer Zeit von seiner Wanderung nach Lebensmitteln heimgekehrt zu sein; denn an seinem Gürtel von Stricken hing noch die Milchflasche und am Stamm der Eiche war sein geflochtener Brodkorb aufgehängt.

Die Liebenden betrachteten mit tiefem, ehrerbietigen Schweigen diesen Mann, auf dessen Gesichte die Wahrheit geschrieben stand, daß ihm das Leben hartgeprüft habe, daß er mehr durch innern Schmerz und Kummer, als durch die Last der Jahre gebeugt war.

Jetzt stand er auf und schlug sein Buch zu, indeß er einen melancholischen Blick auf seine Umgebung warf. Er schien einigermaßen und nicht unangenehm überrascht als er die Reisenden am Saume des Waldes wahrnahm. Er winkte ihnen, näher zu kommen und sie gehorchten.

Der Eremit segnete beide durch das Zeichen des Kreuzes und begann dann, ohne ihre Anrede zu erwarten:

– Pater Jacobus bietet Euch Gastfreundschaft; denn er sieht, Ihr seid sammt Euren Thieren nicht im Stande, heute Abend das nächste Dorf zu erreichen, auch wenn nicht drüben über die Ebene her ein gewaltiges Unwetter heranzöge. Darum tretet schnell ein; das Rauschen in den Wipfeln der Bäume beginnt schon und wir werden daran denken müssen, unsere Thüren zu verschließen.

Ohne die Antwort abzuwarten nahm Jacobus die beiden Pferde an die Hand und brachte sie unter einen an der Seite des steinernen Gebäudes angebrachten hölzernen Schuppen, der zu diesem Zwecke eingerichtet schien. Er warf ihnen einige Arme voll Kräuter, Gras und Blumen, die er schnell in der Nähe zusammenraffte, vor und ging dann den Reisenden voran in sein gewölbtes mit einem schmalen Fenster versehenes Zimmer.

Daniel hatte dem Alten mit einiger Verwunderung zugesehen.

– Wahrlich, Ihr habt einen guten Lehrer in der Behandlung eines Rosses gehabt, mein Pater! sagte der junge Mann, als er mit Theresia und dem Eremiten an einem einfachen Tisch Platz nahm, um das Mahl des Alten zu theilen.

Pater Jacobus sah den Cavalier groß an, sagte aber nichts.

Allgemach kam eine Unterhaltung zu Stande. Jacobus schien, ungeachtet seiner sich immer [341] gleichbleibenden Miene, nicht wenig neugierig. Die Reisenden aber waren zu bewegt und beklommen, als daß ihnen nicht eine Mitteilung über ihre Verhältnisse erwünscht gewesen wäre.

Daniel fing also an zu erzählen.

Er war der letzte Sproß eines altadeligen, flamländischen Geschlechts. Sein Vater war im spanischen Kriege gefallen, seine Mutter hatte ihn nur kurze Zeit überlebt. Daniel war von seinem Großvater, seinem einzigen nahen Verwandten erzogen und dieser Alte hatte ihm seinen Lebensweg mit eiserner Hand vorgezeichnet. Es war längst festgesetzt, daß Daniel die einzige Tochter eines Edelmannes heirathen sollte, welche im Besitz bedeutender Besitzungen, ihren Adel bis zu den alten Grafen von Brabant hinaufführen konnte. – Daniel aber verliebte sich in Theresia de Valnaer, deren Vater ein reicher Brüsseler Kaufmann war. Der alte Edelmann tobte; de Valnaer, nicht weniger stolz als dieser, drohte Theresia ins Kloster zu stecken, wenn sie ferner die geringste Verbindung mit Daniel unterhalte. – Die verzweifelnden Liebenden faßten bald einen Entschluß. Die brüsseler Edelleute und Patrizier stellten eine glänzende Reigerjagd an, an welcher auch Theresia Theil nahm. Von der Jagd ab entführte Daniel, aller Welt zu Trotze, die Geliebte und brachte sie glücklich über Mons hinaus bis in Pater Jacobus Klausnerei.

Dieser hatte aufmerksam zugehört.

– Aber, Du sagtest mir nicht, sprach er nach langem Sinnen, wie Dein Name heißt?

– Daniel van der Palm!

Das lederfarbne Gesicht des Eremiten erbleichte. Verwirrt erhob er sich; er schien fliehen zu wollen . . . Dann aber setzte er sich, indeß er sein Haupt fast auf die Brust fallen ließ, wieder nieder.

– Van der Palm! murmelte er. Seid ruhig Kinder; vielleicht kann Euch Jacobus nützen.

Weitere Aufklärung gab er nicht. Theresia legte sich in dem kleinen Verschlage, welcher das saubere Bett des Eremiten enthielt, zur Ruhe und Daniel ging oben in die Kapelle, wo er sich vor dem kleinen Altar auf einer Decke ausstreckte. Jacobus hatte sich, des aufsteigenden Sturmes ungeachtet, nicht zur Ruhe begeben, sondern ging, im Selbstgespräch begriffen, vor der Einsiedlei auf und ab.

Daniel hatte eine Idee, als höre er durch den Schlaf das Sausen und Plätschern von einem gewaltigen Regengusse; er war zu sehr ermüdet, als daß er wach geworden wäre. Dann ward alles still. Später hörte er Pferde wiehern und stampfen und zwei Männer laut mit einander unmittelbar unter dem Kapellenfenster sprechen. Er horchte; die eine Stimme fuhr ihm durch Mark und Bein.

– Ich hab’s von einem Schäfer gehört, daß sie den Weg hierher eingeschlagen haben! erscholl es. Und ich sehe, ich bin hier recht. Da sind die Pferde. Wo sind diese beiden wahnsinnigen, diese Verbrecher? Zittere, Du schwachköpfiger Mönch, wenn Du sie mir verbirgst, oder gar – wenn Du sie schon getraut haben solltest . . .

Das war der alte van der Palm. Daniel sah zum Fenster hinab. Triefend vom Regen stand der Greis da, die Hand an’s Schwert gelegt; Jacobus ihm gegenüber. Den letzteren kannte er kaum wieder. Aufrecht, kräftig stand er vor dem Edelmann. Ein eigenthümliches Paar, von dem unsichern Scheine der Laterne vor der Klause beleuchtet.

– Wirst Du reden, Pater Franziskaner? rief van der Palm, die Hand ausstreckend.

[342] Jacobus ging in die Zelle und kam sofort zurück. Er trug ein langes, schmales Schwert in der Linken. Mit einer stolzen Bewegung faßte er den Griff desselben und zog eine wohlgepflegte, tadellos glänzende Klinge aus der Lederscheide.

– Was? schrie sein Gegner, dessen Klinge augenblicklich enblößt war. Meuchelmord? –

– Nein, ritterlicher Kampf . . .

– Mit Dir, Pfaffe? rief Palm wüthend.

– Mit mir, David! Dein Großsohn und seine Braut, Theresia de Valnaer sind unter meinem Dache. Der Weg zu ihnen geht aber nur über meine Leiche. Erfülle das Maß Deiner Hartherzigkeit. Pieter van Mool, der seit vierzig Jahren Verschollene steht vor Dir . . .

Palm that einen Ausruf und prallte einige Schritte zurück.

– Du konntest einst Deinem Busenfreunde, als er, der Unbegüterte, die Liebe Deiner einzigen Schwester errungen hatte, den Tod des Herzens geben, dadurch, daß Du meine Elizabeth in ein Kloster sperrtest, wo sie, von mir getrennt, sich zu Tode grämte! sagte Jacobus mit fester Stimme. Heute, wo Du dem Grabe ebenso nahe stehst als ich, bist Du entschlossen, dieselbe Unmenschlichkeit an Deinem einzigen Enkel zu verüben. Ein solcher Tiger verdient nicht zu leben! Leg Dich aus Palm, oder bei Gottes Blut, wenn Du ebenso feige als grausam bist, so stoße ich Dich nieder, ohne meine Klinge mit der Deinigen zu kreuzen . . .

Palm erhob sein Schwert und trat in Fechterstellung vorwärts. Dann aber sank sein Arm; er wandte sich zur Seite und steckte mit einem hallenden Stoße seinen Degen wieder ein. Hierauf kreuzte er die Arme und blickte seinen mönchischen Gegner lange schweigend an.

– Nein! sagte Palm, indeß er seinen großen Hut mit dem schlaff herabhängenden, nassen Federbusche abnahm. Nein! so weit sind wir denn doch noch nicht gekommen. Bist Du wirklich Mool, Pieter Mool? Aber ja; ich kenne Dich an den Blicken Deiner Augen! Die Todten stehen wieder auf . . . Wäre ich doch nie, nie diesen Weg gekommen . . .

– Danke dem Winke des Himmels, der Dich vor einem neuen Unrecht bewahrte! murmelte der Eremit.

– Thu’ mir die Gefälligkeit und verlaß mich! sagte Palm, die Hand auf die Augen legend. Deine Nähe weht mich an, wie Gespensterluft! Wo ist mein Daniel, wo ist Theresia? Daniel! Komm zu Deinem alten Großvater, damit er sich wieder faßt, damit seine Besinnung wiederkehrt! Komm – meinetwegen mit Deiner Braut – aber laß uns so schnell als möglich diese Teufelsklause verlassen!

Durch dieses Wort des alten van der Palm ward die Erstarrung, womit Daniel der vorigen unheimlichen Scene zugeschaut, gelöst. Er stürzte die steinerne Treppe hinab und wollte sich vor dem Großvater niederwerfen. Palm hielt ihn davon ab. Theresia erschien ebenfalls. Palm reichte ihr die Hand. Die Liebenden wollten ihre Bitte um Vergebung stammeln.

– Ja, ja! Gut! Abgemacht! unterbrach sie Palm. Thut was Ihr wollt. Aber Ihr hättet mich fragen können, bevor Ihr auf diese Weise zu Werke ginget . . . Sattele die Pferde, Daniel, wir werden noch wohl bis zur nächsten Herberge gelangen.

Der Eremit hatte sich seitwärts an die Eiche gelehnt und schwieg. Zuweilan aber glänzte es auf seinen Wangen im Widerschein des Laternenlichtes; Thränen stahlen sich hinab in seinen langen Schnurrbart.

[343] Palm war nicht zu bewegen, hier zu übernachten. Er näherte sich dem Pater Jacobus, ergriff seine Hand und sagte:

– Pieter! Dir kann ich nichts vergüten; die vergangenen Zeiten sind unwiederbringlich vergangen. Wir würden nach einem so verschiedenen Leben nicht zu einander taugen; sonst sollte Dir ein Platz auf meinen Gütern nicht fehlen . . .

– Ich danke; hier wird meine Grabstätte sein! sagte Jacobus mit Mühe.

– Damit Du aber siehst, daß Dein Wort noch ein Echo in meiner Brust findet, so – mach Dich bereit, um in Deiner priesterlichen Eigenschaft sofort diese beiden Bösewichter zu verheirathen und einzusegnen. Ich nehme es auf mich, bei Theresiens Vater dies zu vertreten.

Ein sichtliches Entzücken flog über die des Lächelns ungewohnten Züge des Waldbruders. Er nahm seine Laterne und führte die drei Menschen in seine Kapelle, steckte seine großen Kerzen an und die feierliche Handlung – sicher in so eigenthümlicher Weise als möglich, begann. Als der Segen gesprochen war, umarmten alle den Eremiten und setzten sich dann zu Pferde.

– Wir sehen uns bald wieder! rief der alte Palm zum Abschiede, indeß seine Kinder Anstrengungen und Ermüdung vor ihrem Glück vergaßen.

– Droben! murmelte Jacobus.

Er hatte Recht, denn bald war der Eremit gestorben.

Heute Nacht aber ging er mit den Worten auf seinem Lager zur Ruhe . . .

– Herr, nun lässest Du Deinen Knecht glücklich scheiden, denn er hat endlich seinem Feind verzeihen können und hat eines der Werke gethan, die Dir Wohlgefallen.