Der Dienst des Pfarrers/Der Dienst des Pfarrers und seine Vorbedingungen
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Kapitel III.
Der Dienst des Pfarrers und seine Vorbedingungen.
Aus solcher Fülle der Arbeit und der Gnade, aus diesem Reichtum von Gaben für Aufgaben und durch sie ruft der Apostel I. Kor. 4, 16: Werdet meine Nachahmer wie ich Christi. Es reicht das goldne Band, mit| dem Christus die Seinen an sich gebunden hat, wie ihn der Vater an sich band, die hehre Sendung, mit der er betraute, wie er betraut ward, nicht auf äußerliche, künstlich genug festzuhaltende und eben darum oft unterbrochene Weise, sondern aus innerlicher Vernotwendigung von dem Haupte wie auf die einzelnen Glieder, die mit ihm unsichtbarer, aber der Glaubenserfahrung merkbarerweise verbunden sind (Eph. 4, 16), so auf die für den speziellen Liebesdienst der Wortverkündigung an die Gemeinde Ausgesonderten (Eph. 4, 11), auf die Apostel und Prediger, Pastoren und Pfarrer, die, mit welchem Namen sie genannt sind, in Einer Aufgabe und zu Einem Ziele stehen..
Wir sind nicht gemeint, Theorien vom Amte aufzustellen, an denen teure Väter unserer Kirche mehr gelitten als gewonnen haben, reden nicht der Überspannung das Wort, als ob das Amt die Kirche erst begründete und ohne dies Amt die Kirche nimmer bestehen könnte, so wenig wir dem jetzt beliebten Schlagworte beifallen, daß der Diener Christi vorab und vor allem Diener der Gemeinde sein müsse, deren wechselnde Begehrlichkeit ihm die einige Norm sein dürfe, sondern mit dem seligen Martensen (Hirtenspiegel 1, 72) sagen wir gerne: der Pfarrer stehe nicht über der Gemeinde als Beherrscher ihres Glaubens noch unter ihr als Diener jeweiligen Irr- und Unglaubens, sondern in ihrer Mitte als συνεργὸς τῆς χαρᾶς, dem es ein Anliegen sein muß, seine Freude mitzuteilen, weiterzugeben, zu ihr anzuregen und in ihr zu erhalten. Seine Freude. Denn von dem Tage an, da ihm durch Auflegung der| Hände das teuere Predigtamt überkommen und zu dem gemeinen Christenkreuze, das, wie Tauler sagt, „aus Hölzern gefügt ist, die vor jedermannes Türe liegen“ das Amtskreuz auferlegt wurde, muß durch sein Leben die heilige Freude gehen, daß er gewürdigt ist, ein Joch und eine Last zu haben, die sein sanftmütiger und von Herzen demütiger Meister, Lehrer und Herr die seine genannt und eben dadurch gesegnet hat. Wie ein junger Theologe studieren soll, ist von trefflichen Beratern, am wenigsten faßlich vielleicht von Frank, am tiefinnerlichsten von Kähler gezeigt worden, über das geistliche Amt sind nicht nur die wissenschaftlichen Lehrbücher als treubewährte Ratgeber zu befragen – man wird gut tun, am Anfange des Amtslebens die wissenschaftlichen, später die mehr aus der unmittelbaren Praxis geborenen beizuziehen – sondern auch in Baxter, Harms und Löhe, in Büchsel und Paludan-Müller, in Wucherers Briefen an seinen Sohn und in Blech und Maier zum Teil unersetzliche Güter geschenkt, – aber alle Anweisungen in Ehren, sie werden von einer übertroffen: Habe caritatem et fac, quidquid vis. Mag die Freude der Begeisterung noch an Überschwang leiden, den die rauhe Wirklichkeit bald genug auf das gesunde Maß zurückführt, mag die erste Liebe noch schwärmerisch sein: wem diese Freude und Liebe ganz abgehen, kann viel wissen und große Erkenntnis haben und kenntnisreich sein, aber das Beste gebricht ihm. Es gibt im gewöhnlichen Leben schon Athaumasten genug, die, weil sie nichts bewundern, über nichts mehr sich wundern und vergessen, daß Staunen der erste Anfang der Erkenntnis ist. Sie mögen ihr| Amt pünktlich ausrichten und sorgsam verwalten, aber Kraft geht nicht von ihnen aus. Wie aber sollte von einem Diener des freudenreichen Herrn, von einem Nachfolger der freudevollen Apostel und Lehrer, deren einer das quivis katechizans gaudeat geprägt hat, weil nur den fröhlichen Geber Gott liebe (II. Kor. 9, 7), deren andrer das fac, ut possim demonstrare, quam sit dulce te amare täglich betete, wie sollte von einem begeisterungslosen, kaltsinnigen Prediger Kraft ausgehen?.
Darum die einzige Bedingung, welche die Kirche ihren künftigen Dienern, richtiger denen, die in ihr den Seelen wahrhaft dienen wollen (I. Kor. 9, 19), stellen soll, die sei, daß sie Begeisterung und Feuer der ersten Liebe haben, in der das Herz brennt, wenn er die Schrift öffnet, der Exeget „ohne Gleichen“ (Delitzsch, Luk. 24, 32), daß sie nicht ein ödes Trümmerfeld sei, auf dem die Zijjim und Ohim hausen, noch ein Tummelplatz aller strebsamen Geister, denen das Unglaubliche immer am glaubhaftesten ist, nicht eine religionsgeschichtlich zu wertende Urkunde, an der das Gute nicht original und das Originale nicht gut ist, sondern ein Werk, das Gott atmet, in seiner Lebensatmosphäre erzeugt, von ihr durchweht und geheiligt und nach ihr Verlangen zu erwecken bereit und geschickt, nicht Urkunde, sondern Freudenwort aus Mißklang und falschem Ton, aus Tränen und Trauer, aus Fehlsamkeit der Menschen und ihrer Schuld zur wahren Harmonie gestimmt und bestimmt. Solche erste Liebe geht dem Herrn nach, wohin er geht (Offbg. 14, 4) und folgt dem ἀρχηγὸς καὶ τελειωτὴς τῆς πίστεως durch die Geschichte und läßt sich von ihm| die Wolke der Zeugen deuten, die über die kampfesreiche Erde leuchtend hinzieht. Sie lernt nicht, sondern erlebt Geschichte, die, nicht ein schemenhaftes Gebilde aus Zahlen und Tatsachen, sondern der Gang der Ewigkeit durch die Zeit und dieser zu ihr ist, das große Ineinander von Menschenmühe und Gotteshilfe, von Menschensünde und Gottesgnade, nie Wiederholung, aber stete Verneuung, nicht ein Fortschritt ins Unendliche aber die Heimkehr in die Vollendung, des Werdens in das Gewordensein, der Wirklichkeit in die Wahrheit. Nicht kritiklos folgt die frohe Begeisterung ihrem Herrn durch alles Werden und Wandeln seiner Gedanken, sie will Hütten bauen, wo es gut ist (Matth. 17, 4), wenn ihr lichte Gestalten begegnen, wie dort Moses und Elias, und ihre Lieblinge sich schenken lassen, die sie zu Vorbildern wählen, mit denen sie in eine Gemeinschaft treten kann, die Paulus und Luther über Jahrhunderte näher bringt, und in ihnen fröhlich sein darf. Erste Liebe sinnt und denkt dem nach, was heilige Männer über ihren Herrn gedacht und gesagt haben, was an Gold und Silber die bekennende Kirche ob auch in gebrechlichem Gefäße niedergelegt hat. Ihr ist das Bekenntnis nicht Relativität, nur aus Zeit und Ort und Art der Entstehung zu begreifen, sondern der Jubelruf des Philippus (Joh. 1, 45): εὑρήκαμεν. Dies bleibt der Grundtenor des Bekenntnisses: „Der Gesuchte ist gefunden, der Verheißene ist gekommen. Es gilt nicht mehr zu warten (Matth, 11, 3), daß aus dem Fortschritt der Zeiten ein Ideal sich entwickle, das dem modernen Gottsucher genug tue, sondern in ihm wohnt die ganze Fülle| des Göttlichen leibhaftig (Kol. 1, 19; 2, 9), also daß die letzte Offenbarung des Vaters eben an diesem einzigen Wendepunkt der Geschichte erfolgt ist, da die Ewigkeit in die Zeit hereintrat und das Wort Fleisch ward (Hebr. 1, 2)..
Was aber ist diese erste Liebe, die jede Last leicht macht: iugum Christi unica sarcina est, qua eius baiulus (Träger) non premitur, sed levatur. Quidquid enim durum est in praeceptis, ut fiat lene, caritas facit. Omnia-sunt facilia caritati sagt Augustinus. (Offbg. 2, 4.) Es ist die Liebe, die nicht auf Reflexion, sondern auf Intuition ruht, die Unmittelbarkeit des Verhältnisses zu Gott in Christo, daß man alles für Schaden erachtet (Phil. 3, 8–9), ja für wertloses Wesen, das verdient hinaus auf die Straße der Welt gekehrt zu werden (σκύβαλα), wenn man nur die eine köstliche Perle, deren Wert alles übertrifft, gewinnen und bergen darf. Diese erste Liebe, die Liebe des Anfangs, die nie unreif ist und doch ausreifen will, die das Gefühl zum Willen erhebt und den Willen immer feurig sein läßt (ζέειν τῷ πνεύματι Röm. 12, 11), daß er nicht veräußerliche und versteine, die jede Schmähung Christi als eignes Weh empfindet (I. Petr. 4, 14; 16) und seines Werkes Gelingen als eigne Freude wahrnimmt, weiß, wie Athanasius sagt, daß sie nicht dem Zeitgeist, nicht der Zeit zu dienen hat, sondern dem Herrn der Zeiten (οὐ καιρῷ, ἀλλὰ κυρίῳ). Während der Zeitgeist menschliche Bestrebungen und menschlichen Fortschritt verherrlicht, ein Menschheitsreich verheißt, welches mit großer Kraft und Herrlichkeit kommen solle, wieder und wieder Nationalität, Vaterland, Patriotismus feiert, die Eigentümlichkeiten eines Volks| und seine Rechte über alles stellt, sollen wir zwar das Berechtigte an all diesem anerkennen und fördern, aber über dies hinaus auch ein ewiges Reich und Recht weisen, ohne das jene Güter den Gesichtskreis mitverengen und das Wesen der Diesseitigkeit mehren. Es ist das Geheimnis der ewigen Jugend, die zwar getäuscht, aber nicht enttäuscht wird, deren Losung das παρ’ ἐλπίδα ἐπ’ ἐλπίδι (Röm. 4, 18) bleibt, die der geringsten Sache für Jesum den höchsten Wert beimißt und die fides in minimis die virtus vitae heroica sein läßt (Bonaventura), die lieber enge als den Schwachen anstößig ist und, obwohl sie als Kind der Freiheit zu allem Macht hat, nicht alles sich frommen läßt (Röm. 14, 1), die nicht nach Lohn und Anerkennung fragt, nicht nach Eindruck und Einfluß, sondern allein darüber froh ist, daß sie dienen darf. Der Herr erwartet diese Grundbedingung für das Zeugenamt so sehr, daß er die größte Anerkennung für Arbeit und Geduld, für Geisterprüfung und Geisterscheidung, für Mut und Beharrlichkeit spenden und doch dem Hirten der Gemeinde zu Ephesus mit Wegnahme des Amtes und Zerfall der in so viel Treue gepflegten Gemeinde drohen kann, wenn und weil er die erste Liebe wie eine Last, die den ausschreitenden und weiter wachsenden Fuß hindern kann, weggeworfen hat..
So wird man füglich die erste Liebe, die täglich sich verneuende, an Hemmungen sich erprobende und bewährende, in Widrigkeiten und Widersprüchen erstarkende Freude am Herrn nennen können, ohne die das größte Werk für ihn ungeweiht und ungeheiligt, mit der auch der Becher kalten Wassers eine Tat ist. Darum bittet| die Kirche nicht um geistvolle, hochbegabte, weltgewandte Diener und Prediger, so gerne sie alle natürlichen Gaben für Jesu Dienst verwendet wissen möchte, sondern um „treue Freunde“ Jesu, um Gottesfreunde, die für ihn die Gewohnheit des Lebens zum höchsten Glück erheben und das Alltägliche mit Festtagsfreude schmücken, die sich auch rauhe Wege gefallen lassen, weil sie ihm das Herz gegeben haben und nichts mehr fürchten, als Tagelöhner zu werden, deren Enderfahrung vor Gott nichts Höheres zu sagen weiß als (Matth. 25, 24): σκληρὸς εἶ. Denn in dem Maße als die Liebe erkaltet, nimmt die Ungerechtigkeit der Beurteilung zu, so daß schließlich aus dem Herrn, der sein Leben für uns gelassen und von uns den Verspruch des vollen Opfers, der Hingabe des ganzen Ich entgegengenommen hat, eine grämliche, unzufriedene Gestalt wird, an die man ein Leben langsam hinwandte, ohne Leben zu empfangen.
In der Predigt und Kasualrede, im liturgischen Handeln, in Unterricht und Seelsorge, in der Besorgung der peripherischen Geschäfte, endlich in dem ganzen „außeramtlichen“ Leben erzeige du dich als ein Diener Gottes (II. Kor. 6, 4): perfecta oboedientia legem nescit!
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