Der Deutsche Schulverein
[499] Der Deutsche Schulverein. Als wir vor drei Jahren die Feier schilderten, welche sich an „die ordentliche Hauptversammlung des Deutschen Schulvereins“ (am 2. Juni 1884) zu Graz anschloß und dieselbe zu einem deutschen Nationalfeste, zu einem „Ehrentag aller Deutschen Oesterreichs“ erhob, an welchem das „Banner des deutschen Geistes“ und „das deutsche Lied“ ihre begeisternde Wirkung übten – da konnten wir auch schon über die Thätigkeit jenes zweiten Vereins berichten, welcher in seinem Namen seinen Zweck ausspricht, des „Allgemeinen Deutschen Schulvereins zur Erhaltung des Deutschthums im Auslande“, der in Berlin seinen Hauptsitz hat. Im August 1881 mit einer Mitgliedschaft von 1365 Mann gegründet, war zur Zeit jenes österreichischen Festes, welches 60000 Mitglieder vertrat, der Deutsche Verein bereits auf nahe an 12000 Mitglieder angewachsen. Das konnte man in Wahrheit eine That der Männer nennen, die den Verein gegründet, und vor Allem des unermüdlichen Dr. Falkenstein, der vom ersten Tage des Vereins an den Vorsitz führt. Schon seit 25 Jahren bestand der „Deutsch-böhmische Geschichtsverein“, welcher mit wissenschaftlicher Bestimmtheit aufgestellt hatte, was der Deutsche in Böhmen gegründet und geschaffen, ererbt und zu vertheidigen habe; und nun erstanden, neben dem Deutschen Schulverein, der Deutsch-böhmische Journalistenbund, der Centralverband deutscher Landwirthe in Böhmen, der Böhmerwaldbund, der Deutsche Handwerkerverein in Prag, und diesem schloß sich neuerdings der Bund der Deutschen Nordmährens an. Alle diese Vereine sind nicht zum Angriff, sondern als Abwehr und Nothwehr ins Leben gerufen; in Ab- und Nothwehr mußte man daran gehen, in deutschen Orten die tschechischen Arbeitskräfte durch deutsche Lehrlinge, Gesellen und Dienstboten zu ersetzen, deutsche Spar- und Vorschußvereine zu errichten, damit der deutsche Landmann und Gewerbtreibende nicht mehr von tschechischen Geldinstituten abhängig sei, in zahlreichen Orten deutsche Bibliotheken aufzustellen und unter die deutsche Bauernbevölkerung gute, von echt deutschem Geiste durchdrungene Schriften zu vertheilen, endlich auch deutsche gewerbliche Fachschulen zu errichten und den landwirthschaftlichen Wanderunterricht eifrigst zu pflegen.
Alle diese friedlichen Mittel werden nur durch die Art der Gegner verschärft und verbittert. Gebildete Völker sind dankbar, wenn Dichter anderer Nationen ihre Vergangenheit preisen; die deutschen Dichter Alfred Meißner, Egon Ebert, Moritz Hartmann, L. A. Frankl haben für ihre jugendlichen Verherrlichungen altslawischer Größen nur Spott geerntet, und Anastasius Grün, der den Slovenen mit außerordentlichem Eifer den Reichthum ihrer Volkslieder sammelte, erfährt den Lohn dafür, daß in seiner Vaterstadt Laibach sein Denkmal besudelt und vernichtet wird! Mit solchen Gegnern haben die Deutschen Oesterreichs um die Erhaltung deutscher Kultur zu kämpfen. Aber mit dem Kampf sind auch die Streiter gewachsen: der Deutsche Schulverein, noch immer unter der gedeihlichen Obmannschaft des Dr. Weitlof in Wien stehend, zählt jetzt über 120000 Mitglieder in 1174 Ortsgruppen.
Wenn wir berechnen, daß diese Mitgliederzahl von den über das weite Oesterreich-Ungarn zerstreuten 10 Millionen Deutschen hat aufgebracht werden müssen, so sinkt unsere Genugthuung darüber, daß unser „Allgemeiner Deutscher Schulverein“ bis jetzt auf 250 Ortsgruppen mit etwa 30000 Mitgliedern gestiegen, sehr beträchtlich, denn hinter ihm stehen weit über 40 Millionen Deutsche im Reiche beisammen.
Es sind oft Kleinigkeiten, welche der rascheren Verbreitung eines Unternehmens störend entgegentreten – und andere Kleinigkeiten üben große Förderung einer Sache aus. Vor Allem mache man die Theilnahme nicht – unbequem! Unser Aufruf lautet: „Beitrittserklärung und Zeichnung von 3 Mark Jahresbeitrag sind zu adressiren an den Allgemeinen Deutschen Schulverein für Erhaltung des Deutschthums im Ausland. Berlin N. W. Luisenstr. 45. III.“ – Jedenfalls würden die Beiträge bei den Ortsgruppen rascher und pünktlicher eingehen, wenn sie überall mittelst Sammelbüchern (wie beim Gustav Adolf-Verein) eingeholt würden. Vor Allem aber sollten die deutschen Frauen und Jungfrauen sich der Sache mehr annehmen. Hier ist ein Ehrenfeld für ihre Thätigkeit. Denn wenn die Männer von ihren Tagespflichten und ihrem Parteileben oft genug übermäßig in Anspruch genommen sind, so bleibt den Frauen die Hand frei für das versöhnende Walten, und ihr Einfluß ist um so mächtiger, je wärmer sie für eine Sache eintreten. In Oesterreich gehörten schon 1884 nicht weniger als 88 Ortsgruppen ausschließlich Frauen an, und mit Recht konnte am Grazer Fest eine Frau es aussprechen: „Unsere Kinder sollen es einst bezeugen, daß wir unsere Aufgabe ernst genommen und daß man uns den Namen nicht unverdient gegeben hat, der für uns Frauen der schönste und der größte Stolz ist, den Namen einer deutschen Frau!“
Vom Vorstand ist ein Vorschlag und Aufruf ergangen, der lautet: „Lassen Sie uns einmal auf drei Jahre eine freiwillige Umlage von 1 Mark pro Kopf und Jahr zur Vermehrung des Unterstützungs-Vermögens ausschreiben und sehen, was dabei herauskommt.“ Die dadurch gewonnene Summe nebst Sammelbuch ist am 1. August d. J. an den Schatzmeister des Vereins, Banquier Boas in Berlin N. W. Unter den Linden 59a einzusenden.
Da winkt eine That! Man vollbringe sie! Aber alle unsere Leserinnen und Leser, alle treuen Freunde der „Gartenlaube“ seien dringend gebeten, diese Worte nicht bloß zu lesen, nicht das Blatt mit dem Entschluß wegzulegen, gelegentlich auch einmal Etwas für die Sache thun zu wollen! Mit dem Blatt in der Hand eile man zu seinen Freundinnen und Freunden, um sofort zur That zu schreiten! Es gilt, neue Ortsgruppen zu gründen, die alten zu stärken und den Aufruf des Vorstandes auszuführen! Mögen die deutschen Frauen zeigen, daß sie hinter denen Oesterreichs nicht zurückstehen, wo es die heiligsten Güter des deutschen Geistes, des deutschen Herzens zu wahren gilt! Friedrich Hofmann.