Textdaten
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Titel: Der Athmungsstuhl
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 627
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
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[627] Der Athmungstuhl. (Mit Abbildungen.) Es ist kein Folterinstrument, welches unsere beiden obenstehenden Abbildungen wiedergeben. Dieser Stuhl ist nicht das Produkt des finstern Mittelalters, sondern entstanden in unserm humanen Jahrhundert. Demgemäß soll er auch Leidenden Linderung bringen.

Die Beschwerden der Athemnoth, welche das Lungenemphysem und das Asthma mit sich bringen, sind zu allgemein bekannt, als daß wir sie zu schildern brauchen. Ebenso bekannt ist es, daß die inneren Heilmittel in den allermeisten Fällen keine Hilfe gegen diese Beschwerden bringen. Man hatte in der letzten Zeit versucht, durch einen vom Arzte oder vom Gehilfen desselben auf den Brustkorb ausgeübten Händedruck die Ausathmung zu erleichtern, und diese Methode erwies sich günstig. Leider war mit ihr der Uebelstand verbanden, daß die Kraft keines Menschen ausreichte, diese sogenannte manuelle Behandlung des Brustkorbes länger als eine Viertelstunde bis höchstens eine halbe Stunde fortzusetzen und daß, wenn der Anfall plötzlich, namentlich in der Nacht, eintrat, der Gehilfe nicht gegenwärtig war. Außerdem konnte der Händedruck den Athembewegungen des Kranken nicht genau angepaßt werden.

Allen diesen Uebelständen, oder wenigstens dem größten Theil derselben, wird durch den Athmungsstuhl abgeholfen. Nachdem sich der Kranke bei eintretender Athemnoth in den Stuhl gesetzt, werden die Bänder eingehakt und schließen nun den Brustkorb und die Schultern ein. Die beiden Hebelarme sind möglichst weit zurückgestellt. Der Kranke erfaßt nun die Hebelarme mit seinen Händen und holt tief Athem (vgl. Fig. 1). Athmet er aus, so zieht er die Hebelarme zusammen, bis er die aus Fig. 2 angedeutete Stellung erreicht. Durch diese Bewegung der Hebelarme wirkt der Mechanismus des Stuhles derart, daß die Bänder auf den Brustkorb den gewünschten Druck ausüben und die Ausathmung erleichtern und verstärken. Beim weiteren Einathmen werden die Hebelarme vom Kranken wieder auseinander gestreckt und dann beim Ausathmen wieder angezogen – eine gewiß sehr einfache Thätigkeit.

     Fig. 1.  Fig. 2.
Der Athmungsstuhl.

Prof. Dr. M. J. Roßbach in Jena hat den Stuhl in die wissenschaftliche Welt durch einen Vortrag auf dem VI. Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden eingeführt; er ist aber nicht der Erfinder desselben. Der Stuhl ist gewissermaßen ein Werk der Selbsthilfe eines hochgradigen Emphysematikers. Prof. Roßbach berichtet darüber folgendes:

„Einer meiner Kranken, Herr Bergmeister[WS 1] Zoberbier aus Gera bei Elgersburg, hatte sich auf meinen Rath wegen hochgradigen Emphysems mit gutem Erfolge durch seine Frau manuell den Brustkorb komprimiren lassen, wurde aber in der Fortsetzung dieses Verfahrens durch eine Erkrankung der letzteren gestört. Er nahm sich daher vor, einen eigenen Apparat zu konstruiren, mit Hilfe dessen er ohne Beistand mittelst seiner eigenen Arme im Stande wäre, seinen Brustkorb rhythmisch bei jeder Ausathmung zu komprimiren. Derselbe gelang über Erwarten gut; ich habe ihn ein halbes Jahr lang auf meiner Klinik geprüft, auf Grund der gesammelten Erfahrungen nach mehreren Richtungen hin durch Herrn Zoberbier verbessern lassen und stelle ihn nunmehr in dieser verbesserten Gestalt vor.“

Dieser Stuhl wird fabrikmäßig hergestellt und ist durch Julius Zoberbier in Gera bei Elgersburg zu beziehen. Möge er recht vielen Leidensgenossen des Erfinders Linderung bringen! Wir möchten nur allen, die sich ihn anschaffen wollen, den Rath geben, die ersten Sitzungen in Gegenwart ihres Hausarztes vorzunehmen, damit die Regelung des Druckes unter sachverständiger Aufsicht geschehe; denn auch ein gutes Werkzeug stiftet Schaden in Händen, die damit nicht umzugehen wissen.
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Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bürgermeister. Vgl. Kleiner Briefkasten 1888/40