Am Todestage Theodor Körners
[627] Am Todestage Theodor Körners. Zum fünfundsiebzigsten Male war am 26. August d. J. der Todestag Theodor Körners, des schwung- und gluthvollsten Dichters der Befreiungskriege, wiedergekehrt und an seinem eichenbeschatteten Grabe bei Wöbbelin wurde an diesem Tage des edlen Todten in erhebender Feier gedacht.
Eine sonnige Jugend hatte dem Dichter gelächelt, in Wien hatte er eine Stellung gefunden, die ihm zusagte, sein Dichtergenius wurde von glänzenden Erfolgen gekrönt, das Glück der Liebe erblühte ihm an der Seite einer liebreizenden Braut – die reiche Gegenwart verhieß eine noch reichere Zukunft: da brach im deutschen Vaterland die Sehnsucht nach Befreiung von der Fremdherrschaft gewaltsam sich Bahn, wie ein Mann erhob sich das Volk, und seine besten und edelsten Söhne eilten zu den Fahnen. Nichts vermochte jetzt Theodor Körner mehr in Wien zu fesseln, er verließ sein Glück und seine Liebe und gesellte fortan der Leyer das blutige Schwert. Und zu welcher Größe erhob sich nun der Dichter! Der ganze ideale, freudige, todverachtende Geist der großen Zeit fand in seinen Liedern den reinsten, markigsten, erhebendsten Ausdruck.
„Zerbrich die Pflugschar, laß den Meißel fallen,
Die Leyer still, den Webstuhl ruhig stehn!
Verlasse deine Höfe, deine Hallen: –
Vor Dessen Antlitz deine Fahnen wallen,
Er will sein Volk in Waffenrüstung seh’n.
Denn einen großen Altar sollst du bauen
In seiner Freiheit ew’gem Morgenroth;
Mit deinem Schwert sollst du die Steine hauen,
Der Tempel gründe sich auf Heldentod!“
so mahnte er beredt, begeistert und nur eine Parole gab es für ihn: fallen oder siegen!
„Das Leben gilt nichts, wo die Freiheit fällt.
Was giebt uns die weite unendliche Welt
Für des Vaterlands heiligen Boden? –
Frei woll’n wir das Vaterland wiedersehn,
Oder frei zu den glücklichen Vätern gehn!
Ja! glücklich und frei sind die Todten.
Drum heule, du Sturm, drum brause, du Meer,
Drum zitt’re, du Erdreich, um uns her;
Ihr sollt uns die Seele nicht zügeln!
Die Erde kann neben uns untergehn;
Wir woll’n als freie Männer bestehn
Und den Bund mit dem Blute besiegeln.“
Und mit seinem „Blute besiegelt“ hat der Held und Sänger die Freiheit des Vaterlandes in der That! Er sah die Braut nicht wieder, die er in Wien verlassen, nicht die theuren Eltern, die klagende Schwester, die dem Gram um ihn nach kaum zwei Jahren erlag und an seiner Seite zur ewigen Ruhe gebettet ward; doch ob auch die tückische feindliche Kugel den Mund des Sängers für immer verstummen machte: unvergänglich lebt er fort in seinen Liedern, und seine Mahnung:
„Doch stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke,
In deiner Vorzeit heil’gem Siegerglanz:
Vergiß die treuen Todten nicht und schmücke
Auch unsre Urne mit dem Eichenkranz!“