Das neue elektrische Weltband

Textdaten
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Autor: Friedrich Althaus
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Titel: Das neue elektrische Weltband
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aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 624–626
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: unterseeische Telegraphie
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Das neue elektrische Weltband.
Von Friedrich Althaus in London.


Zu derselben Zeit, wo der Donner des „siebentägigen“ Krieges das europäische Festland erschütterte und Hunderttausende schlachterhitzter Streiter von den Karpathen bis zum Rheine in blutigem Kampfe um Herrschaft und Freiheit rangen, in den ersten Tagen des denkwürdigen Julimonats 1866, verließ die englischen Küsten beinahe unbemerkt eine Flottenexpedition, um ein großes Werk friedlicher Eroberung, ein neues mächtiges Glied der lebendigen Kette zu vollenden, welche die Nationen der Erde verbindet. Es galt, zwischen der alten und der neuen Welt; zwischen Europa und Amerika, einen directen elektrischen Verkehr herzustellen, beiden Continenten, wenn nicht eine Zunge, so doch die blitzbeschwingte Sprache zu verleihen, mittels deren sie ohne Zeitverlust zu einander reden, ihre Begebenheiten, ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse einander mittheilen konnten. Die Hauptmasse des Telegraphentaues war sicher an Bord des größten Schiffes der Erde, des Great Eastern, aufgerollt. Die für die europäischen und amerikanischen Küsten bestimmten Landenden lagen ebenso wohlverwahrt in zweien der begleitenden Schiffe. Zu Anfang der letzten Juliwoche näherte die Expedition sich der amerikanischen Küste und am siebenundzwanzigsten Tage desselben Monats lief in England die frohe Kunde ein, daß das amerikanische Landende des atlantischen Telegraphen in Heart’s Content Bay gelandet sei, und die Vorposten der beiden Continente tauschten durch die Tiefen des Oceans ihre Glückwünsche über das Gelingen des großen Unternehmens aus. Somit war wirklich vollbracht, was man zu wiederholten Malen, zuerst vor neun Jahren, zuletzt, wie sich alle unsere Leser erinnern werden, noch vor zwölf Monaten mit ähnlichen Mitteln vergeblich versucht hatte. Mit dem Erfolge des atlantischen Kabels aber ist das letzte Hinderniß eines die ganze Erde umfassenden elektrischen Bandes aus dem Wege geräumt, denn auch die telegraphische Verbindung mit Australien, welche die Natur selbst durch die bequemen Zwischenstationen des süd-asiatischen Archipels erleichtert hat, dürfte jetzt nicht mehr auf wesentliche Schwierigkeiten stoßen. Man kann daher die Ausführung des atlantischen Telegraphen recht eigentlich als den entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Telegraphie unsres Planeten und die atlantische Expedition als eins jener Capitel der Culturgeschichte charakterisiren, welche, innerhalb der ihr angewiesenen Sphäre, eine Hauptepoche bezeichnen.

Der erste Versuch seines unterseeischen Telegraphen wurde 1848 im Hafen von Portsmouth gemacht; doch hegte man längere Zeit so lebhafte Bedenken über die Ausführbarkeit größerer unterseeischer Linien, daß eine der wichtigsten Telegraphenverbindungen Englands, diejenige, welche auf dem kürzesten Wege den Verkehr des Inselreichs mit dem europäischen Festland vermittelt, die Linie zwischen Dover und Calais, erst im Jahre der großen internationalen Ausstellung (1851) in Angriff genommen und vollendet wurde. Der Erfolg dieses Erstlingsunternehmens übertraf die kühnsten Erwartungen und unter dem Impuls seines Gelingens drang seitdem die unterseeische Telegraphie mit Riesenschritten nach allen Seiten auf ihrem Eroberungswege vorwärts. Die Zahl der Taue zwischen Dover und Calais wurde allmählich auf vier vermehrt; eine neue Linie mit sechs Conductoren entstand zwischen Dover und Ostende, eine dritte mit sechs Conductoren zwischen Folkestone und Boulogne, eine vierte mit vier Conductoren zwischen Harwich und Rotterdam, eine fünfte mit drei Conductoren zwischen Hull und Kopenhagen. Auch die andern Nationen waren nicht träge, dem von England gegebenen Beispiel zu folgen. Die Manufactur unterseeischer Telegraphentaue entwickelte sich rasch zu einem großen Industriezweige. Schweden und Dänemark, das italienische Festland und die Inseln Corsica, Sardinien, Sicilien und Malta, Suez und Aden, Ceylon und Indien, Südaustralien und Vandiemensland, Neufundland und Cape Breton wurden während des folgenden Jahrzehnts durch unterseeische Telegraphen, deren Länge zwischen zehn und dreihundertundsechszig englischen Meilen schwankt, in Verbindung gesetzt. Da diese Unternehmen aber zugleich auch pecuniär sich trefflich bewährten und ansehnliche Dividenden abwarfen, so konnte es nicht fehlen, daß man, von Stufe zu Stufe fortschreitend, bald zur Ueberwindung auch der größten unterseeischen Distanzen zwischen Ländern und Continenten Muth faßte und vor dem kühnen Gedanken einer elektrischen Verbindung Europas und Amerikas, über das Bett des atlantischen Oceans hin, nicht zurückschreckte.

Wem das Prioritätsrecht der Anregung dieses Planes zukommt, wollen wir nicht unternehmen zu entscheiden. Der Gedanke an sich lag unter den Umständen nahe genug und über seine Bedeutung konnten die Ansichten kaum getheilt sein. Thatsache

Das atlantische Telegraphenkabel vom Jahre 1858.
In natürlicher Größe.

ist, daß im Beginn des Jahres 1854 eine Anzahl Kaufleute und Ingenieure in New-York unter dem Vorsitz des Amerikaners Cyrus Field den Entschluß faßte, das Werk in die Hand zu nehmen, und noch im März desselben Jahres von dem Parlament in Neufundland die Autorisation zur Gründung der New-York, New-Foundland and London Telegraph-Company erlangten, wodurch der Compagnie auf fünfzig Jahre das ausschließliche Recht bewilligt wurde, Telegraphentaue in Neufundland und an den benachbarten Küsten zu landen. Der nächste weitere Schritt war die Legung eines unterseeischen Telegraphen durch den St. Lorenzgolf von dem amerikanischen Festland nach Neufundland, ein Unternehmen, welches zwei Jahre später (1856) unter der Leitung von Cyrus Field in’s Leben trat. Inzwischen war auch in England das Interesse an der Ausführung eines atlantischen Telegraphen rege geworden. Die öffentliche Meinung auf beiden Seiten des Oceans äußerte sich entschieden zu Gunsten des großen Werkes und die Regierungen beider Länder blieben nicht hinter den Nationen zurück. Englische und amerikanische Kriegsschiffe wurden im Sommer 1856 mit der Untersuchung des Meeresbodens zwischen Neufundland und Irland beauftragt und englische Capitalisten in London gründeten die Atlantic Telegraph-Company, welche mit der amerikanischen Compagnie gemeinsame Sache machte und in Kurzem über ein Capital von dreihundertundfünfzigtausend Pfd. St. verfügte. Allerdings fehlte es auch nicht an warnenden Stimmen, welche die Idee eines atlantischen Telegraphen in das Gebiet phantastischer Träume verlegten und den Actionären ein trauriges Ende weissagten. Die Größe der zurückzulegenden Entfernung, die mächtige Tiefe des Oceans, die abrupte Unregelmäßigkeit seines Bodens, die unberechenbaren Gefahren von Stürmen, Nebeln und Eisbergen, mangelhafte Construction des Taues, die [625] man vielleicht erst entdecken werde, wenn es zu spät sei – diese und manche andere Bedenken wurden geltend gemacht und fanden bis zuletzt bei nüchternen und ungläubigen Leuten Eingang. Doch auf der andern Seite war der Muth und das Vertrauen der Compagnie unerschütterlich.

Die nöthigen Vorkehrungen wurden mit dem größten Eifer, der größten Umsicht getroffen; die englisch-amerikanischen Regierungen versprachen zwei Kriegsschiffe zum Transport des Taues, und am 7. August 1857 traten jene Schiffe, der „Niagara“ und der „Agamemnon“, mit dritthalbtausend Meilen Telegraphentau an Bord, unter den Glückwünschen des englischen Volkes ihre Fahrt von Valentia nach Neufundland an. Die Expedition mißglückte. Schon wenige Meilen vom Lande zerriß das Tau, indem es in die zum Auswinden bestimmte Maschinerie verwickelt wurde. Das Geschwader, hierdurch nicht entmuthigt, kehrte um, hob das abgerissene Ende und ging nochmal auf die Fahrt. Allein noch einmal, und diesmal in verhängnißvoller Weise, trat der Mangel an Erfahrung dem Gelingen entgegen. Mehrere hundert Meilen westlich von Valentia kam man an eine Stelle, wo ein mächtiger, klippenartiger Abgrund das Bett des atlantischen Oceans plötzlich von 2400 zu 10,000 Fuß vertieft. Man hatte dem Einfluß der durch einen so gewaltigen Sturz auf die Auswindemaschinerie geübten Spannung keine genügende Rechnung getragen und mit unwiderstehlicher Gewalt riß noch einmal das Tau auseinander. Unter diesen vorbereitenden Versuchen war die günstigste Jahreszeit vorübergegangen. Die Aequinoctialstürme standen bevor und durch das Erlebte, wenn nicht entmuthigt, so doch belehrt, entschloß man sich, obgleich die noch vorhandene Taulänge im Nothfall zur Vollendung der Linie ausgereicht haben würde, zur Umkehr.

So endete die erste atlantische Telegraphenexpedition. Die ungläubigen Leute triumphirten, die Actien der Compagnie fielen. Daß aber nach einem solchen Ausgang im folgenden Jahre eine neue Expedition versucht werden müsse war keinen Augenblick

Das atlantische Telegraphenkabel vom Jahre 1865.
In natürlicher Größe.

zweifelhaft. Die Zwischenzeit wurde benutzt, das verlorene Tauende zu ersetzen und, was noch wichtiger, der Auswindemaschinerie die möglichste Vollkommenheit zu geben. Auch in der zur Expedition bestimmten Jahreszeit machte man eine durch die Erfahrungen des vorigen Jahres gebotene Aenderung. Statt im August sollten die Schiffe schon zu Anfang Juni ihre Fahrt beginnen. So durfte man für den Fall theilweisen Mißlingens auf die Chance einer Reihe neuer Versuche rechnen, und um kein Mittel des Erfolges zu vernachlässigen, berücksichtigte man in ebenso liberaler Weise neben dem Maße der Zeit das des Raumes, indem mehrere hundert Meilen Extra-Taulänge über die volle Meilenzahl von zweitausend in Reserve gehalten wurden. Voller Hoffnung ging nach diesen Anstalten die alte Telegraphenflotte am 10. Juni 1858 von Neuem unter Segel. Man verlor den Muth nicht, als nach einigen Tagen das Reißen des Taues am Bord des „Niagara“ die Rückkehr nach Irland nothwendig machte; man kehrte voller Zuversicht noch einmal nach Irland zurück, nachdem bei der zweiten Fahrt zweihundertneunzig Meilen Taulänge verloren worden. Schon am 17. Juli war Alles wieder zum Aufbruch fertig. Der Plan war nun dahin geändert, daß die Flotte, statt die Versenkung des Taues an der irischen Küste zu beginnen, in der Mitte des Weges über den Ocean Posto fassen, dort die Verbindung zwischen den beiden Tauenden am Bord des „Niagara“ und des „Agamemnon“ herstellen und sodann, zu gleichen Theilen, zur Versenkung des Taues nach Irland und Amerika aufbrechen sollte. Auf dem Wege nach diesem Rendezvous wurden die Schiffe durch einen schrecklichen Sturm getrennt, der ihre Ankunft mehrere Tage verzögerte und den hochbeladenen „Agamemnon“ dem Untergang nahe brachte. Indeß auch diese Gefahr ging vorüber. Die Schiffe trafen an dem verabredeten Punkte zusammen, die Vereinigung der Tauenden gelang und ohne weiteren Unfall landete am 4. August der „Agamemnon“ in Valentia, der „Niagara“ in Trinity Bay. So schien denn, allen mißtönigen Prophezeiungen zum Trotz, das große Werk zu Ende geführt. An jenem selben 5. August liefen die ersten telegraphischen Botschaften aus Neufundland in England ein. Tags darauf schickte Königin Victoria eine glückwünschende Depesche an den Präsidenten der Vereinigten Staaten und der Präsident erwiderte durch eine glückwünschende Antwort. Der Jubel war groß. Mit einem gewaltigen Schwunge stiegen die Actien der atlantischen Compagnie in wenigen Tagen mehrere hundert Procent über Pari – die Bureaus in Valentia und Trinity Bay wurden mit Aufträgen von beiden Seiten des Oceans überschwemmt, der glänzendste pecuniäre Erfolg schien dem Unternehmen gesichert. Aber noch mitten in dieser Siegesfreude verbreiteten sich ominöse Gerüchte über eine zunehmende Undeutlichkeit in den Signalen des atlantischen Telegraphen und die Gerüchte waren leider nur zu wohl begründet. Die Undeutlichkeit der Signale wuchs von Tage zu Tage, zu Anfang September hörten sie völlig auf. Vergebens machte man sich noch eine Weile mit verzweifelten Hypothesen Hoffnung. Der versiechte elektrische Strom erneuerte seine Wellen nicht wieder und das Ende war die traurige Gewißheit, daß auch diese Expedition fehlgeschlagen, daß der atlantische Telegraph von 1858, so unzweifelhaft sicher er auf dem Boden des Oceans ruhen und so eifrig man an seinen europäischen und amerikanischen Tauenden operiren mochte, für alle praktischen Zwecke verloren sei.

Eine harte Enttäuschung! Und zu verwundern war es nicht, wenn damit den Plänen der Atlantic Telegraph Company ein Stoß versetzt war, von dem sie sich nur langsam erholte. Die Distanz zwischen Irland und Neufundland, so erklärte man nun, sei zu groß, die Gefahren eines so langen unterseeischen Weges zu unberechenbar. Da jedoch die telegraphische Verbindung beider

Das atlantische Telegraphenkabel vom Jahre 1866.
In natürlicher Größe.

Continente einmal unabweisbares Bedürfniß sei, solle man lieber ohne Zeitverlust nach einem kürzeren Wege suchen. Man warf den Blick über die Wasser- und Ländermassen der atlantischen Küsten und schmeichelte sich mit der Hoffnung, mehr als eine solche „kürzere Route“ abstecken zu können. Einer Ansicht nach glich nichts den Vortheilen einer Linie zwischen Schottland, Island, Grönland und Labrador; von andrer Seite wurden Brest, Cap Finisterre, die Azorischen Inseln und Neufundland als die bequemsten Stationen gepriesen; ein dritter Plan endlich gab dem Wege über Lissabon und die Canarischen und Cap-Verd-Inseln nach Cap St. Roque in Brasilien den Vorzug. Aber keine dieser Routen fand denselben Beifall wie der alte Weg zwischen Irland und Neufundland, und eine zur Führung der Linie von Brest gebildete Ocean Telegraph Company ging nach einer kurzlebigen Existenz zu Grunde.

Inzwischen hatte die Atlantic Telegraph Company, unterstützt durch ein Comité des englischen Handelsministeriums, die Ursachen ihres Mißlingens erforschen lassen und war zu dem Resultate gelangt, daß es Ursachen seien, „die man durch Geschick und Vorsicht beseitigen könne.“ So groß ihre Verluste gewesen waren und ein so tiefgewurzeltes Mißtrauen ihnen im Wege stand, so unverändert blieb daher nichtsdestoweniger der Glaube der leitenden Persönlichkeiten an den endlichen Erfolg des Unternehmens, und zu Anfang des Jahres 1864 kündigte ein neuer Prospectus der alten Compagnie eine neue atlantische Telegraphenexpedition an. Zuerst verkauften die Actien sich langsam, doch im Mai des Jahres gab der Unternehmungsgeist zweier großer Firmen den entscheidenden Ausschlag. Sie zeichneten den ganzen noch fehlenden Actienbetrag von 320,000 Pfund Sterling und schlossen mit der Atlantic [626] Telegraph Company einen Contract für Anfertigung und Versenkung eines neuen atlantischen Telegraphen zwischen Irland und Neufundland. Um der Expedition die vollkommenste einheitliche Leitung zu geben, beschloß man, das größte Schiff der Erde, den Great Eastern, in Dienst zu nehmen und die Taulänge nicht wie früher zu theilen, sondern ungetheilt an Bord dieses einen Schiffes zu verpacken. Auf die unermüdliche Sorgfalt, womit bei der Manufactur des Taues alle seit 1858 gemachten Erfahrungen und Erfindungen in Anwendung gebracht wurden, auf den rastlosen Eifer, der jedem kleinsten Detail der Maschinerie die umfassendste Aufmerksamkeit widmete, auf den gebildeten Sinn endlich, der für jedes Departement die besten Kräfte heranzog, können wir hier nur im Allgemeinen mit der Bemerkung hinweisen, daß das sachverständigste Urtheil sie als musterhaft anerkannte. Ohne Unterbrechung gingen so die Arbeiten weiter. Der Great Eastern lag schon im Februar 1865 an der untern Themse bereit; am 10. Juni war das neue Tau in den zu diesem Zweck bestimmten drei kolossalen Behältern des gewaltigen Schiffes verpackt und am 23. Juli, nach Legung des Landendes bei Valentia, ging die Telegraphenflotte in See. Um jede Täuschung über die Fortdauer der Insulation des elektrischen Stroms zu beseitigen, hatte man beschlossen, mit der Station in Valentia in unausgesetzter telegraphischer Verbindung zu bleiben, und die Theilnahme der gebildeten Welt an dem Erfolge des Unternehmens wurde auf diese Weise durch tägliche Depeschen aus der Mitte des Oceans wachgehalten.

Jeder Tag fügte der Länge des versenkten Taues seine hundert Meilen hinzu und die hoffnungsvolle Spannung wuchs, als die Zeitungen das Ueberschreiten der Mitte des Weges, die Zahl von tausend, von zwölfhundert Meilen meldeten. Die bald nachher folgende Katastrophe: das Zerreißen des Taues in einer Entfernung von nur siebenhundert englischen Meilen von Neufundland, die beharrlichen, aber vergeblichen Versuche, das versunkene Tau aus einer Tiefe von drei englischen Meilen emporzuwinden, sind noch in frischester Erinnerung. Aber ein Schlag, der hundert Andere entmuthigt haben würde, verdoppelte die Energie der Männer von der atlantischen Compagnie. Die Arbeit und die Opfer so vieler Jahre sollten nicht verloren gehen. Ohne Verzug schritt man zu der Manufactur eines neuen atlantischen Telegraphentaues; noch einmal wurden alle Mittel des Capitals, der Kunst, der Ausdauer in Bewegung gesetzt, und Anfang Juli dieses Jahres brach man noch einmal zur Erreichung des Sieges von Irland nach Amerika auf. Wie dieser letzte Versuch von Erfolg gekrönt wurde, haben wir Eingangs erzählt. Mehr als ein Monat ist seitdem verflossen und nach Allem, was über die Thätigkeit des atlantischen Telegraphen verlautet, entspricht der Erfolg den kühnsten Erwartungen. Trotz des hohen Preises der Depeschen, in denen jedes Wort zu einem Pfund Sterling berechnet wird, lassen die Einnahmen der Compagnie schon jetzt auf einen Jahresertrag von 900,000 Pfund schließen. Die Regierungen, der Handel, die Industrie, die Presse Englands und Amerika’s beginnen, sich im größten Umfang des elektrischen Stromes durch den Ocean zu bedienen, und nichts steht der Annahme im Wege, daß der Größe der Unternehmung auch der materielle Gewinn entsprechen wird, der ihr im höchsten Maße gebührt.

Zur Vervollständigung unsrer Darstellung bleibt uns nur übrig, auf die Construction des atlantischen Telegraphen einen Blick zu werfen und auf eine dem Hauptdrama an Interesse beinahe gleiche Episode der letzten Expedition hinzuweisen, von deren glücklichem Abschluß unlängst die Kunde einlief. Gestalt und Umfang des Taues stellen die beigefügten Illustrationen in den wirklichen Verhältnissen dar. Das Tau erscheint danach etwa eine Linie dünner, als das Tau von 1865, aber doppelt so dick als das Tau von 1858, dessen Durchmesser nur etwa sieben Linien betrug. Die in eine ebenso solide als biegsame Masse verarbeiteten Bestandtheile des Taues von 1866 sind folgende: 1. ein Conductor von sieben Kupferdrähten, von denen sechs den siebenten umwinden; 2. vier (zusammen etwas weniger als einen halben Zoll dicke) Lagen den Kupferdraht isolirender Gutta Percha; 3. eine äußere Umhüllung von zehn galvanisirten Eisendrähten, von denen jeder einzelne mit Flechten weißen Manillagarns umwickelt und mit einer präservirenden Mixtur getränkt ist. Kupferdrähte, Gutta Percha und garnumwundene Eisendrähte zusammen wiegen per englische Meile einunddreißig Centner in der Luft, nahe an fünfzehn Centnern im Wasser, woraus für die gesammte am Bord des Great Eastern verschiffte Taulänge von zweitausendsiebenhundert Meilen ein absolutes Gewicht von fünftausend Tonnen oder hunderttausend Centnern resultirt. Berechnet man hinzu die zur Fahrt erforderlichen achttausendfünfhundert Tonnen Kohlen, nebst einem gleichen Gewicht von achttausendfünfhundert Tonnen für die zur Aufnahme des Taues bestimmten Wasserbehälter und Maschinerien aller Art, so erhält man das staunenswerthe Resultat, daß der Great Eastern die atlantische Expedition mit einer Frachtlast von etwa zweiundzwanzigtausend Tonnen oder vierhundertvierundachtzigtausend Centnern unternahm. Einen doppelt größeren Umfang und ein entsprechend größeres Gewicht als die Hauptmasse des Taues haben die Landenden, deren Verpackung auf die das Hauptschiff begleitenden Fahrzeuge bereits erwähnt wurde.

Aber mit der Landung in Neufundland war die Aufgabe des Great Eastern noch nicht vollendet. Er hatte noch mehr als siebenhundert Meilen unbenutzte Taulängen an Bord, die zur Herstellung einer zweiten atlantischen Linie bestimmt war, und am fünften August brach er von Heart’s-Content-Bay auf, um auch dieses Werk zum Ziele zu führen. – Es handelte sich um nichts mehr und nichts weniger als um die Hebung des im Jahre 1865 versunkenen Telegraphen, dessen Vereinigung mit dem an Bord des Great Eastern befindlichen Tauende und die Landung auch dieser zweiten Linie an der amerikanischen Küste. Von vielen Seiten wurde, selbst nach dem Gelingen der großen atlantischen Expedition, die Möglichkeit nicht blos des Einwindens eines so mächtigen Gewichtes aus so gewaltigen Tiefen, sondern des bloßen Erfassens des Taues auf dem Meeresgrunde, bezweifelt. Doch die Männer der atlantischen Compagnie und des Great Eastern waren durch keine Bedenken in ihrer Zuversicht zu erschüttern. Sie wußten durch fortgesetzte Experimente, daß die Leitungsfähigkeit des versunkenen Taues seit Jahresfrist eher gesteigert als geschwächt sei; sie hatten sein temporäres Grab durch astronomische Beobachtungen genau bezeichnet und sie vertrauten, neben dem eignen Geschick, auf die Kraft des Grapnel, einer Hebemaschine, die, für den besondern Zweck der Hebung des Taues construirt, am Bord des Great Eastern ihrer Bestimmung wartete. Und das Staunenswerthe geschah. Nach einer Reihe vergeblicher Versuche wußte man am 27. August in England von dem glücklichen Aufwinden des Taues von 1865 und seiner Amalgamirung mit dem Tau am Bord des Great Eastern. Der verloren geglaubte Telegraph redete aus einer Tiefe von drei englischen Meilen wieder in vernehmlicher Sprache. Jeder folgende Tag brachte seine eigne Kunde vom Ocean über den Fortgang der Fahrt, über das Schwinden der Entfernung zwischen dem Great Eastern und dem amerikanischen Ufer, und heute, wo ich diese Zeilen schließe, (11. September), meldet er, der Telegraph von 1865, in allen Zeitungen seine Landung in Heart’s-Content-Bay auf Neufundland. Die einfache Erzählung dieser Thatsachen spricht für sich selbst und dem Berichterstatter bleibt schließlich nur der lebhafte Ausdruck der Befriedigung, daß es ihm vergönnt war, den Erfolg eines so hohen Ereignisses in der Geschichte der Menschheit zu constatiren, der Wunsch, daß die Vollendung des Ganzen, von dem es der Haupttheil ist, ohne Verzug gelingen möge.