Das Raimundtheater in Wien

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Titel: Das Raimundtheater in Wien
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 875
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Das Raimundtheater in Wien.

Das Raimundtheater in Wien. (Zu den Bildern S. 875 u. 876.) Es ist unverkennbar: Wien macht gewaltige Anstrengungen, seinen alten Ruf als Theaterstadt sich zu bewahren. Wenige Jahre sind vergangen, seit das Deutsche Volkstheater erstand, und schon wieder hat ein neuer Musentempel seine Pforten aufgethan, das „Raimundtheater“.

Was der Name Raimund in der Geschichte der österreichischen Volkspoesie bedeutet, das ist in der „Gartenlaube“ aus Anlaß von Raimunds hundertjährigem Geburtstage im Jahre 1890 gewürdigt worden. Damals haben wir unseren Lesern auch ein Bild des Dichters vorgeführt (Nr. 28). Wie nun die Anregung zu dem Bau des Raimundtheaters hervorgegangen ist aus der Feierstimmung jenes Gedenktages, so ist auch der Name, der heute von der Stirne des neuen Schauspielhauses herableuchtet, ein Programm. Das Raimundtheater will das Volksstück in seinen besten Vertretern pflegen, in erster Linie natürlich das im eigentlichen Sinne Wienerische Volksstück; es will diesen Schöpfungen zu so vollkommener Darstellung verhelfen, wie sie das Burgtheater den Meisterwerken der [876] klassischen Dichtung angedeihen läßt, es will sein ein „Burgtheater für das Volk“. Dieses volksthümliche Gepräge drückt sich auch in dem Platze aus, auf dem es steht – nicht im Herzen der Stadt; nicht in den Vierteln der Reichen und Vornehmen ist es gelegen, sondern draußen in der Wallgasse, unfern der alten „Linie“, in einer gewerbfleißigen und industriereichen Gegend, und zwar zufällig in demselben Bezirk Mariahilf, in dem einst Raimund geboren wurde. Um billiges Geld kann dort auch der bescheidene Bürgersmann sich und seiner Familie öfter einen edlen dramatischen Genuß verschaffen, und es ist zu hoffen, daß mit der erleichterten Gelegenheit zu solchem Genusse auch der Sinn dafür wieder wachse.

Adam Müller-Guttenbrunn,
der Direktor des Raimundtheaters.
Nach einer Photographie von Joh. E. Hahn in Wien.

In etwa sieben Monaten ist der stattliche Bau nach den Plänen des Architekten Franz Roth vollendet worden, gewiß eine hervorragende Leistung, wenn man bedenkt, welch ein umständliches Ding solch ein Theater ist. Das Gebäude, dessen einfache, aber äußerst gefällige Fassade in italienischem Renaissancestil gehalten ist, besteht aus dem erhöhten Bühnenhaus und dem von einem Gange umschlossenen Zuschauerraum. Der letztere faßt in seinem Parterre und auf seinen zwei Galerien im ganzen etwa 1800 Personen und wird gerühmt um seiner vorzüglichen Akustik willen, die er wesentlich der Muschelform seines Plafonds verdanken soll. Innen und außen ziert reicher plastischer und malerischer Schmuck das Haus. Der Maler Julius Schmid hat einen prächtigen Vorhang geschaffen, darauf Raimund erscheint, umgeben von Gestalten seiner Phantasie. Von dem Bildhauer Johannes Benk stammt die schöne Bronzegruppe der „entfesselten Phantasie“, welche den Giebel krönt, sowie die überlebensgroße Büste Raimunds, die von der Brüstung der im Halbrund vorspringenden Loggia hinabschaut auf die Vorüberwandelnden, und Rudolf Weyr hat u. a. sinnige Geniengestalten für die Bogenzwickel beigesteuert.

So ist es ein schmuckes, anmuthiges Heim der dramatischen Muse, das am 28. November mit Raimunds „Gefesselter Phantasie“ seiner Bestimmung übergeben wurde. Der Leiter der neuen Bühne, der Schriftsteller Adam Müller-Guttenbrunn, geboren am 22. Oktober 1852, hat unter Altmeister Laubes Führung seine dramatische Schulung durchgemacht, eine Anzahl wirksamer Stücke, auch theoretische Schriften über das Theater verfaßt, wie er ja auch als Novellist hervorgetreten ist. Es wird ihm viel Vertrauen entgegengebracht, daß er die richtigen Wege finden werde, das junge Unternehmen zu einem gedeihlichen Ziele zu führen. Und das möge ihm gelingen, zum Heile der guten Sache, der zu dienen das Raimundtheater ins Leben gerufen wurde!