Das Rückertdenkmal in Schweinfurt
[737] Das Rückertdenkmal in Schweinfurt. (Mit Abbildung S. 736.) Schon vor zwei Jahren, am 16. Mai 1888, dem hundertsten Geburtstage Friedrich Rückerts, sollte dessen Denkmal in seiner Vaterstadt Schweinfurt enthüllt werden; verschiedene Umstände trugen die Schuld, daß erst heuer, am 18. und 19. Oktober, das Rückertfest gefeiert werden konnte, in welchem die Bemühungen der treuanhänglichen Gemeinde des Dichters ihre Krönung fanden.
Professor Rümann in München, der Schöpfer des figürlichen Theils des Denkmals – der architektonische Theil ist das Werk des bekannten Professors Friedrich Thiersch – bildete die Figur des Dichters in schlichter und gerade dadurch packender Natürlichkeit; gedankenvoll in schaffendem Nachdenken über den Inhalt eines Buches begriffen, ist sie dargestellt, und ein Meisterstück künstlerischer Auffassung ist der Kopf. Ueber das Arbeitsfeld Rückerts geben zwei sinnbildliche Nebenfiguren Auskunft. Die eine zeigt eine Idealgestalt, die zugleich Rückerts Lyrik und, nach dem kriegerischen Beiwerk, die „Geharnischten Sonette“ verkörpert. Die andere, eine ideale Frauenfigur, entziffert orientalische Schrift auf einem Pergamente. Der Künstler hat dabei eine äußerst bezeichnende Nebenwirkung erzielt. Bei geeigneter Stellungnahme vor dem Denkmal hat man den Eindruck, als ob die hehre Gestalt einen Schleier von einem Architektenstück, einem orientalischen Steinhaupt, wegnimmt. Die Symbolik erinnert etwas an die Entschleierung des Bildes von Sais und kennzeichnet zugleich den Sprachforscher und den Dichter der „Weisheit des Brahmanen“.
Um das Andenken des Dichters noch besonders zu ehren und einen Mittelpunkt für die Verehrer Rückerts zu schaffen, soll ein Rückertzimmer im alten Gymnasium, dessen Schüler einst der Dichter war, eingerichtet werden, das eine so weit möglich aus dem Gebrauche der Rückertschen Familie stammende Einrichtung, dann aber auch anderweitige Rückert-Andenken, ferner eine möglichst vollständige Sammlung der Rückertlitteratur und aller sich auf Rückert beziehenden Darstellungen in Bild und Wort, in Originalen und in Reproduktionen enthalten soll. Oskar Steinel.