Textdaten
<<< >>>
Autor: Eduard Fentsch
Illustrator: Kaspar Braun
Titel: Das Heidelberger Fass
Untertitel:
aus: Fliegende Blätter, Band 1, Nr. 1, S. 1–5
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1844
Verlag: Braun & Schneider
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[1]
Das Heidelberger Fass.

Also geschah es in dem gesegneten Weinmonate des Jahres ein tausend acht hundert und zwei und vierzig, und die Hitze war gar gewaltig in allen deutschen Gauen. Da wanderten zween Handwerksbursche von Darmstadt nach Heidelberg, die Bergstraße entlang. Der Jüngere, ein Leineweber von Profession, war in Memmingen daheim, und hatte vor kaum vier Wochen durch bayerisch Schwaben und Franken seinen ersten Ausflug in die Welt begonnen. Mit den Schwalben war er flügge geworden, und wollte sein Glück versuchen in anderer Herren Ländern. Nun ist es aber nicht Jedermanns Sache, sich behaglich zu fühlen unter wildfremden Menschen, die unsere liebgewordenen Gewohnheiten belächeln und unsere Ansichten bekritteln, denen der Ton unserer Rede nicht so zu Herzen dringt, als den Leuten in der Heimath. So ging es denn auch dem ehrlichen Leineweber mit jeder Meile Weges, die er weiter schlenderte, tiefer zu Gemüthe, daß im deutschen Reiche nicht alle eines Sinnes seien mit seinen Landsleuten, und als er vom Main herüber kam gegen den Rheingau, dünkte ihm selbst die Sprache nicht mehr recht just. Da überfiel ihn [2] das Heimweh, und wuchs in ihm mit dem zunehmenden Monde. Als nun der Mond voll war, nahm er sich ein Herz, überwand die geheime Scheu vor den allenfallsigen Spottreden, so ihm die leinewebende Sippschaft bei der unvermuthet schnellen Rückkehr würde angedeihen lassen, und lenkte seine Schritte wieder heimwärts der weiland freien Reichsstadt zu, deren Weichbild den ganzen Gesichtskreis seiner Wünsche umschloß.

Wie’s der Himmel fügte, so fand er gute Gesellschaft zur Heimreise. Ein Tischlergeselle aus Magdeburg schloß sich ihm an, der, wie er sich äußerte, sein Felleisen bereits dem Boten mitgegeben, da es ihm bei der großen Schwüle zu hart am Rücken lag. Solchergestalt konnte er leichter fürbaß wandern, wozu auch sein fadenscheiniges Röcklein nicht wenig beitrug, welches dem Luftzuge freien Spielraum gestattete. Zudem prangte dasselbe in allen Farben der deutschen Bundesstaaten, die er bereits am Knüttelstocke durchmessen, und gab ihm ein lustiges, weltbürgerliches Aussehen. Zwar wollte dieß dem Schwaben Anfangs nicht recht zu Sinne stehen, und es dauerte eine geraume Weile, ehe ihm die Gesellschaft behagte; aber der Magdeburger war ein fideler Bursche, der sein Theil in der Welt gesehen und bei manchem Meister gedient hatte, konnte auch leichtlich mit der Sprache fort, denn so etwas lernt sich auf der Wanderschaft, die er nun, wie er sagte, in’s zwölfte Jahr trieb. So erzählte er manch’ spaßhaften Schwank, den er erlebt, oder sang ein lustiges Liedl nach der Melodie:

Zu Straßburg in der schönen Stadt
Hat mich ein Mädigen lieb,

oder:

O du schöne Stadt Paris,
Wo ich die Herzeliebste ließ,
 So süß,

Mein Mädigen süß und auch von Wuchs,
Sie hat zwei Aeuglein wie ein Luchs u. s. w.

Der Leineweber lachte dagegen sein gut Theil, oder vergalt, hie und da, das Erzählte mit einem Kapitel aus der Chronik der Stadt Memmingen und den Erlebnissen der wackern Lohgärber und Leimsieder, so daselbst ihre Werkstätten aufgeschlagen. Dabei bot er dem Kameraden von dem Inhalte seiner Schnapsflasche brüderlich an, und dieser gab ohne viel Zuredens herzhaft Bescheid.

Nun war aber desselbigen Tages eine arge Hitze, und der Staub legte sich gar sehr auf die Lunge, so daß bei dem wackern Zuspruch des Tischlergesellen das Fläschlein des Schwaben wider Vermuthen leer wurde, ehe sie kaum die Hälfte des Weges nach Heidelberg zurückgelegt hatten.

Es ist eine alte Wahrheit, daß der Mensch das Glück nicht achtet, so lange er’s in der Tasche trägt. Er hört noch lächelnd zu, wenn es ihm Valet sagt, und erst da er es aus den Augen verloren, schilt er sich selbst ob seiner Thorheit. Just also erging es dem gutmüthigen Schwaben. So lange noch ein Tröpflein am Glase hing, genügte ihm das Bewußtseyn, daß ihm das Durststillende Mittel nicht fehle. Als aber der Magdeburger die Flasche bis auf den Grund geleert hatte, da überkam ihn erst das peinliche Gefühl seiner trockenen Kehle. Er seufzte nach einem Labetrunk, wie weiland die Israeliten in der Wüste, aber der Sonnenbrand hatte die Quellen auf eine Meile Weges im Umkreise versengt, und ihm fehlte der Mosesstab und das Felsengestein, daraus er Wasser hätte hervorlocken können. Der Tischlergeselle hingegen schien es gerade darauf angelegt zu haben, seinem Weggenossen den traurigen Mangel recht fühlbar zu machen. Wie diesem der Durst mit jedem Schritte wuchs, so nahm hinwiederum des Preussen Redseligkeit zu, und er erzählte ihm von seinen Wanderungen am Rhein und im Elsaß, und wie er dort Elfer getrunken habe von allen Sorten, und Vierunddreißiger die Hülle und Fülle um einen Spottpreis. Denn die Wirthe daselbst wären froh, wenn sie ihn losbrächten, ehe er ihnen sauer würde. Als er aber von Aachen anfing, und wie ihm, als Landeskind und nächstem Vetter, der Domkellermeister in Liebfrauenmilch Bescheid gethan aus großen Baßgläsern, wie es im Schwabenlande etwa mit Scheps oder Kartoffelfusel geschähe, da bat ihn der Leineweber inne zu halten, falls er nicht wollte, daß ihm der Durst die Kehle verbrenne.

Es stand auch die Sonne gerade senkrecht über den Scheiteln der Handwerksburschen, und beide konnten nicht umhin, unter dem Schatten eines Apfelbaumes im Straßengraben Mittagsrast zu halten. Der Schwabe legte sich der Länge nach auf den Rasen, zog die Mütze über das Gesicht herein, um sich vor den leidigen Strahlen zu schützen, und wickelte die Tragriemen seines Felleisens um den Arm. Sein sprachlustiger Kamerade aber, wie er sich vorher in seligen Erinnerungen ergangen, bemühte sich nun, dem lüsternen Webergesellen [3] die nächste Zukunft so freundlich als möglich auszumalen, so daß diesem schon der Mund wässerte nach einem Schoppen Neckarwein. Als er sich hierüber ausließ, verwies ihm der Magdeburger solch allzubescheidenes Begehr, sintemal sie sich heute Abend selbander ein tüchtig Bene thun wollten am Heidelberger Fasse.

Nun hatte der Schwabe vom Heidelberger Fasse schon gar mancherlei reden hören, und mochte gar zu gerne genaue Kunde haben, was eigentlich an der Sache wäre. Das war Oel in’s Triebrad, und der Tischler fing ungesäumt ein Langes und Breites an, wie dieses Faß wohl kaum ein Paar Klafter niedriger wäre, als der Dom in Ulm, den er doch wohl kenne, oder der Münster in Freiburg, so daß auf seinem Spundloche eine Dorfgemeinde gar leichtlich den Kirmeßreigen tanzen könne, ohne just eine Deiche zu berühren. Die Länge desselben müße man nach Lachtern messen, und die Eisenreife, welche den Riesenbau zusammenhielten, hätten gut Ding die Stärke, daß ein Weberstuhl d’rauf Platz hätte zusammt dem Weber. Seit undenklichen Zeiten woge in seinem Bauche ein Meer jenes köstlichen Weines, welchen der Herbst an dem Neckargelände zeitige.

Im dreißigjährigen Kriege, als Tilly Heidelberg eroberte, blos weil es immer gut preussisch gesinnt gewesen, habe dieser aus purem Hasse gegen die Lutherischen des Fasses Boden einschlagen, und die halbe Stadt damit unter Wein setzen lassen. Seit dem Tage der Sündfluth sei die edle Gottesgabe nicht so vergeudet worden, als dazumal; Menschen und Vieh nicht gerechnet, so darinnen umgekommen. Zu allem Glücke sei kurz hierauf der König von Schweden, Gustav Adolph gottseligen Angedenkens, in die Stadt eingerückt, habe die Kaiserlichen vertrieben, alsbald den Boden wieder einsetzen und das Faß selbst wieder auffüllen lassen mit frischem Moste, welcher bisher gar wohl gegohren, und seit jenen Tagen – ein unerschöpflicher Quell – allen durstigen Seelen fließe, die Heidelberg passirten. Die leutseligen, gastfreundlichen Bürger der frommen Stadt seien auch gerade nicht engherzig und zurückhaltend mit ihrem Schatze, und der Schloßkellermeister habe Auftrag, den Zapfen wacker zu drehen, wenn ein Gast zuspreche, insonders ein preussisches Landeskind. Wer da wolle, dem bleibe es auch unverwehrt, sich rücklings unter den Hahn zu legen, daß der gesegnete Trunk ihm aus erster Hand in die Kehle dufte, und – – und – –

Dem Schwaben vergingen die Sinne. Solch verlockendes Bild des Ueberflusses bei solchem Mangel, – das machte ihm den brennenden Durst erst unerträglich. Die lebhafte Erzählung des Kameraden erregte seine Phantasie, daß er bereits in gierigen Zügen trank, und der Wein ihm wie goldenes Oel durch die vertrocknete Gurgel rann. Dieser Vorgeschmack der Dinge, die da kommen werden, machte ihm jede Zögerung unleidlich. Eilig raffte er sich auf; die Straße flog ihm unter den Füßen weg; die Sehnsucht verlieh ihm Hermessohlen, daß er kaum den Staub berührte trotz seiner breiten, benagelten Bundschuhe. Wie ein Federball ruhte das schwere Felleisen auf seinem Rücken. Noch nie während der ganzen Dauer seiner langen Wanderschaft war er dermassen gerannt. Der Magdeburger blieb weit zurück, und schaute ihm lachend nach. An dem Stadtthore angelangt, ließ er sich weder das Wanderbuch visiren, noch fragte er nach dem Herbergsvater. „Wo geht der Weg zum Heidelberger Fasse?“ – mit diesen Worten fiel er den ersten Besten an, welcher ihm unter dem dämmernden Thorwege entgegen kam.

Der Angeredete, ein kleiner, dürrer, grauhaariger Geselle in einem hellbraunen, verbleichten Koller, einer hohen, steifen Halskrause, und mit gelben Lederstiefeln , die ihm bis an die Schenkel reichten, schauete den Schwaben lächelnd an, griff alsbald nach einem Bund’ mächtiger Schlüssel, so ihm an der Seite hing, und öffnete ein schmales Pförtlein an der Thormauer. Auf ein gegebenes Zeichen überschritt der Leineweber die Schwelle, hinter ihm aber fiel die Thüre in’s Schloß, und der Graue drehte den Schlüssel um.

Ein feuchter Mauergeruch wehete den Eintretenden entgegen. Das Moos schillerte an den Wänden; durch einzelne, schmale Schießscharten drang das Tageslicht herein, eine trübe, unheimliche Dämmerung verbreitend, just helle genug, um die Eidechsen und anderes kriechendes Gethier unterscheiden zu können, das von den lauten Fußtritten verscheucht Zuflucht suchte in den Löchern der verwitterten Mauer. Fast wäre dem Schwaben ein geheimer Schauder überkommen, denn der kalte moderige Gang wollte kein Ende nehmen. Nur das Gefühl seines unbändigen Durstes übermannte die aufkeimende Furcht, und so schritt er denn fürder in Gottes Namen.

Voran der Schließer, hinterdrein der Wanderbursche, so ging’s Trepp’ auf, Trepp’ ab, durch Keller und Gänge, durch Gewölbe und Keuchen; die alten Thüren knarrten in den [4] verrosteten Haken; die Fußtritte dröhnten und hallten nach; zu Häupten aber pfiff und schwirrte es vom Fluge aufgescheuchter Fledermäuse. Die Dämmerung hatte mählig einer grauen Finsterniß Platz gemacht.

Endlich – und es war noch gerade recht an der Zeit, ehe es den Schwaben gereuete, den Fuß in das unheimliche Labyrinth gesetzt zu haben; endlich – da drang es ihnen wie Weingeruch entgegen, wie ein Gottwillkomm’ der Rebengeister. Der Handwerksbursche jauchzete still in sich hinein. Ein hohes, eisenbeschlagenes Doppelthor – der Graue hob den Querbalken weg, und steckte den gewaltigen Schlüssel an – die eichenen Flügel drehten sich in den Angeln – – der Magdeburger hatte Recht!

Da lag er vor ihm, der ungeheuere, hölzerne Gigant, mit dem Weinmeere in seinem Bauche, mit den eisernen, klafterbreiten Gürtelbändern um die mächtigen Hüften, mit den mauerdicken Deichen, welche das Alter und der Weingeist schwarz gebeitzt hatte, wie Ebenholz. Gleich dem Morgenrothe drang es aus den Faßspalten, daß es im ganzen, endlosen Gewölbe dämmerte. Ja wohl hätte allem Ermessen zufolge der Münster zu Ulm in seiner Höhlung Platz gefunden und die Memminger Kirche obendrein!

Der Preusse war um keine Silbe von der Wahrheit abgegangen! Tanzten ja selbst auf dem Spundloche ein Paar Dutzend fröhlicher Bursche mit ihren rothröckigen, bebänderten Dirnen den Kirmeßreigen in wunderlichen Sprüngen, die Dorfälteren aber umstanden sie im weiten Kreise, und wackelten alle gar drollig nach dem Takte der Musik, die wie fernes Gesumse in die Tiefe herabtönte.

Der Schließer griff den staunenden Schwaben bei der Hand, und führte ihn ohne ein Wörtlein zu reden an die Stelle, wo in der Tiefe des Faßbodens der Hahn eingelegt war, von der Größe eines mittleren Dorfkirchthurmes. Hier bedeutete er ihm, daß er sich auf den Rücken legen möge, just so, wie’s ihm der Magdeburger vorausgesagt. Dem Memminger Webergesellen pochte das Herz über die Fülle, die seiner wartete. Er gesegnete insgeheim die gottselige Stadt ob ihrer sonderlichen Gastfreundlichkeit, und den wackeren Kellermeister, der so geruhig that, was seines Amtes war. Ohne Säumen gehorchte er, nahm sein Ränzlein vom Rücken, legte sich hin, wie ihm geheißen war, lavirte mit dem Kopfe, bis er’s dafür hielt, so recht in der Strom-Linie zu sein, und rief dann dem Schließer zu! „Nun, so laßt’s laufen, wenn’s beliebt!“ Da wendete sich langsam der schwere, messing’ne Hahn, und der Wein träufelte herab wie geschmolzenes Gold just in sein offenstehendes Maul, und er hätte sich tausend Schlünde wünschen mögen, um sich daran zu sättigen nach Herzenslust!

„Karg sind sie nicht, die lobsamen Bürger von Heidelberg, – dachte er sich in seinem Gemüthe – auch duftet der Trank wie Rosenöl und Gewürznelken; – aber, der Guckuck hol’s, er rinnt an der Gurgel vorbei, ohne sie zu kühlen, und in den Magen, ohne den peinlichen Durst zu löschen! Habt doch die Freundschaft, und dreht den Hahn etwas weiter auf!“

Lächelnd willfuhr der Schließer seinem Wunsche, und die Himmelsgabe stürzte wie ein kleiner Gießbach auf den durstigen Kumpan hernieder. Das war nun aber doch des Guten schier zu viel, und da der Wein den Weg in die Kehle nicht schnelle genug fand, so benahm er ihm den Athem. Er wollte abwehren; [5] aber der Graue lächelte, und rieb ohne ein Wörtlein zu sprechen, den verhängnißvollen Hahn immer mehr und mehr auf. Vergebens mühte sich der Leineweber aus der gefährlichen Lage sich zu bringen; es däuchte ihm, als sei er an den Boden gefesselt. Aengstlich sträubte er sich mit Händen und Füßen, und weil ihm der Strom, welcher auf ihn herniederschoß, das Sprechen bereits unmöglich machte, so wendete er flehend seine Blicke auf den Schließer. –

Da ward ihm aber gar schauerlich zu Muthe! Bei dem Lichte, welches vom Weine wegging, vermochte er erst den grauen Gesellen und seine unheimlichen Züge deutlich zu erkennen. Beim heiligen Georg von Mindelheim! – hatte er ihn doch selbst gesehen in Altötting bei einer Wallfahrt, ganz wie er leibte und lebte vor aberhundert Jahren, und jetzt erst gewahrte er das Bärtlein am spitzen Kinn, und das fahle, gelbe Gesicht. Es war Tilly, der alte bayerische Feldmarschall, welcher Heidelberg hatte unter Wein setzen lassen, wie ihm der Magdeburger erzählte. Unter widerlichem, schadenfrohen Lachen stemmte sich derselbe mit aller Kraft gegen den Weberbaum, der als Hebel diente, um den Riesenhahn zu drehen, und dem Rheinfalle gleich fluthete der Wein auf den Burschen herab. Dabei hatten die oben auf dem Spundloche ein Gelärm und Gejubel, stampften auf den Boden, daß die Deichen sich bogen, und das alte Holzwerk krachte; die Trompeten schmetterten und die Baßgeigen brummten, daß sie das ängstliche Gestöhne des Schwaben weit überschrieen. Nebenbei dünkte es diesem, als vernähme er aus dem Gelächter deutlich die Stimme des Magdeburgers, wie er dem Feldmarschall zurief und zujohlte, er möge nicht auslassen, bis der Leineweber, ersäuft sei! –

Schon schlugen die Wellen am Boden über ihm zusammen; schon begann die Weinfluth zu steigen bis zur Höhe seiner Backenknochen; – da stählte die Angst ihm die Sehnen. In seinen Muskeln zuckte es, und er fühlte, wie ihm in der äussersten Noth die Kraft wuchs, daß er die Faßreife über’s Knie abbrechen, und die Deichen in den Händen hätte zerdrücken können, wie Lichtspähne. So empfahl er sich dem Schutze der sieben heiligen Nothhelfer; stemmte sich mit den Füßen gegen den Hahn; that einen kräftigen Ruck, dann noch einen – – und das Riesengebälke stürzte rücklings über die Leghölzer zusammen, daß es durch die Hallen dröhnte, wie ein Donnerschlag, und das Gewände erzitterte, als wäre der Blitz in’s Haus gefahren! Der Weingischt schäumte bis an die Gewölbdecke, und die goldgelben Wogen rauschten über den Schließer und die von der Höhe stürzenden Burschen und Dirnen und Spielleute zusammen, wie Springfluth! Der Webergeselle aber raffte sich auf, that einen Freudenschrei über die gelungene Herkulesarbeit, und – erwachte.

Da thaueten bereits die Abendwinde die Rheinebene her, und es dämmerte im Odenwald, und die stillen, freundlichen Gründe der Bergstraße entlang. – Der Bruder Magdeburger aber hatte sich von dem schlaftrunkenen Schwaben weggestohlen, und aus Versehen sein Felleisen mitgenommen, nachdem er ihm vorher die um den Arm geschlungenen Tragriemen abgeschnitten. Die Hitze des Tages war vorüber, und das wohlgespickte Ränzlein mochte ihm in der kühlen Dämmerung nicht allzu lästig fallen.

Als desselbigen Abends noch der Webergeselle nach Heidelberg kam, ging er verdrießlich und still geraden Weges durch die Stadt, fragte weder nach dem Herbergsvater, noch wo es sonst guten Neckarwein gäbe; am wenigsten aber nach dem Heidelberger Fasse.