Das Grillparzer-Denkmal in Wien

Textdaten
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Autor: Ernst Keiter
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Titel: Das Grillparzer-Denkmal in Wien
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 309, 324
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[309]

Das Grillparzer-Denkmal von Prof. Kundmann in Wien.
Nach einer Photographie von M. Frankenstein u. Komp. in Wien

[324] Das Grillparzer-Denkmal in Wien. (Mit Abbildung S. 309.) Das schöne Denkmal des Dichters der „Ahnfrau“ befindet sich im Volksgarten, diesem traut anheimelnden Stück der verjüngten Kaiserstadt. Es zeigt eine halbkreisförmige Wand, deren Spannweite annähernd 16 Meter beträgt. Inmitten dieser Marmorwand, zu welcher drei Stufen emporführen, ist eine Rundbogennische angebracht, welche gepaarte Halbsäulen in korinthischem Stile flankiren. Die Figur des sitzend und in sinnender Haltung dargestellten Dichters in dieser Nische hat eine Höhe von über 7 Fuß und über ihr, im Giebelfelde, halten zwei Putten einen Lorbeerkranz, der den Namen des Dichters trägt. Rechts und links stoßen an das Nischengesims Wände, welche auf jeder Seite drei Hochreliefe zeigen, die wieder durch flache Pfeiler von einander getrennt sind. Bekrönte Pylonen, rechteckige Thürmchen, schließen dann auf jeder Seite die Vollwand ab. Innerhalb des Wandbogens ist eine Rundbank angebracht.

Das zarte, länglich schmale Antlitz Grillparzers ist porträtgetreu wiedergegeben und in dem sinnenden, träumenden Ausdruck die Eigenart des Klassikers der nachklassischen Zeit meisterhaft verkörpert. Die in einem Lehnstuhl sitzende Figur ist etwas vorgebeugt, wie es des Dichters Brauch war, wenn er seinen Gedanken folgte; das Haupt neigt sich leicht zur Seite, und die Kniee deckt ihm ein Mantel, wie er in seinen Tagen üblich war. Die ganze Figur übt in ihrer schlichten, einfachen Form auf den Beschauer einen stillen Zauber aus, und Meister Kundmann, dem dieselbe ihr Dasein verdankt, hat damit sein zartes Empfinden, sein verständnißvolles Eingehen auf die edle Dichternatur und auf den Geist des unglücklichen Poeten, der sein ganzes Leben lang Bräutigam – der „ewige Bräutigam“ – geblieben war, bewiesen.

Eine prächtige und sinnreiche Ergänzung der stummen und doch auch wieder so beredten Dichterfigur bilden die sechs Reliefe Weyrs, welche Hauptscenen aus den bedentendsten Dramen Grillparzers darstellen. Zur Rechten des Dichterbildes sehen wir die Schlußscene aus dem ersten und bekanntesten Stück Grillparzers, aus der „Ahnfrau“. In der Gruft des unglückseligen Geschlechts ruht schon die Leiche Berthas, zu der Jaromir mit Todesahnen hinabgestiegen ist. Die geisterhafte Frau erscheint ihm, und die Gestalten des Kastellans, Boleslavs und der andern dringen eben in den düstern Raum. Das zweite Relief auf dieser Wandseite zeigt die Schlußscene des dritten Aktes aus der Tragödie „Ottokars Glück und Ende“. Der Kaiser ertheilt dem vor ihm knieenden Böhmerkönig in seinem Zelte die Lehen Böhmens, und draußen steht das Kriegsvolk, welches dem wider die Vereinbarung öffentlich vorgenommenen Akte zusieht. Die zweite Scene des zweiten Aufzuges aus „Der Traum, ein Leben“ veranschaulicht das nächste Reliefbild. Held Rustan träumt auf seinem Lager, während der weiße Genius mit der flammenden Fackel und der schwarze Genius mit der gesenkten erloschenen bei dem Träumenden Wache halten. Auf der anderen Seite der Vollwand sehen wir aus der „Sappho“ die sechste Scene des fünften Aktes wiedergegeben. Die Dichterin, welche die Züge der Frau Wolter trägt, verabschiedet sich von Phaon und Melitta. Medea, die kolchische Zauberin, führt uns das fünfte Relief vor. Ihre Kinder, die sie an sich ziehen will, suchen Schutz bei Kreusa. Das letzte Reliefbild endlich bringt die Eingangsscene des letzten Aktes aus der Liebestragödie „Des Meeres und der Liebe Wellen“. Hero erkennt in dem von Janthe aufgefundenen Leichnam ihren Geliebten . . . Ein Hauch von echtem Klassicismus hat namentlich diese drei letzten Hochreliefe berührt. Ernst Keiter.