Das Germanische Museum in Nürnberg

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Titel: Das Germanische Museum in Nürnberg
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 109-110
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[109]
Das Germanische Museum in Nürnberg.
Nr. 2.

Dr. Hans Freiherr von und zu Aufsess.

Wir versprachen am Schluß des Artikels in Nr. 3: „Das Germanische Museum zu Nürnberg“, nähere Mittheilungen über das Leben des hochverdienten Gründers und Leiters des wichtigen Institutes, dessen Schilderung wir gaben. Mögen sie dazu dienen, dem Manne diejenige Anerkennung zu verschaffen, die sein schönes und nationales Streben verdient.

Dr. Hans Freiherr von und zu Aufsess entstammt einem reichsfreiherrlichen Geschlecht, das schon seit vielen Jahrhunderten in der fränkischen Schweiz begütert ist. Den 7. September 1801 erblickte er auf dem in dem Dorfe Aufsess liegenden Stammschlosse der Familie das Licht der Welt. Sein Vater war preußischer Regierungsrath und mit einem Freifräulein von Crailsheim vermählt.

Dadurch, daß die ersten Jugendjahre des Knaben in die Kriegszeit fielen, wurde anfangs seine geistige Erziehung nicht in der Weise geleitet, wie dies wohl außerdem geschehen wäre. Ohne der Obhut eines Lehrers anvertraut zu sein, wuchs Hans von Aufsess zu einem blühenden und kräftigen Knaben heran, der sich, gleich seinen befreundeten Altersgenossen, mehr auf den benachbarten Waldeshöhen und in der freien Natur herumtrieb, als daß er sich in den Zimmern des elterlichen Schlosses aufhielt. Schon damals zeichnete er sich vor seinen Spielcameraden durch eine schnelle Auffassungsgabe und große Willenskraft aus, die sich im späteren Leben zu einer Thatkraft entwickelte, welche nicht leicht vor Hindernissen zurückbebte, wie sie der Ausführung seiner Pläne so oft entgegentraten. Das ungebundene Landleben und der häufige Aufenthalt in der freien Natur hatten auf das Naturell des Knaben so günstig eingewirkt, daß sein lebhafter Geist, dem lange Zeit die Beschäftigung mit Büchern ziemlich fern lag, sich trefflich entwickelte, als er mit dem dreizehnten Jahre der Leitung eines trefflichen Lehrers, des späteren Professors des Staatsrechtes, Dr. Schunk, anvertraut wurde. Der junge Mann holte das bis zum dreizehnten Jahre Versäumte nicht nur bald nach, sondern machte, namentlich in den alten Sprachen und der Geschichte, so überraschende Fortschritte, daß er schon nach kaum zurückgelegtem sechzehnten Jahre in Begleitung seines Lehrers auf die Universität Erlangen als Student übersiedeln konnte. Fünf Jahre widmete er sich hier dem Studium der Rechtswissenschaft, war aber nicht gleich vielen seiner Commilitonen nur auf einseitige Ausbildung bedacht, sondern strebte mit Eifer darnach, seine Kenntnisse in mehreren Zweigen der Wissenschaft, wie namentlich in der Geschichte und Literaturgeschichte, zu bereichern und zu vervollkommnen.

Nachdem er sich in der juristischen Facultät den Doctorgrad erworben hatte, verließ er die Universität, um die praktische Seite der Jurisprudenz an dem Gericht zu Bayreuth und Gräfenberg näher kennen zu lernen. Eine Beamtencarriere zu machen, war keineswegs seine Absicht, wohl aber hielt er es für nothwendig, sich bei Gericht über viele Rechtsfälle zu instruiren, die ihn als großen Gutsbesitzer interessirten, und deren Kenntniß ihm später im praktischen Leben zu statten kommen mußte. Vater und Mutter waren dem jungen von Aufsess schon vor mehreren Jahren durch den Tod entrissen worden, so daß ihm als ältestem Nachkommen die sorgsame Verwaltung der Güter am Herzen lag.

Erforderte auch seine durch übermäßiges Studiren sehr geschwächte Gesundheit besondere Ruhe, so konnte er sich solche doch nicht in der ihm vom Arzt vorgeschriebenen Weise gönnen, da er bei seiner Rückkehr nach Aufsess viel zu ordnen fand.

Seit dem Tode des Vaters war die Verwaltung des umfangreichen Besitzthums nicht in der Weise besorgt worden, wie es der neue Gutsherr wünschen mußte; man verwickelte ihn auch in mehrere Processe, so daß damals viele schwere Sorgen auf seinem Haupte lasteten.

[110] Sobald er sich jedoch körperlich erst ganz wieder erholt hatte, widmete er sich mit der ihm eigenen Kraft und Ausdauer seinem neuen Beruf, sehnte sich aber zugleich nach einem Familienleben, wie er es in früheren Jahren zu Lebzeiten der Eltern in den Räumen seines Schlosses lieb gewonnen hatte. Bald kehrte er auch von einer Reise nach Stuttgart als glücklicher Ehegatte zurück, nachdem er mit Freifräulein Charlotte von Seckendorf ehelich verbunden worden war. Die beiden Eltern wurden durch die Geburt von zwölf Kindern, von denen gegenwärtig noch zehn leben, erfreut und lebten glücklich und zufrieden in ländlicher Abgeschiedenheit auf ihrer Burg.

Einem strebsamen und wissenschaftlich gebildeten Manne, wie Aufsess, konnte es nicht genügen, seine Zeit blos mit der äußeren Verwaltung des Gutes auszufüllen; sobald es sich unter seiner Leitung wieder gehoben hatte und jene Mängel beseitigt waren, die er bei der Uebernahme vorgefunden hatte, setzte er die in früheren Jahren mit Liebe getriebenen juristischen Studien wieder fort und erwarb sich namentlich durch einige gediegene Abhandlungen auf dem Gebiete des Lehn- und Kirchenrechts die Anerkennung der Fachmänner.

War auch Freiherr von Aufsess im Laufe des Tages durch geschäftliche Angelegenheiten in Anspruch genommen, so saß er doch gewiß schon während der frühesten Morgenstunden und Abends beim Scheine der Lampe im Studirzimmer vor seinen Büchern. Die deutsche Rechts- und Adelsgeschichte studirte er mit Gründlichkeit, ordnete sein reichhaltiges Hausarchiv und ließ, nachdem er dasselbe durch Urkunden und Actenauszüge ergänzt hatte, seine Familiengeschichte im Druck erscheinen. Die zu diesem Zwecke in verschiedenen Staats- und Privatarchiven angestellten Forschungen leiteten Aufsess zunächst darauf hin, auch fremde, von ihm mit Schwierigkeit benutzte Quellen nach einem bestimmten System geordnet zu sehen.

In natürlicher Consequenz entwickelte sich hieraus bei ihm die Idee, daß das Material, was er für sich zum Studium ordnete und vorbereitete, anderen Gelehrten ebenfalls dienlich sein könne, und daß ein Austausch dieser geistigen Arbeitsapparate von unvergänglichem Vortheil für spätere Forscher sein müsse. Sein Plan zur Gründung einer großartigen Anstalt, welche das gesammte Quellenmaterial der deutschen Geschichte vereinigen und in Originalen wie Copieen sammeln solle, fand auf diese Weise die erste Anregung. Er erkannte zwar sehr wohl die enormen Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens, wurde aber durch die vom König Ludwig an ihn gerichtete Aufforderung zur Gründung eines deutschen Museums ermuthigt, Schritte zur Ausführung dieses Planes zu thun. Daß sich derselbe im Laufe der dreißiger Jahre nicht vollständig realisiren ließ, wurde bereits früher mitgetheilt. Aufsess kehrte nach längerem Aufenthalte von Nürnberg wieder auf sein Gut zurück, lebte mehrfach als Landtagsabgeordneter in München und betheiligte sich außerdem mit Interesse an allen Versammlungen deutscher Geschichtsforscher. Hierdurch trat er mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten, von denen er später eine Unterstützung seines Projectes erwarten durfte, in schriftlichen und mündlichen Verkehr.

Waren auch die Bewegungen des Jahres 1848 der Erfüllung seiner Wünsche in jeder Hinsicht entgegen, so schritt er doch sicher, wenn auch langsam, auf der betretenen Bahn vorwärts, um endlich im Jahre 1852 auf der Versammlung zu Dresden das zu erreichen, was er seit 22 Jahren mit Ausdauer angestrebt hatte. Unter dem Vorsitze eines deutschen Fürsten war nunmehr der definitive Beschluß zur Gründung eines Germanischen Museums gefaßt worden. Daß eine solche Anstalt nach vielem Ringen und Kämpfen in’s Leben trat, dazu hatte es eines Mannes, wie Aufsess, bedurft, der, ohne zu den Reichen des Landes zu gehören und trotz einer zahlreichen Familie, Kraft, Zeit und einen beträchtlichen Theil seines Vermögens einer großen Idee geopfert hatte.

Die patriotischen Gefühle, die einen einzelnen Mann gehoben und getragen haben, ein weitgreifendes Unternehmen zum Besten der deutschen Nation in’s Leben zu rufen, sie mußten von Seiten der Fürsten und des Volkes die rechte Würdigung und Unterstützung finden. In wie weit das Germanische Museum solche verdient hat, davon wird sich Jeder am besten überzeugen, der beim Besuche der alten ehrwürdigen Noris seine Schritte auch nach dem Karthäuserkloster lenkt, um hier die Schöpfungen des Museums persönlich in Augenschein zu nehmen.

Freiherr von Aufsess hat noch eine große Aufgabe zu lösen, er hat sie mit Geschick begonnen und wird auch den Bau des Ehrendenkmals der deutschen Nation glücklich weiterführen, wenn ihm ferner die Hülfe zu Theil wird, wie man sie mit Recht von dem deutschen Volke erwarten kann.

Möchten daher recht viele deutsche Stammesgenossen, deren Herzen von patriotischen Gefühlen erfüllt sind, dem Germanischen Museum ein Scherflein zuwenden und dadurch das Bewußtsein gewinnen, wenigstens nach besten Kräften ein Unternehmen gefördert zu haben, das von der Mit- und Nachwelt als ein schönes Zeugniß von Deutschlands geistiger Kraft und Größe anerkannt werden muß. –