CXXI. Dowlutabad in Ostindien Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
CXXII. Das Forum in Rom
CXXIII. Das Antonius-Kloster auf dem Libanon
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DAS FORUM (Campo Vaccino) IN ROM

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CXXII. Das Forum in Rom.




Mehrmals wanderten wir schon zwischen Ruinen von Rom’s gesunkener Größe. Wir haben in Tivoli die Landsitze der ehemaligen Weltbeherrscher betrachtet, sahen an der appischen Straße ihre prachtvollen Mausoleen, und führten unsere Leser in Agrippa’s hohen Tempel: betreten wir jetzt den welthistorischen Boden, auf welchem die Fabier, die Sulla, die Scipionen, die Cäsaren einst als Triumphatoren dahin zogen!

Wir stehen auf dem Forum. Zwei lange Reihen herrlicher und ungeheuerer Trümmer bezeichnen diesen Ort, welcher dem alten Rom zu dem dreifachen Zwecke der Volksversammlungen, des öffentlichen Gerichts und der feierlichsten Staatshandlungen diente. Schon in den ersten Jahrhunderten nach Entstehung der Stadt hielten die Bürger hier ihre Festspiele und Zusammenkünfte; und schon König Tarquinius Priscus faßte das Forum mit Säulengängen ein, zum Schutze gegen die Witterung. Als Rom’s Macht sich ausbreitete, zuerst über Italien, dann über den halben Erdkreis, wurde allmählich um diesen Platz Das versammelt, was von des Staates Größe und Hoheit den imponirendsten Begriff geben, Das, was unbeschränkte Macht, grenzenloser Reichthum und eine an’s Fabelhafte gränzende Prachtlust nur Großes ersinnen konnten. Es reiheten sich um ihn her die Palläste der Consuln und Cäsaren und die Tempel der Götter; Triumphbögen schmückten seine Zugänge, im weiten Kreise umzogen ihn Thermen, Cirkus, Rennbahnen, Museen und öffentliche Bibliotheken: und was Griechenland, Sicilien, Ionien und Aegypten Bewundernswürdigstes an Werken der Kunst besaßen, wurde auf der weltherrschenden Roma Wink herbeigeschafft, ihr Forum zu schmücken. Weniger durch die Hand der Zeit, als durch die der Menschen und der Elemente, durch die verwüstenden Barbaren und die unzähligen Feuersbrünste, ist Dieß längst dahin, oder liegt in Schutt. Heerden blöken, wo Cicero und die Gracchen das Feuer ihrer Beredtsamkeit über ein zahlloses Volk ausgossen; und wo die Kaiser wohnten, grünt der Weinstock: aber die unzähligen Ruinen zeugen noch künftigen Jahrhunderten die hier gewesene Herrlichkeit.

Das Forum war südwestlich vom palatinischen, nördlich vom capitolinischen Berge begrenzt, und bildete ein längliches Viereck von etwa ½ Million Quadratfuß Flächenraum. Es führten dahin die prächtigsten Straßen, und die Triumphbögen des Constantin, des Septimius Severus und des Titus. Wendete man sich nach dem, mit den schönsten Werken der Baukunst prangenden Capitol, wohinan eine Marmortreppe leitete, so sah man links die Kaiserpalläste, welche den ganzen Mons Palatinus bedeckten, und rechts eine Reihe prachtvoller Tempel, von denen [86] der des Friedens, des Antonin und der Faustina, des Mars und des Saturnus noch köstliche Trümmer zurückgelassen haben. Rückwärts aber stieg das Amphitheater des Flavius empor (nach einer vor demselben aufgestellt gewesenen Riesen-Statue des Sonnengotts, von 150 Fuß Höhe, das Colosseum genannt), und weckte durch das Ungeheuere seiner Masse und durch die einfache Pracht seiner Bauart das höchste Erstaunen. Von diesem Wunderwerke haben sich die nördliche Hälfte und die Substruktionen der südlichen ganz erhalten. Nach außen bildete es eine etwas eiförmige Rotunde, hundert und sechzig Fuß hoch und fast achtzehnhundert im Umkreis, welche ein dreifacher, über einander gethürmter Säulenkranz umlief. Säulen und Außenmauern bestanden ganz aus weißem, tiburtinischen Marmor. Die Arena im Mittelpunkte des innern Raums hatte sechshundert Fuß Umfang und konnte zehn tausend Kämpfer auf einmal fassen. Der ganze Zwischenraum, der die Arena von der äußern Mauer trennte, war mit steinernen, stufenweise sich übereinander erhebenden Bänken ausgefüllt, auf welchen über hundert und zehn tausend Zuschauer Platz hatten. Die untersten Reihen waren für die Vestalen und Senatoren, über ihnen saßen die Ritter, über diesen die Bürger, auf den höchsten endlich die Matronen. Ganz oben standen zehntausend Sklaven, welche einen schirmenden Teppich, oft von der kostbarsten, mit Gold und Perlen gestickten Arbeit, oder mit den herrlichsten Gemälden geschmückt, über alle Sitze gespannt hielten. Die gewölbten Räume unter den Sitzen waren Behälter für die zum Kampf bestimmten reißenden Thiere, für die ihnen zu Schlachtopfern ersehenen Menschen, für die Gladiatoren, und für einen Theil der Leibwache des Kaisers, dessen Pallast durch einen Portikus mit dem Colosseum verbunden war.

Vespasian baute dieses Theater mit einem Aufwande von 35 Millionen Gulden. Er verwendete dabei 12000 gefangene Juden, von denen die Hälfte über der harten Arbeit und durch Unglücksfälle starb. Titus weihete es ein, und sein Bruder und Nachfolger, Domitian, gab hier die größten Kämpfe, welche das blutgierige, in der Grausamkeit Wollust findende Rom je gesehen hatte. Tausende der ersten Christen starben hier, wilden Thieren hingeworfen, den Märtyrertod. Zuletzt hatte sich das entartete römische Volk so an die Lust des Blutvergießens gewöhnt, daß es diese Augenweide gar nicht mehr entbehren konnte, und Vornehme sich Sklaven hielten, bloß zu dem Zwecke, daß sie sich einander bei den Hausfesten und Gastmälern würgten. Ja, ergriffen von der Wuth der Blutgier stürzten sich oft Ritter und Senatoren in die Arena, und hauchten unter den Klauen der Bestien, oder den Schwertern der Gladiatoren freiwillig ihr Leben aus. Kaiser Commodus spielte im Colosseum mehrmals die Rolle des öffentlichen Fechters. Trajan gab hundert und zwanzig Tage hinter einander Schaukämpfe, und an jedem Tage erschienen zehntausend Streiter. So ging die Blüthe der unterjochten Nationen zu Grunde! So wurde die Welt ausgesogen und ganze Provinzen entvölkert, um das tägliche Geschrei nach Brod und Spiel (PANIS et CIRCENSES!) des zu einer arbeitsscheuen Hyänenrotte herabgesunkenen Römervolks zu sättigen!

[87] In diesem schauervollen Raume, wo einst das Blut der beknechteten Nationen in Strömen dampfte, und das bestialische Freudengeschrei der Zuschauer hallte, wenn Christen von Löwen und Panthern zerrissen wurden, hört man jetzt nichts, als das Gebell des Hundes des alten Einsiedlers, der diese Trümmer hütet, oder an Festtagen das Glöckchen des messelesenden Kapuziners; denn rings im Innern der Arena sind Bußaltäre aufgerichtet, und über jedem hängt eine kleine Glocke, welche die Vorübergehenden, oder die das Colosseum Besuchenden zur Theilnahme am Gebete einladet. – Wie wunderbar knüpft sich hier die heidnische Vergangenheit mit der christlichen Gegenwart zusammen! Und welcher Stoff zu Betrachtungen!

Unser schönes Bild gibt die Aussicht vom Bogen des Titus, quer über das Forum hinüber nach den herrlichen Trümmern des Concordientempels, dessen Portikus mit sieben aufrecht stehenden Marmorsäulen eine der schönsten und pittoreskesten Bautrümmer Roms bildet. Die dreisäulige Ruine rechts gehörte mit ihren am Boden liegenden Fragmenten zu einem Tempel des donnernden Jupiters, den Augustus an der Stelle aufrichten ließ, auf der während eines Gewitters einer seiner Begleiter vom Blitz erschlagen wurde. Alle diese Trümmer bestehen ganz aus Marmor. Sie waren noch vor wenigen Jahren bis zur Hälfte ihrer Höhe in Schutt begraben. Jetzt sind sie bis zur Base von demselben gereinigt, und auch der Marmorboden der Triumphatorenstraße, auf welchem 20 Fuß tiefer Staub einer fünfzehnhundertjährigen Zerstörung lag, ist gänzlich aufgedeckt worden.