CXX. Delphi Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
[Dowlutabad in Ostindien
CXXII. Das Forum in Rom
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DOWLUTABAD
(Ostindien)

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CXXI. Dowlutabad in Ostindien.




Unter die auffallendsten Züge in der Landesphysiognomie des uralten Indiens gehören die vielen Bergfestungen, deren alterthümliche Bollwerke auf kaum zugänglichen Höhen, wie Adlernester, eine ferne Zeit der Unsicherheit oder der Raubsucht und Zwingherrschaft verkündigen. Furcht war das Hauptmotiv ihrer Entstehung. Sie fallen deshalb fast durchgehends in jenen dunkeln Zeitraum der indischen Geschichte (500 bis 1200), wo die nordischen Völker (Kaukasische und Mongolische Stämme) die reichen Länder Südasiens mit ihren Plünderungs- und Eroberungszügen bedrängten. Damals waren unbezwingliche Vesten, zur Sicherung von Eigenthum und Personen, nöthig; und in spätern Zeiten wurden sie von den fremden Eroberern zur Befestigung ihrer Herrschaft unterhalten.

Dowlutabad ist unter den Gibraltars Indiens das unbezwinglichste und berühmteste, und es wird durch ganz Asien für ein Wunder der alten Befestigungskunst betrachtet. Es ist das Werk der Hindus und fast Tausend Jahre alt. Es liegt an der Straße von Ellora nach Aurungabad, im Gebirgslande Deccan, zu dem es der Schlüssel ist.

Ein Berg, der einem runden Dom mit hoher Kuppel nicht unähnlich sieht, erhebt sich einsiedlerisch aus einer fruchtbaren und reizenden Ebene, und auf seinem Scheitel thürmt sich die Veste auf, in schwindelnder Höhe über der Stadt, welche am Fuße sich lagert. Den Berg, von halbstündigem Umfang und 700 Fuß Höhe, umziehen in zweistündiger Entfernung starke Außenwerke: hohe Mauern und tiefe Gräben, über welche Zugbrücken führen. Kömmt man näher, so erstaunt man, den Berg selbst in seiner ganzen Runde und bis auf eine Höhe von 160 Fuß senkrecht behauen zu finden. Nur an einer einzigen Stelle ist er zugänglich mittelst eines unterirdischen Felsenwegs, dessen befestigter Eingang nur einen Menschen auf einmal zuläßt. Er führt im Zickzack über mit Fallthüren belegte Abgründe und geht unter mehren engen Pforten hin, über welche man mit Grauen breite, scharfe Messer, wie Guilliotinen, blinken sieht, welche nur des Winkes harren, um auf den Durchgehenden herab zu stürzen. An andern Stellen bewegen sich Sensen und andere Schneideinstrumente an schweren Eisenwellen im Kreise, Jeden, der bis zu ihnen dringen möchte, mit sicherem Zerschneiden drohend. 600 Klafter lang ist dieser grauenvolle Weg, auf dem mit jedem Schritte den Eindringenden neue Todesschrecken harren, und von ihm verzweigen sich noch engere Felsengallerien nach den Vorrathshäusern, Kasematten und Batterien in die Tiefe des Berges. Jener Aufgang endigt an der zweiten Felsmauer, die 60 Fuß hoch, rundum senkrecht und glatt abgearbeitet ist. Von da aus geht ein schwindlicher Pfad durch mehre starke Thore, immer im Zickzack und unter dem Feuer der unsichtbaren Batterien hinauf zur dritten, abermals 60 Fuß hohen, senkrechten Felswand, auf deren Höhe die bombenfesten Gebäude der Festung selbst emporsteigen. Sie umgeben einen Hof, dessen Mitte ein isolirter, sehr hoher Thurm mit Zinnen einnimmt, wo die Fahne Britanniens stolz neben der des Nabob von Hyderabad weht, dem, einem Vasallen und Verbündeten Englands, die Veste gehört.