Das Antonius-Kloster auf dem Libanon

CXXII. Das Forum in Rom Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
CXXIII. Das Antonius-Kloster auf dem Libanon
CCXXIV. Trostberg in Tyrol
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KLOSTER ST ANTONIO
auf dem Libanon

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CXXIII. Das Antonius-Kloster auf dem Libanon.




Auf hohen Bergen werden unsere Betrachtungen hehr, erhaben, angemessen den großen Gegenständen, die durch das Auge auf uns wirken, und sie sind mit einer unnennbar stillen Freudigkeit verbunden, die nichts Herbes und nichts Sinnliches hat. Die gemeinen und irdischen Empfindungen bleiben zurück in dem Maaße, als man sich über die Wohnungen der Menschen erhebt. Darum suchte der Schmerz und der Kummer von jeher so gern Erleichterung und Trost auf den Höhen. Schon die Bibel erzählt, daß große Unglückliche, David, die Propheten, der Heiland selbst, sich in den Tagen der Trübsal in die Gebirge zurückzogen. „Ich will auf die Berge steigen“ sagt Jeremias, „um zu weinen und zu klagen“ und auf dem Oelberge trank Jesus Christus den Kelch der Schmerzen.

[88] Aus gleichem Grunde waren sie stets eine Zuflucht der Menschen, die in der Abgeschiedenheit von der Welt Vergessenheit aller irdischen Sorgen suchten, um der Selbstbeschauung und der Andacht sich zu weihen. In des Christenthums ersten Jahrhunderten zogen sich Tausende in Gebirge zurück, um zu einer ruhigen Betrachtung der neuen Lehre zu gelangen, wozu sie im Gewühle des Alltagslebens nie kommen konnten. Die Ruhe des neuen Wohnorts ging unvermerkt in ihre Seele über, sie fanden Friede und Freude in den öden Felsen und in der Heimath der Ungewitter den heitern Seelenhimmel, aus dem sie nur mit Grausen auf das Treiben in der Tiefe zurückdachten. Sie blieben, und so wurden aus ihnen Einsiedler, Bußprediger und Heilige. – An den Orten, welchen ihr Aufenthalt Weihe gegeben hatte, baute in spätern Zeiten die fromme Einfalt Kapellen, Kirchen und Klöster, und daher kömmt es, daß sich zuweilen in den unwirthbarsten Gegenden, auf den höchsten Gebirgen, noch jetzt die prächtigsten und größten religiösen Gebäude vorfinden, während eine weit größere Anzahl ihr einstiges Vorhandenseyn durch malerische Trümmer verkündiget. –

Auf diese Weise entstand auch, nahe am ewig beschneiten Hochrücken des Libanon, in der schauerlichsten Einöde, das berühmte Maronitenkloster, welches dem heiligen Antonius geweiht ist. – In den Klüften der Felsen, auf denen dieß festungsähnliche Gebäude steht, das einer der besuchtesten Wallfahrtsorte des Orients ist, lebte nämlich der Klausner Antonius im dritten Jahrhundert, einer der gefeiertsten Lehrer und Heiligen der christlichen Urzeit. – Die Anzahl der Mönche, die im Kloster wohnen, ist gegenwärtig zwischen achtzig und neunzig, dreißig andere leben in den Felsschluchten der Nähe, nach der Weise ihres Meisters, in Kasteiung und Gebet. Die meisten Zellen, die Kirche selbst, sind mit unsäglicher Mühe aus den Felsen gehauen, an welcher Arbeit, der Sage nach, 20,000 Pilger geholfen haben sollen. Zehn Stunden jeden Tags sind dem Gebete gewidmet. Da die Mönche es stehend verrichten müssen, so trägt jeder 2 Krücken, um sich darauf zu stützen und so stehend zu ruhen. In dieser Stellung die ganze Congregation im Gebete in unterirdischer Kirche versammelt zu sehen, bei’m Scheine des Kerzenlichts – unbeweglich wie Marmorstatuen – ist ein seltsamer Anblick.

Bei der weiten Entfernung des Klosters von jedem andern Wohnort der Menschen, müssen die Mönche alle Handwerksarbeiten selbst verrichten, und jeder hat eine gewisse für den ganzen Verein zu besorgen. Der eine ist Schuster, der andere Schneider, der dritte Tischler, der vierte Schlosser u. s. w. Eine Hauptmerkwürdigkeit ist die Druckerei, die älteste des Morgenlandes, und für zwei Jahrhunderte die einzige Syriens, welche die Christen dieses Landes mit Religionsbüchern in der arabisch-syrischen Mundart versorgt. Das Papier erhalten sie von Venedig, die Lettern verfertigen sie in ihrer eigenen Schriftgießerei. Selbst eine Steindruckerei besitzen seit einigen Jahren die industriösen Mönche, womit sie Heiligenbilder hervorbringen, welche im Morgenlande gerne gekauft werden.

[89] Ein anderer nicht minder einträglicher Erwerbzweig ist das Austreiben der bösen Geister, ein unveräußerliches Erbe vom heiligen Antonius. Selbst die türkischen Behörden fröhnen diesem Aberglauben und schicken jährlich eine Menge Verrückte hieher, welche in der vermeintlichen Höhle des Heiligen an den Felsen geschmiedet und täglich 6mal unter Gebeten und Bannsprüchen der Mönche gegeißelt werden. Diese rohe Kur ist oft von Erfolg. Gemeinlich kommen die Kranken binnen wenigen Wochen wieder zum Gebrauche ihrer Vernunft, und nicht selten heilt sie schon der erste Tag. Wenn aber die Kur mißlingt, dann setzen es die Mönche auf Rechnung der Ungläubigkeit ihrer Patienten.