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Ein anderer nicht minder einträglicher Erwerbzweig ist das Austreiben der bösen Geister, ein unveräußerliches Erbe vom heiligen Antonius. Selbst die türkischen Behörden fröhnen diesem Aberglauben und schicken jährlich eine Menge Verrückte hieher, welche in der vermeintlichen Höhle des Heiligen an den Felsen geschmiedet und täglich 6mal unter Gebeten und Bannsprüchen der Mönche gegeißelt werden. Diese rohe Kur ist oft von Erfolg. Gemeinlich kommen die Kranken binnen wenigen Wochen wieder zum Gebrauche ihrer Vernunft, und nicht selten heilt sie schon der erste Tag. Wenn aber die Kur mißlingt, dann setzen es die Mönche auf Rechnung der Ungläubigkeit ihrer Patienten.




CCXXIV. Trostberg in Tyrol.




Nicht leicht kann eine Straße reicher an gefälligern Abwechselungen seyn und überraschendere Kontraste darbieten, wie der alte Heerweg von Innsbruck nach Verona über den niedrigsten der Alpenpässe, welche Deutschland mit Italien verknüpfen, den nämlichen, den die römischen Legionen zogen, als sie die Eroberung unseres Vaterlandes versuchten.

Gleich hinter Innsbruck zieht sich die Straße, an der Abtei Wildau vorbei, aufwärts, und der Reisende betritt den klassischen Boden Tyrols. Von hier bis Brixen ist nämlich jede Meile ein Schlachtfeld, auf dem nach der heldenmüthigen Erhebung der Tyroler am 8. April 1809 zur Abschüttelung des verhaßten Baiern-Jochs, dieses kleine Bergvolk gegen die ungeheuerste Uebermacht kämpfte; nicht für die Freiheit, sondern für die angestammte alte Herrschaft Oesterreichs, das eine so seltene und so großherzige Hingebung übel vergalt und die Betrogenen ihrem Schicksal überließ. Am Iselberge, über den die Straße zieht, erfochten die tapfern Bergbewohner jenen berühmten Sieg über das französisch-bayerische Heer, in dessen Folge acht tausend Mann das Gewehr streckten und eine Menge von Napoleons welterobernden Adlern und Fahnen das Loos traf, neben den Gnadenbildern auf den Tyroler Bergen als Trophäen zu prangen. – Vom Isel ist ein prächtiger Rückblick auf das eben verlassene Innsbruck. Von der nächsten Station, Schönberg, schaut man in das Stubeyer Thal hinein, das seines Gletschers wegen oft besucht wird; dann geht es das angenehme Sillthal hinauf durch den Flecken Mattrey und das Dorf Steinach, von wo der Weg zum Brenner-Paß bequem und in weiten Schlangenwindungen hinansteigt. Der höchste